Kurz­zeit- und Verhinderungs­pflege Wie das neue Entlastungs­budget Pflegenden hilft

Datum:
  • Text: Marina Engler
  • Faktencheck: Betina Chill
Kurz­zeit- und Verhinderungs­pflege - Wie das neue Entlastungs­budget Pflegenden hilft

Pflegende Angehörige. Manchmal muss jemand einspringen. Künftig ist eine Ersatz­hilfe einfacher abrechen­bar. © stocksy / Ksenia Krondo

Fallen Pflegende aus oder machen Urlaub, können Pflegebedürftige Ersatz­pflege organisieren. Seit 1. Juli 2025 soll ein neues Entlastungs­budget vieles leichter machen.

Von rund 5,7 Millionen Pflegebedürftigen, die in Deutsch­land leben, werden etwa 4,9 Millionen zu Hause versorgt. Den Löwen­anteil der Pfle­geaufgaben über­nehmen Angehörige, insbesondere Ehefrauen, Töchter und Schwieger­töchter. Wenn diese selbst krank werden oder eine Auszeit brauchen, droht in vielen Familien der Alltag zusammen­zubrechen.

In der Pflege­versicherung gibt es zwei Arten von Vertretung

Es gibt zwei Möglich­keiten, pflegerischen Ersatz zu organisieren, der von der Pflege­versicherung bezu­schusst wird:

Verhinderungs­pflege. Eine Ersatz­pfle­gekraft aus dem privaten Umfeld oder von einem Pflege­dienst kommt nach Hause.

Kurz­zeit­pflege. Die pflegebedürftige Person lebt für einige Wochen in einem Pflegeheim.

Bisher stellt die Pflegeversicherung für beide Optionen getrennte Töpfe zur Verfügung. Wer nur eins von beidem nutzen wollte oder konnte, musste aufwendige Umwidmungs­anträge stellen und konnte oft nur einen Teil der jeweils anderen Leistung erhalten.

Entlastung aus nur noch einem Topf

Dank einer Gesetzes­änderung im Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz, kurz PUEG, hat sich das zum 1. Juli 2025 geändert. Für die Änderung hatten sich viele Akteure aus dem Pflege­bereich stark gemacht. Aus dem neuen gemein­samen Entlastungs­budget können Pflegebedürftige mit mindestens Pfle­gegrad 2 künftig pro Jahr bis zu 3 539 Euro an Kurz­zeit- und Verhinderungs­pflege flexibel finanzieren. Das hat viele Vorteile – und ein paar Haken. Der wichtigste Vorteil: „Der Gemein­same Jahres­betrag vereinfacht es, Leistungen bedarfs­gerecht in Anspruch zu nehmen“, sagt Edeltraut Hütte-Schmitz, Vorstands­mitglied beim Verein „wir pflegen e. V.“, einer Interes­senvertretung und Selbst­hilfe­organisation für pflegende Angehörige.

Unser Rat

Entlastung. Wer Angehörige zu Hause pflegt, braucht regel­mäßig eine Auszeit. Ab Pfle­gegrad 2 finanziert die Pflege­versicherung pro Jahr bis zu 56 Tage Ersatz­pflege zu Hause oder im Pfle­geheim. Maximal 3 539 Euro Zuschuss sind möglich.

Antrag. Pflegebedürftige beantragen Kurz­zeit­pflege zur vorüber­gehenden Versorgung im Pfle­geheim oder Verhinderungs­pflege, wenn eine Ersatz­pfle­gekraft nach Hause kommen soll. Die Pflege­versicherung finanziert beides ab 1. Juli 2025 mit dem Entlastungs­budget, auch rück­wirkend. Das Formular finden Sie auf der Webseite Ihrer Pflegekasse. Mit einer Vorsorgevollmacht dürfen auch Angehörige den Antrag stellen.

