
Like oder Dislike. In Sozialen Netzwerken können Menschen begeistern, aber auch mal anecken. © Getty Images
Wer andere im Netz kritisiert, muss sich an Regeln halten. test.de klärt, wann Hasskommentare vor Gericht landen und wo das Recht auf freie Meinungsäußerung endet.
Das Internet ist ein Umschlagplatz großer Gefühle. Babynachrichten, neue Kleider oder Bilder von Haustieren ernten oft tausende Herzchen und Zuneigungsbekundungen. An anderer Stelle hagelt es Kritik, die oft alles andere als fair ausfällt und sich zu einem Shitstorm ausweiten kann.
Hasskommentare und Beleidigungen einstecken zu müssen, kann das gesamte Leben beeinträchtigen – und krank machen. Doch niemand ist Hass und Häme im Netz schutzlos ausgeliefert, es ist möglich, sich zu wehren. Wichtig ist, die eigenen Rechte zu kennen und zu wissen, wer einem im Notfall helfen kann. Die Rechtsexpertinnen der Stiftung Warentest klären auf.
Wie man fair kritisiert
Hinter negativen Kommentaren und Bewertungen stecken häufig Emotionen wie Wut, Enttäuschung oder das Gefühl, ungerecht behandelt worden zu sein. Einfach rauslassen sollten Kunden, Patienten und Beschäftigte ihren Ärger im Netz dennoch nicht. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Es gelten dieselben Regeln wie im echten Leben – etwa beim Ärger im Straßenverkehr. Wer beim Kritisieren über die Stränge schlägt, Lügen verbreitet oder andere beleidigt, macht sich rechtlich angreifbar.
Anonym Wut loswerden – das ist verlockend
Haben Sie sich auch schon mal über Ihre Chefin aufgeregt und hätten ihr gerne die Meinung gesagt? Bewertungsportale und Social-Media-Plattformen im Internet scheinen dafür gerade recht zu kommen. Nicht nur die fiese Vorgesetzte, auch ein unsensibler Arzt oder einfach ein schlechtes Restaurant können dort kritisiert werden – das geht auf Bewertungsportalen oft sogar anonym.

Soziale Netze. Auch wenn die Emotionen hochkochen: Am besten immer sachlich und konstruktiv bleiben. © Getty Images
Unser Rat
Meinung sagen. Wenn Sie Ihre Ärztin, Ihren Arbeitgeber oder einfach einen Gewerbetreibenden im Internet kritisieren wollen, sind Sie durch die Meinungsfreiheit geschützt. Vorausgesetzt, Sie halten sich an die Regeln und kritisieren fair (siehe unten „So gelingt Kritik“).
Konstruktiv bleiben. Machen Sie sich nicht juristisch angreifbar. Auch wenn Sie wütend sind, seien Sie vorsichtig mit Tatsachenbehauptungen. Bleiben Sie sachlich und lassen Sie sich nie zu Straftatbeständen wie übler Nachrede hinreißen.
Öffentlichkeit. Wenn Sie bei Facebook angemeldet sind, überlegen Sie gut, wer was mitlesen soll und sehen kann. Überprüfen Sie Ihre Privatsphäre-Einstellungen daraufhin, wer Ihre Einträge, Profilinformationen und Aktivitäten sehen kann.
Frust. Sind Sie verärgert und äußern sich im Affekt tatsächlich einmal beleidigend auf einer Plattform im Internet, sollten Sie Ihren Beitrag möglichst schnell wieder löschen. Verbreiten Sie keine unbestätigten üblen Gerüchte über Ihren Arbeitgeber oder Kollegen. Werden sie weitergegeben, kann Sie das den Job kosten.
Die Meinungsfreiheit hat Grenzen
Das Recht auf freie Meinungsäußerung ist im Artikel 5 des Grundgesetzes verankert. Jeder darf seine Meinung vertreten – auch im Internet. Prinzipiell erlaubt sind deshalb auch überspitzte Äußerungen wie „Die Produkte sind meiner Ansicht nach Billigschrott“ oder „Der Kundenservice ist anscheinend da, um Kunden zu verprellen“. Doch Meinungsfreiheit im Internet hat ihre Grenzen: Beleidigungen, Verleumdungen und falsche Tatsachenbehauptungen sind nicht durch das Recht auf freie Meinungsäußerung geschützt.
Vorsicht bei Tatsachenbehauptungen
Doch es sind nicht nur Extremfälle wie Beleidigungen oder Verleumdungen, die juristische Folgen nach sich ziehen können. Auch bei scheinbar harmloser Kritik gibt es Fallen. Insbesondere dann, wenn Kritisierende leichtfüßig Tatsachen behaupten. Angreifbar sind diese, wenn die Person sie nicht beweisen kann oder der Inhalt schlichtweg falsch ist.
