
Einfache Lagen. Die Degag-Gruppe konzentrierte sich auf Immobilien im Randbereich, die angeblich modernisiert werden sollten. © picture alliance / Blickwinkel / H. Blossey
Anfang 2025 meldete die auf Immobilien spezialisierte Degag-Gruppe die Insolvenz einzelner Gesellschaften an. Worauf Anlegerinnen und Anleger nun achten müssen.
Bei der insolventen Degag-Gruppe hat die Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen. Ein verheerendes Bild zeichnen zudem Berichte des vorläufigen Insolvenzverwalters Rainer Eckert. Seit dem 22. August 2025 läuft das Insolvenzverfahren gegen mehrere Gesellschaften der Degag-Gruppe am Amtsgericht Hameln.
Die Stiftung Warentest hatte die Gruppe bereits im August 2024 durchleuchtet und die nun insolventen Gesellschaften auf die Warnliste Geldanlage gesetzt. Die Degag-Gruppe sammelte von Anlegerinnen und Anlegern Kapital in Form von Genussrechten ein, um minderwertige Immobilien zu kaufen, zu sanieren und zu bewirtschaften.
Rechnerische Milliardenschulden
Die betroffenen Emissionsgesellschaften dieser Genussrechte (DEGAG Bestand und Neubau 1 GmbH, DEGAG Kapital GmbH, DEGAG WI8 GmbH) hatten laut Bericht des vorläufigen Insolvenzverwalters 282,5 Millionen Euro von 4 700 Anlegerinnen und Anlegern eingesammelt. Alle Emissionsgesellschaften sind zahlungsunfähig und überschuldet. Laut Eckert beläuft sich die Überschuldung bei den drei Emissionsgesellschaften rechnerisch auf 1,7 Milliarden Euro.
Aufenthaltsort des ehemaligen Gründers nicht bekannt
Zahlungsschwierigkeiten bestanden offenbar schon im November 2023, als eine der drei Gesellschaften ihre fälligen Verpflichtungen nicht mehr erfüllen konnte. Als Hauptursachen für die Insolvenz nennt der Bericht eine geplatzte Finanzierung im Dezember 2024, marode und teils leer stehende Immobilien, die zu wenig Mieteinnahmen brachten.
Der Bericht des Insolvenzverwalters wirft darüber hinaus dem ehemaligen Gründer der Gruppe, Birger Dehne, vor, angeblich Millionenbeträge für eigene Zwecke abgezogen zu haben. In dem Bericht heißt es, Dehne habe laut Auskunft der Beteiligten „als Initiator und faktischer Geschäftsleiter der DEGAG-Gruppe sämtliche konzeptionellen und materiellen Entscheidungen getroffen“. Dehne hat das gegenüber dem Insolvenzverwalter durch seinen Anwalt bestritten. Er sei seit 2021 nur als Berater tätig geworden.
Der Aufenthaltsort Dehnes ist nicht bekannt. Sein Anwalt ließ eine Anfrage der Stiftung Warentest unbeantwortet. Dehne selbst war nicht erreichbar. Die Staatsanwaltschaft Hannover wollte der Stiftung Warentest „aus ermittlungstaktischen Gründen“ keine Auskunft erteilen.
Probleme für Anlegerinnen und Anleger
Nach derzeitigem Stand ist es unwahrscheinlich, dass die vorhandene Vermögensmasse ausreicht, um die vorrangigen Gläubiger zu bedienen. Zudem müssen Anleger, die 2024 Zahlungen von der Degag erhalten haben, nun damit rechnen, dass der Insolvenzverwalter diese zurückfordert. Denn bereits seit November 2023 soll laut Insolvenzbericht bei der Degag WI8 GmbH ein Grund für die Insolvenz bestanden haben. Die amtierende Geschäftsführung stellte die Insolvenzanträge jedoch erst im Januar 2025.
Zahlungen, die nach einer Zahlungsunfähigkeit an Anleger flossen, wären aufgrund der vertraglich vereinbarten vorinsolvenzlichen Durchsetzungssperre rechtlich anfechtbar und könnten vom Insolvenzverwalter zur Masse zurückgefordert werden. Denn laut Eckert hätten die Geschäftsführer mit Eintritt der Insolvenzreife keine Zahlungen mehr leisten dürfen. Der genaue Betrag der zurückzufordernden Zahlungen ist noch nicht ermittelt.
Schadensersatzansprüche wegen Täuschung?