Beratung. Lassen Sie sich früh­zeitig zu den Optionen vor Ort beraten. Nicht alles ist über­all verfügbar. Anerkannte Pfle­gestütz­punkte und Pflegeberatungs­stellen müssen kostenfrei, neutral und individuell informieren. Beratungs­stellen listet das Zentrum für Qualität in der Pflege auf (zqp.de/beratung-pflege). Bei Bedarf helfen auch die Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) oder örtliche Betreuungsvereine.

Ansprüche müssen nicht mehr verfallen

Die Vereinfachung „ermöglicht pflegenden An- und Zugehörigen mehr Flexibilität und Selbst­bestimmung, und das ist gut“, sagt Hütte-Schmitz. Im Ideal­fall kann so das gesamte Budget genutzt werden. Das hat etwa den Vorteil, dass Leistungs­ansprüche aus der Kurz­zeit­pflege nicht länger verfallen, wenn es keine verfügbaren Plätze gibt. Außerdem bietet die Neuregelung weitere Plus­punkte:

  • Die Zuschüsse können für bis zu 56 Tage im Jahr genutzt werden. Bisher gab es den Zuschuss zur Verhinderungs­pflege für maximal 42 Tage im Jahr.
  • Wer üblicher­weise Pflegegeld bekommt, erhält dieses auch weiterhin in halber Höhe während der Verhinderungs- oder Kurz­zeit­pflege. Vorher ist es teils weggefallen.
  • Es ist keine Vorpflege­zeit von sechs Monaten mehr nötig, um das Entlastungs­budget nutzen zu können.

Nicht alle Pflege­leistungen im Budget

Kritik­punkte am neuen Gesetz gibt es auch: Ein Problem sieht Hütte-Schmitz in den engen Definitionen, wofür welcher Leistungs­anspruch einge­setzt werden kann. Beispiel Verhinderungs­pflege: Hat die pflegende Person einmal in der Woche einen beruflichen Präsenztag und möchte deshalb eine Ersatz­pfle­gekraft organisieren, darf dafür kein Geld aus dem Entlastungs­budget fließen. Verhinderungs­pflege wegen berufs­bedingter Abwesenheit kann nur für nicht-regel­mäßige Fehl­zeiten beantragt werden. Wer regel­mäßig abwesend ist, soll statt­dessen die Tages­pflege nutzen. Diese steht aber vielen Menschen in Deutsch­land gar nicht zur Verfügung, weil es keinen flächen­deckenden Ausbau gibt.

Gesamt­budget wäre noch besser

Hütte-Schmitz weiß, wie die meisten Familien dieses Problem lösen: „Die pflegerische Versorgung wird privat finanziert, während die Leistungs­ansprüche für Tages­pflege und gemein­samen Jahres­betrag verfallen.“ Ihr Lösungs­vorschlag: Ein Budget, das alle Ansprüche der häuslichen Pflege zusammenfasst und sich flexibel für tatsäch­lich verfügbare Pflege­leistungen nutzen lässt.

Tipp: Einen Über­blick über die wichtigen Schritte und Leistungen, wenn Sie selbst oder Angehörige zum Pflegefall werden, gibt unser Pflegerat­geber „Sofort Hilfe im Pflegefall“ für 22,90 Euro (160 Seiten).

Lücken im Entlastungs­budget

Ein weiteres Problem: Eigentlich sollten noch mehr Leistungen gebündelt werden. Das fand politisch aber keine Mehr­heit. „Für ein echtes Entlastungs­budget fehlt die Einbeziehung der Leistungs­ansprüche für Pflegesach­leistungen, Tages­pflege und Entlastungs­betrag“, bedauert Hütte-Schmitz. Ihrer Meinung nach bräuchte es einen Topf, aus dem alle Leistungen flexibel finanziert werden können.