Nur schreiben, was belegbar ist
Die Grenze zwischen Meinung und Behauptung verläuft oft in Grauzonen. Was zulässig ist, hängt deshalb stark vom Einzelfall ab. Kritisierende sollten daher unbedingt auf Nummer sicher gehen und nichts schreiben, was sie nicht beweisen können. Wer Lügen verbreitet, riskiert schnell seine Anonymität. Bewertungsportale müssen unter Umständen auch Nutzerdaten herausgeben.
Unfaire Behauptungen werden teuer
Hat der Urheber einer unwahren Tatsachenbehauptung Glück, löscht das Portal diese einfach. Nicht so glimpflich geht die Verbreitung einer Lüge aus, wenn der Betroffene anwaltlich gegen den Verfasser vorgeht. Der Adressat kann Löschung und Unterlassung verlangen. Sind dem Bewerteten durch eine unwahre Tatsachenbehauptung nachweislich finanzielle Schäden entstanden, könnte er dafür sogar Schadenersatz fordern. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn ihm durch eine unwahre Behauptung nachweislich Kunden ausbleiben und damit der Umsatz sinkt.
Inhalte können sogar strafbar werden
Schlimmer noch als die Behauptung falscher Tatsachen ist die Verbreitung strafbarer Inhalte. Strafbar macht sich beispielsweise, wer andere beleidigt oder verleumdet. Wer solche Straftaten begeht, verletzt die Ehre eines anderen. Dabei handelt es sich um sogenannte Antragsdelikte: Nur wenn das Opfer einen Strafantrag stellt, wird gegen den Beschuldigten strafrechtlich vorgegangen.
Wie insbesondere soziale Netzwerke mit solchen Inhalten umgehen müssen, lesen in Sie im Abschnitt Hasskommentare auf Facebook und Co.
Berechtigte Kritik ja, Beleidigung nein
Die grobe Beleidigung des Arbeitgebers stellt außerdem einen Verstoß des Arbeitnehmers gegen seine Pflichten dar und rechtfertigt eine außerordentliche, fristlose Kündigung. Arbeitnehmer sind zwar berechtigt, Kritik am Arbeitgeber zu äußern, unter Umständen auch überspitzt. Aber Schmähkritik, Beleidigungen oder Lügen muss ein Chef nicht hinnehmen. Von Schmähkritik ist die Rede, wenn es nicht mehr um einen Streit in einer Sache geht, sondern nur noch darum, jemanden lächerlich zu machen oder zu beleidigen.
Ärgern im kleinen Kreis geht
Wichtig ist auch, wie viele Leute eine Äußerung hören oder lesen können. Generell gilt, dass die Freiheit der Meinungsäußerung in einem „geschützten Raum“ – etwa in einem Chat oder einer geschlossenen Facebook-Gruppe – höher bewertet wird als die auf einer Internetpinnwand oder in öffentlich gestalteten Profilangaben.
Wie lange war die Kritik zu lesen?
Ausschlaggebend kann auch sein, über welchen Zeitraum eine beleidigende Äußerung zu lesen ist. Bei einem Kommentar, der mehrere Monate öffentlich einsehbar war, kann möglicherweise nicht mehr von einer „augenblicklichen, wenn auch heftig überzogenen Unmutsäußerung“ die Rede sein, wie es einmal ein Zivilgericht formulierte.
Aufpassen bei Arbeitgeberbewertung
Spezialisierte Bewertungsportale bieten Beschäftigten die Möglichkeit, anonym ihren Arbeitgeber zu bewerten, etwa Kununu. Verbieten dürfen Chefs das nicht. Arbeitnehmer sollten beim Bewerten aber sehr vorsichtig sein, denn es gelten besondere Regeln. Sie dürfen beispielsweise keine Betriebsgeheimnisse verraten oder Loyalitätspflichten verletzen. Wer gegen diese Regeln verstößt, kann abgemahnt werden. Bei besonders drastischen Pflichtverletzungen droht sogar die fristlose Kündigung.
Die Devise: Konstruktiv und sachlich
Grundsätzlich gilt: Niemand muss sich bei gerechtfertigter Kritik Sorgen machen. Wichtig ist, dass sie fair, sachlich und konstruktiv bleibt. Fair ist beispielsweise ein Verbesserungsvorschlag wie „Ich finde, die Deko könnte etwas moderner sein“, aber nicht ein fieser Kommentar wie „Miefiges Restaurant mit altbackener Deko“.
