
Professor Dr. Oliver Tolmein. Der Fachanwalt für Medizinrecht vertritt pflegende Eltern. © Kanzlei Menschen und Rechte
In welchen Fällen helfen Sie Eltern behinderter Kinder?
Ich helfe Eltern und Kindern, vor allem Teilhabeansprüche durchzusetzen, meist gegen die Träger der Eingliederungshilfe und gegen die gesetzliche Krankenversicherung. Außerdem bin ich mit der Durchsetzung von Ansprüchen gehörloser Menschen auf Gebärdensprachdolmetscher-Einsätze befasst.
Die Einstufung des Pflegegrads hängt vom Gutachten des Medizinischen Dienstes (MD) ab. Wie können sich Eltern darauf vorbereiten?
Ich erlebe immer wieder, dass Eltern versuchen, sich bei Zeitangaben für Pflege- oder Hilfsleistungen „richtig“ zu verhalten. Auf Nachfragen von Gutachtern des MD korrigieren sie die Zeitangaben für Betreuungs- und Pflegeleistungen nach unten: „Ja, es kann auch mal 5 statt 15 Minuten dauern, das zehnjährige Kind auf die Toilette zu begleiten.“ Es gibt aber keine falsche oder richtige Antwort. Wenn eine bestimmte Hilfeleistung länger dauert, als der MD annimmt, ist das individuell zu begründen. Wer sich zu oft nach unten korrigiert, erweckt beim Medizinischen Dienst eher den Verdacht, die Bedarfsangaben zu hoch anzusetzen.
Ab wann lohnt es sich, einen Anwalt einzuschalten?
Da gibt es keine festen Regeln. Oft ist es sinnvoll, Anwälte zu beteiligen, wenn Behörden eine Leistung ablehnen. Dann planen wir, das Verfahren zielgerichtet zum Erfolg zu führen und keinen rechtlich ungünstigen Vortrag zu bringen, den man hinterher schwer aus den Akten schaffen kann. Klage- oder gar Eilverfahren sollten Eltern in der Regel mit einem Anwalt betreiben. Dafür gibt es gegebenenfalls Prozesskostenhilfe. Allerdings brauchen auch Anwälte die Mitarbeit der Mandanten. Die Vorstellung, ein Anwalt regele schon alles, trifft nicht zu.
Welchen Rat können Sie betroffenen Eltern mitgeben?
Tauschen Sie sich mit Menschen in ähnlicher Lage aus. Lassen Sie sich nicht alles gefallen, aber erhalten Sie sich die Fähigkeit, auch mal aufzugeben und Kompromisse einzugehen. Nehmen Sie Ihre Interessen und die Ihres Kindes ernst, teilen Sie aber auch Ihre Kräfte ein. Sie können nicht jeden Streit führen. Und Anwälte, die Sie immer nur bestärken, sind nicht notwendigerweise Ihre besten Freunde. Sie haben auch eigene Interessen.
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Ein Lob von mir, dass die Stiftung noch von Behinderung schreibt.
Zu viele (seltsamerweise vor allem gesunde Menschen) schreiben von „Herausforderung“ oder „Einschränkungen“. Als wenn die „Herausforderung“ mit genug Anstrengung gemeistert werden könnte. Als wenn die „Einschränkung“ durch ein bisschen Anpassung kompensiert werden könnte.
Ich, der dank seiner homöopathischen Eltern heute auf einem Auge blind ist, wird jedesmal wütend, wenn er diese Umschreibungen sieht. „Du musst dich nur etwas anstrengend, dann schaffst du die Herausforderung. Wir müssen uns nur etwas anpassen, dann ist deine Einschränkung eigentlich nicht mehr da.“ - Eine Beleidigung für jeden Behinderten.
Hallo, ich habe mir viele Tipps gehollt. Unglaublich was für Hilfen es für uns und unsere Kinder mit Behinderung gibt.
Ein GROSSES LOB wie ausführlich und sehr gut verständlich es geschrieben wird. Ich und meine Familie Danken herzlichst.