Mangel an Tages­pfle­geplätzen

Aktuell, so die Pflegefach­frau, existierten einige Leistungen, die eine deutliche Entlastung für Pflegende bringen würden, nur auf dem Papier. „Die Tages­pflege zum Beispiel ist eine wichtige Entlastung für pflegende Angehörige, damit sie berufs­tätig bleiben können. Solche Plätze stehen aber de facto weniger als 3 Prozent der pflegebedürftigen Menschen zur Verfügung.“ Dadurch könnten theoretisch vorhandene Ansprüche in Höhe von mehr als 40 Milliarden Euro im Jahr für die Tages­pflege nicht genutzt werden.

Wie die Abrechnung funk­tioniert

Pflegebedürftige, die ab 1. Juli 2025 eine Ersatz­pflege brauchen und die nötigen Bedingungen erfüllen, beantragen Kurz­zeit- oder Verhinderungs­pflege weiterhin selbst. Das geht auch im Vorhinein, etwa wenn die Pflege­person einen Urlaub, eine Reha-Maßnahme oder eine Fort­bildung plant. Das hat den Vorteil, dass vorher schon klar ist, welche Kosten die Versicherung finanziert.

Da eine Verhinderung aber nicht immer plan­bar ist, kann man den Zuschuss aus dem Entlastungs­budget auch im Nach­hinein beantragen. Man bezahlt zunächst selbst die Rechnung und reicht sie dann bei der Pflegekasse ein. Für Privatversicherte ist das sowieso das übliche Vorgehen.

Vorleistungen werden abge­zogen

Hatte der Versicherte vor dem 1. Juli einen Teil des Anspruchs für Verhinderungs- oder Kurz­zeit­pflege genutzt, wird der Betrag vom Gesamt­budget abge­zogen. Seit Januar 2025 waren für die Verhinderungs­pflege maximal 1 685 Euro und für die Kurz­zeit­pflege höchs­tens 1 854 Euro im Jahr abrechen­bar. Das gilt pauschal für alle Pfle­gegrade von 2 bis 5.

Die Leistungen im Über­blick

Verhinderungs­pflege

Kurz­zeit­pflege

Vom 1. Januar 2025 bis 30. Juni 2025:

Separate Verhinderungs- und Kurz­zeit­pflege

Dauer

42 Tage (= 6 Wochen)

56 Tage (= 8 Wochen)

Leistung

max. 1 685 Euro / Jahr

max. 1 854 Euro / Jahr

Umwidmung Fußnote: 1

Hälfte Kurz­zeit­pflegegeld

Volles Verhinderungs­pflegegeld

Vorpflege­zeit

6 Monate

keine

Sons­tiges

Weniger Geld für Ersatz­pflege durch nahe Angehörige

Pflegegeld wird hälftig weitergezahlt

Seit 1. Juli 2025:

Gemein­sames Entlastungs­budget möglich

Budget für flexible Nutzung von Verhinderungs- und Kurz­zeit­pflege

Dauer

insgesamt 56 Tage (= 8 Wochen)

Leistung

max. 3 539 im Jahr

Sons­tiges

Pflegegeld wird jeweils hälftig weitergezahlt

Legende

Stand: Juli 2025

Quelle: PUEG

Wer unter 25 ist und Pfle­gegrad 4 oder 5 hat, kann das gemein­same Entlastungs­budget schon seit dem 1. Januar 2025 nutzen.

Fußnote: 1
Auf Antrag ist Kurz­zeit- statt Verhinderungs­pflege möglich oder anders­herum.

Tipps für den Alltag

Ob man einen Platz in der Tages- oder Nacht­pflege ergattert, ist oft Glücks­sache. Auch Plätze in der Kurz­zeit­pflege und freie Kapazitäten von Ersatz­pfle­gekräften für zu Hause sind vieler­orts eher rar gesät. Doch dem Glück lässt sich auch auf die Sprünge helfen:

  • Früh­zeitig bei einer Pflegeberatungs­stelle nach­fragen, welche Angebote es grund­sätzlich vor Ort gibt.
  • Einen Zettel mit Ansprech­personen und Telefon­nummern erstellen oder eine Liste im Handy einspeichern, um im Bedarfs­fall schnell alle Nummern durch­telefonieren zu können.
  • Das eigene private Netz­werk nutzen, um eine Pfle­gekraft zu finden, etwa über einen Post auf Facebook oder eine Anzeige am schwarzen Brett in Supermarkt, Schule oder Kita. Auch der Kontakt zu anderen Pflegenden, etwa in einer Selbst­hilfegruppe, kann nützlich sein. Und vielleicht haben ja Friseurin, Bäcker oder die Kollegen aus dem Sport­kurs einen heißen Tipp? Kreative Lösungen sind oft die erfolg­reichsten.

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Kommentarliste

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  • Profilbild Stiftung_Warentest am 25.03.2025 um 15:18 Uhr
    Entlastung Budget rückwirkend

    @Jutta1111: Das Entlastungsbudget ist ab 1.7.25 gültig, das ist richtig. Wenn im ersten Halbjahr 2025 Verhinderungspflege genutzt wurde, kann man dafür bis zu 1685 Euro als Finanzierung beantragen. Der Restbetrag - bis zu 3539 Euro insgesamt fürs ganze Jahr - steht erst in der zweiten Jahreshälfte zur Verfügung. Ab 1.1.2026 steht der Gesamtbetrag fürs ganze Jahr zur Verfügung - egal, wann man ihn nutzt.

  • Jutta1111 am 19.03.2025 um 19:05 Uhr
    Entlastung Budget rückwirkend

    Bei Antrag schreiben Sie: „Die Pflege­versicherung finanziert beides ab 1. Juli 2025 mit dem Entlastungs­budget, auch rück­wirkend.“
    Meine Mutter war im Januar und Februar dieses Jahres in der Verhinderungspflege. Für mich stellt sich jetzt die Frage, ob ich bei Antragstellung nach dem 1. Juli für diesen Zeitraum über das Entlastung Budget verfügen kann. Laut meiner online Recherche gelten die höheren Sätze erst für Leistungen, die ab dem 1. Juli erbracht wurden. Sofern dies korrekt ist, sollten Sie Ihren Artikel dahingehend noch korrigieren.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 10.03.2025 um 15:21 Uhr
    Verhinderungspflege nur stundenweise

    @KarschHJ: Es stehen keine Änderungen im Gesetz, die sich auf die stundenweise Verhinderungspflege beziehen. Insofern gehen wir davon aus, dass das Pflegegeld auch künftig in voller Höhe ausbezahlt wird, wenn Verhinderungspflege nur stundenweise in Anspruch genommen wird.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 10.03.2025 um 15:20 Uhr
    Verfällt das Budget

    @Laura_9: Wie die Ansprüche auf Verhinderungs- und Kurzzeitpflege bisher kann auch das neue Jahresbudget leider nicht aufgespart werden. Wenn die Leistungen in einem Kalenderjahr nicht (vollständig) abgerufen werden, verfällt der Rest zum Jahresende.
    Ab 1.1.2026 gilt das neue Jahresbudget in Höhe von 3539 Euro, das dann bis 31.12.2026 genutzt werden kann.
    Etwas anderes gilt für den Entlastungsbetrag von aktuell 131 Euro pro Monat. Wenn dieser nicht vollständig genutzt wird, können die angesammelten Ansprüche noch bis Juni des Folgejahres genutzt werden. Nicht aufgebrauchte Entlastungsbeträge von 2024 können bis zum 30.6.2025 abgerufen werden.

  • KarschHJ am 01.03.2025 um 09:23 Uhr
    Hälftige Auszahlung Pflegegeld

    Bisher ist es so, dass das Pflegegeld nicht verringert wird, wenn die Verhinderungspflege stundenweise (nicht mehr als 7 Stunden pro Tag) berechnet wird.
    Wird sich das ändern? Das wäre ja wiederum ein großer Nachteil der Neuerung.