Kritik darf grundsätzlich nicht darauf ausgerichtet sein, dem anderen zu schaden oder sich zu rächen.
So gelingt Kritik
Verbesserungen vorschlagen. Schreiben Sie, was verbessert werden kann, anstatt lediglich zu sagen, was schlecht ist.
Nur eigene Erfahrungen. Kritisieren Sie nur das, was Sie wirklich selbst erlebt haben.
Eigene Meinung betonen. Machen Sie klar, dass es sich um Ihre subjektive Meinung handelt. Bilden Sie Sätze wie „Ich fand den Kaffee etwas zu stark“.
Keine Geheimnisse verraten. Seien Sie gerade bei Arbeitgeberbewertungen vorsichtig und geben Sie keinerlei interne Informationen weiter.
Unwahrheiten vermeiden. Behaupten Sie keine Tatsachen, die Sie nicht eindeutig beweisen können.
Keine Namen nennen. Nennen Sie Personen nicht namentlich. Nur wenige Ausnahmen sind hier erlaubt.
Bewertungsportal muss neutral sein
Rechtliche Auseinandersetzungen gibt es immer wieder um die Rolle der Bewertungsportale. Das Arztbewertungsportal Jameda konnte vor dem Bundesgerichtshof (BGH) durchsetzen, dass Ärzte gegen ihren Willen aufgeführt und bewertet werden dürfen (Az. VI ZR 358/13). Der Bundesgerichtshof weist Bewertungsportalen die Rolle neutraler Informationsmittler zu. Erst wenn ein Portal diese neutrale Rolle verlässt, kann sich ein Arzt gegen sein Profil wehren.
Ärzte bewerten und fair bleiben
Fair bleiben sollten auch Patientinnen und Patienten, die ihre Ärzte bewerten. Allerdings dürfen sie einen Arzt namentlich nennen. Das gilt aber nur, wenn es konkret um diese Person geht – und nicht um seine Mitarbeiter.
Erfahrungen dürfen nicht verallgemeinert werden. Wenn eine Ärztin für eine bestimmte Untersuchung nur wenig Zeit hatte, darf es noch lange nicht heißen: „Doktor Meier nimmt sich keine Zeit für ihre Patienten.“ Das wäre eine Behauptung falscher Tatsachen – und keine faire Kritik.
Umgang mit unfairer Kritik
Wer beruflich mit Menschen zu tun hat, wird schnell selbst zum Objekt einer Bewertung. Grundsätzlich müssen Gewerbetreibende Kritik an ihren Leistungen hinnehmen. Doch gerade wenn die Kritik fies und unfair erscheint, ist der Umgang mit ihr nicht immer leicht. Unsere Tipps:
Objektiv bleiben. Auch hinter fieser Kritik verstecken sich manchmal sinnvolle Verbesserungsvorschläge. Es kann sich lohnen zu überlegen, wie sie umgesetzt werden können.
Reagieren statt ignorieren. Manche Portale wie Kununu bieten die Möglichkeit, auf Bewertungen zu reagieren. Gut gekontert ist ein unfairer Kommentar schnell entkräftet.
Keine unwahren Tatsachenbehauptungen tolerieren. Werden im Internet Lügen verbreitet, wenden Sie sich zunächst an das Portal und weisen Sie darauf hin, dass der Inhalt nicht der Wahrheit entspricht. Bringt das nichts, kann Ihnen ein Rechtsanwalt helfen.
Sie müssen sich strafbare Inhalte nicht gefallen lassen. Beleidigungen beispielsweise muss niemand akzeptieren. Strafbare Inhalte können Sie bei der Polizei anzeigen.
Nicht zu sehr zu Herzen nehmen. Meinungen im Internet gehen oft auseinander. Will sich jemand schlichtweg über Sie aufregen, tut er dies auch grundlos.
Hasskommentare auf Facebook & Co

Hass im Netz hat viele Gesichter. Er findet sich in Kommentaren, Posts und Bildern. © Getty Images
Im Netz herrscht mitunter ein rauer Ton. In den Kommentarspalten sozialer Medien wie Facebook kann es schnell auch mal beleidigend werden. Und diskussionsbereite Nutzer müssen regelrechte Hass-Posts ertragen. Prominente Politikerinnen und Politiker zum Beispiel werden immer wieder zur Zielscheibe von Anfeindungen im Netz – sei es wegen Themen wie Flüchtlingskrise oder lange Zeit auch wegen Coronamaßnahmen. Ein bekanntes Beispiel ist das von Grünen-Politikerin Renate Künast: Unbekannte Nutzer hatten sie auf Facebook unter anderem „Stück Scheiße“ und „altes grünes Dreckschwein“ genannt. Auch noch drastischeren und teilweise sexistischen Anfeindungen war die Politikerin ausgesetzt.
