
Hilfe bei wichtigen Entscheidungen. „Mein Job ist es, so zu handeln, wie es für ihr Leben richtig ist. Ich bin froh, dass sie ihre Wünsche schon immer klar geäußert hat“, sagt Hans-Theo Jansen, gesetzlicher Betreuer von Henny Pierdzig (rechts). © Andreas Buck
Wer sein Leben nicht mehr allein organisieren kann, dem helfen gesetzliche Betreuer. Die müssen nun das Selbstbestimmungsrecht stärker beachten.
Eine gesetzlich Betreuung ist notwendig, wenn ein Mensch seine Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln und nicht mehr im eigenen Interesse Entscheidungen treffen kann. Häufig sind Betreute psychisch krank, geistig oder körperlich beeinträchtigt, süchtig oder dement. Oder sie kommen zum Beispiel altersbedingt mit einigen wichtigen Alltagsaufgaben nicht mehr allein zurecht.
Auch eine plötzliche Erkrankung wie ein Herzinfarkt oder ein Unfall können Menschen aus ihrem bisherigen Leben werfen. Dann kann es sein, dass sie von da an auf Hilfe bei ihren Lebensentscheidungen angewiesen sind.
Früher Vormundschaft, heute Betreuung
Zum Jahresbeginn 2023 hat der Gesetzgeber das Betreuungsrecht grundlegend reformiert und betont nun das Recht der Betreuten auf Selbstbestimmung. Bis 1992 hatte die offizielle Bezeichnung von Betreuung übrigens noch „Vormundschaft“ geheißen. Betreuer nannte man Vormund, die Betreuten Mündel.
Betreuungsgericht entscheidet
Ob jemand eine rechtliche Betreuung bekommt, wird von einem Betreuungsgericht festgelegt. Man kann selbst um Hilfe bitten. Aber auch Angehörige, Nachbarn, Freunde oder Helfer können dem Gericht einen Hinweis geben, dass jemand sein Leben nicht mehr allein organisieren kann. Gründe können neben einer Demenz etwa auch eine Behinderung oder eine chronische Erkrankung sein. Manche Menschen brauchen auch nur vorübergehend einen rechtlichen Betreuer, zum Beispiel nach einem Unfall. Aktuell haben etwa 1,25 Millionen Menschen in Deutschland eine gesetzliche Betreuung.
Betreuung selbst angeregt
Henny Pierdzig kümmerte sich selbst um eine Betreuung. Mit 90 Jahren wollte sie die Abrechnungen mit Beihilfe und privater Krankenversicherung nicht mehr allein erledigen. In einer Zeitungsanzeige erfuhr sie von der kostenlosen Beratung und Hilfe bei einem Betreuungsverein.
Heute ist Henny Pierdzig 96 Jahre und zeigt noch immer, was das Wort „resolut“ im besten Sinne bedeutet. Sie sitzt im Rollstuhl, wohnt seit Kurzem im Pflegeheim und braucht viel Hilfe im Alltag. Aber sie hat ihren eigenen Willen. „Ich habe immer meine Meinung gesagt! Schon in der Schule. Und das ist heute noch so.“
Hilfe bei Organisationsaufgaben
Neben Henny Pierdzig sitzt Hans-Theo Jansen. Der 67-Jährige ist ihr rechtlicher Betreuer und hilft ihr seit mehr als fünf Jahren bei den Organisationsaufgaben, die sie nicht mehr allein bewältigen kann. Anfangs waren das vor allem Abrechnungen mit Vermieter und Krankenversicherung. Später, als die Demenz weiter fortschritt, organisierte er pflegerische Unterstützung. Aktuell kümmert er sich um die Auflösung ihres Haushalts. Die Arbeit und wöchentlichen Besuche macht er ehrenamtlich. „Ich habe tatsächlich Spaß am Umgang mit Behörden und Leistungsträgern“, sagt Jansen lachend. „Und es tut gut zu wissen, dass ich damit jemandem helfe.“
Unser Rat
Absprachen. Als gesetzliche Betreuerin oder Betreuer sollten Sie auch langfristige Wünsche mit der betreuten Person bereden. Auf deren Willen kommt es nämlich an. So können Sie im Zweifel in ihrem Sinne entscheiden, etwa bei Gesundheitsfragen oder der Auswahl eines Pflegeheims.
