Funk­tions­jacken im Test

„Aus Umwelt­sicht der Worst Case“

Funk­tions­jacken im Test - Die besten fluorfreien Modelle für Damen und Herren

Stefan Stolte forscht an der TU Dresden zur Risiko­bewertung von Chemikalien. © Uni Bremen

Ein „erhebliches Risiko für Mensch und Umwelt“ sieht Chemiker Stefan Stolte in PFAS-haltiger Chemie. Warum, verrät der Professor für Wasser­chemie im Gespräch mit test.de.

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Gefahren stehen oft in keinem Verhältnis zum Nutzen

Für wen sind Jacken mit Fluor-Ausrüstung sinn­voll?

Die Jacken sollten ein Nischen­produkt für Extrem­sportler oder bestimmte Berufs­gruppen wie Feuerwehren sein. Verbrauche­rinnen und Verbraucher sollten hinterfragen, wofür sie die Jacke einsetzen. Ich benötige keine High-Performance-Jacke, um in den Supermarkt zu gehen – und wenn ich weiß, dass ich sie nur gelegentlich im Sommer zum Wandern nutze, brauche ich keine Hoch­gebirgs­ausrüstung.

Was macht fluorhaltige Ausrüstungen so besonders effektiv?

Sie sind unschlagbar, wenn es um den Schutz vor Wasser, Schmutz und Öl geht. Es gibt kein Alternativ­produkt, das da rankommt. Die Anwendung von PFAS in Outdoor­produkten sehe ich aber sehr kritisch, weil hier die nachgewiesenen Gefahren für Mensch und Umwelt nicht im Verhältnis zu deren Nutzen stehen.

PFAS bauen sich nur sehr lang­sam ab

Wo ist denn das Problem?

Einige PFAS sind giftig, die meisten sind nicht oder nur extrem lang­sam abbaubar in der Umwelt, wir nennen das persistent. Dazu können sich PFAS mit langen Fluorcarbonketten in Mensch und Tier anreichern, sind also bioakkumulativ. Die Kombination dieser Eigenschaften und der Umstand, dass sie in sehr großer Menge produziert und freigesetzt werden, ist aus Umwelt­sicht der Worst Case.

Mehrere Anbieter weisen darauf hin, dass sie heute kurz­kettige Fluor­verbindungen nutzen. Sind die besser für die Umwelt?

Tatsäch­lich sind Anbieter seit einigen Jahren dazu überge­gangen, Chemikalien mit kürzeren Fluorcarbonketten zu verwenden. Diese reichern sich nicht im Körper an, sind aber ähnlich schwer abbaubar und deutlich mobiler in der Umwelt. Zudem sind die tech­nischen Eigenschaften im Vergleich mit langen Fluorcarbonketten nicht so gut, man braucht also mehr von diesen Chemikalien. Zusätzlich sind Verunreinigungen mit lang­kettigen PFAS nicht auszuschließen.

Jacke nicht ohne Not waschen

Warum tun sich Anbieter schwer mit fluorfreien Alternativen?

Es gibt fluorfreie Produkte, aber die haben nicht die gleichen Eigenschaften wie die Fluor­produkte, sie sind zum Beispiel nicht ölab­weisend. Hier sind Konsumentin und Konsument gefragt. Was nicht gekauft wird, wird auch nicht produziert. Es gibt zahlreiche Gütesiegel für Textilien, die neben umwelt­schonender Produktion auch auf faire Arbeits­bedingungen in den produzierenden Ländern hinweisen.

Was mache ich mit meiner PFAS-haltigen Funk­tions­kleidung? Behalten? Oder wegwerfen?

Ich kann nur dazu raten, sie so lange zu tragen wie möglich. Behalten Sie die Jacke, befolgen Sie Pflege-Tipps der Hersteller, reaktivieren Sie die Imprägnierung, wenn möglich, im Trockner oder durch Bügeln und waschen Sie sie nur so oft wie wirk­lich nötig.

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34 Kommentare Diskutieren Sie mit

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • stfpetgnd am 28.09.2024 um 16:12 Uhr
    Wann gibt es endlich einen neuen Test??

    Hallo,
    wann kommt hier endlich mal wieder ein neuer Test?
    Der Markt zu Outdoorjacken ist massiv in Bewegung und viele Nutzer sind sicher an diesem Thema interessiert, da viele der getesteten Modelle gar nicht mehr im Handel sind.
    Daher sollte doch mal ein neuer Test aufgelegt werden, anstelle des hundersten Matratzen-, Fernseher-, Handy- oder Notebooktest.
    Es nervt nur noch, weil immer wieder die selben Tests einfach wiederholt werden und damit ein Großteil der Printausgabe mit den gleichen Themen gefüllt wird. :(

  • siriustag21 am 08.01.2024 um 11:45 Uhr
    Wasserdicht ist nicht gleich wasserdicht Ergänzung

    Die Wasserdichtigkeit wird bei Übertreffen der Klasse 4 nach EN 343 ( 2.039 mm Wassersäule) oft direkt als Wassersäule angegeben, z.B. mit 10.000 mm oder noch besser mit 25.000 mm.
    Atmungsaktivität wird auch in MVTR angegeben. Ein MVTR-Wert ab 10.000 g/m²/24h gilt als sehr atmungsaktiv.

  • siriustag21 am 07.01.2024 um 16:32 Uhr
    Wasserdicht ist nicht gleich wasserdicht


    Wer eine Funktionsjacke kaufen will und möchte, dass diese wasserdicht ist, sollte Folgendes nachsehen bzw. nachfragen: EN 343:2019 geprüft, welche Klasse? Klasse 4 bedeutet max. wasserdicht, Klasse 1 mindestwasserdicht. Ebenfalls interessant: Atmungsaktiv Klasse 4 ist max. atmungsaktiv, Klasse 1 minimal atmungsaktiv.

  • siriustag21 am 07.01.2024 um 16:29 Uhr

    Kommentar vom Autor gelöscht.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 31.10.2023 um 12:50 Uhr
    Testwunsch Funktionsjacken

    @393e96908f0deb71645411445dd9bb0a:Ob und wann eine entsprechende Untersuchung durchgeführt wird, lässt sich momentan noch nicht übersehen. Ihren Testvorschlag haben wir jedoch mit Interesse zur Kenntnis genommen und an unser für die Testplanung zuständiges Gremium, das Untersuchungswünsche unserer Leser registriert, weitergeleitet. Vielen Dank dafür!