
Pflegende Angehörige. Manchmal muss jemand einspringen. Künftig ist eine Ersatzhilfe einfacher abrechenbar. © stocksy / Ksenia Krondo
Fallen Pflegende aus oder machen Urlaub, können Pflegebedürftige Ersatzpflege organisieren. Seit 1. Juli 2025 soll ein neues Entlastungsbudget vieles leichter machen.
Von rund 5,7 Millionen Pflegebedürftigen, die in Deutschland leben, werden etwa 4,9 Millionen zu Hause versorgt. Den Löwenanteil der Pflegeaufgaben übernehmen Angehörige, insbesondere Ehefrauen, Töchter und Schwiegertöchter. Wenn diese selbst krank werden oder eine Auszeit brauchen, droht in vielen Familien der Alltag zusammenzubrechen.
In der Pflegeversicherung gibt es zwei Arten von Vertretung
Es gibt zwei Möglichkeiten, pflegerischen Ersatz zu organisieren, der von der Pflegeversicherung bezuschusst wird:
Verhinderungspflege. Eine Ersatzpflegekraft aus dem privaten Umfeld oder von einem Pflegedienst kommt nach Hause.
Kurzzeitpflege. Die pflegebedürftige Person lebt für einige Wochen in einem Pflegeheim.
Bisher stellt die Pflegeversicherung für beide Optionen getrennte Töpfe zur Verfügung. Wer nur eins von beidem nutzen wollte oder konnte, musste aufwendige Umwidmungsanträge stellen und konnte oft nur einen Teil der jeweils anderen Leistung erhalten.
Entlastung aus nur noch einem Topf
Dank einer Gesetzesänderung im Pflegeunterstützungs- und Entlastungsgesetz, kurz PUEG, hat sich das zum 1. Juli 2025 geändert. Für die Änderung hatten sich viele Akteure aus dem Pflegebereich stark gemacht. Aus dem neuen gemeinsamen Entlastungsbudget können Pflegebedürftige mit mindestens Pflegegrad 2 künftig pro Jahr bis zu 3 539 Euro an Kurzzeit- und Verhinderungspflege flexibel finanzieren. Das hat viele Vorteile – und ein paar Haken. Der wichtigste Vorteil: „Der Gemeinsame Jahresbetrag vereinfacht es, Leistungen bedarfsgerecht in Anspruch zu nehmen“, sagt Edeltraut Hütte-Schmitz, Vorstandsmitglied beim Verein „wir pflegen e. V.“, einer Interessenvertretung und Selbsthilfeorganisation für pflegende Angehörige.
Unser Rat
Entlastung. Wer Angehörige zu Hause pflegt, braucht regelmäßig eine Auszeit. Ab Pflegegrad 2 finanziert die Pflegeversicherung pro Jahr bis zu 56 Tage Ersatzpflege zu Hause oder im Pflegeheim. Maximal 3 539 Euro Zuschuss sind möglich.
Antrag. Pflegebedürftige beantragen Kurzzeitpflege zur vorübergehenden Versorgung im Pflegeheim oder Verhinderungspflege, wenn eine Ersatzpflegekraft nach Hause kommen soll. Die Pflegeversicherung finanziert beides ab 1. Juli 2025 mit dem Entlastungsbudget, auch rückwirkend. Das Formular finden Sie auf der Webseite Ihrer Pflegekasse. Mit einer Vorsorgevollmacht dürfen auch Angehörige den Antrag stellen.
Beratung. Lassen Sie sich frühzeitig zu den Optionen vor Ort beraten. Nicht alles ist überall verfügbar. Anerkannte Pflegestützpunkte und Pflegeberatungsstellen müssen kostenfrei, neutral und individuell informieren. Beratungsstellen listet das Zentrum für Qualität in der Pflege auf (zqp.de/beratung-pflege). Bei Bedarf helfen auch die Ergänzende Unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) oder örtliche Betreuungsvereine.
Ansprüche müssen nicht mehr verfallen
Die Vereinfachung „ermöglicht pflegenden An- und Zugehörigen mehr Flexibilität und Selbstbestimmung, und das ist gut“, sagt Hütte-Schmitz. Im Idealfall kann so das gesamte Budget genutzt werden. Das hat etwa den Vorteil, dass Leistungsansprüche aus der Kurzzeitpflege nicht länger verfallen, wenn es keine verfügbaren Plätze gibt. Außerdem bietet die Neuregelung weitere Pluspunkte:
- Die Zuschüsse können für bis zu 56 Tage im Jahr genutzt werden. Bisher gab es den Zuschuss zur Verhinderungspflege für maximal 42 Tage im Jahr.
- Wer üblicherweise Pflegegeld bekommt, erhält dieses auch weiterhin in halber Höhe während der Verhinderungs- oder Kurzzeitpflege. Vorher ist es teils weggefallen.
- Es ist keine Vorpflegezeit von sechs Monaten mehr nötig, um das Entlastungsbudget nutzen zu können.
