
Nicola Arsic (links im Bild) und Ehemann Dennis Kuhlow auf der Rollstuhlrampe. Den barrierefreien Zugang zur Wohnung klagte das Paar ein. © Stefan Korte
Für den barrierefreien Zugang zur Wohnung musste Mieter Dennis Kuhlow vor Gericht ziehen. Die Berliner Wohnungsgesellschaft Gewobag hatte ihm eine Rampe verweigert.
„Wir waren anfangs guter Dinge“, erinnert sich Mieter Dennis Kuhlow. Im Jahr 2020 zog sein Ehemann Nicola Arsic, der seit einem Autounfall auf einen Rollstuhl angewiesen ist, mit in die barrierearme Wohnung im 10. Stock in Berlin-Kreuzberg ein. Per Aufzug ist die Wohnung gut erreichbar. Es gab nur ein Hindernis: Die sechs Treppenstufen bis zum Hauseingang konnte der Rollifahrer nur mit fremder Hilfe bewältigen. Spontan konnte er das Haus nicht verlassen oder betreten, wodurch seine Bewegungsfreiheit stark eingeschränkt war. Dabei ist der 35-jährige Architekt oft alleine unterwegs und führt ein selbstständiges Leben.
Freundlicher Brief an die Hausverwaltung
Die naheliegende Lösung: eine Rollstuhlrampe. „Wir schrieben einen freundlichen Brief an die Hausverwaltung und baten um ein Gespräch. Wir gingen davon aus, dass eine Rampe im Interesse der Vermieterin ist.“ Architekt Arsic bot an, die Rampe zu planen. Das Paar garantierte, die Kosten von rund 25 000 Euro zu tragen.
Laut Gesetz haben Menschen mit Behinderung gegenüber dem Vermieter einen gesetzlichen Anspruch auf Zustimmung zu baulichen Maßnahmen, die der Barrierefreiheit dienen. Die Kosten müssen sie allerdings selbst tragen. Teilweise gibt es finanzielle Unterstützung von sozialen Trägern und Kommunen.
Vermieterin lehnt Rollstuhlrampe ab
Die Vermieterin Gewobag, eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft in Berlin mit rund 74 000 Mietwohnungen, verweigerte jedoch die Zustimmung. „Es wurden unterschiedliche Ablehnungsgründe genannt“, erklärt Kuhlow. Zum Beispiel folgende: Es sei kein Platz für eine Rampe vorhanden. Eine Rampe stelle einen erheblichen Eingriff in die Bausubstanz dar. Eine Rampe erfordere erhöhte Verkehrssicherungspflichten. Und: Es gäbe keine Anfragen von anderen Mietern, die Barrierefreiheit wünschten.
Gutachten entkräftet Argumente der Vermieterin
Das Paar konnte die baulichen Argumente mit einem selbst beauftragten Gutachten entkräften und wandte sich an mehrere Stellen mit der Bitte um Unterstützung. „Frustrierend war, dass die Ombudsstelle der Senatsverwaltung und die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung zwar auf unserer Seite waren, aber keine Weisungsbefugnis hatten.“ Der Petitionsausschuss des Abgeordnetenhauses von Berlin hingegen hätte die Vermieterin zur Genehmigung einer Rampe anweisen können, tat es aber nicht.
Für die Genehmigung zogen die Mieter vor Gericht
„Uns blieb nur noch die Klage.“ Kurz vor Prozessbeginn brachte die Vermieterin einen Treppenlift anstelle einer Rampe ins Spiel. Dennoch verurteilte das Amtsgericht die Gewobag zur Genehmigung einer Rollstuhlrampe: Ein Treppenlift sei wegen seiner Störanfälligkeit keine gleichwertige Maßnahme. Gegen das eindeutige Urteil legte die Gewobag Berufung ein – ohne Erfolg (Landgericht Berlin, Az. 66 S 75/22). Für einen möglichen Rückbau der Rampe in der Zukunft mussten die Mieter 5 000 Euro als Sicherheit hinterlegen.
Hohe Entschädigung – wegen der Schwere der Benachteiligung
Weil Arsic der barrierefreie Zugang rund zwei Jahre lang verweigert wurde, zog das Paar wegen Diskriminierung vor Gericht. Das Landgericht hielt eine Entschädigung von 11 000 Euro für gerechtfertigt, unter anderem wegen der Schwere der Benachteiligung, die Arsic durch die Einschränkung seiner Bewegungsfreiheit erleiden musste, aber auch wegen der „besonders hartnäckigen Verweigerungshaltung“ der Vermieterin (Landgericht Berlin, Az. 66 S 24/24). „Es gibt jetzt eine Rampe, das erleichtert unseren Alltag sehr“, sagt Kuhlow. „Dass wir dafür vor Gericht ziehen mussten, ist ein Skandal.“
Ihre Chance – so setzen Sie Ihr Recht durch
Recht auf barrierefreien Zugang. In Paragraf 554 des Bürgerlichen Gesetzbuchs steht: „Der Mieter kann verlangen, dass ihm der Vermieter bauliche Veränderungen der Mietsache erlaubt, die dem Gebrauch durch Menschen mit Behinderungen (...) dienen.“ Verweigert Ihnen der Vermieter die Genehmigung für einen barrierefreien Zugang ohne sachliche Gründe, können Sie als Mieter beim Amtsgericht Klage einreichen. Das Gericht kann Ihren Vermieter zur Erteilung der Genehmigung verurteilen.
Recht auf Entschädigung. Haben Sie eine Behinderung und wurde Ihnen eine Genehmigung zu Unrecht verweigert, können Sie wegen Verstoßes gegen das Diskriminierungsverbot nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) klagen. Das Gericht legt eine Entschädigungssumme fest.
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