Politikerin ging bis vor das Bundesverfassungsgericht
Gegen die Beschimpfungen setzte sich die ehemalige Ministerin Künast gerichtlich zur Wehr. Sie zog schließlich erfolgreich bis vor das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Dort klagte sie gegen Gerichtsurteile, die das soziale Netzwerk Facebook nicht dazu verpflichteten, Daten über Nutzer herauszugeben, die Beiträge gegen die Grüne verfasst hatten. Mit den Daten der Verfasser will die Politikerin wiederum gerichtlich gegen diese vorgehen.
Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Persönlichkeitsrecht
Klagegegenstand beim BVerfG waren Urteile der Berliner Zivilgerichte, zuletzt des Berliner Kammergerichts, das nur zwölf von 22 Posts gegen Künast als strafbare Beleidigungen eingestuft und in den anderen Fällen den Anspruch auf Auskunft von Facebook verneint hatte. Das Bundesverfassungsgericht urteilte: Die Instanzgerichte hätten nicht richtig zwischen dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit der Facebook-Nutzer und dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht von Renate Künast abgewogen. Die Urteile der Berliner Gerichte verletzten die Politikerin in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht und würden aufgehoben. (Az. 1 BvR 1073/20) Das Kammergericht musste die Posts daraufhin erneut prüfen – und gab Künast recht. Auch die übrigen zehn Posts stellten Beleidigungen dar (Az. 10 W 13/20). Die Daten der Verfasser dieser Inhalte musste Facebook zur strafrechtlichen Verfolgung ebenfalls an die Politikerin herausgeben.
Gesetzeslage durch neues EU-Gesetz überholt
Grundlage für den Anspruch auf Auskunft über Nutzer in sozialen Medien, die Beleidigungen oder andere strafbare Inhalte verbreiten, war lange das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Ab 2017 regelte es in Deutschland in Verbindung den Umgang mit rechtswidrigen Inhalten in sozialen Netzwerken. Eine wichtige Neuerung durch das NetzDG war, dass Anbieter wie Facebook oder Instagram strafbare Inhalte schnell löschen mussten. Dadurch sollten Hasskommentare und Fehlinformationen im Internet reduziert werden. Das NetzDG wurde 2024 mit dem Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, kurz: DSA) der Europäischen Union (EU) überholt und faktisch abgeschafft.
Diese Gesetze schützen User
Seit 1. Februar 2022 müssen soziale Netzwerke strafbare Inhalte nicht nur löschen, sondern an das Bundeskriminalamt melden. Dafür wurde die Zentrale Meldestelle für strafbare Inhalte im Internet (ZMI) eingerichtet.
Zum 17. Februar 2024 trat der Digital Services Act in der gesamten EU in Kraft. Das Gesetz gilt für alle Anbieter von digitalen Diensten. Durch die DSA-Regelungen wird ein europaweit einheitlicher Rechtsrahmen für digitale Dienste wie Onlineplattformen und Suchmaschinen geschaffen. Das DSA verpflichtet unter anderem alle Anbieter von Onlineplattformen, ihren Nutzerinnen und Nutzern zu ermöglichen, rechtswidrige Inhalte zu melden.
Seit 14. Mai 2024 gilt ergänzend zu den EU-weiten DSA-Regelungen das deutsche Digitale-Dienste-Gesetz (DDG). Damit werden nationale Regelungen an die DSA-Vorschriften angepasst.
Digital Services Act bringt Veränderungen
Mit dem Digital Services Act gibt es ein EU-weites Regelwerk, um gegen rechtswidrige Inhalte im Netz vorzugehen. Ziel ist, illegale Inhalte effektiver zu löschen, Online-Plattformen besser zur regulieren, für mehr Transparenz zu sorgen und Nutzerinnen und Nutzer besser zu schützen. Zur Umsetzung des Gesetzes ist der Einsatz von nationaler DSA-Koordinatoren in den Mitgliedsstaaten vorgesehen. In Deutschland wurde im Rahmen des Digitale-Dienste-Gesetzes eine zentrale Koordinationsstelle für digitale Dienste in eingerichtet (Digital Services Coordinator, kurz: DSC). Diese befindet sich bei der Bundesnetzagentur. Bei der Meldestelle des DSC können Nutzerinnen und Nutzer Verstöße gegen den DSA melden.
