Sterbe­hilfe Was in Deutsch­land erlaubt ist

8
Sterbe­hilfe - Was in Deutsch­land erlaubt ist

Selbst­bestimmtes Sterben. Es gibt verschiedene Formen recht­lich zulässiger Sterbe­hilfe. © mauritius images / Inna Finkova

Wie können Menschen würdevoll sterben? Ein Sterbe­hilfegesetz gibt es in Deutsch­land weiterhin nicht. Suizid­hilfe ist unter bestimmten Voraus­setzungen dennoch straffrei.

Hilfe bei der Selbst­tötung ist in Deutsch­land nicht explizit gesetzlich geregelt. Der Bundes­tag hat über zwei Entwürfe für ein Sterbe­hilfegesetz abge­stimmt, aber keiner hat die erforderliche Mehr­heit erhalten. Bei der Suizid­hilfe geht es um die Frage, wie Menschen würdevoll sterben können, wie eine gute Sterbe­begleitung für unheil­bar Erkrankte aussehen kann und wie respektvoll mit Menschen umge­gangen wird, die den Zeit­punkt ihres Todes selbst bestimmen wollen und um angemessene Unterstüt­zung bitten.

Aktuelle Rechts­lage

Eine Konsequenz der gescheiterten Gesetzes­entwürfe: Es gilt – mit einer kurzen Unter­brechung zwischen den Jahren 2015 bis 2020 – die Rechts­lage aus dem Jahr 1871, der Geburts­stunde des Strafgesetz­buches: Beihilfe zur Selbst­tötung ist unter bestimmten Voraus­setzungen straffrei. Der Grund dafür: Suizid ist nicht strafbar, also ist auch die Beihilfe zum Suizid nicht strafbar.

Die Beihilfe zu einer frei­ver­antwort­lichen Selbst­tötung, auch Suizid­hilfe genannt, ist eine gezielte Hilfe­leistung einer Person, die es einem Schwerkranken oder Sterbewil­ligen ermöglicht, von eigener Hand zu sterben, etwa indem ein dafür geeignetes Medikament beschafft oder zur Verfügung gestellt wird, das der Schwerkranke oder Sterbewil­lige selbst zu sich nimmt. Wichtig: Der Betroffene muss den letzten Schritt selbst gehen und etwa das tödlich wirkende Medikament selbst einnehmen – aus freiem Entschluss.

Hilfe von Ärzten möglich

Patienten, die einen unabwend­baren Sterbe­wunsch haben, dürfen auch Hilfe von Ärzten in Anspruch nehmen. Ärzte können frei und allein auf Basis ihres Gewissens entscheiden, ob sie Suizidwil­lige beim Sterben unterstützen.

Bis Anfang des Jahres 2021 war dies vielen Ärzten aufgrund berufs­recht­licher Rege­lungen weit­gehend untersagt. Auf dem 124. Deutschen Ärztetag im Mai 2021 wurde jedoch beschlossen, das berufs­recht­liche Verbot der ärzt­lichen Suizidbei­hilfe aus der (Muster-)Berufs­ordnung zu streichen. Im Interview erklärt Dr. Josef Mischo, Vorsitzender der Berufs­ordnungs­gremien der Bundes­ärztekammer, was der Beschluss des Ärzt­etages für Patienten und Ärzte bedeutet.

Aktive Sterbe­hilfe ist verboten

Strafbar ist eine Hilfe­leistung, wenn der Helfende selbst den Tod des anderen herbeiführt oder beschleunigt, zum Beispiel durch die Verabreichung einer Über­dosis eines tödlich wirkenden Medikaments. Liegt die so genannte Tatherr­schaft nicht beim Patienten, sondern bei einem „Dritten“, macht sich dieser strafbar. Die aktive Tötung eines Menschen ist im Strafgesetz­buch in den Paragrafen 212 (Totschlag) und 216 (Tötung auf Verlangen) unter Strafe gestellt.

Erwerb eines tödlichen Medikaments nicht erlaubt

Patienten haben in Deutsch­land keinen Zugang zu tödlich wirkenden Betäubungs­mitteln. Das Medikament, das sich manche unheil­bar Schwerst­kranke in einer ausweglosen Lage und extremen Notsituation wünschen, ist ein Mittel mit dem Wirk­stoff Natrium-Pentobarbital.

Der Wirk­stoff fällt unter das Betäubungs­mittel­recht, es gibt kein zugelassenes Fertigarznei­mittel. Die Abgabe von Arznei­mitteln, die unter das Betäubungs­mittel­gesetz fallen, ist nur unter strengen Auflagen erlaubt. Das Bundes­institut für Arznei­mittel und Medizin­produkte (BfArM) muss den Erwerb erlauben. So dürfen etwa Patienten das Betäubungs­mittel erhalten, wenn eine ärzt­liche Verschreibung vorliegt und das therapeutische Ziel darin liegt, – so die höchst­richterlicher Recht­sprechung – Krankheiten zu heilen oder zu lindern. Das ist bei einer tödlichen Dosis nicht der Fall.

