
Wenn Menschen keine selbstständigen Entscheidungen treffen können, wird eine rechtliche Betreuung notwendig. Der gesetzliche Betreuer darf dann entscheiden, ob die von ihm betreute Person noch zu Hause wohnen kann oder in ein Heim muss. Er ist für Gesundheits- und Vermögenssorge zuständig und kümmert sich um die Kommunikation mit Banken, Behörden und Pflege-Einrichtungen. Hier fassen die Rechtsexperten der Stiftung Warentest die wichtigsten Infos zum Thema zusammen.
Was macht so ein Betreuer eigentlich?

„Wer eine gesetzliche Betreuung übernimmt, braucht Zeit und darf keine Angst vor Bürokratie haben.“, Johannes Einhaus, 54, Projektleiter.
Betreuer regeln alles Bürokratische. Auf dem Esstisch von Johannes Einhaus liegt ein Stapel mit Post. Briefe von Krankenkassen sind dabei, Schreiben vom Jobcenter und einem Mobilfunkanbieter. Die Post ist nicht für ihn, sondern für zwei Frauen und einen Mann, für die er vor anderthalb Jahren eine gesetzliche Betreuung übernommen hat.
Viel Papierkram und Verantwortung. „Mit Ämtern und Pflegediensten reden und die Betreuten über mögliche Unterstützung informieren“, so umreißt Einhaus die Aufgaben, die er ehrenamtlich ausführt. Im Moment organisiert er unter anderem für einen 63-Jährigen den Eintritt in die Rente. Der Mann, der an einer neurologischen Erkrankung leidet und Arbeitslosengeld II bezieht, liegt derzeit im Krankenhaus. Einhaus besucht ihn regelmäßig – nicht nur um Details des Rentenantrags zu besprechen. „Es ist mein Anspruch, zu den Betreuten persönlichen Kontakt zu halten“, sagt er.
Wann ist eine Betreuung nötig?
Gesetzliche Betreuungen sind notwendig, wenn ein Mensch seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln und nicht mehr im eigenen Interesse Entscheidungen treffen kann. Betreute sind meist psychisch krank, geistig oder körperlich beeinträchtigt, süchtig oder dement. Einige wurden durch eine plötzliche Erkrankung wie einen Herzinfarkt oder durch einen Unfall aus ihrem bisherigen Leben geworfen.
Wie viele Betreute gibt es?
Insgesamt 1,3 Millionen Menschen stehen derzeit laut Angaben des Bundesverbands der Berufsbetreuer/innen unter gesetzlicher Betreuung. Vor 25 Jahren waren es lediglich 625 000. Als mögliche Gründe für den enormen Anstieg nennt der Verband unter anderem den demografischen Wandel und die Auflösung von Familienstrukturen. Rund 60 Prozent der Betreuungen leisten Angehörige und sozial engagierte Menschen wie Johannes Einhaus. In 40 Prozent der Fälle übernehmen Berufsbetreuer die Aufgaben. Meist sind sie Sozialarbeiter, Anwälte oder Pädagogen.
Wer ordnet eine gesetzliche Betreuung an?
Angeordnet werden gesetzliche Betreuungen heute von Betreuungsgerichten, die Teil der Amtsgerichte sind. Angehörige, Krankenhäuser, Nachbarn oder auch Vermieter können dort melden, wenn sie das Gefühl haben, dass ein Mensch Probleme hat, seinen Alltag zu bewältigen. Auch Meldungen von Betroffenen selbst und anonymen Hinweisen wird nachgegangen.
Nach wie vor geschäftsfähig. Bis zur Reform des deutschen Betreuungsrechts 1992 lautete die offizielle Bezeichnung Vormundschaft. Betreuer nannte man Vormund, die Betreuten Mündel. Eine wichtige Änderung in der Gesetzeslage: Betreute sind heute nach wie vor geschäftsfähig und können zum Beispiel Verträge unterzeichnen. Wer das nicht sinnvoll findet, muss die Aufhebung der Geschäftsfähigkeit vor Gericht beantragen.
Ist die Betreuung für immer?
Das Betreuungsgericht beauftragt Sachverständige wie Psychiater für Gutachten, in denen geklärt wird, ob und wie lange Hilfe erforderlich ist. Gibt es Bedarf, wird die Betreuung für ein halbes Jahr festgesetzt. Danach prüfen die Richter, ob eine dauerhafte Betreuung angezeigt ist. Die wiederum wird nach sieben Jahren nochmals geprüft. Das Gericht legt auch fest, in welchen Bereichen ein Mensch Hilfe braucht (Aufgaben, Rechte und Pflichten von Betreuern). Wenn es sich als notwendig erweist, kann es auch einen Betreuer absetzen und einen neuen bestellen.
Was tun die Betreuungsbehörden?
Hat das Gericht eine Betreuung angeordnet, kommen die Betreuungsbehörden ins Spiel. Sie prüfen, ob Bekannte oder Verwandte die Aufgabe übernehmen können, denn dem Gesetz nach wird die Betreuung durch sie bevorzugt. Die Ämter klären auch, ob Vorsorgevollmacht, Patientenverfügung oder Betreuungsverfügung vorliegen. Durch solche Verfügungen in gesunden Zeiten können Menschen bestimmen, wer im Notfall für sie handeln und entscheiden soll. Sie verhindern, dass es zu einer gesetzlich angeordneten Betreuung kommt (Wer gesetzlicher Betreuer werden kann). Der Betreuer erhält einen Ausweis, in dem die ihm übertragenen Aufgaben stehen. Den kann er etwa bei der Bank oder im Krankenhaus vorlegen. Bei schwerwiegenden Entscheidungen wie einer lebensgefährlichen Operation entscheidet das Betreuungsgericht mit.
Betreuungsvereine. Für Angehörige und Ehrenamtliche, die eine Betreuung übernehmen, sind Betreuungsvereine wichtige Ansprechpartner. Es gibt sie in allen Bundesländern. Die Vereine bieten Beratungen und Fortbildungen an. Sie arbeiten zudem eng mit den Betreuungsbehörden, -gerichten, ambulanten Diensten und stationären Einrichtungen zusammen.
Plötzlich Betreuerin