Unterstützung. Ehrenamtliche finden wertvolle Hilfe bei Betreuungsvereinen. Nutzen Sie entsprechende Angebote zu Fortbildungen und Gesprächsrunden. Die Vereine beraten kostenlos, beispielsweise zu Vollmachten, und stehen jedem offen. Einen Verein vor Ort finden Sie über eine Internetsuche oder indem Sie beim Amtsgericht anfragen.

„Jeder kann mir seine Meinung sagen. Ich lasse mir auch Dinge erklären. Aber was ich daraus mache, das entscheide ich selbst“, sagt Henny Pierdzig aus Münster. © Andreas Buck
Betreuungsvereine helfen
Der örtliche Betreuungsverein hat Pierdzig und Jansen einander vermittelt. Da sowohl der Mann der alten Dame als auch ihre Tochter und deren Partner bereits gestorben waren, schlug der Verein Jansen als Betreuer vor, der sich gerade eben informiert hatte, wie er sich engagieren könnte. „Ich wusste, dass ich bald in Rente gehen würde, und war auf der Suche nach einem anspruchsvollen Ehrenamt“, erklärt er. Die Erfahrungen aus seinem Berufsleben bei einer Krankenkasse helfen ihm. Aber als zwingend notwendig sieht er sie nicht an. „Wichtig ist, dass die Chemie zwischen Betreuer und betreuter Person stimmt. Alles andere kann man lernen!“
Helfen, nicht einfach machen
Jansen spricht stets von „helfen“ oder „unterstützen“. Nie davon, dass er das Leben seiner Betreuten allein organisiert. Er bindet Pierdzig ins Gespräch ein. Wenn ihr Blick weggleitet, berührt er sie vorsichtig am Arm, um ihre Aufmerksamkeit auf das Gesagte zu lenken.
Mit Worten und Gesten setzt Jansen ganz selbstverständlich um, was das neue Betreuungsrecht seit Januar 2023 von allen Betreuern fordert. Rechtliche Betreuer sollen nun vor allem erklären und helfen, nicht einfach übernehmen.
Gericht befragt Betroffene
Das Betreuungsgericht, am örtlichen Amtsgericht angesiedelt, muss alle Hinweise prüfen und entscheiden, ob und in welchen Lebensbereichen eine Betreuung nötig ist. Dafür müssen immer auch die Betroffenen befragt werden, sofern das nicht möglich ist, weil zum Beispiel jemand im Koma liegt.
Hält das Gericht eine Betreuung für nötig, organisiert die örtliche Betreuungsbehörde einen Betreuer oder eine Betreuerin. Haben Betroffene Wünsche geäußert, müssen sie berücksichtigt werden – das betrifft auch die Ablehnung bestimmter Personen.
Tipp: Wollen Sie wissen, welche Betreuungsbehörde oder -stelle für Sie zuständig ist? Nutzen Sie unseren Betreuungsbehördenfinder!
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Ratgeber zu Vollmachten mit allen Formularen
Viele Menschen möchten für den Fall vorsorgen, dass sie nicht mehr selbst für sich entscheiden können. Das Vorsorge-Set der Stiftung Warentest hilft dabei. Es informiert, welche Verfügung was leistet und wo die Fallstricke liegen, was beim Verfassen eines Testaments zu beachten ist und wie man den digitalen Nachlass regelt. Der Ratgeber der Stiftung Warentest enthält die wichtigsten Formulare zum Heraustrennen und Abheften, hat 144 Seiten und ist im test.de-Shop für 16,90 Euro erhältlich (PDF/E-Book: 13,99 Euro).
Wer als Betreuer infrage kommt
Im Idealfall soll ein Betreuer aus dem Familienkreis ausgewählt werden. Geht das nicht, kommt auch ein fremder ehrenamtlicher Betreuer infrage. Der sollte Mitglied in einem Betreuungsverein sein. Die Vereine veranstalten Fortbildungen, helfen bei Problemen, bieten ein sehr gutes Netzwerk und eine kostenlose Haftpflichtversicherung.
Ehrenamtliche Betreuer – egal, ob verwandt oder nicht – haben Anspruch auf eine Aufwandspauschale von 425 Euro pro Jahr. Diese Kosten müssen von der betreuten Person bezahlt werden, es sei denn, sie gilt wegen geringem Vermögen als mittellos. Dann zahlt der Staat. Je nach Vermögen werden zusätzlich Pauschalen für das Gericht fällig.
