Mutmacher 11 000 Euro Entschädigung – weil der Vermieter eine Rampe verweigerte

Datum:
  • Text: Simone Weidner
  • Faktencheck: Dr. Claudia Behrens
Mutmacher - 11 000 Euro Entschädigung – weil der Vermieter eine Rampe verweigerte

Nicola Arsic (links im Bild) und Ehemann Dennis Kuhlow auf der Roll­stuhlrampe. Den barrierefreien Zugang zur Wohnung klagte das Paar ein. © Stefan Korte

Für den barrierefreien Zugang zur Wohnung musste Mieter Dennis Kuhlow vor Gericht ziehen. Die Berliner Wohnungs­gesell­schaft Gewobag hatte ihm eine Rampe verweigert.

„Wir waren anfangs guter Dinge“, erinnert sich Mieter Dennis Kuhlow. Im Jahr 2020 zog sein Ehemann Nicola Arsic, der seit einem Auto­unfall auf einen Roll­stuhl angewiesen ist, mit in die barrierearme Wohnung im 10. Stock in Berlin-Kreuz­berg ein. Per Aufzug ist die Wohnung gut erreich­bar. Es gab nur ein Hindernis: Die sechs Treppen­stufen bis zum Haus­eingang konnte der Rollifahrer nur mit fremder Hilfe bewältigen. Spontan konnte er das Haus nicht verlassen oder betreten, wodurch seine Bewegungs­freiheit stark einge­schränkt war. Dabei ist der 35-jährige Architekt oft alleine unterwegs und führt ein selbst­ständiges Leben.

Freundlicher Brief an die Haus­verwaltung

Die naheliegende Lösung: eine Roll­stuhlrampe. „Wir schrieben einen freundlichen Brief an die Haus­verwaltung und baten um ein Gespräch. Wir gingen davon aus, dass eine Rampe im Interesse der Vermieterin ist.“ Architekt Arsic bot an, die Rampe zu planen. Das Paar garan­tierte, die Kosten von rund 25 000 Euro zu tragen.

Laut Gesetz haben Menschen mit Behin­derung gegen­über dem Vermieter einen gesetzlichen Anspruch auf Zustimmung zu baulichen Maßnahmen, die der Barrierefreiheit dienen. Die Kosten müssen sie allerdings selbst tragen. Teil­weise gibt es finanzielle Unterstützung von sozialen Trägern und Kommunen.

Vermieterin lehnt Roll­stuhlrampe ab

Die Vermieterin Gewobag, eine landes­eigene Wohnungs­baugesell­schaft in Berlin mit rund 74 000 Miet­wohnungen, verweigerte jedoch die Zustimmung. „Es wurden unterschiedliche Ablehnungs­gründe genannt“, erklärt Kuhlow. Zum Beispiel folgende: Es sei kein Platz für eine Rampe vorhanden. Eine Rampe stelle einen erheblichen Eingriff in die Bausubstanz dar. Eine Rampe erfordere erhöhte Verkehrs­sicherungs­pflichten. Und: Es gäbe keine Anfragen von anderen Mietern, die Barrierefreiheit wünschten.

Gutachten entkräftet Argumente der Vermieterin

Das Paar konnte die baulichen Argumente mit einem selbst beauftragten Gutachten entkräften und wandte sich an mehrere Stellen mit der Bitte um Unterstüt­zung. „Frustrierend war, dass die Ombuds­stelle der Senats­verwaltung und die Landes­beauftragte für Menschen mit Behin­derung zwar auf unserer Seite waren, aber keine Weisungs­befugnis hatten.“ Der Petitions­ausschuss des Abge­ordneten­hauses von Berlin hingegen hätte die Vermieterin zur Genehmigung einer Rampe anweisen können, tat es aber nicht.

Für die Genehmigung zogen die Mieter vor Gericht

„Uns blieb nur noch die Klage.“ Kurz vor Prozess­beginn brachte die Vermieterin einen Treppenlift anstelle einer Rampe ins Spiel. Dennoch verurteilte das Amts­gericht die Gewobag zur Genehmigung einer Roll­stuhlrampe: Ein Treppenlift sei wegen seiner Stör­anfäl­ligkeit keine gleich­wertige Maßnahme. Gegen das eindeutige Urteil legte die Gewobag Berufung ein – ohne Erfolg (Land­gericht Berlin, Az. 66 S 75/22). Für einen möglichen Rück­bau der Rampe in der Zukunft mussten die Mieter 5 000 Euro als Sicherheit hinterlegen.

Hohe Entschädigung – wegen der Schwere der Benach­teiligung

Weil Arsic der barrierefreie Zugang rund zwei Jahre lang verweigert wurde, zog das Paar wegen Diskriminierung vor Gericht. Das Land­gericht hielt eine Entschädigung von 11 000 Euro für gerecht­fertigt, unter anderem wegen der Schwere der Benach­teiligung, die Arsic durch die Einschränkung seiner Bewegungs­freiheit erleiden musste, aber auch wegen der „besonders hartnä­ckigen Verweigerungs­haltung“ der Vermieterin (Land­gericht Berlin, Az. 66 S 24/24). „Es gibt jetzt eine Rampe, das erleichtert unseren Alltag sehr“, sagt Kuhlow. „Dass wir dafür vor Gericht ziehen mussten, ist ein Skandal.“

Ihre Chance – so setzen Sie Ihr Recht durch

Recht auf barrierefreien Zugang. In Paragraf 554 des Bürgerlichen Gesetz­buchs steht: „Der Mieter kann verlangen, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behin­derungen (...) dienen.“ Verweigert Ihnen der Vermieter die Genehmigung für einen barrierefreien Zugang ohne sachliche Gründe, können Sie als Mieter beim Amts­gericht Klage einreichen. Das Gericht kann Ihren Vermieter zur Erteilung der Genehmigung verurteilen.

Recht auf Entschädigung. Haben Sie eine Behin­derung und wurde Ihnen eine Genehmigung zu Unrecht verweigert, können Sie wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungs­verbot nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) klagen. Das Gericht legt eine Entschädigungs­summe fest.

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