Gericht lehnt Antrag auf verbotenes Medikament ab

Ein 49-jähriger unheil­bar an Multipler Sklerose (MS) Erkrankter zog vor Gericht, um die Erlaubnis auf Heraus­gabe des Medikaments Natrium-Pentobarbital zu erhalten. Er wünschte sich Hilfe zur Selbst­tötung. Sein Antrag wurde abge­lehnt. Die Hintergründe erklärt Rechts­anwalt Robert Roßbruch im Interview.

Schmerzbe­hand­lung kann Lebens­zeit verkürzen

Nicht strafbar ist die indirekte Sterbe­hilfe, etwa wenn Ärzte stark schmerzlindernde Medikamente verabreichen, zum Beispiel im Endstadium einer Krebs­erkrankung mit Einverständnis des Patienten. Auch wenn die Behand­lung – quasi als unerwünschte Neben­wirkung – die Lebens­zeit möglicher­weise verkürzt.

Auch ist es Ärzten erlaubt, eine medizi­nische Behand­lung, etwa eine künst­liche Ernährung oder künst­liche Beatmung, zu unterlassen, zu begrenzen oder zu beenden, wenn dies dem tatsäch­lichen Patientenwillen entspricht. Ein Behand­lungs­abbruch muss dazu dienen, einem natürlichen Krank­heits­prozess seinen Lauf zu lassen, der ohne Behand­lung zum Tode führt. Das hat der Bundes­gerichts­hof im Jahr 2010 in einem Urteil klar­gestellt. In dem Grund­satz­urteil ging es um den Unterschied zwischen passiver und aktiver Sterbe­hilfe (Aktenzeichen 2 StR 454/09).

Eine Patienten­verfügung für die letzte Lebens­phase

Jeder hat das Recht, frei und eigen­ver­antwort­lich über seinen Tod zu entscheiden. Der sicherste Weg ist eine Patienten­verfügung. Darin kann eine Person schriftlich fest­gelegen, dass sie in einer Situation am Lebens­ende, in der sie etwa nach einem schweren Unfall oder aufgrund einer schweren Erkrankung dauer­haft nicht einwilligungs- und entscheidungs­fähig ist, beispiels­weise keine künst­liche Beatmung wünscht oder auf eine Magensonde verzichtet. Ärzte müssen sich dann an eine Patienten­verfügung halten.

Das gilt im Übrigen auch, wenn ein Patient keine Patienten­verfügung hat, aber ausdrück­lich erklärt hat, dass er nicht weiterbe­handelt werden möchte. Dann ist einzig sein Wunsch entscheidend. Das trifft ebenfalls zu, wenn der Betroffene seinen Wunsch nicht mehr äußern kann, aber angenommen werden muss, dass er eine Weiterbe­hand­lung nicht wollen würde.

Das können Sie in einer Patienten­verfügung fest­legen

Sie können mit einer schriftlichen Patienten­verfügung in gesunden Tagen für den Fall vorsorgen, dass Sie irgend­wann einmal dauer­haft nicht mehr selbst mit Ärzten oder Angehörigen sprechen und entscheiden können. In einer Patienten­verfügung legen Sie fest, für welche Krankheiten Sie in bestimmte medizi­nische Behand­lungen und Unter­suchungen einwilligen und welche Sie ablehnen. Wenn Sie später dauer­haft einwilligungs- und entscheidungs­unfähig sind, hilft dies Ärzten und Angehörigen, Ihren Wünschen nach­zukommen.

Ratgeber „Meine Patienten­verfügung“. Wenn Sie sich umfassend mit dem Thema Patienten­verfügung beschäftigen möchten hilft der Ratgeber "Meine Patientenverfügung" mit den weiteren Schwer­punkten Palliativmedizin, Sterbe­hilfe und Organspende. Rechts­anwälte, ­Ärzte, Psychiater und Ethik­beauftragte kommen zu Wort. Der Ratgeber enthält alle Formulare für die recht­liche Vorsorge: 144 Seiten, 14,90 Euro (kostenlose Lieferung). Die PDF/E-Book-Version kostet 11,99 Euro.

Ratgeber „Das Vorsorge-Set“. Informationen rund um die recht­liche Vorsorge und Formulare für Vorsorgevoll­macht und Patienten­verfügung finden Sie im Vorsorge-Set von Finanztest. Der Ratgeber führt Schritt für Schritt durch die Formulare. Das Vorsorge-Set bekommen Sie zum Preis von 16,90 Euro im Buch­handel und im test.de-Shop.

