Das Kammergericht Berlin hat entschieden, dass Airlines keine Bearbeitungsgebühr verlangen dürfen, wenn Reisende ihre Buchung vor Abflug stornieren und anschließend die Erstattung der im Ticketpreis enthaltenen Steuern und Gebühren verlangen. Air Berlin will bei Flügen im Spartarif dafür bislang 25 Euro. Das Berliner Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Womöglich wird der Bundesgerichtshof diese Frage abschließend entscheiden müssen.
25 Euro Bearbeitungsentgelt nach Storno
Unumstritten ist: Wenn ein Fluggast eine Buchung vor dem Abflug storniert, hat die Airline zumindest die bei der Ticketbezahlung einbehaltenen Steuern und Gebühren wieder an den Kunden auszuzahlen. Das gilt sogar, wenn Fluggäste gar nicht zum Abflug erscheinen. Doch die Airlines ziehen von den Steuern und Gebühren oft eine Bearbeitungsgebühr ab, die den Auszahlungsbetrag erheblich schmälert. Diese Praxis betrifft vor allem die Billigtarife der Airlines. Hier besteht ein Großteil des vom Kunden zu bezahlenden Preises aus Steuern und Gebühren. Wer bei Air Berlin ein Ticket im Spartarif storniert und Erstattung fordert, bekommt vom Erstattungsbetrag 25 Euro abgezogen. Dagegen ging der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) gerichtlich vor.
Kammergericht: Stornogebühr unzulässig
Das Berliner Kammergericht hat nun entschieden, dass Air Berlin nach einer Flugstornierung kein Bearbeitungsentgelt verlangen darf. Die Erstattung der Gebühren und Steuern sei keine freiwillige Leistung, für die eine Fluggesellschaft Geld verlangen dürfe. Die Pflicht zur Erstattung resultiere aus dem gesetzlichen Recht des Kunden, den Flug jederzeit vor Abflug stornieren zu dürfen (Paragraf 649 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Die 25-Euro-Regelung in den Geschäftsbedingungen von Air Berlin benachteilige Kunden unangemessen (Az. 5 U 2/12, nicht rechtskräftig - das Urteil im Volltext).
Air Berlin nennt bei Buchung merkwürdig geringe Gebühren
Der Dachverband der Verbraucherzentralen vzbv hatte im Prozess außerdem kritisiert, dass Air Berlin seinen Kunden bei der Flugbuchung zu geringe Steuern und Gebühren ausweise. „1 Euro“ und „3 Euro“ waren dem vzbv bei Probebuchungen für Flüge zwischen Berlin und Frankfurt als Summe für „Steuern und Gebühren“ auf der Internetseite von Air Berlin angezeigt worden. Das war zum Zeitpunkt der Buchung aber schon falsch. Denn allein der Frankfurter Flughafen verlange als Passagiergebühr im innerdeutschen Verkehr bereits 14,70 Euro pro Fluggast, stellte das Gericht in seiner Urteilsbegründung fest. Kerstin Hoppe, Rechtsreferentin vom vzbv, sieht in der niedrigen Gebührenangabe eine Masche: „Die scheinbar geringfügigen Beträge sollten Kunden davon abhalten, nach einer Stornierung die nicht angefallenen Steuern und Gebühren von Air Berlin zurückzufordern“. Das Kammergericht hat Air Berlin diese Praxis nun untersagt.
Auch Stornoregeln anderer Airlines unwirksam
Nicht nur die Stornoregeln von Air Berlin werden vor Gericht verhandelt. Im Sommer 2013 erklärte das Landgericht Köln auch eine Stornoklausel der Lufthansa für unwirksam – mit einer ähnlichen Begründung wie das Kammergericht Berlin. Von Lufthansa-Kunden, die einen Flug im Lufthansa-Billigtarif „Economy Saver“ storniert hatten und Steuern und Gebühren zurückforderten, hatte die Kranich-Airline ein Bearbeitungsentgelt in Höhe von 30 Euro verlangt (Az. 26 O 481/12, Urteil im Volltext). Die das Bearbeitungsentgelt regelnde Klausel in den Lufthansa-Geschäftsbedingungen erklärte das Gericht für unwirksam.
