Arbeitsleistung Wieder nichts geschafft

Arbeitsleistung. Mancher Mitarbeiter schafft deutlich weniger als seine Kollegen. Nur wenn es dafür gute Gründe gibt, ist er vor einer Kündigung sicher.

Freitag, 14.30 Uhr. Draußen sind es 30 Grad, im Büro kaum weniger. ­Heute soll der Artikel über Mitarbeiter mit schwachen Leistungen fertig werden, doch meine eigene Arbeitsleistung ist momentan auch nicht besonders hoch. Bis auf die Überschrift habe ich noch nichts getippt.

Irgendwie komme ich nicht in Schwung. Bestimmt die Hitze. Ich muss mir dringend etwas zu trinken holen. Wieder am Schreibtisch, tippe ich planlos am Vorspann herum. Nachdem ich mir noch einmal etwas zu trinken geholt habe, lösche ich das Geschreibsel gleich wieder. Richtig effektiv ist das nicht gerade.

Da habe ich mir ja genau das richtige Thema ausgesucht. Einem Arbeitnehmer, der nicht genug Leistung bringt, können Versetzung oder Kündigung drohen. Muss ich mir jetzt selbst Sorgen machen? Immer häufiger berichten Arbeitnehmeranwälte und Gewerkschaften von Firmen, die ­leistungsschwachen Mitarbeitern Druck machen. Für die schwarzen Schafe der ­­Belegschaft kursiert ein schicker englischer Begriff: Low-Performer heißen sie. Auch die Gerichte beschäftigen sich verstärkt mit diesem Thema.

Die zunehmende Technisierung und ­damit die exakte Überprüfung und Messbarkeit der Arbeitsergebnisse verleitet viele Arbeitgeber dazu, fast nur noch auf die Zahlen zu schauen. „Ganz deutlich sieht man das im hoch technisierten Bankenbereich, in dem fast alle Kundenkontakte über die EDV erfasst werden“, berichtet die Fachanwältin für Arbeitsrecht Annette Malottke aus Düsseldorf.

Einer ihrer Mandanten – ein Angestellter einer Großbank – ist ein typischer Fall. Seine Abschlusszahlen genügten nicht mehr den Anforderungen des Unternehmens. Die Folge war Druck. Erst gab es ein Einzelgespräch, dann folgte ein auf ihn zugeschnittener Einzelplan mit Schulungen und einem sehr engen Zeitkorsett. Inzwischen ist er psychisch krank.

Dass der Banker nur deshalb schlechte Zahlen hatte, weil er sich gerade bei ­älteren Kunden viel Zeit für Service und Beratung nahm und deswegen von diesen hoch geschätzt wurde, interessiert seinen Boss nicht.

Er kann nicht oder er will nicht

Unternehmen können schwachen ­Arbeitern kündigen, wenn die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses für sie nicht mehr zumutbar ist. Das Arbeitsrecht kennt verhaltensbedingte oder personenbedingte Gründe.

Eine personenbedingte Kündigung kommt in Betracht, wenn der Mitarbeiter nicht geeignet ist, die Leistung zu bringen. „Er will vielleicht sogar, kann aber nicht“, erklärt der ­Arbeitgeberanwalt Jonas Müller vom Berliner Büro der Kanzlei Lovells.

So durfte ein Unternehmen einem ­Vertriebsmitarbeiter kündigen, der ein Jahres­bruttogehalt von rund 150 000 ­Euro erhielt, trotz Bemühungen aber nach mehr als einem Jahr noch keinen einzigen Vertragsabschluss vorweisen konnte (BAG, Az. 2 AZR 386/03).

Eine verhaltensbedingte Kündigung ist möglich, wenn der Angestellte eine Pflicht aus dem Arbeitsvertrag verletzt – wenn er zum Beispiel zu wenig arbeitet. „Grundsätzlich ist der Arbeitnehmer nur zu einer Arbeitsleistung mittlerer Art und Güte verpflichtet“, sagt Fachanwalt Müller. „Er ist also nicht zu ständigen Spitzenleistungen verpflichtet.“

Der Mitarbeiter muss tun, was er soll, und zwar so gut, wie er kann, sagt das Bundesarbeitsgericht (Az. 2 AZR 667/02). Er darf nicht nach Belieben bestimmen, was er zu leisten hat. Er muss vielmehr unter „angemessener Ausschöpfung seiner persönlichen Leistungsfähigkeit“ arbeiten.

Daher kann „eine längerfristige deut­liche Unterschreitung der durchschnittlichen Leistung vergleichbarer Arbeitnehmer ein Anhaltspunkt dafür sein, dass der Mitarbeiter weniger arbeitet, als er könnte“, erklärt Arbeitsrechtlerin Malottke.

Fehler macht jeder

Eine unterdurchschnittliche Leistung muss aber nicht unbedingt gleich zur Abmahnung oder Kündigung führen. Jeder ­Mitarbeiter macht einmal Fehler oder seine Tagesform ist nicht die beste. Außerdem ist immer einer der Letzte.

Konsequenzen hat die Minderleistung erst, wenn sie dauerhaft und für den ­Arbeitgeber nicht mehr akzeptabel ist und wenn auch für die Zukunft keine Besserung zu erwarten ist. Ob das zutrifft, hängt vom Einzelfall ab.

So ließ das Landesarbeitsgericht Köln die Kündigung eines Vorarbeiters in einer Fahrzeugreinigungsfirma zu. Er hatte verschmutzte Bahnwaggons mehrmals durch die Endabnahme gewunken (Az. 13 [3] Sa 1043/02).

Das Arbeitsgericht Frankfurt erlaubte die Kündigung einer Architektin, weil diese ein Gutachten erst nach 96 Arbeitstagen abgegeben hatte, für das vergleichbare Mitarbeiter nicht mehr als 40 Tage benötigt hätten (Az. 2 Ca 254/04).

Der Arbeitgeber muss im Prozess zum Beispiel mit gemessenen Arbeitsergeb­nissen darlegen, dass die Leistung des ­Mitarbeiters deutlich vom Durchschnitt abweicht. Und er muss erklären, warum sich die Leistung in Zukunft wohl nicht bessern wird.

Beweise kann er etwa durch schriftliche Dokumentation der Arbeitsergebnisse sammeln. Doch das ist oft schwierig. „Bei technischen Kontrolleinrichtungen hat in der Regel der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht“, erklärt der Arbeitgeberanwalt Jonas Müller.

Der Mitarbeiter muss darlegen, wieso er trotz negativer Zahlen alles getan hat, was er konnte. Hier können Alter, Krankheit oder betriebliche Umstände eine Rolle spielen. „Er kann auch die Messungen des Arbeitgebers anzweifeln, ihm zu hohe Leistungsvorgaben vorwerfen oder sich – wenn möglich – auf zusätzliche Aufgaben am Arbeitsplatz berufen“, rät Malottke. Gelingt es nicht, die Darstellung des Chefs zu ­erschüttern, gilt die Minderleistung als ­bestätigt.

Eine Kündigung ist jedoch erst die letzte Maßnahme. Zuvor muss der Chef den Mitarbeiter abmahnen und ihm die Chance zur Besserung geben. Auch eine Versetzung auf einen – freien und geeigneten – anderen Arbeitsplatz wäre denkbar.

Doch für mich ist Minderleistung erst mal kein Thema mehr. Denn der Artikel ist fertig. Ich bin zwar einen Tag zu spät dran, aber da drückt mein Chef zum Glück ein Auge zu.

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