Berufsbetreuer springen ein
Wenn keine Privatperson zur Verfügung steht oder die Lebensumstände schwierig sind, etwa wegen Schulden oder einer komplizierten Erkrankung, darf ein Berufsbetreuer ernannt werden. Dieser wird nach einer bestimmten Vergütungstabelle bezahlt – abhängig von seiner Erfahrung und dem Vermögen und den Lebensumständen der Betreuten. Ist deren Vermögen gering, zahlt der Staat.
Qualifikation heute vorgeschrieben
Das neue Gesetz schreibt vor, dass Berufsbetreuer sich registrieren und ihre Qualifikation nachzuweisen haben. Sie müssen sich mit Betreuungs-, Sozial- und Verfahrensrecht auskennen und sich regelmäßig fortbilden. Zudem gelten für sie strenge Nachweispflichten, etwa in Bezug auf den Umgang mit dem Vermögen der Betreuten. Der Haken: Oft betreuen sie Dutzende Personen parallel und haben somit weniger Zeit als Ehrenamtliche. Wenn nötig, lässt sich die Betreuung auch zwischen einem ehrenamtlichen und einem Berufsbetreuer aufteilen.
Grundsätzlich ist die gesetzliche Betreuung auf Zeit angelegt. Spätestens nach sieben Jahren muss das Gericht prüfen, ob sie noch nötig ist. Die betreute Person darf laut neuem Gesetz jederzeit um eine Neuprüfung bitten.
Was ein Betreuer entscheiden darf
Das Gericht legt fest, in welchen Lebensbereichen, den sogenannten Aufgabenkreisen, Betreuer agieren dürfen. Die Aufteilungen sind regional leicht verschieden. Das neue Betreuungsrecht legt jedoch Wert darauf, dass Betreuer nur dort unterstützen dürfen, wo auch Bedarf ist. Eine „Betreuung in allen Lebensbereichen“ wird kaum noch festgelegt.
Für Manches eine extra Genehmigung
Besonders sensible Entscheidungen erfordern eine Extragenehmigung des Gerichts. Manches darf unter bestimmten Bedingungen auch gegen den Willen der betreuten Person entschieden werden, wenn sie sich selbst schädigen würde, sofern sie ihren Willen durchsetzt. Bestimmte Dinge verbietet das neue Gesetz aber. Dazu gehören Zwangssterilisationen – selbst wenn sie zum Wohle der betreuten Person wären. Auch Medikamente dürfen nicht gegen den erklärten Willen gegeben werden.
Kritische Fragen gemeinsam klären

Alles gut besprechen. Diese Regel steht für den Betreuer von Henny Pierdzig ganz weit vorne. © Andreas Buck
„Ich würde nie gegen ihren Willen handeln“, betont Henny Pierdzigs Betreuer. „Sind wir uns nicht einig, sprechen wir miteinander. Ist sie anderer Meinung, akzeptiere ich das und frage vielleicht einen Monat später noch mal nach.“ Beispielsweise haben Jansen und Pierdzig frühzeitig gemeinsam überlegt, unter welchen Umständen der Umzug in ein Pflegeheim infrage käme. Beide geben unumwunden zu, dass sie darüber schwierige Diskussionen hatten.
Schließlich haben sie aber gemeinsam Prioritäten notiert, drei Pflegeheime besucht und vor Ort Fragen gestellt. „Dass wir diese Besuche gemacht haben, ist nun schon vier Jahre her“, erzählt Jansen. „Aber es war das Beste, was wir tun konnten. Diesen Sommer ist die Demenz ganz plötzlich schnell fortgeschritten, aber ich kenne ihre Wünsche. Das macht es für mich viel einfacher, auch ihren mutmaßlichen Willen zu erfüllen. Dazu bin ich gesetzlich verpflichtet, und das ist auch meine Überzeugung, dass es nur so richtig ist und gut klappen kann.“
Vom Umgang mit Behörden
Mit seiner freundlichen, aber beharrlichen Art hat Jansen auch bei Behörden und Versicherungen meist Erfolg. Natürlich macht er auch negative Erfahrungen. „Aber mit etwas Nachdruck, viel Freundlichkeit und einem gewissen Maß an Wertschätzung für die Arbeit der anderen erreicht man fast alles.“
Manch einen Trick, wie man den richtigen Ansprechpartner erreicht, hat er bei einer Fortbildung oder einem Gespräch im Betreuungsverein gelernt: Bei sozialen Ämtern nach einer Beratung fragen und im persönlichen Gespräch alle Details klären.
