Telefonische Rechtsberatung Nur für leichte Kost

Der Bundesgerichtshof hat es klargestellt: Anwaltsrat über 0 190-Dienste ist ­zulässig. Die bequeme

Nummer birgt aber Risiken.

Dem Anwalt an der Hotline der Firma Infogenie war es hörbar unangenehm: Finanztest hatte für 1,86 Euro pro Minute bei der Infogenie-Nummer 0 190 8/7 32 4 0 angerufen, wurde zum Anwalt durchgestellt und stellte nur eine Frage: „Wissen Sie, ob bei der telefonischen Rechtsberatung ein Fernabsatzvertrag zwischen Anrufer und Anwalt geschlossen wird?“

Der freundliche Jurist druckste herum, wich aus und musste letztlich passen. Dabei sollte das Wissen über das Recht der eigenen Dienstleistung zum Einmaleins der Telefonanwälte gehören. Ein Handwerker weiß schließlich auch, ob er mit Kunden einen Werk- oder einen Dienstvertrag abschließt.

„Ja, telefonischer Rechtsrat ist ein Fernabsatzgeschäft“, wäre die richtige Antwort gewesen. Und: „Deshalb müssen Telefonanwälte Anrufer bei Gesprächsbeginn über ihre Identität, ihre Anschrift und die Kosten informieren.“ Das wäre das Optimum gewesen, wie es auch der Deutsche Anwaltverein bestätigt. Darauf kamen aber weder der Infogenie-Anwalt noch die Betreiber anderer Hotlines, bei denen Finanztest ebenfalls nachfragte.

Auch Telefonanwälte haften

Gemeldet hatte sich der Anwalt übrigens nur mit seinem Nachnamen. Mehr Infos hätten Anrufer erfragen müssen. Die Kosten des Gesprächs nannte immerhin vorab eine Automatenstimme. Alles in allem also ein eher dürftiger Gesprächseinstieg, gemessen an den Anforderungen der Fernabsatzregeln.

Die sollen sicherstellen, dass Kunden bei Beratungsfehlern wissen, mit wem sie es zu tun hatten. Für Schäden aus schlechter Beratung haften Anwälte. Sie sind sogar verpflichtet, sich gegen solche Schäden zu versichern. Hotline-Anrufer tun also gut daran, zu Beginn der Beratung genau nachzufragen, um im Schadensfall wenigstens den Schuldigen benennen zu können. Ob dem Anwalt ein Fehler dann auch nachgewiesen werden kann, ist aber ungewiss. Schließlich hat man den Anwaltspatzer beim Telefonrat nicht schwarz auf weiß.

Gute Karten in einem späteren Haftungsstreit mit dem Anwalt haben Anrufer, wenn sie die Beratung mit Zustimmung des Anwalts mithören lassen und sich Notizen machen.

Anwalt kann nicht alles wissen

Vorsicht ist unbedingt geboten, denn es liegt auf der Hand: Wenn Telefonanwälte schon die Rechtsgrundlagen der eigenen Dienstleistung nicht kennen, dann sind auch Wissenslücken etwa im Bank-, im Reise- oder im Verkehrsrecht wahrscheinlich.

Klar ist, dass ein Anwalt nicht alles wissen kann und wissen muss. Das deutsche Recht füllt Bücherwände. Klar ist aber auch, dass er deshalb im Zweifel nachlesen und ein Problem mit Kollegen beratschlagen muss, bevor er eine Lösung nennt. Das geht beim telefonischen Rechtsrat nun aber nicht. Wer anruft, will sofort Rat.

Solange die Hotlineanbieter ihre Leitungen nicht nach Rechtsgebieten ordnen und etwa eine Mietrechtshotline anbieten, an der ausschließlich ausgewiesene Mietrechtspezialisten sitzen, bleibt ein hohes Risiko von Beratungsfehlern. Darauf hat jüngst auch der Bundesgerichtshof (BGH) hingewiesen, als er entscheiden sollte, ob die schnellen Ratgebernummern zulässig sind (Az. I ZR 44/00; 102/00).

Was ist leichte Kost?

Gleichwohl haben die Richter den 0 190-Rechtsrat für zulässig erklärt. „Ein Bedarf an spontaner telefonischer Beratung über Rechtsfragen des Alltags“ sei nicht zu verkennen. Durch die Blume haben die Richter damit aber auch gesagt: Der Telefonrat funktioniert nur, wenn es um juristisch leichte Kost geht.