Anleger haben ohnehin erhebliche Probleme, weil sie nachrangige Forderungen anmelden müssten und dann im Insolvenzverfahren voraussichtlich leer ausgehen würden. Ein Ausweg wäre, dass sie Schadensersatzansprüche wegen Täuschung geltend machen – sogenannte deliktische Ansprüche.
Wenn eine Täuschung vorliegt, gelten diese Ansprüche als normale Insolvenzforderungen. Unter Umständen könnten sie sich gegen alle beteiligten DEGAG-Gesellschaften richten, da eine gesamtschuldnerische Haftung im Raum steht.
Denkbar wäre es deshalb, Ansprüche nicht nur gegen einzelne Gesellschaften zu richten, sondern gegen alle drei Emissionsgesellschaften sowie die Degag Deutsche Grundbesitz Holding GmbH. Eine aktuelle BGH-Entscheidung erweitert die Haftung im Rahmen von Schneeballsystemen und könnte hier einschlägig werden (BGH-Entscheidung vom 06.03.2025, III ZR 137/24).
Forderungen anmelden
Anlegerinnen und Anleger können Forderungen bis zum 7. Oktober 2025 kostenlos beim Insolvenzverwalter anmelden. Wer verspätet anmeldet, muss eine Bearbeitungsgebühr von 22 Euro in Kauf nehmen. Der Insolvenzverwalter geht beim jetzigen Kenntnisstand vorsorglich von Normalverbindlichkeiten aus und hat die Anleger auf eine eigens eingerichtete Internetseite verwiesen (www.degag-inso.de), um Betroffene zu informieren.
Haftbar könnten zudem nicht nur Degag-Gesellschaften sein, sondern auch Dehne und Finanzberater, die Genussrechte vermittelt und empfohlen hatten. Wer das prüfen möchte, sollte eine Fachanwältin oder einen Fachanwalt für Kapitalmarktrecht konsultieren. Leider gibt es hier aber auch schwarze Schafe. Vorsicht bei der Anwaltswahl ist vor allem bei Empfehlungen oder unaufgeforderten Anschreiben per Brief angebracht.
Wer seine Erfolgsaussichten auf wenigstens eine gewisse Rückzahlung aus den Insolvenzverfahren wahren möchte, sollte Normalforderungen im sogenannten Rang gemäß Paragraf 38 der Insolvenzordnung gegenüber allen vier Gesellschaften anmelden. Die Insolvenzgutachten liefern dafür die Begründungen. Für die Forderungsanmeldungen ist kein Rechtsbeistand notwendig. Wer sich trotzdem von einem Anwalt vertreten lassen möchte, sollte vorher die Gebührenfrage klären, um unliebsame Überraschungen durch Vierfachabrechnung und/oder hohen Faktoren bei der Geschäftsgebühr zu vermeiden.
Chaotische Firmenleitung
Der Bericht des Insolvenzverwalters belegt insgesamt ein massives Buchhaltungs- und Datenchaos. In seinem Bericht beklagt Eckert fehlende Unterlagen, mutmaßliche Datenverstecke, 900 Ordner mit Anlegerverträgen, die erst zwangsweise gesichert werden mussten, und eine veraltete Anlegerverwaltungssoftware, deren Anpassung hohe Kosten verursacht. Ein Gläubigerausschuss wurde aus Kostengründen bislang nicht eingesetzt.
Hinweis zur Warnliste Geldanlage der Stiftung Warentest
Die Warnliste Geldanlage listet alle Unternehmen, Geldanlageangebote und Dienstleistungen der vergangenen zwei Jahre auf, die die Stiftung Warentest negativ bewertet hat. Sie lässt sich kostenlos im Format PDF herunterladen. Sie umfasst mehrere Seiten und wird in der Regel einmal im Monat aktualisiert. Wenn zwei Jahre vergangen sind, werden Einträge gelöscht, wenn in der Zwischenzeit nicht erneut negativ berichtet wurde. Einträge, die älter als zwei Jahre sind und ohne Folgeberichterstattung blieben, sind ab dann nicht mehr auf der aktuellen Warnliste zu finden.
-
- Vor wenigen Monaten setzten wir Firmen der Degag-Gruppe auf die Warnliste Geldanlage. Nun stellen einige die Zahlungen ein. Fragen beantwortet uns die Degag-Gruppe nicht.
-
- Die Degag-Gruppe zählt zu den aktiven Akteuren auf dem Immobilienmarkt. Doch ihre Anlageangebote sind riskant. Wir zeigen, warum.
-
- Wer in eine Genossenschaft oder eine andere Gesellschaft investiert und in Raten einzahlt, geht hohe Risiken ein. Wie sich Anlegerinnen und Anleger schützen.
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.