Gesetzliche Betreuung mit allen Facetten erklärt

Wer sich noch genauer über die Regeln der gesetzlichen Betreuung informieren und wissen will, wie Betreuerinnen und Betreuer arbeiten, findet Antworten in unserem Ratgeber „Gesetzliche Betreuung“.
Dargelegt wird detailliert an Beispielen, wann eine Betreuung für welche Lebensbereiche sinnvoll ist und was man bei Problemen tun kann. Der Ratgeber hat 176 Seiten, kostet 19,90 Euro und ist erhältlich im Handel oder bestellbar unter test.de/shop.
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- Eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung geben Angehörigen Sicherheit, wenn sie die Wünsche und Interessen einer anderen Person vertreten sollen.
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- Wie können Menschen würdevoll sterben? Ein Sterbehilfegesetz gibt es in Deutschland weiterhin nicht. Suizidhilfe ist unter bestimmten Voraussetzungen dennoch straffrei.
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- Wer andere pflegt oder selbst Hilfe braucht, kann seine Ausgaben nun besser und einfacher von der Steuer absetzen. Dabei helfen auch Pauschbeträge.
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@vieren: Im Ratgeber "Gesetzliche Betreuung" stellen wir ab Seite 139 die wenigen Möglichkeiten vor, wie die Betroffenen selbst den Wechsel eines Betreuers veranlassen können und wie diese eine Beschwerde / Klage einreichen können.
Angehörige sind nicht automatisch berechtigt, einen Beschwerde einzureichen, wenn sie vom Beschluss des Amtsgerichts / des Betreuers nicht persönlich betroffen sind.
Angehörige können über die Internetsuche nach einer Beratung durch einen Betreuungsverein suchen, geben Sie die Stichworte
Betreuungsverein + Wohnort
in die Suchmaschine ein. Wenn Sie Glück haben, finden Sie auf diesem Weg eine Selbsthilfegruppe von pflegenden / betreuenden Angehörigen.
Ja wir haben auch nur was erfahren über das Neue Betreuungs Recht aber wissen die Betreuer es nicht .Warum bekommen die Verwandten und der eigene Sohn Besuch Verbot durch den Betreuer ohne leglichen Grund .Wir möchten Ihm helfen weil er so einsam ist und nicht wohlfühlt in diesem Heim .Er hat dem Betreuer mit schriftlich und mündlich mit geteilt das er in seine Heimat nach Slowenien in das Pflegeheim möchte wo seine Tochter um Ihm kümmern kann .Aber der Betreuer macht ihm nicht mal einen gültigen Ausweis der Mann hat nichts mehr man hat Ihm alles genommen sogar sein Haus verramscht .Wer kann uns noch helfen ???Der Betreuer tut nichts für Ihn nicht ein Taschengeld bekommt er ist einsam und verlassen der besucht ihn auch nicht .Die Heimleitung ist auch ein Fall für genuso wie der Betreuer .ALLE STECKEN UNTER EINER DECKE WAS KÖNNEN WIR NOCH TUN:DAMIT DIER MANN EINMAL WIEDER GLÜCKLICH WIRD:
Wir sind seit vielen Jahren Rechtsbetreuer unseres erwachsenen Sohnes. Daß es jetzt eine grundlegende Novellierung zum Betreuungsgesetz gibt, haben wir per Zufall erfahren. Denn in diesem Jahr haben die Formulare des Betreuerberichts eine andere Form und andere Inhalte. Erst eine kurze Recherche im Internet ergab, daß diese Änderungen zweifelsfrei auf eine (die) Novellierung des Gesetzes zurückzuführen sind. Als direkt Betroffene hätten wir uns schon eine ordentliche frühzeitige Information des Betreuungsgerichts gewünscht.
@WNestler: Wenn Sie auf test.de/betreuungsbehoerde herunterscrollen, bekommen Sie ein Feld mit einer Postleitzahlsuche angezeigt. Wenn Sie Ihre Postleitzahl dort eingeben, bekommen Sie Ihre nächstgelegene Betreuungsbehörde angezeigt.
(dda)
In Finanztest 7/2020 vermerkten Sie unter "Unser Rat" bei Beratung:
"unter test.de/betreuungsbehoerde finden Sie eine Behörde in Ihrer Nähe"
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