Welches Problem aber für die Telefonberatung geeignet ist, können Laien oft kaum einschätzen. Sicher ist zumindest: Wenn Anwälte Verträge oder Schriftwechsel einsehen müssen, um einen Rat zu erteilen, ist der Gang in die Kanzlei notwendig und der Telefonrat Geldverschwendung. Auch wenn Mandanten merken, dass bereits die Schilderung des Falles eine Viertelstunde dauert, sollte der Hörer schon aus Kostengründen auf der Gabel bleiben. Erste Orientierung könnten Telefonanwälte aber beispielsweise in solchen Fällen geben:

  • Im Streit um Unterhalt nach einer Scheidung fällt der Begriff „Düsseldorfer Tabelle“. Ein Anruf kann klären, was es mit der Tabelle (in der Unterhaltssätze gelistet sind) auf sich hat.
  • Nach dem Auszug des Mieters stellt der Vermieter leichte Schäden an der Einbauküche fest und erklärt, er werde auf Kosten des alten Mieters eine neue Küche einbauen. Ein Telefonanwalt kann hier erste Verhaltenshinweise geben: Die Schlüsselübergabe sollte verschoben, die Schäden mit Zeugen und Kamera dokumentiert werden.
  • Nach einem Verkehrsunfall wird ein Beteiligter gedrängt, ein Schuldanerkenntnis zu unterschreiben. Ein Anruf klärt, dass er auf keinen Fall unterschreiben und im Zweifel auch der Polizei gegenüber keine Aussage machen sollte.
  • Ein Urlauber will seinen Reisepreis um die Hälfte mindern, da er Kakerlaken im Hotelzimmer hatte. Am Telefon erfährt er, unter welchen Voraussetzungen er überhaupt Geld zurückbekommt: Er muss den Reisemangel schnellstmöglich gerügt haben und Fristen wahren. Er würde auch hören, dass seine Forderung (50 Prozent) zu hoch ist.

Hotlines sind nicht immer billiger

Der Telefonrat hat also eher Feuerwehrcharakter oder klärt allgemeine Fragen. Die endgültige Lösung eines akuten Problems dürfte nur selten am Ende der Beratung stehen. Vielmehr werden Anrufer meist zu hören bekommen, dass sie anschließend Kontakt mit einem Kanzlei-Anwalt aufnehmen sollten.

Grundsätzlich ist auch nichts dage­gen einzuwenden, wenn Telefonanwälte klipp und klar sagen: „Das weiß ich nicht.“ Eine „Geld-zurück-Garantie“ bietet aber keine Hotline. Allein der „Tele-Rechtsanwalt“ will zumindest bei technischen Störungen zahlen. Wer bereits weiß, dass seine Sache vertrackt ist, kann sich das teure Telefonat also schenken, zumal der Rat beim Kanzleianwalt nicht zwingend teurer sein muss als die Hotlinegebühren eines ausgedehnten Rechtsgesprächs. Zum Vergleich:

Wird etwa der Kakerlakenfall am Telefon eine Viertelstunde besprochen, sind bei 1,86 Euro pro Minute rund 28 Euro fällig. Bei einem Anwalt, der mit der Rechtsanwaltsgebührenordnung (Brago) arbeitet, sieht die Rechnung so aus: Er geht vom so genannten Gegenstandswert aus, also von dem Betrag, um den es geht. Eine Reisepreisminderung wegen Ungeziefers bewegt sich häufig bei 10 Prozent. Angenommen, die Reise kostete 3 000 Euro, dann beträgt der Gegenstandswert also 300 Euro. Daran angelehnt berechnet er die Gebühren. Maximal dürfen dann nach Brago für eine einfache Beratung im Kakerlakenfall 25 Euro verlangt werden. Üblich sein dürften sogar lediglich rund 14 Euro. Denn nur bei schweren und aufwendigen Fällen darf die volle Gebührenhöhe verlangt werden.

Telefonrat auch gegen Pauschale

Wer vorab Gewissheit über die Kosten und trotzdem telefonischen Rat haben will, findet im Internet zahlreiche Anwaltskanzleien, die ebenfalls Telefonrat anbieten und nach einem Vorgespräch das Honorar individuell festlegen. Andere Anwälte verlangen pro Rat pauschale Sätze.

Nach dem Urteil des BGH dürfte auch das zulässig sein. Allerdings kann dort bei kurzen Ratschlägen leicht das Preis-Leistungs-Verhältnis verrutschen: So verlangt etwa der Anwalt Ralf Prause (www.dasrecht24.de) aus Stadecken-Elsheim pro Rat pauschal 116 Euro. Am Wochenende und nach Feierabend werden sogar 220 Euro fällig. Das ist der Betrag, den Rechtsanwälte (inklusive Steuern und Auslagenpauschalen) für eine Erstberatung maximal verlangen dürfen. Ein Anrufer mit dem oben geschilderten Kakerlakenproblem würde da also ordentlich draufzahlen.

Mehr zum Thema

0 Kommentare Diskutieren Sie mit

Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.