
Selbstbestimmtes Sterben. Es gibt verschiedene Formen rechtlich zulässiger Sterbehilfe. © mauritius images / Inna Finkova
Wie können Menschen würdevoll sterben? Ein Sterbehilfegesetz gibt es in Deutschland weiterhin nicht. Suizidhilfe ist unter bestimmten Voraussetzungen dennoch straffrei.
Hilfe bei der Selbsttötung ist in Deutschland nicht explizit gesetzlich geregelt. Der Bundestag hat über zwei Entwürfe für ein Sterbehilfegesetz abgestimmt, aber keiner hat die erforderliche Mehrheit erhalten. Bei der Suizidhilfe geht es um die Frage, wie Menschen würdevoll sterben können, wie eine gute Sterbebegleitung für unheilbar Erkrankte aussehen kann und wie respektvoll mit Menschen umgegangen wird, die den Zeitpunkt ihres Todes selbst bestimmen wollen und um angemessene Unterstützung bitten.
Aktuelle Rechtslage
Eine Konsequenz der gescheiterten Gesetzesentwürfe: Es gilt – mit einer kurzen Unterbrechung zwischen den Jahren 2015 bis 2020 – die Rechtslage aus dem Jahr 1871, der Geburtsstunde des Strafgesetzbuches: Beihilfe zur Selbsttötung ist unter bestimmten Voraussetzungen straffrei. Der Grund dafür: Suizid ist nicht strafbar, also ist auch die Beihilfe zum Suizid nicht strafbar.
Die Beihilfe zu einer freiverantwortlichen Selbsttötung, auch Suizidhilfe genannt, ist eine gezielte Hilfeleistung einer Person, die es einem Schwerkranken oder Sterbewilligen ermöglicht, von eigener Hand zu sterben, etwa indem ein dafür geeignetes Medikament beschafft oder zur Verfügung gestellt wird, das der Schwerkranke oder Sterbewillige selbst zu sich nimmt. Wichtig: Der Betroffene muss den letzten Schritt selbst gehen und etwa das tödlich wirkende Medikament selbst einnehmen – aus freiem Entschluss.
Hilfe von Ärzten möglich
Patienten, die einen unabwendbaren Sterbewunsch haben, dürfen auch Hilfe von Ärzten in Anspruch nehmen. Ärzte können frei und allein auf Basis ihres Gewissens entscheiden, ob sie Suizidwillige beim Sterben unterstützen.
Bis Anfang des Jahres 2021 war dies vielen Ärzten aufgrund berufsrechtlicher Regelungen weitgehend untersagt. Auf dem 124. Deutschen Ärztetag im Mai 2021 wurde jedoch beschlossen, das berufsrechtliche Verbot der ärztlichen Suizidbeihilfe aus der (Muster-)Berufsordnung zu streichen. Im Interview erklärt Dr. Josef Mischo, Vorsitzender der Berufsordnungsgremien der Bundesärztekammer, was der Beschluss des Ärztetages für Patienten und Ärzte bedeutet.
Aktive Sterbehilfe ist verboten
Strafbar ist eine Hilfeleistung, wenn der Helfende selbst den Tod des anderen herbeiführt oder beschleunigt, zum Beispiel durch die Verabreichung einer Überdosis eines tödlich wirkenden Medikaments. Liegt die so genannte Tatherrschaft nicht beim Patienten, sondern bei einem „Dritten“, macht sich dieser strafbar. Die aktive Tötung eines Menschen ist im Strafgesetzbuch in den Paragrafen 212 (Totschlag) und 216 (Tötung auf Verlangen) unter Strafe gestellt.
Erwerb eines tödlichen Medikaments nicht erlaubt
Patienten haben in Deutschland keinen Zugang zu tödlich wirkenden Betäubungsmitteln. Das Medikament, das sich manche unheilbar Schwerstkranke in einer ausweglosen Lage und extremen Notsituation wünschen, ist ein Mittel mit dem Wirkstoff Natrium-Pentobarbital.
Der Wirkstoff fällt unter das Betäubungsmittelrecht, es gibt kein zugelassenes Fertigarzneimittel. Die Abgabe von Arzneimitteln, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, ist nur unter strengen Auflagen erlaubt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) muss den Erwerb erlauben. So dürfen etwa Patienten das Betäubungsmittel erhalten, wenn eine ärztliche Verschreibung vorliegt und das therapeutische Ziel darin liegt, – so die höchstrichterlicher Rechtsprechung – Krankheiten zu heilen oder zu lindern. Das ist bei einer tödlichen Dosis nicht der Fall.
