Sarah Wagner lebt mit einer transplantierten Lunge. Erik Lemke wartet auf eine neue Leber. Zwei Betroffene erzählen, wie sie mit ihrer Situation zurecht kommen.
„Wegen Organmangels in Deutschland bin ich nach Spanien gezogen“

Eine Autoimmunerkrankung hat Erik Lemkes Leber so stark in Mitleidenschaft gezogen, dass er eine neue Leber benötigt. © Charlotte Deckers
Erik Lemke, 39, Barcelona*. Vor rund einem Jahr verlegte der Filmemacher und gebürtige Dresdener seinen Wohnsitz nach Spanien. Sein Grund: Nach ärztlicher Prognose benötigt er eine neue Leber. Therapien und Medikamente reichen nicht aus, um seine durch eine Autoimmunerkrankung ausgelöste Leberzirrhose, eine Zerstörung der Leber, zu stoppen. Doch die Aussicht in Deutschland ein Spenderorgan zu erhalten, ist wegen der niedrigen Spenderzahlen gering. Lemke, der in Spanien auch krankenversichert ist, hofft jetzt dort auf eine höhere Überlebenschance.
Warteliste. In Deutschland ist Voraussetzung für ein neues Organ zunächst die Aufnahme in eine Warteliste für Spenderorgane. Die richtet sich nach einem Punktesystem. Maßgebend sind etwa die Erfolgsaussicht und die Notwendigkeit einer Transplantation für das Überleben der Patientin oder des Patienten sowie medizinische Kriterien. Diese legt die Bundesärztekammer fest. Lemke ist nicht auf der Warteliste, weil er noch nicht alle Voraussetzungen erfüllt.
Aussichten. In Spanien sind die Organspenderzahlen höher als hierzulande und Transplantationen anders in den Klinikalltag integriert. Auch die medizinischen Voraussetzungen für Organspender unterscheiden sich: Nach einer Herztod-Diagnose können Spenderinnen und Spender ermittelt werden – anders als in Deutschland – wo die Hirntod-Diagnose gilt.
„Ich bin jeden Tag dankbar für meine neue Lunge“

Eine angeborene Stoffwechselkrankheit schädigte die Lunge von Sarah Wagner schwer. Sie bekam ein Spenderorgan. © Heiko Meyer
Sarah Wagner, 40, Schwalmstadt in Hessen*. „Ich habe wieder Lebensqualität. Ohne Sauerstoffgerät kann ich reisen oder spazieren gehen – das war lange nicht möglich.“ Sarah Wagner hat Mukoviszidose, eine angeborene Stoffwechselkrankheit, die als nicht heilbar gilt. Durch sie werden Organe wie Lunge oder Bauchspeicheldrüse dauerhaft geschädigt. Seit ihrer Kindheit litt sie an Atemnot, Husten und anderen Beschwerden. Vor sechs Jahren erhielt sie – mit 34 Jahren – eine neue Lunge.
Schwere Entscheidung. Das Ja zu einer Transplantation ist ihr nicht leicht gefallen. Obwohl sie alle Kriterien erfüllte, um auf die Warteliste für ein Spenderorgan zu kommen, wollte sie trotz ärztlichen Rats nicht auf die Liste. Ängste und eine depressive Stimmungslage hinderten sie daran, sich für ein fremdes Organ zu entscheiden. Erst als es ihr zunehmend schlechter ging, stimmte Sarah Wagner zu: „Es war ein Prozess. Plötzlich wusste ich, dass ich es schaffen kann.“
Langer Weg. Wagners Start mit der neuen Lunge verlief nicht komplikationslos. Sie musste lernen, mit Nebenwirkungen der starken Medikamente klarzukommen, die sie ihr Leben lang einnehmen muss. „Eine Transplantation ist kein Spaziergang“, sagt sie. Auch heute gehört eine engmaschige ärztliche Betreuung zum Alltag. Berufstätig ist die frühere Bürokauffrau nicht, sie bezieht eine Erwerbsminderungsrente. „Mir geht es gut. Ich bin dankbar für meine Lebensqualität.“
* Die Interviews mit den Betroffenen fanden im Jahr 2023 statt.
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Hallo, ich würde meine Spendenbereitschaft gern auch online abgeben. Leider finde ich das Verfahren derart umständlich, dass ich mich damit nicht beschäftigen will. Und ich bin noch jung und halbwegs IT-versiert. Warum kann die Registrierung nicht wie bei einem Bankkonto zusätzlich per PostIdent-Verfahren angeboten werden und zwar für all die Menschen, die so eingeschränkt sind, dass sie ohne Hilfe diese Aufgabe nicht lösen könnten, aber noch zur Post gehen können? Warum wird die Teilhabe einer großen Gruppe von Menschen bei IT-gestützten Verfahren immer wieder missbeachtet? Und sicher denkt niemand der heute AppPhone-nutzenden-Menschen, insbesondere der Programmier und Auftraggeber, dass sie morgen durch Krankheit oder Unfall auch zu denen gehören könnten, die solcher Art nicht mehr selbst können und Hilfe brauchen.
@Bankbuster: das ist korrekt. Wenn jemand z.B. im Koma liegt und es besteht keine Aussicht darauf, dass er je wieder aufwacht, dann möchte er vielleicht keine lebensverlängernden Maßnahmen wie künstliche Beatmung. Eine Organspende ist in diesem Fall nicht möglich, da ja kein "Hirntod" eintreten kann.
Der Hirntod ist - anders als immer behauptet - in Deutschland nicht das Kriterium für eine Organentnahme. In Deutschland reicht es, wenn wichtige Teile des Gehirns ausgefallen sind. Und das wird im Wesentlichen festgestellt, indem ein paar Stammhirn-Reflexe getestet werden.
Diese Tests sind so primitiv, dass sie schon versagen, wenn z.b. jemand einen Selbstmordversuch mit Schlafmitteln gemacht hat. Dann würde er schon als hirntot gelten.
Mit einem Hirntod hat das also überhaupt nichts zu tun.
https://www.bundesaerztekammer.de/fileadmin/user_upload/BAEK/Themen/Medizin_und_Ethik/IHA_Anlage_1.pdf
@Bankbuster: Eine Patientenverfügung schließt eine Organspende nicht automatisch aus. In aktuellen Formularen / Vordrucken für eine Patientenverfügung kann die Bereitschaft für eine Organentnahme erklärt werden, etwa im Vordruck der Stiftung Warentest dass Sie über den Kauf des Vorsorge-Sets erhalten:
www.test.de/Vorsorge-Set
Dann wird ausnahmsweise für den Fall, dass eine Organspende medizinisch infrage kommt, der kurzfristigen Durchführung intensivmedizinischer Maßnahmen zur Bestimmung des Hirntods bis zur anschließenden Organentnahme zugestimmt.
Spender sollten beachten, dass sich ihre Organspendewille und ihre Patientenverfügung gegenseitig ausschließen können. Bei einem Freund mussten die Ärzte die Angehörigen fragen, was denn nun gelten soll: die Organspende oder der Ausschluß intensivmedizinischer Behandlung, denn der Körper muss bis zur Organentnahme für Stunden oder auch einmal Tage maschinell am Laufen gehalten werden.
Eine Widerspruchslösung für die Organspende halte ich für einen Verstoß gegen Grundgesetz Artikel 1.