„Vertrauen ist eine wichtige Voraussetzung, damit gesetzliche Betreuung funktioniert.“, Anke Gersmann, 59, gesetzliche Betreuerin ihres Mannes.
„Ich hatte meinen Mann mehrfach gebeten, dass er eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung abschließt. Aber er dachte, er braucht das nicht“, erzählt Anke Gersmann. Dann erlitt ihr Mann 2006 als 53-Jähriger einen Schlaganfall und schwebte in Lebensgefahr. Sofort mussten schwerwiegende Entscheidungen über seine medizinische Versorgung getroffen werden. Da der Mann nichts verfügt hatte, durfte auch Anke Gersmann als Ehefrau nichts entscheiden. Die Ärzte auf der Intensivstation regten eine gesetzliche Betreuung an.
Tipp: Alle wichtigen Infos zu den Themen Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung finden Sie in unserem Special So sorgen Sie rechtlich vor. Noch ausführlichere Informationen sowie die wichtigsten Formulare zum Heraustrennen und Abheften (nebst Ausfüllhilfen) finden Sie in unserem Ratgeber Das Vorsorge-Set.
Den Willen respektieren

Zehn Jahre lang hat Anke Gersmann ihren Mann zu Hause gepflegt, heute lebt er in einem Pflegeheim. Reden kann er nicht, seinen Willen äußert er mit Lauten und Handzeichen. „Ich bespreche trotzdem jede Entscheidung mit ihm und versuche, mit ihm weiterhin eine Beziehung auf Augenhöhe zu führen“, sagt Anke Gersmann.
Gleichberechtigtes Miteinander. Auch Johannes Einhaus bemüht sich um ein gleichberechtigtes Miteinander mit seinen Betreuten: „Wichtig ist, dass ihre Eigenständigkeit bewahrt und dass ihr Wille und ihre Interessen respektiert werden. Auf keinen Fall darf über den Kopf der Betreuten hinweg entschieden werden.“ Eine Betreute vertraut ihm mittlerweile blind und will jedes Formular, das er ihr vorlegt, umgehend unterzeichnen. „Erst alles in Ruhe durchgehen, dann unterschreiben!“, mahnt er dann.
Der Einsatz kostet viel Zeit
Anke Gersmann musste von einem Tag auf den anderen zum Behördenprofi werden. Johannes Einhaus besuchte in Vorbereitung auf sein Ehrenamt ein Pflichtseminar bei einem Berliner Betreuungsverein. Er nutzt außerdem regelmäßig die Fortbildungs- und Gesprächsangebote des Vereins. Trotzdem wundert er sich noch oft über die deutsche Bürokratie und ist immer wieder gefordert, sich in unbekannte Bereiche wie die Rückerstattung von Medikamentenkosten einzuarbeiten. Mehr als einen Arbeitstag pro Woche kostet ihn sein ehrenamtlicher Einsatz, der ihm, wie er betont, viel Spaß macht. „Der Aufwand ist mitunter hoch, das Maß an Verantwortung auch“, resümiert er.

Mehr zum Thema. Weitere Infos zu Betreuung und Vorsorgevollmacht finden Sie im Pflege-Set der Stiftung Warentest (12,90 Euro, 160 Seiten).