
Erreger und Impfung. Gegen Pneumokokken hilft unter anderem der Impfstoff Pneumovax 23. © Your Photo Today / Cavallini James
Pneumokokken können Lungenentzündungen verursachen – in Kombination mit Covid-19 ein weiteres Risiko. Unsere Experten sagen, wer von der Pneumokokken-Impfung profitiert.
Impfstoffe Prevenar und Pneumovax öfter knapp
Pneumokokken? Noch vor Monaten kannte wohl kaum jemand diese Erreger. Das hat sich seit Ausbruch der Corona-Pandemie geändert. Im Zuge steigender Infektionsraten hatten Behörden wie das Bundesgesundheitsministerium Senioren aufgerufen, sich gegen Pneumokokken impfen zu lassen. Das biete zusätzlichen Schutz.
Viele Menschen folgten dem Rat; schnell überstieg die Nachfrage das Angebot. Seither waren die Pneumokokken-Impfstoffe Prevenar und Pneumovax laut Behördenangaben häufig nur „eingeschränkt verfügbar“, zum Jahresende 2021 gab es sie wieder. Wer sich etwa beim Hausarzt impfen lassen möchte, kann sich vor der Terminvereinbarung auf der Website des Paul-Ehrlich-Instituts informieren, ob derzeit Lieferengpässe bestehen.
Welche Personengruppen sollten vorrangig geimpft werden?

Pneumokokken-Impfung. Unsere Experten empfehlen sie unter anderem kleinen Kindern und gefährdeten Senioren. © iStockphoto / FatCamera
Das sagt die Stiko. Um die Ressourcen bestmöglich zu nutzen, hat die Ständige Impfkommission (Stiko) Hinweise veröffentlicht, wer bei Lieferengpässen entsprechender Pneumokokken-Impfstoffe vorrangig geimpft werden sollte:
- Personen mit Immunschwäche,
- Menschen mit chronischen Erkrankungen des Herzens oder der Atmungsorgane,
- Senioren ab 70 Jahre,
- Babys und Kleinkinder bis zwei Jahre.
Anmerkung: Diese Empfehlungen gelten in Zeiten knapper Impfstoffe. Normalerweise empfiehlt die Stiko die Impfung Personen ab 60 Jahren, Babys und Kleinkindern in den ersten beiden Lebensjahren sowie Menschen mit Immunschwäche oder verschiedenen weiteren chronischen Krankheiten.
Das sagen die Impf-Experten der Stiftung Warentest. „In der derzeitigen Situation ist zu erwarten, dass vor allem Senioren mit chronischen Krankheiten, etwa Diabetes, chronischen Lungen- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, sowie Menschen mit Immunschwäche und kleine Kinder von der Pneumokokken-Impfung profitieren“, sagt Dr. Judith Günther, Fachapothekerin für Arzneimittelinformation und Mitglied unseres Expertenkreises zum Thema Impfen. „Die Impfung schützt Risikogruppen zwar nicht vor den Coronaviren selbst, aber möglicherweise vor zusätzlichen Lungenentzündungen durch Pneumokokken, die den Krankheitsverlauf erschweren können.“
Die Impfempfehlungen der Stiftung Warentest
Kinder. Mehr als ein Dutzend Kinderimpfungen werden derzeit von der Ständigen Impfkommission (Stiko) empfohlen. Im Special Impfungen für Kinder ordnen unsere Experten sie ein.
Erwachsene. Welche Impfungen für Erwachsene sinnvoll sind und wann Auffrischungen fällig sind, steht in unserem Special Impfungen für Erwachsene.
Nutzen bei kleinen Kindern am besten belegt
Grundsätzlich sei der Nutzen bei kleinen Kindern am besten belegt. Die Pneumokokken-Impfung stufen unsere Experten für sie daher als sinnvoll ein. Als sinnvoll schätzen sie auch die Pneumokokken-Impfung für Patienten ein, die an chronisch obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) leiden. Bei COPD-Patienten, die gegen Corona geimpft sind, treten akute Verschlimmerungen des Krankheitsbildes und Lungenentzündungen seltener auf. Die Impfung anderer Risikogruppen werten unsere Experten als voraussichtlich sinnvoll (siehe Tabelle unten).
Für wen die Impfung gegen Pneumokokken sinnvoll ist
Die Tabelle zeigt die Einschätzung der Stiftung Warentest zur Impfung von Personengruppen, die durch eine Infektion mit Pneumokokken gefährdet sind.