Nicht alle Pflegeleistungen im Budget
Kritikpunkte am neuen Gesetz gibt es auch: Ein Problem sieht Hütte-Schmitz in den engen Definitionen, wofür welcher Leistungsanspruch eingesetzt werden kann. Beispiel Verhinderungspflege: Hat die pflegende Person einmal in der Woche einen beruflichen Präsenztag und möchte deshalb eine Ersatzpflegekraft organisieren, darf dafür kein Geld aus dem Entlastungsbudget fließen. Verhinderungspflege wegen berufsbedingter Abwesenheit kann nur für nicht-regelmäßige Fehlzeiten beantragt werden. Wer regelmäßig abwesend ist, soll stattdessen die Tagespflege nutzen. Diese steht aber vielen Menschen in Deutschland gar nicht zur Verfügung, weil es keinen flächendeckenden Ausbau gibt.
Gesamtbudget wäre noch besser
Hütte-Schmitz weiß, wie die meisten Familien dieses Problem lösen: „Die pflegerische Versorgung wird privat finanziert, während die Leistungsansprüche für Tagespflege und gemeinsamen Jahresbetrag verfallen.“ Ihr Lösungsvorschlag: Ein Budget, das alle Ansprüche der häuslichen Pflege zusammenfasst und sich flexibel für tatsächlich verfügbare Pflegeleistungen nutzen lässt.
Tipp: Einen Überblick über die wichtigen Schritte und Leistungen, wenn Sie selbst oder Angehörige zum Pflegefall werden, gibt unser Pflegeratgeber „Sofort Hilfe im Pflegefall“ für 22,90 Euro (160 Seiten).
Lücken im Entlastungsbudget
Ein weiteres Problem: Eigentlich sollten noch mehr Leistungen gebündelt werden. Das fand politisch aber keine Mehrheit. „Für ein echtes Entlastungsbudget fehlt die Einbeziehung der Leistungsansprüche für Pflegesachleistungen, Tagespflege und Entlastungsbetrag“, bedauert Hütte-Schmitz. Ihrer Meinung nach bräuchte es einen Topf, aus dem alle Leistungen flexibel finanziert werden können.
Mangel an Tagespflegeplätzen
Aktuell, so die Pflegefachfrau, existierten einige Leistungen, die eine deutliche Entlastung für Pflegende bringen würden, nur auf dem Papier. „Die Tagespflege zum Beispiel ist eine wichtige Entlastung für pflegende Angehörige, damit sie berufstätig bleiben können. Solche Plätze stehen aber de facto weniger als 3 Prozent der pflegebedürftigen Menschen zur Verfügung.“ Dadurch könnten theoretisch vorhandene Ansprüche in Höhe von mehr als 40 Milliarden Euro im Jahr für die Tagespflege nicht genutzt werden.
Wie die Abrechnung funktioniert
Pflegebedürftige, die ab 1. Juli 2025 eine Ersatzpflege brauchen und die nötigen Bedingungen erfüllen, beantragen Kurzzeit- oder Verhinderungspflege weiterhin selbst. Das geht auch im Vorhinein, etwa wenn die Pflegeperson einen Urlaub, eine Reha-Maßnahme oder eine Fortbildung plant. Das hat den Vorteil, dass vorher schon klar ist, welche Kosten die Versicherung finanziert.
Da eine Verhinderung aber nicht immer planbar ist, kann man den Zuschuss aus dem Entlastungsbudget auch im Nachhinein beantragen. Man bezahlt zunächst selbst die Rechnung und reicht sie dann bei der Pflegekasse ein. Für Privatversicherte ist das sowieso das übliche Vorgehen.
Vorleistungen werden abgezogen
Hatte der Versicherte vor dem 1. Juli einen Teil des Anspruchs für Verhinderungs- oder Kurzzeitpflege genutzt, wird der Betrag vom Gesamtbudget abgezogen. Seit Januar 2025 waren für die Verhinderungspflege maximal 1 685 Euro und für die Kurzzeitpflege höchstens 1 854 Euro im Jahr abrechenbar. Das gilt pauschal für alle Pflegegrade von 2 bis 5.
Die Leistungen im Überblick
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Verhinderungspflege |
Kurzzeitpflege |
Vom 1. Januar 2025 bis 30. Juni 2025: Separate Verhinderungs- und Kurzzeitpflege |
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Dauer |
42 Tage (= 6 Wochen) |
56 Tage (= 8 Wochen) |
Leistung |
max. 1 685 Euro / Jahr |
max. 1 854 Euro / Jahr |
Umwidmung Fußnote: 1 |
Hälfte Kurzzeitpflegegeld |
Volles Verhinderungspflegegeld |
Vorpflegezeit |
6 Monate |
keine |
Sonstiges |
Weniger Geld für Ersatzpflege durch nahe Angehörige |
Pflegegeld wird hälftig weitergezahlt |
Seit 1. Juli 2025: Gemeinsames Entlastungsbudget möglich |
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Budget für flexible Nutzung von Verhinderungs- und Kurzzeitpflege |
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Dauer |
insgesamt 56 Tage (= 8 Wochen) |
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Leistung |
max. 3 539 im Jahr |
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Sonstiges |
Pflegegeld wird jeweils hälftig weitergezahlt |
Legende
Stand: Juli 2025
Quelle: PUEG
Wer unter 25 ist und Pflegegrad 4 oder 5 hat, kann das gemeinsame Entlastungsbudget schon seit dem 1. Januar 2025 nutzen.
