
Sterbehilfe. Es gibt verschiedene Formen rechtlich zulässiger Sterbehilfe. Doch der Kauf des tödlich wirkenden Medikaments Natrium-Pentobarbital zum Zweck der Selbsttötung ist nicht erlaubt. © mauritius images / Inna Finkova
Wie können Menschen würdevoll sterben? Ärzte dürfen unter bestimmten Voraussetzungen Suizidhilfe leisten. In der Diskussion ist ein Suizidpräventionsgesetz.
Wie können Menschen würdevoll sterben und wie sieht eine gute Sterbebegleitung für unheilbar Erkrankte aus? Wie respektvoll wird mit Menschen umgegangen, die den Zeitpunkt ihres Todes selbst bestimmen wollen? Das Bundesverfassungsgericht hat 2020 in einem Urteil klar und eindeutig formuliert, dass jede und jeder ein „Recht auf selbstbestimmtes Sterben“ hat (Az. 2 BR 2347/15, u.a.). Seitdem wird darüber diskutiert, ob ein Gesetz zur Regelung der Suizidhilfe notwendig ist und wenn ja, wie es ausgestaltet sein soll. Eine Kernfrage dabei ist, ob eine Regelung der Suizidhilfe vereinbar ist mit dem Auftrag des Staates, Leben zu schützen.
Suizidhilfe nicht gesetzlich geregelt
Ein Suizidhilfegesetz, in dem geregelt ist, wie Menschen Hilfe bekommen, wenn sie um angemessene Unterstützung beim Sterben oder um Zugang zu einem tödlich wirkendem Medikament bitten, gibt es (noch) nicht. Zwei Gesetzesvorschläge für ein Suizidhilfegesetz fanden im Sommer 2023 im Bundestag keine Mehrheit.
Suizidprävention soll gestärkt werden
Auf den Weg gebracht werden soll hingegen ein Gesetz zur Vorbeugung von Suiziden. Die Bundes- und Landesärztekammern, Kirchen und Interessenverbände drängen seit längerem schon auf die Stärkung der Prävention. Die Bundesregierung hat vom Bundestag den Auftrag erhalten, hierfür eine Strategie vorzulegen. Eine gesetzliche Regelung könnte etwa die Telefonseelsorge oder sozialpsychiatrische Dienste einbeziehen und einen bundesweiten Suizidpräventionsdienst etablieren.
Hilfe zum Suizid nicht strafbar
Nach der Gesetzeslage ist Suizid nicht strafbar, also ist auch die Beihilfe zum Suizid nicht strafbar. Die Beihilfe zu einer freiverantwortlichen Selbsttötung, auch Suizidhilfe oder Suizidassistenz genannt, ist eine gezielte Hilfeleistung einer Person, die es einem Schwerkranken oder Sterbewilligen ermöglicht, von eigener Hand zu sterben, etwa indem ein dafür geeignetes Medikament beschafft oder zur Verfügung gestellt wird, das der Schwerkranke oder Sterbewillige selbst zu sich nimmt. Wichtig: Der Betroffene muss den letzten Schritt selbst gehen – aus freiem Entschluss.
Aktive Sterbehilfe ist verboten
Strafbar ist eine Hilfeleistung, wenn der Helfende selbst den Tod des anderen herbeiführt oder beschleunigt, zum Beispiel durch die Verabreichung einer Überdosis eines tödlich wirkenden Medikaments. Liegt die so genannte Tatherrschaft nicht beim Patienten, sondern bei einem „Dritten“, macht sich dieser strafbar. Die aktive Tötung eines Menschen ist im Strafgesetzbuch in den Paragrafen 212 (Totschlag) und 216 (Tötung auf Verlangen) unter Strafe gestellt.
Hilfe von Ärzten möglich
Patientinnen und Patienten, die einen unabwendbaren Sterbewunsch haben, dürfen auch Hilfe von Ärztinnen und Ärzten in Anspruch nehmen. Ärzte können frei und allein auf Basis ihres Gewissens entscheiden, ob sie Suizidwillige beim Sterben unterstützen. Bis Anfang des Jahres 2021 war dies vielen Ärzten aufgrund berufsrechtlicher Regelungen weitgehend untersagt. Auf dem 124. Deutschen Ärztetag im Mai 2021 wurde jedoch beschlossen, das berufsrechtliche Verbot der ärztlichen Suizidbeihilfe aus der (Muster-)Berufsordnung zu streichen. Im Interview erklärt Dr. Josef Mischo, Vorsitzender der Berufsordnungsgremien der Bundesärztekammer, was der Beschluss des Ärztetages für Patienten und Ärzte bedeutet.
Schmerzbehandlung kann Lebenszeit verkürzen
Nicht strafbar ist die indirekte Sterbehilfe, etwa wenn Ärztinnen oder Ärzte stark schmerzlindernde Medikamente verabreichen, zum Beispiel im Endstadium einer Krebserkrankung mit Einverständnis des Patienten oder der Patientin. Auch wenn die Behandlung – quasi als unerwünschte Nebenwirkung – die Lebenszeit möglicherweise verkürzt.