Gericht lehnt Antrag auf verbotenes Medikament ab
Ein 49-jähriger unheilbar an Multipler Sklerose (MS) Erkrankter zog vor Gericht, um die Erlaubnis auf Herausgabe des Medikaments Natrium-Pentobarbital zu erhalten. Er wünschte sich Hilfe zur Selbsttötung. Sein Antrag wurde abgelehnt. Die Hintergründe erklärt Rechtsanwalt Robert Roßbruch im Interview.
Schmerzbehandlung kann Lebenszeit verkürzen
Nicht strafbar ist die indirekte Sterbehilfe, etwa wenn Ärzte stark schmerzlindernde Medikamente verabreichen, zum Beispiel im Endstadium einer Krebserkrankung mit Einverständnis des Patienten. Auch wenn die Behandlung – quasi als unerwünschte Nebenwirkung – die Lebenszeit möglicherweise verkürzt.
Auch ist es Ärzten erlaubt, eine medizinische Behandlung, etwa eine künstliche Ernährung oder künstliche Beatmung, zu unterlassen, zu begrenzen oder zu beenden, wenn dies dem tatsächlichen Patientenwillen entspricht. Ein Behandlungsabbruch muss dazu dienen, einem natürlichen Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen, der ohne Behandlung zum Tode führt. Das hat der Bundesgerichtshof im Jahr 2010 in einem Urteil klargestellt. In dem Grundsatzurteil ging es um den Unterschied zwischen passiver und aktiver Sterbehilfe (Aktenzeichen 2 StR 454/09).
Eine Patientenverfügung für die letzte Lebensphase
Jeder hat das Recht, frei und eigenverantwortlich über seinen Tod zu entscheiden. Der sicherste Weg ist eine Patientenverfügung. Darin kann eine Person schriftlich festgelegen, dass sie in einer Situation am Lebensende, in der sie etwa nach einem schweren Unfall oder aufgrund einer schweren Erkrankung dauerhaft nicht einwilligungs- und entscheidungsfähig ist, beispielsweise keine künstliche Beatmung wünscht oder auf eine Magensonde verzichtet. Ärzte müssen sich dann an eine Patientenverfügung halten.
Das gilt im Übrigen auch, wenn ein Patient keine Patientenverfügung hat, aber ausdrücklich erklärt hat, dass er nicht weiterbehandelt werden möchte. Dann ist einzig sein Wunsch entscheidend. Das trifft ebenfalls zu, wenn der Betroffene seinen Wunsch nicht mehr äußern kann, aber angenommen werden muss, dass er eine Weiterbehandlung nicht wollen würde.
Das können Sie in einer Patientenverfügung festlegen
Sie können mit einer schriftlichen Patientenverfügung in gesunden Tagen für den Fall vorsorgen, dass Sie irgendwann einmal dauerhaft nicht mehr selbst mit Ärzten oder Angehörigen sprechen und entscheiden können. In einer Patientenverfügung legen Sie fest, für welche Krankheiten Sie in bestimmte medizinische Behandlungen und Untersuchungen einwilligen und welche Sie ablehnen. Wenn Sie später dauerhaft einwilligungs- und entscheidungsunfähig sind, hilft dies Ärzten und Angehörigen, Ihren Wünschen nachzukommen.
Ratgeber „Meine Patientenverfügung“. Wenn Sie sich umfassend mit dem Thema Patientenverfügung beschäftigen möchten hilft der Ratgeber "Meine Patientenverfügung" mit den weiteren Schwerpunkten Palliativmedizin, Sterbehilfe und Organspende. Rechtsanwälte, Ärzte, Psychiater und Ethikbeauftragte kommen zu Wort. Der Ratgeber enthält alle Formulare für die rechtliche Vorsorge: 144 Seiten, 14,90 Euro (kostenlose Lieferung). Die PDF/E-Book-Version kostet 11,99 Euro.
Ratgeber „Das Vorsorge-Set“. Informationen rund um die rechtliche Vorsorge und Formulare für Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung finden Sie im Vorsorge-Set von Finanztest. Der Ratgeber führt Schritt für Schritt durch die Formulare. Das Vorsorge-Set bekommen Sie zum Preis von 16,90 Euro im Buchhandel und im test.de-Shop.
Special. Viele Informationen rund um die rechtliche Vorsorge bietet unser Special So sorgen Sie rechtlich vor.
-
- Eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung geben Angehörigen Sicherheit, wenn sie die Wünsche und Interessen einer anderen Person vertreten sollen.