Für Kinder unter 2 Jahren |
Für Ältere ab 60 Jahre1 |
Für Risikogruppen, etwa mit Immunschwäche |
|
Empfohlener Impfstoff |
Prevenar 132 |
Pneumovax 233 |
Pneumovax 234 |
Empfohlener Impfplan |
Drei Impfstoffdosen: je eine im Alter von 2, 4 und 11 bis 14 Monaten |
Eine einzige Impfstoffdosis |
Eine einzige Impfstoffdosis4 |
Immunität |
Eine Auffrischungsimpfung ist wahrscheinlich unnötig. |
Eine Wiederholungsimpfung nach sechs Jahren ist wahrscheinlich sinnvoll. |
Eine Wiederholungsimpfung nach sechs Jahren ist wahrscheinlich sinnvoll. |
Unsere generelle Einschätzung |
Die Impfung ist sinnvoll. Sie kann bei jungen Kindern nachweislich schwerwiegende Erkrankungen durch Pneumokokken-Infektionen verhindern. |
Die Impfung ist voraussichtlich sinnvoll. Es ist nicht ausreichend belegt, dass die Zahl der Lungenentzündungen durch die Impfung sinkt. Sie kann aber seltene, sehr schwere Erkrankungen wie Blutvergiftung durch die Erreger nachweislich verhindern. |
Die Impfung ist voraussichtlich sinnvoll. Der Nutzen für Risikopatienten, etwa Immungeschwächte, sollte noch besser belegt werden. Doch hat diese Gruppe ein erhöhtes Gesundheitsrisiko – das spricht für die Impfung. |
Unsere Empfehlung in Zeiten knapper Impfstoffe |
Unsere Empfehlung, kleine Kinder bis zu einem Alter von 2 Jahren zu impfen, gilt unverändert (siehe oben). |
Wir raten vorrangig Senioren mit Erkrankungen der Atmungsorgane, des Herzkreislaufsystems oder mit Diabetes zur Impfung. Sie können von ihr besonders profitieren. |
Wir raten vorrangig Patienten, die eine Immunschwäche haben oder immundämpfende Medikamente einnehmen, zur Impfung. Sie können von ihr besonders profitieren. |
- 1
- Die Studiendaten lassen nicht zu, die Altersgrenze eindeutig festzulegen.
- 2
- Für Kinder gibt es alternativ den Impfstoff Synflorix. Er sollte höchstens zum Einsatz kommen, wenn Prevenar nicht verfügbar ist, da er weniger Erregertypen abdeckt.
- 3
- Menschen ab 60 Jahren sollten ausschließlich den Impfstoff Pneumovax bekommen. Er deckt die Erregertypen, an denen Ältere häufig erkranken, besonders gut ab.
- 4
- Bestimmte Risikogruppen wie Immungeschwächte bekommen normalerweise eine Impfung sowohl mit Prevenar als auch mit Pneumovax in einem gewissen zeitlichen Abstand. Zu Zeiten knapper Impfstoffe wird diese Empfehlung möglicherweise ausgesetzt.
Wann die Keime riskant sind
Pneumokokken sind Bakterien und werden per Tröpfcheninfektion übertragen, etwa beim Husten oder Niesen. Sie siedeln sich bei vielen Menschen im Nasen-Rachen-Raum an, meist ohne sie krank zu machen. Ist das Immunsystem aber geschwächt, können sie beispielsweise Blutvergiftungen, Entzündungen des Mittelohrs oder der Hirnhaut verursachen – und vergleichsweise häufig Lungenentzündungen. Zur Behandlung dienen Antibiotika, die aber nicht immer ausreichend wirken.
Wem die Kasse die Impfung zahlt
Für alle, denen die Ständige Impfkommission die Pneumokokken-Impfung empfiehlt, tragen Krankenkassen die Kosten: Kinder bis zwei Jahre, Patienten mit bestimmten chronischen Krankheiten, Ältere ab 60. Das gilt auch in Zeiten von Lieferengpässen, in denen die Stiko enger gefasste Hinweise zum Impfen gibt.
Auf den Impfstoff kommt es an
Es gibt zwei Impfstofftypen: Polysaccharid aus den Zuckern der Bakterienhülle sowie Konjugat – bei ihm sind die Polysaccharide an ein Eiweißmolekül gebunden. Da Polysaccharid-Impfstoffe bei Kindern bis zwei Jahre nicht ausreichend wirken, sind für sie zwei Konjugat-Impfstoffe zugelassen: Prevenar schützt vor 13 verschiedenen Unterformen der Pneumokokken, Synflorix nur vor 10. Wir empfehlen nach Möglichkeit Prevenar. Senioren und Risikopatienten bekommen in der Regel Pneumovax. Das ist ein Polysaccharid-Impfstoff, der 23 Erregertypen umfasst.