EU nimmt mehr Online-Plattformen in die Pflicht
Das Netzwerkdurchsetzungsgesetz zielte hauptsächlich auf die Regulierung größere Social-Media-Plattformen wie Facebook und Instagram ab. Der Digital Services Act nimmt hingegen alle Plattformen und Online-Dienste in die Pflicht, die Nutzerinnen und Nutzern in der EU zur Verfügung stehen. Auch Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU fallen darunter.
Für sehr große Online-Plattformen und Suchmaschinen sieht der DSA besonders strenge Regeln vor. Darunter fallen nicht nur Plattformen wie Instagram und Youtube, sondern auch zum Beispiel LinkedIn, booking.com und Temu. Letzteren bereitet der Digital Services Act bereits rechtliche Schwierigkeiten. Dem Unternehmen wird unter anderem vorgeworfen, sogenannte Dark Patterns zu gebrauchen und damit gegen den DSA zu verstoßen. Die EU-Kommission hat ein Verfahren gegen Temu eröffnet.
Illegale Inhalte schneller finden und melden
Zur Umsetzung des Gesetzes über digitale Dienste sieht die EU vor, dass sogenannte Trusted Flagger eine wichtige Rolle spielen. Das sind zugelassene Organisationen, die als objektive Hinweisgeber fungieren. Sie sollen aktiv nach illegalen Inhalten im Netz suchen und diese melden. Auf diesem Weg sollen rechtswidrige Posts schneller entfernt werden. Bisher gibt es in Deutschland vier Einrichtungen, die dafür zugelassen sind. Das sind die Meldestelle Respect! der Jugendstiftung Baden-Württemberg, der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), der Bundesverband Onlinehandel e.V. (BVOH) und die Organisation HateAid. Auch in anderen EU-Staaten sind schon Organisationen als Hinweisgeber im Einsatz.
Kritik an Meldestellen. Kritiker werfen der Bundesnetzagentur Zensur vor. Sie befürchten ein übermäßiges Löschen von Inhalten und damit eine Einschränkung der Meinungsfreiheit. Zudem wird kritisiert, dass die Entscheidung, was als illegal eingestuft und gelöscht wird, an private Unternehmen übertragen wird. Wichtig zu wissen: Trusted Flagger haben keine Befugnis, selbst Inhalte zu löschen. Sie melden sie nur. Die Meldungen werden vom Bundeskriminalamt geprüft. Falls tatsächlich ein strafrechtlicher Verstoß vorliegt, wird die jeweilige Plattform gebeten, den entsprechenden Inhalt zu löschen. Für das Löschen sind die Online-Plattformen selbst verantwortlich. Trusted Flagger können und dürfen das nicht.
Wie Sie auf Hasskommentare reagieren
Beleidigungen, Drohungen und Lügen sind keine Seltenheit in Kommentarspalten sozialer Netzwerke. Wer davon betroffen ist, braucht Unterstützung – auch von anderen Nutzern. Außerdem gibt es viele Ansprechpartner und Beratungsstellen, die helfen.
Hetze erkennen. Hören Sie auf Ihr Bauchgefühl: In der Regel rechtswidrig sind Posts oder Kommentare, die andere Menschen abwerten oder angreifen oder wenn darin zu Gewalt gegen sie aufgerufen wird. Meist sind es rassistische, antisemitische oder sexistische Kommentare, die auf bestimmte Personen oder Gruppen abzielen.
Nicht wegsehen. Wollen Sie adäquat auf einen Hass-Post reagieren, bleiben Sie sachlich. Argumentieren Sie sinnvoll. Belegen Sie Ihre Äußerungen mit geprüften Quellen. Nutzen Sie dafür seriöse Fakten-Prüfer-Seiten wie zum Beispiel Faktenfinder oder Correctiv.
Beweise sichern. Erstellen Sie einen Screenshot. Dieser sollte auch mit Datum und Uhrzeit gekennzeichnet sein. Werden Sie per Mail oder in Messenger-Diensten persönlich angegriffen, speichern Sie Nachrichten und Chatverläufe. Vorsicht ist bei kinderpornografischen Darstellungen aller Art angebracht. Gelingt es Ihnen, belastendes Material zu sichern, müssen Sie es unverzüglich an die Polizei weiterleiten – sonst aber an niemanden! Der Besitz und das Weitergeben solcher Inhalte ist nach aktueller Rechtslage immer eine Straftat.
Hilfe suchen. Beratung und Unterstützung finden Sie bei Organisationen wie HateAid, auf der Website Respect! der Jugendstiftung Baden-Württemberg können Hass-Posts auch gemeldet werden. Die Internetplattform Zivile-helden.de informiert auf ihren Seiten über weitere Beratungsstellen. Die Initiative Love-Storm bietet spezielle Online-Trainings an, in denen Teilnehmende lernen können, wie sie am besten auf Hasskommentare in sozialen Medien und Foren reagieren.