Special. Viele Informationen rund um die recht­liche Vorsorge bietet unser Special So sorgen Sie rechtlich vor.

8

Mehr zum Thema

8 Kommentare Diskutieren Sie mit

Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

batom am 15.01.2022 um 17:57 Uhr
Bla bla

Wenn ich der Meinung bin es geht nicht mehr, dann muss, ich wiederhole dann muss meinem Wunsch bitte entsprochen werden...ohne wenn und aber. Keiner will sterben oder?? aber wenn dann mit Würde

Anonymium am 28.12.2021 um 17:38 Uhr
Was denn nun?

In einem Artikel steht, dass der Arzt mir das tödliche Medikament verschreiben darf, im anderen wird es wieder relativiert, da das Medikament ja nicht zur Heilung beiträgt, sondern den Tod herbeiführt. Wenn das noch nicht mal klar ist, dann noch das Risiko, dass der Arzt zur dunklen Seite der Macht zählt und den Patienten gleich wegsperren lässt, um jeglicher Problematik aus dem Weg zu gehen und seine Patienten-pro-Minute-Rate zu erhöhen, erkennt man erst, wie krank unser Gesundheitssystem ist. Man wird regelrecht in den Suizid gezwungen, obwohl man nichts anderes möchte als in Würde sterben. Sicher sterben, ohne Risiko einer noch schlimmeren Situation durch den kriminalisierten Suizid. Positiv sterben, mit einem Setting, in dem man die Dankbarkeit für ein großteils erfülltes Leben noch angemessen würdigen kann. Bewusst und mit sich selbst im Reinen sterben, weil man weiß, dass man einen Beitrag leisten durfte und nun Platz macht für neues Leben. Unfassbar, dass das verboten ist!

Malz_222 am 14.07.2021 um 18:52 Uhr
@GuessWhat

Nein, im Artikel ist nicht erkennbar, dass es *nur* um schwer körperlich Kranke geht, auch wenn nur bei diesen der Hinweis auf das Sterbenlassen an der Krankheit Sinn macht. Im Interview mit Herrn Dr. Mischo geht es auch um Fälle psychisch Kranker.
Beim Unterbringungsbeschluss kann es so laufen, dass der Richter auf das ärztliche Gutachten verweist und der Arzt auf die Entscheidung des Richters. Damit ist keiner mehr verantwortlich.
Die frommen Worte des interviewten Arztes sind völlig realitätsfremd. Sich mit einem Suizidwunsch an einen Arzt zu wenden ist in fast allen Fällen dumm. Am Ende geht es nicht um die Verhinderung des Leids, sondern um die Verhinderung des Suizids, für den der Arzt nicht verantwortlich gemacht werden will. Und es bleibt die Frage, wie der Arzt an der Stelle des Patienten gehandelt hätte. Beratung geht anders.

Gelöschter Nutzer am 14.07.2021 um 12:32 Uhr
@Malz_222

Ihre Warnung ist grundsätzlich nicht falsch und zutreffend.
ABER: Im Beitrag geht es um Schwerkranke, zumeist Menschen im Endstadium einer nicht mehr länger behandelbaren Krebserkrankung. Hier ist es in der Praxis nahezu ausgeschlossen, dass jemand aufgrund des von ihm geäußerten Wunsches, aus dem Leben zu scheiden, im die Psychiatrie kommt.
Solche Zwangseinweisungen müssen von einem Richter angeordnet werden. Man möge mir den Richter zeigen, der so etwas anordnet. Falls es ihm geben sollte, wird er hoffentlich baldmöglichst aus seinem Amt entfernt.

Malz_222 am 14.07.2021 um 08:23 Uhr
Beratung vom Arzt???

Auch mit Grundrecht auf Suizid und assistierten Suizid bleibt es dabei: Wer seinem Arzt seinen Suizidwunsch anvertraut, riskiert eine Zwangseinweisung in die geschlossene Psychiatrie. Denn nach wie vor müssen nicht freiverantwortliche Suizide verhindert werden. In der Psychiatrie wird unterstellt, so gut wie jeder Suizidwunsch sei nicht freiverantwortlich. Außerdem wird argumentiert, man könne es ja oft nicht genau wissen (oder will es nicht genau wissen oder nicht wahr haben?) und müsse daher vorsichtshalber den Patienten vor einer irreversiblen Handlung schützen. Was nach einer Zwangseinweisung in der Psychiatrie geschehen kann, kann beim Bundesverband Psychiatrieerfahrener erfragt werden.
Ich finde es unredlich, dass der interviewte Arzt nicht auf dieses Risiko hingewiesen hat.
Auch wenn die für den Suizidwunsch ursächliche Erkrankung behandelbar ist, hat der freiverantwortliche Suizidwillige das Recht, die Behandlung abzulehnen. (BVerfG Urteil Rn. 299)