Komplikationen sind selten
Komplikationen durch die Impfung sind sehr selten. Es kann zu Nebenwirkungen kommen, die aber meist innerhalb weniger Tage vergehen: Oft rötet sich die Einstichstelle, schwillt an oder schmerzt. Auch allgemeine Krankheitszeichen wie Fieber treten möglicherweise auf.
Der richtige Zeitpunkt für den Pikser

Piks. In der Regel werden Impfstoffe gegen Pneumokokken in den Oberarm gespritzt. © iStockphoto / Nastco
Pneumokokken-Erkrankungen haben vor allem in den kalten Monaten Saison. Daher werden Erwachsene häufig im Herbst geimpft, etwa parallel mit der Grippeimpfung. Alle sechs Jahre kann eine Auffrischung sinnvoll sein – am besten mit dem Arzt besprechen.
Impfstoffe für kleine Kinder werden dreimalig in bestimmten Lebensmonaten gespritzt, zum ersten Mal möglichst mit zwei Monaten. Auch das kann zeitgleich mit einem anderen Piks wie der Sechsfachimpfung erfolgen.
Zeitgleiche Covid-19-Impfung ist möglich
Die Pneumokokken-Impfung kann auch zeitgleich mit einer Covid-19-Impfung erfolgen, es muss kein Impfabstand eingehalten werden. Zunächst hatte die Stiko als Vorsichtsmaßnahme einen Mindestabstand von 14 Tagen empfohlen. Dieser wird aufgrund umfangreicher Daten zur Sicherheit und Verträglichkeit mittlerweile nicht mehr für erforderlich gehalten. Werden mehrere Impfungen an einem Termin verabreicht, sollen diese aber nicht am gleichen Arm erfolgen.
Tipp: Für Risikogruppen wie Senioren und chronisch Kranke sind allgemeine Maßnahmen wie Abstand halten, Hände waschen, Kontakte reduzieren besonders wichtig, schreibt das Robert-Koch-Institut. Das schützt vor Covid-19 ebenso wie vor der Übertragung anderer Infektionen wie Pneumokokken.
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@Benutzerinnen: Bluthochdruck gehört zu den Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Ob Sie zu einer Risikogruppe für einen schweren Verlauf einer Pneumokokkeninfektion gehören, können wir nicht beantworten (hier wären weitere Faktoren, wie etwas das Alter oder wie die etwaige Behandlung des Bluthochdrucks erfolgt, zu berücksichtigen) – und wir dürfen auch keinen individuellen medizinischen Rat geben. Bitte besprechen Sie mit Ihrem Arzt, ob eine Pneumokokkenimpfung für Sie wichtig ist. Unsere grundsätzliche Einschätzung der Impfung für verschiedene Personengruppen finden Sie in der Tabelle. (ka/cr)
Sollte eine Pneumokokkenimpfung bei Bluthochdruck - essentieller Hypertonie - durchgeführt werden? Zählt Bluthochdruck als "Herz-Kreislauf-Erkrankung" und damit als Risikofaktor für einen schweren Verlauf einer Pneumokokkeninfektion?
@Ilse-47: In der Regel ist auf die Meinung des behandelnden Arztes und Apothekers Verlass. Eine individuelle Empfehlung aus der Ferne ist nicht möglich. Die Stiftung Warentest veröffentlicht grundsätzliche Einschätzungen zu Impfungen für bestimmte Personen- und Altersgruppen. Die Entscheidung, ob eine Impfung im Einzelfall möglich ist, kann und darf nur ein Arzt treffen - so kann z.B. eine akute oder chronische Erkrankung eine Kontraindikation für eine Impfung sein. Die Arbeit der Stiftung Warentest schließt somit konkrete Empfehlungen für den Einzelfall aus. Wir bitten Sie in diesem Punkt um Ihr Verständnis. Möglicherweise hilft es Ihnen, eine zweite ärztliche Meinung einzuholen. (ka/cr)
Leider sieht dies die örtliche Kardiologin wie auch die Apothekerin nicht so. Vor allem wird abgeblockt, da ja kein Impfstoff erhältlich ist. Reservieren oder benachrichtigen geht nicht. Zum zweiten nahezu wortgleich: Die Impfung könnte das Immunsystem völlig herunterfahren mit all den damit verbunden Risiken, insofern wird tunlichst von einer sofortigen Impfung abgeraten. Das alles erinnert mich an die Diskussion um den Maskenschutz. Weil keine vorhanden waren hat man die Masken verteufelt. Jetzt gibt es offensichtlich genug und plötzlich wird sogar Maskenpflicht angeordnet. Der Artikel von Stiftung Warentest hatte mich eigentlich überzeugt und zur sofortigen Imfpung (73 Jahre) animiert. Aber was nun???
@tgv: Danke für Ihre Rückmeldung und es freut uns, dass der Artikel für Sie sehr informativ war. (cr)