Beiträge melden. Egal, ob Sie selbst Opfer sind oder diffamierende Äußerungen über andere entdeckt haben – melden Sie diese Inhalte bei der Plattform. Das ist in allen sozialen Netzwerken möglich. Halten Sie den Beitrag für strafbar, erstatten Sie Anzeige bei der Polizei. Hilfe dabei bietet etwa die Internetseite Meldestelle Hasspostings des Bundeskriminalamts.
So melden Sie missbräuchliche Beiträge in sozialen Medien
Damit soziale Netzwerke rechtswidrige oder strafbare Inhalte löschen, müssen Nutzerinnen und Nutzer sie melden. Wie Sie Hate Speech in Social Media anzeigen, erklären die Plattformen unter folgenden Links:
Bundesgerichtshof: Klarnamenpflicht bei Facebook nicht für alle Nutzer
Wahre Identität. Als Mittel gegen Hass und Hetze im Netz wurde in der Vergangenheit vielfach eine Klarnamenpflicht diskutiert. Klarnamenpflicht bedeutet, dass Internetnutzer zum Beispiel beim Verfassen von Posts in sozialen Netzwerken ihren echten Namen angeben müssen. Nicht nur, weil Beleidigungen und Beschimpfungen möglicherweise leichter fallen, wenn sie unter Pseudonym verfasst werden – was unter Netzexperten allerdings höchst umstritten ist –, sondern auch, weil die Nutzung von Pseudonymen durch Pöbler und Hetzer ihre Strafverfolgung erschwert.
Unterschiedliche Rechtslage. Das soziale Netzwerk Facebook verpflichtet Nutzerinnen und Nutzer in seinen Nutzungsbedingungen, ihren echten Namen nicht nur bei der Anmeldung anzugeben, sondern ihn auch bei Aktivitäten auf der Plattform zu verwenden. Eine Klage gegen diese Regelung lag zuletzt dem Bundesgerichtshof zur Überprüfung vor (Pressemitteilung vom 28. Januar 2022 zu den Aktenzeichen III ZR 3/21 und III ZR 4/21). Dieser kam zu dem Schluss, dass zumindest ein Teil der Nutzerinnen und Nutzer Pseudonyme in dem sozialen Netzwerk verwenden dürfen: Alle, die sich vor Mai 2018 – also vor Anwendung der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) – bei Facebook registriert haben. Daher kann Facebook Nutzerinnen und Nutzer, die ihre Konten nach Mai 2018 eröffnet haben, zum Verwenden ihres echten Namens verpflichten.
Hassrede bei Polizei melden
Doch die Opfer von Internethass können sich nicht nur bei den sozialen Netzwerken beschweren. Die Bundesländer bieten die Möglichkeit, über die sogenannte Onlinewache bei der Polizei eine digitale Strafanzeige zu erstatten. Die Onlinewache ihres Bundeslandes finden Sie über ein bundesweites Portal. Bei Straftaten im Internet ist immer erstmal das Bundesland zuständig, in dem Sie wohnen. Die Onlinewachen einiger Bundesländer haben spezielle Formulare für die Anzeige von Hasskommentaren. Sonst erstatten Sie eine normale Strafanzeige. Falls Sie statt einer Online-Anzeige lieber persönlich zur Polizeiwache gehen möchten, geht das natürlich auch.
Strafantrag. Mit einer Anzeige allein ist es manchmal noch nicht getan. Für einige Delikte ist zur strafrechtlichen Verfolgung zusätzlich ein Strafantrag notwendig, zum Beispiel bei Beleidigung. Einen Strafantrag kann man nicht online stellen. Falls Sie sich unsicher sind, ob in Ihrem Fall ein Strafantrag nötig ist, informieren Sie sich am besten persönlich bei der Polizei.
Das müssen Sie angeben
Füllen Sie das Formular gewissenhaft aus. Sie müssen die klassischen W-Fragen beantworten: Was ist passiert? Wie, wo und wann ist es passiert? Wer wurde geschädigt? Sie werden nach Tathilfsmitteln und Zeugen gefragt, nach der Schadenhöhe und möglichen Motiven des Täters. Natürlich werden auch Ihre persönlichen Daten erfragt: Name, Wohnanschrift, Geburtsdatum und Geburtsort, E-Mail-Adresse und wie Sie telefonisch für Rückfragen erreichbar sind.