Air Berlin verweigert Schlichtungsverfahren
Da die Höhe der Bearbeitungsgebühr in der Regel keinen Prozess lohnt, sind die Fluggäste bei der Durchsetzung von Erstattungen ohne Abzug auf die Hilfe einer außergerichtlichen Schlichtungsstelle angewiesen. Aber die private Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (Söp) in Berlin kann den Betroffenen momentan nur in Einzelfällen helfen. Nach dem Luftverkehrsgesetz ist eine Schlichtung bei Rechtsproblemen rund um die Stornierung eines Fluges nicht vorgeschrieben. Die Schlichter der Söp können daher nur dann tätig werden, wenn die Airline freiwillig mitmacht. Lufthansa und Germanwings entscheiden derzeit je nach Einzelfall, ob sie der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens zustimmen. Air Berlin und Condor lehnen eine Schlichtung bei Storno-Streitigkeiten derzeit ab.
Bei teuren Flügen anwaltliche Hilfe einholen
Steuern und Gebühren ungekürzt wiederzubekommen, ist eine mühsame Sache. Den gesamten Ticketpreis nach einer Stornierung erstattet zu bekommen, ist noch schwieriger – aber nicht unmöglich, wie eine Reihe von jüngsten Urteilen zeigt. Vor allem nach der Stornierung von sehr teuren Flügen, kann es daher ratsam sein, einen Anwalt mit der Rückforderung des gesamten Flugpreises zu beauftragen.
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@Tester-Tester: Die Fluggesellschaften muss nur die Ausgaben, die sie durch die Kündigung gespart hat, zurückzahlen. Kosten, die trotz der Stornierung zu buche schlagen, kann sie weiterhin vom Kunden verlangen. Bitte lesen Sie auch unsere Berichterstattung unter dem Link zum Artikel der Erstattung des Reisepreises. (maa)
Wir kauften Alitalia-Flüge für Juni 2017 und zahlten online zusätzlich Gebühren für Kreditkartenzahlung.
Jan. 2017 stornierte Alitalia die Flüge. Telefonsupport verweigerte die Rückzahlung der Kreditkarten-Gebühr: sie sei im Computersystem nicht sichtbar. Telefonsupport legte auf.
Wir fanden zwar weitere Mail- und Fax-Kontakt-Daten von Alitalia, dort antwortet aber seit Wochen niemand (außer automatischer Eingangsbestätigung).
Es geht nicht um viel Geld, aber:
Das kann nicht doch sein:
Jemand bietet etwas zum Kauf, kassiert den Kaufpreis samt Kreditkartengebühr und sagt dann: "Sorry, ich kann nicht liefern, Du bekommst zwar den Preis der Ware zurück, aber die von Dir bezahlte Kreditkartengebühr behalte ich."
Die Rückzahlungspflicht für Gebühren müsste doch (erst Recht) gelten, wenn die Airline selber storniert?
@FrankinBonn: Wann dieses Verfahren beim BGH wieder aufgenommen wird, können wir noch nicht sagen. (PH)
Die 25€ werden weiterhin abgezogen. Neben den "sonstigen Gebühren" wird aber nun auch die Luftverkehrssteuer erstattet, nicht aber der Treibstoff- und Sicherheitszuschlag.
Nach dem Beschluss des BGH vom 21. April 2016 Az. I ZR 220/14 ist das Verfahren ausgesetzt. Heisst dies, dass vorerst keine zeitnahe Entscheidung zu erwarten ist?
@richard30: So lange die Forderung noch nicht verjährt ist, können Sie die Bearbeitungsgebühr auch später noch einfordern, wenn es ein positives Urteil des BGH zu dem Thema gibt. (AK)