Auch ist es Ärzten erlaubt, eine medizinische Behandlung, etwa eine künstliche Ernährung oder künstliche Beatmung, zu unterlassen, zu begrenzen oder zu beenden, wenn dies dem tatsächlichen Patientenwillen entspricht. Ein Behandlungsabbruch muss dazu dienen, einem natürlichen Krankheitsprozess seinen Lauf zu lassen, der ohne Behandlung zum Tode führt. Das hat der Bundesgerichtshof schon im Jahr 2010 in einem Urteil klargestellt. In dem Grundsatzurteil ging es um den Unterschied zwischen passiver und aktiver Sterbehilfe (Az. 2 StR 454/09).
Kauf eines tödlichen Medikaments nicht erlaubt
Patienten haben in Deutschland keinen Zugang zu tödlich wirkenden Betäubungsmitteln. Das Medikament, das sich manche unheilbar Schwerstkranke in einer ausweglosen Lage und extremen Notsituation wünschen, ist ein Mittel mit dem Wirkstoff Natrium-Pentobarbital. Der Wirkstoff fällt unter das Betäubungsmittelrecht, es gibt kein zugelassenes Fertigarzneimittel. Die Abgabe von Medikamenten, die unter das Betäubungsmittelgesetz fallen, ist nur unter strengen Auflagen erlaubt. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) muss den Erwerb also unter bestimmten Voraussetzungen erlauben. So dürfen etwa Patienten das Betäubungsmittel erhalten, wenn eine ärztliche Verschreibung vorliegt und das therapeutische Ziel darin liegt, Krankheiten zu heilen oder zu lindern – so die höchstrichterliche Rechtsprechung. Das ist bei einer tödlichen Dosis nicht der Fall.
Bundesverwaltungsgericht lehnt Antrag auf Natrium-Pentobarbital ab
Zwei schwer Erkrankte wollten die Erlaubnis für den Kauf von Natrium-Pentobarbital vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig einklagen. Mit dem Medikament wollten die Kläger ihren Sterbewunsch verwirklichen, sollten ihre Krankheiten schlimmer werden. Bis dahin hätten sie das Medikament zu Hause lagern müssen. Von dem löslichen Betäubungsmittel genügen kleine Dosen, um einen Suizid ohne ärztliche Begleitung zu ermöglichen. Ihre Klagen hatten aber keinen Erfolg (Az. 3 C 8.22 und 3 C 9.22). Zur Begründung führte das Gericht aus:
- Ärztlich begleitet. Es gebe andere Möglichkeiten, das eigene Leben medizinisch begleitet zu beenden. Sterbewillige hätten die realistische Möglichkeit, über eine Ärztin oder einen Arzt Zugang zu verschreibungspflichtigen Arzneimitteln zu erhalten, mit denen eine Selbsttötung durchgeführt werden könne. Außerdem böten mehrere Organisationen Unterstützung bei der Suche nach von zur Suizidhilfe bereiten Ärzten. Ansprechpartner sind etwa die Vereine Sterbehilfe, Dignitas Deutschland oder die Deutsche Gesellschaft für Humanes Sterben (DGHS).
- Kein Therapieziel. Zudem sei es Zweck des Betäubungsmittelgesetzes, die medizinische Versorgung der Bevölkerung im Sinne von Heilung oder Linderung von Krankheiten oder krankhaften Beschwerden sicherzustellen. Eine Selbsttötung sei damit nicht vereinbar.
- Schutz der Allgemeinheit. Leben und Gesundheit der Bevölkerung seien durch Miss- und Fehlgebrauch des tödlichen und einfach anzuwendenden Mittels gefährdet. Diese Gemeinwohlbelange seien daher zu schützen.
Eine Patientenverfügung für die letzte Lebensphase
Jeder hat das Recht, frei und eigenverantwortlich über seinen Tod zu entscheiden. Der sicherste Weg ist eine Patientenverfügung. Darin kann ein Mensch schriftlich festgelegen, dass sie oder er in einer Situation am Lebensende keine lebensverlängernde Maßnahmen wünscht, etwa Wiederbelebungsmaßnahmen, eine künstliche Beatmung oder künstliche Ernährung. Voraussetzung für den Anwendungsfall einer Patientenverfügung ist immer, dass eine aussichtslose Krankheitssituation vorliegt und die Patientin oder der Patient nach Einschätzung der Ärzte das Bewusstsein mit höchster Wahrscheinlichkeit unwiederbringlich verloren hat. Ärzte müssen sich dann an eine Patientenverfügung halten. Das gilt im Übrigen auch, wenn ein Patient keine Patientenverfügung hat, aber ausdrücklich früher erklärt hat, etwa gegenüber Bevollmächtigten, dass er nicht weiterbehandelt werden möchte. Dann ist einzig sein Wunsch entscheidend. Das trifft ebenfalls zu, wenn Betroffene ihren Wunsch nicht mehr äußern können, aber ausreichend Anhaltspunkte dafür sprechen, dass eine Weiterbehandlung nicht gewollt war.