Potenzielle Beweismittel wie Fotos oder eingescannte Unterlagen können Sie der Anzeige beifügen. In allen Bundesländern, deren Onlinewache über das zentrale Portal läuft, können Sie Beweismittel einfach direkt hochladen. Bei anderen Onlinewachen schicken Sie teilweise die Unterlagen später direkt an die zuständige Sachbearbeiterin oder den Sachbearbeiter.
Überprüfen Sie noch einmal alle eingegebenen Daten, bevor Sie die Anzeige abschicken.
Das weitere Verfahren
Nach dem Absenden erhalten Sie automatisch eine Eingangsbestätigung. Darin steht das polizeiliche Aktenzeichen. Die eingehenden Online-Anzeigen werden von Sachbearbeitern bewertet und an die zuständige Dienststelle weitergeleitet, wo sie bearbeitet werden. Dann werden Sie über das weitere Vorgehen informiert. Falls Ihnen noch etwas einfällt oder Sie Unterlagen nachreichen wollen, wenden Sie sich mit dem Aktenzeichen Ihrer Anzeige direkt an die jeweilige Dienststelle.
Lieber einmal drüber schlafen
Eine Anzeige kann grundsätzlich nicht zurückgezogen werden. Denken Sie daher gründlich darüber nach, ob Sie eine Anzeige erstatten. Wenn Sie sich nicht sicher sind, schlafen Sie lieber nochmal darüber, sprechen Sie mit einer vertrauten Person oder wenden Sie sich zu Beratung an die nächste Polizeiwache. Alternativ können Sie auf den Webseiten der Onlinewachen meist auch nur einen Hinweis geben. Für akute Notfälle wie Einbruch oder Autodiebstahl wählen Sie den Notruf 110.
Umgang mit Verschwörungstheorien
Sogenannte Verschwörungstheorien haben keine wissenschaftliche Grundlage. Da es sich nicht wirklich um Theorien handelt, sprechen Experten auch von „Verschwörungsideologien“ oder „Verschwörungsmythen“. Es dominiert der Glaube, dass hinter allem eine Verschwörung steckt, die Welt wird in Gut und Böse eingeteilt, rationale Argumente zählen meist nicht.
Im Internet kursieren viele Verschwörungsmythen
Nicht alle Verschwörungsmythen sind leicht zu durchschauen. Einer Bitkom-Umfrage zufolge fällt es fast jedem Zweiten schwer, sie zu erkennen. Besonders häufig finden sich Verschwörungsmythen in sozialen Netzwerken. Gefährlich ist das, weil sie Misstrauen in die Wissenschaft schüren und undemokratisches Denken verstärken. Mehr Infos dazu bietet die Bundeszentrale für politische Bildung.
Seriöse Quellen von Falschinformationen unterscheiden
Kommt Ihnen ein Beitrag merkwürdig vor, sollten Sie stets die Quelle überprüfen. Bei Internetseiten finden Sie im Impressum Infos über die Betreiber. Versuchen Sie, mehr über sie herauszufinden. Fehlt das Impressum, ist die Quelle in der Regel unseriös. Nutzen Sie seriöse Fakten-Prüfer-Seiten wie Faktenfinder oder Faktencheck. Journalistinnen und Journalisten entlarven dort Fake News und legen offen, wie die Fälscher operieren.
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Datenschutz-Grundverordnung Regeln für persönliche Daten
- Der Umgang mit Daten ist jetzt in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) geregelt. Wir erklären, welche neuen Rechte sie Verbrauchern gibt.
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Facebook, Google und der Tod So regeln Sie Ihren digitalen Nachlass
- Ein Facebook-Account ist vererbbar. Aber wie sieht es mit anderen digitalen Diensten und Nutzerkonten aus? Hier erfahren Sie, was zum digitalen Nachlass gehört.
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Messenger-Apps im Vergleich Wo niemand mitliest
- WhatsApp, Signal, Telegram & Co sind aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Unser Messenger-Vergleich zeigt, welche der 16 Chat-Dienste im Test besonders sicher sind.
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Kommentarliste
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Stiftung Warentest, passt auf: Verliert nicht eure Neutralität und Objektivität, indem ihr Zensur als "Schutz" darstellt! Der Artikel "Wo die Meinungsfreiheit endet" malt ein düsteres Bild der Online-Debatte, überbetont Grenzen und verkauft Mechanismen wie den DSA als Heilmittel. Wahre Freiheit endet nicht bei "unfairer Kritik" oder Emotionen – solange keine klaren Rechtsverstöße wie Beleidigung oder Verleumdung vorliegen. Plattformen wie X sollten Inhalte nicht vorauseilend löschen, um subjektiven "Hass" zu bekämpfen, das unterdrückt echte Meinungen. Stattdessen: Mehr Transparenz, weniger Zensur! Lasst Debatten toben, damit Ideen siegen.