-
- Wer sein Leben nicht mehr allein organisieren kann, dem helfen gesetzliche Betreuer. Die müssen nun das Selbstbestimmungsrecht stärker beachten.
-
- Wenn die Ärztin ihrem schwerkranken Patienten keine Hoffnung mehr machen kann, ist es Zeit für die Palliativmedizin. Dann geht es darum, die Lebensqualität der...
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
Wenn ich der Meinung bin es geht nicht mehr, dann muss, ich wiederhole dann muss meinem Wunsch bitte entsprochen werden...ohne wenn und aber. Keiner will sterben oder?? aber wenn dann mit Würde
In einem Artikel steht, dass der Arzt mir das tödliche Medikament verschreiben darf, im anderen wird es wieder relativiert, da das Medikament ja nicht zur Heilung beiträgt, sondern den Tod herbeiführt. Wenn das noch nicht mal klar ist, dann noch das Risiko, dass der Arzt zur dunklen Seite der Macht zählt und den Patienten gleich wegsperren lässt, um jeglicher Problematik aus dem Weg zu gehen und seine Patienten-pro-Minute-Rate zu erhöhen, erkennt man erst, wie krank unser Gesundheitssystem ist. Man wird regelrecht in den Suizid gezwungen, obwohl man nichts anderes möchte als in Würde sterben. Sicher sterben, ohne Risiko einer noch schlimmeren Situation durch den kriminalisierten Suizid. Positiv sterben, mit einem Setting, in dem man die Dankbarkeit für ein großteils erfülltes Leben noch angemessen würdigen kann. Bewusst und mit sich selbst im Reinen sterben, weil man weiß, dass man einen Beitrag leisten durfte und nun Platz macht für neues Leben. Unfassbar, dass das verboten ist!
Nein, im Artikel ist nicht erkennbar, dass es *nur* um schwer körperlich Kranke geht, auch wenn nur bei diesen der Hinweis auf das Sterbenlassen an der Krankheit Sinn macht. Im Interview mit Herrn Dr. Mischo geht es auch um Fälle psychisch Kranker.
Beim Unterbringungsbeschluss kann es so laufen, dass der Richter auf das ärztliche Gutachten verweist und der Arzt auf die Entscheidung des Richters. Damit ist keiner mehr verantwortlich.
Die frommen Worte des interviewten Arztes sind völlig realitätsfremd. Sich mit einem Suizidwunsch an einen Arzt zu wenden ist in fast allen Fällen dumm. Am Ende geht es nicht um die Verhinderung des Leids, sondern um die Verhinderung des Suizids, für den der Arzt nicht verantwortlich gemacht werden will. Und es bleibt die Frage, wie der Arzt an der Stelle des Patienten gehandelt hätte. Beratung geht anders.
Ihre Warnung ist grundsätzlich nicht falsch und zutreffend.
ABER: Im Beitrag geht es um Schwerkranke, zumeist Menschen im Endstadium einer nicht mehr länger behandelbaren Krebserkrankung. Hier ist es in der Praxis nahezu ausgeschlossen, dass jemand aufgrund des von ihm geäußerten Wunsches, aus dem Leben zu scheiden, im die Psychiatrie kommt.
Solche Zwangseinweisungen müssen von einem Richter angeordnet werden. Man möge mir den Richter zeigen, der so etwas anordnet. Falls es ihm geben sollte, wird er hoffentlich baldmöglichst aus seinem Amt entfernt.
Auch mit Grundrecht auf Suizid und assistierten Suizid bleibt es dabei: Wer seinem Arzt seinen Suizidwunsch anvertraut, riskiert eine Zwangseinweisung in die geschlossene Psychiatrie. Denn nach wie vor müssen nicht freiverantwortliche Suizide verhindert werden. In der Psychiatrie wird unterstellt, so gut wie jeder Suizidwunsch sei nicht freiverantwortlich. Außerdem wird argumentiert, man könne es ja oft nicht genau wissen (oder will es nicht genau wissen oder nicht wahr haben?) und müsse daher vorsichtshalber den Patienten vor einer irreversiblen Handlung schützen. Was nach einer Zwangseinweisung in der Psychiatrie geschehen kann, kann beim Bundesverband Psychiatrieerfahrener erfragt werden.
Ich finde es unredlich, dass der interviewte Arzt nicht auf dieses Risiko hingewiesen hat.
Auch wenn die für den Suizidwunsch ursächliche Erkrankung behandelbar ist, hat der freiverantwortliche Suizidwillige das Recht, die Behandlung abzulehnen. (BVerfG Urteil Rn. 299)