- Fußnote: 1
- Auf Antrag ist Kurzzeit- statt Verhinderungspflege möglich oder andersherum.
Tipps für den Alltag
Ob man einen Platz in der Tages- oder Nachtpflege ergattert, ist oft Glückssache. Auch Plätze in der Kurzzeitpflege und freie Kapazitäten von Ersatzpflegekräften für zu Hause sind vielerorts eher rar gesät. Doch dem Glück lässt sich auch auf die Sprünge helfen:
- Frühzeitig bei einer Pflegeberatungsstelle nachfragen, welche Angebote es grundsätzlich vor Ort gibt.
- Einen Zettel mit Ansprechpersonen und Telefonnummern erstellen oder eine Liste im Handy einspeichern, um im Bedarfsfall schnell alle Nummern durchtelefonieren zu können.
- Das eigene private Netzwerk nutzen, um eine Pflegekraft zu finden, etwa über einen Post auf Facebook oder eine Anzeige am schwarzen Brett in Supermarkt, Schule oder Kita. Auch der Kontakt zu anderen Pflegenden, etwa in einer Selbsthilfegruppe, kann nützlich sein. Und vielleicht haben ja Friseurin, Bäcker oder die Kollegen aus dem Sportkurs einen heißen Tipp? Kreative Lösungen sind oft die erfolgreichsten.
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- Pflegetagegeldversicherungen im Vergleich – doch die Kosten sind hoch und können weiter steigen. Die Stiftung Warentest hat 70 Tarife geprüft.
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- Werden Menschen pflegebedürftig, brauchen sie Hilfe – von Familienmitgliedern oder Pflegefachkräften. Finanzielle Unterstützung bietet die gesetzliche Pflegeversicherung.
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- Hilfe für Eltern von Kindern mit Behinderung gibt es an vielen Stellen. Doch oft müssen Mütter und Väter die Hilfe mit hohem Bürokratieaufwand erkämpfen.
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@Jutta1111: Das Entlastungsbudget ist ab 1.7.25 gültig, das ist richtig. Wenn im ersten Halbjahr 2025 Verhinderungspflege genutzt wurde, kann man dafür bis zu 1685 Euro als Finanzierung beantragen. Der Restbetrag - bis zu 3539 Euro insgesamt fürs ganze Jahr - steht erst in der zweiten Jahreshälfte zur Verfügung. Ab 1.1.2026 steht der Gesamtbetrag fürs ganze Jahr zur Verfügung - egal, wann man ihn nutzt.
Bei Antrag schreiben Sie: „Die Pflegeversicherung finanziert beides ab 1. Juli 2025 mit dem Entlastungsbudget, auch rückwirkend.“
Meine Mutter war im Januar und Februar dieses Jahres in der Verhinderungspflege. Für mich stellt sich jetzt die Frage, ob ich bei Antragstellung nach dem 1. Juli für diesen Zeitraum über das Entlastung Budget verfügen kann. Laut meiner online Recherche gelten die höheren Sätze erst für Leistungen, die ab dem 1. Juli erbracht wurden. Sofern dies korrekt ist, sollten Sie Ihren Artikel dahingehend noch korrigieren.
@KarschHJ: Es stehen keine Änderungen im Gesetz, die sich auf die stundenweise Verhinderungspflege beziehen. Insofern gehen wir davon aus, dass das Pflegegeld auch künftig in voller Höhe ausbezahlt wird, wenn Verhinderungspflege nur stundenweise in Anspruch genommen wird.
@Laura_9: Wie die Ansprüche auf Verhinderungs- und Kurzzeitpflege bisher kann auch das neue Jahresbudget leider nicht aufgespart werden. Wenn die Leistungen in einem Kalenderjahr nicht (vollständig) abgerufen werden, verfällt der Rest zum Jahresende.
Ab 1.1.2026 gilt das neue Jahresbudget in Höhe von 3539 Euro, das dann bis 31.12.2026 genutzt werden kann.
Etwas anderes gilt für den Entlastungsbetrag von aktuell 131 Euro pro Monat. Wenn dieser nicht vollständig genutzt wird, können die angesammelten Ansprüche noch bis Juni des Folgejahres genutzt werden. Nicht aufgebrauchte Entlastungsbeträge von 2024 können bis zum 30.6.2025 abgerufen werden.
Bisher ist es so, dass das Pflegegeld nicht verringert wird, wenn die Verhinderungspflege stundenweise (nicht mehr als 7 Stunden pro Tag) berechnet wird.
Wird sich das ändern? Das wäre ja wiederum ein großer Nachteil der Neuerung.