Dass mit dem DSA genau das Gegenteil von dem erzielt wird, was dieses Gesetz vorgibt zu schützen, nämlich die Demokratie, die Meinungsfreiheit und eine pluralistische Gesellschaftsordnung, indem der politische Diskurs einengt wird, zeigt der Fall "Sinanswoche".
Dem Youtuber/Blogger wurde ein von einer KI generiertes Bild zum Verhängnis. Der Post war auf Twitter/X nur wenige Stunden online. Er wurde dennoch NACHTRÄGLICH über die ZHIN (einer Meldestelle für "Hasskriminalität" und "Meinungsfreiheit") von einer "Janinchen" wegen "Hasskriminalität" angezeigt und er musste bei der Kriminalpolizei vorstellig werden. Obwohl die ermittelnde Polizeibeamtin keine Straftat erkennen konnte, wurden von der Staatsanwaltschaft Ermittlungen aufgenommen, ein Strafverfahren nach § 86a StGB eröffnet und eine 68 (!) Seiten lange Akte erstellt. Ein gerichtliches Urteil gab es aber nicht, denn das Strafverfahren wurde inzwischen eingestellt mit der Auflage 300 Euro an eine "HateAid gGmbH" zu zahlen.
Der Artikel ist ein wirklich schlechtes Tendenzstück, das pro Zensur argumentiert. Hier werden munter juristische bzw. strafrechtliche Probleme (die in den letzten Jahrzehnten durch Gesetze bereits gelöst wurden!) mit politischen Problemen vermischt. Zum Beispiel sind "Hass" oder "Hetze" natürlich keine Straftatbestände, sondern im politischen Kampf v.a. von linken Parteien eingesetzte Kampfbegriffe, um der eigenen Person bzw. Gruppe die Aura einer (nur eingebildeten) moralischen Überlegenheit zu verleihen und Andersdenkende mundtot zu machen. "Cancel culture" ist keine Verschwörungstheorie. Welche übergeordnete moralische Instanz entscheidet, ob eine Äußerung "Hetze" ist oder "Aufruf zu anständigem Handeln"? Ob es sich um "Hass" handelt oder um "gerechte Empörung"? Vielleicht ja die Verfasser des Artikels? Oder vielleicht die katholische Kirche? Oder lieber die Innenministerin? Oh, und außerdem ruft der Artikel zur Denunziation auf. Moment, das gab's doch schon mal ...
Es steht außer Frage, dass Beleidigungen, Verleumdungen und unwahre Behauptungen nicht von der Meinungsfreiheit des GG gedeckt sind. Das war aber auch schon zu analogen Zeiten vor der Erfindung des "Internets" so.
Was aber ist, wenn private marktbeherrschende Konzerne bzw. Plattformen wie Meta, Amazon, ebay usw. rechtlich zulässige Meinungsäußerungen und berechtigte Kritik von Bürgern in vorauseilendem staatlichem Gehorsam und/oder par ordre de mufti "filtern", mit anderen Worten: zensieren? Kann man dann das Recht auf freie Meinungsäußerung auch einklagen und wo kann man das zumal die genannten Konzerne ihren Firmensitz nicht in Deutschland haben? Daran habe ich begründete Zweifel.
Auch cancel culture ist das Gegenteil von demokratischer freier Meinungsäußerung wie der Fall Roger Waters zeigt. Der Pink Floyd Mitbegründer musste sein Konzert, das ihm die "weltoffene" Stadt Frankfurt 2023 verbieten wollte, erst gerichtlich einklagen. Das kann sich aber nicht jeder Bürger leisten.
Ich habe den konkreten Fall, dass ein Sportartikelversandhaus sehr träge in der Rückabwicklung von Rücksendungen war. Nur nach mehrmaligen Aufforderungen und schließlicher Fristsetzung wurde reagiert. Dies habe ich in einer Rezension bei Google geschildert und 1 Stern vergeben. Auch andere User schreiben ähnliches...auffallend ist jedoch, dass kaum ältere negative Beiträge existieren. So erhielt auch ich eine Nachricht von Google, dass Aufgrund eines Anwalts des entsprechenden Shops erwirkt wurde, dass die Rezension gelöscht wurde. Was ist da los? Wie kann das sein? Wie kann man sich als User dagegen wehren? Gerade bei Google scheint das ziemlich aussichtslos zu sein. Gibt es ähnliche Fälle, in denen massiv gegen negative Bewertungen vorgegangen wird?