Das können Sie in einer Patientenverfügung festlegen
Sie können mit einer schriftlichen Patientenverfügung in gesunden Tagen für den Fall vorsorgen, dass Sie irgendwann einmal dauerhaft nicht mehr selbst mit Ärzten oder Angehörigen sprechen und entscheiden können. In einer Patientenverfügung legen Sie fest, für welche Krankheiten Sie in bestimmte medizinische Behandlungen und Untersuchungen einwilligen und welche Sie ablehnen. Wenn Sie später dauerhaft einwilligungs- und entscheidungsunfähig sind, hilft dies Ärzten und Angehörigen, Ihren Wünschen nachzukommen.
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Wenn ich der Meinung bin es geht nicht mehr, dann muss, ich wiederhole dann muss meinem Wunsch bitte entsprochen werden...ohne wenn und aber. Keiner will sterben oder?? aber wenn dann mit Würde
In einem Artikel steht, dass der Arzt mir das tödliche Medikament verschreiben darf, im anderen wird es wieder relativiert, da das Medikament ja nicht zur Heilung beiträgt, sondern den Tod herbeiführt. Wenn das noch nicht mal klar ist, dann noch das Risiko, dass der Arzt zur dunklen Seite der Macht zählt und den Patienten gleich wegsperren lässt, um jeglicher Problematik aus dem Weg zu gehen und seine Patienten-pro-Minute-Rate zu erhöhen, erkennt man erst, wie krank unser Gesundheitssystem ist. Man wird regelrecht in den Suizid gezwungen, obwohl man nichts anderes möchte als in Würde sterben. Sicher sterben, ohne Risiko einer noch schlimmeren Situation durch den kriminalisierten Suizid. Positiv sterben, mit einem Setting, in dem man die Dankbarkeit für ein großteils erfülltes Leben noch angemessen würdigen kann. Bewusst und mit sich selbst im Reinen sterben, weil man weiß, dass man einen Beitrag leisten durfte und nun Platz macht für neues Leben. Unfassbar, dass das verboten ist!
Nein, im Artikel ist nicht erkennbar, dass es *nur* um schwer körperlich Kranke geht, auch wenn nur bei diesen der Hinweis auf das Sterbenlassen an der Krankheit Sinn macht. Im Interview mit Herrn Dr. Mischo geht es auch um Fälle psychisch Kranker.
Beim Unterbringungsbeschluss kann es so laufen, dass der Richter auf das ärztliche Gutachten verweist und der Arzt auf die Entscheidung des Richters. Damit ist keiner mehr verantwortlich.
Die frommen Worte des interviewten Arztes sind völlig realitätsfremd. Sich mit einem Suizidwunsch an einen Arzt zu wenden ist in fast allen Fällen dumm. Am Ende geht es nicht um die Verhinderung des Leids, sondern um die Verhinderung des Suizids, für den der Arzt nicht verantwortlich gemacht werden will. Und es bleibt die Frage, wie der Arzt an der Stelle des Patienten gehandelt hätte. Beratung geht anders.
Ihre Warnung ist grundsätzlich nicht falsch und zutreffend.
ABER: Im Beitrag geht es um Schwerkranke, zumeist Menschen im Endstadium einer nicht mehr länger behandelbaren Krebserkrankung. Hier ist es in der Praxis nahezu ausgeschlossen, dass jemand aufgrund des von ihm geäußerten Wunsches, aus dem Leben zu scheiden, im die Psychiatrie kommt.
Solche Zwangseinweisungen müssen von einem Richter angeordnet werden. Man möge mir den Richter zeigen, der so etwas anordnet. Falls es ihm geben sollte, wird er hoffentlich baldmöglichst aus seinem Amt entfernt.
Auch mit Grundrecht auf Suizid und assistierten Suizid bleibt es dabei: Wer seinem Arzt seinen Suizidwunsch anvertraut, riskiert eine Zwangseinweisung in die geschlossene Psychiatrie. Denn nach wie vor müssen nicht freiverantwortliche Suizide verhindert werden. In der Psychiatrie wird unterstellt, so gut wie jeder Suizidwunsch sei nicht freiverantwortlich. Außerdem wird argumentiert, man könne es ja oft nicht genau wissen (oder will es nicht genau wissen oder nicht wahr haben?) und müsse daher vorsichtshalber den Patienten vor einer irreversiblen Handlung schützen. Was nach einer Zwangseinweisung in der Psychiatrie geschehen kann, kann beim Bundesverband Psychiatrieerfahrener erfragt werden.
Ich finde es unredlich, dass der interviewte Arzt nicht auf dieses Risiko hingewiesen hat.
Auch wenn die für den Suizidwunsch ursächliche Erkrankung behandelbar ist, hat der freiverantwortliche Suizidwillige das Recht, die Behandlung abzulehnen. (BVerfG Urteil Rn. 299)