Vermögens­haft­pflicht­versicherung D&O-Versicherungen im Test

Finanztest hat untersucht, wie sich Führungs­kräfte absichern können, wenn die Firma das nicht macht.

Vermögens­haft­pflicht­versicherung Alle Testergebnisse für Manager-Haft­pflicht­ver­sicherungen 12/2020 freischalten

Erst meldete Richard Baum* sich krank. Dann war er verschwunden. Und mit ihm fast eine halbe Million Euro von verschiedenen Firmen­konten. Bernhard Kamp* stellt Straf­anzeige. Von der Kriminal­polizei erfährt der Geschäfts­führer eines mittel­stän­dischen Unter­nehmens: Der Betriebs­wirt, den er vor gut einem Jahr angestellt hatte, ist einschlägig vorbestraft. Er war sogar im Gefäng­nis.

Kamp hatte bei der Einstellung nach dem Führungs­zeugnis gefragt. Baum versprach, es zu besorgen. Doch das geriet in Vergessenheit. Nachdem die Probezeit gut gelaufen war, bekam Baum Konto­voll­macht.

Das fehlende Führungs­zeugnis fiel Kamp erst wieder ein, als Baum und das Geld weg waren. Die Rechts­anwälte der Gesell­schafter seine Firma schrieben ihm: Das fehlende Geld müsse er ersetzen. Samt Zinsen. Glück für Kamp: Er hatte beim Start als Geschäfts­führer in dem Betrieb eine Manager-Haft­pflicht­versicherung abge­schlossen. Die Juristen des Versicherers entscheiden: Der Schaden ist gedeckt. Kamps Vermögen ist gerettet.

Geschäfts­führer haften für jede Fahr­lässig­keit mit ihrem ganzen Vermögen. Ansonsten führt längst nicht jeder Fehler von Führungs­kräften zur Haftung. Arbeits­recht­lich sind auch leitende Angestellte Arbeitnehmer, die für Fehler nur einge­schränkt haften. Faust­regel vor dem Arbeits­gericht: Für einfache Fehler, wie sie jedem unter­laufen können, zahlt das Unternehmen. Für die Verletzung von Pflichten, die jedem einleuchten, haften die Verantwort­lichen persönlich. Deshalb muss Kamp zahlen. Konto­voll­macht ohne Führungs­zeugnis, das geht gar nicht.

Wo die Grenze ist, prüfen die Gerichte von Fall zu Fall neu. Je höher Verantwortung und Gehalt, desto strenger der Maßstab. In unserem Special Arbeitnehmerhaftung erklären wir die Einzel­heiten.

Unser Rat

Bedarf. Wenn Sie bei einem Unternehmen in leitender Stellung tätig sind, brauchen Sie Schutz vor den finanziellen Folgen Ihrer Fehler. Wie groß das Risiko für leitende Angestellte mit besonderer Verantwortung ist, dann mit ihrem gesamten privaten Vermögen zu haften, hängt vom Einzel­fall ab. Verantworten Sie zum Beispiel sehr große Budgets oder ganze Firmen­bereiche, ist der Schutz sinn­voll. Fragen Sie zunächst, ob Ihre Firma eine Unter­nehmens­police für Sie abschließt. Wenn nicht, kümmern Sie sich um eine persönliche Police.

Angebote. Die güns­tigsten Angebote für die Geschäfts­führerin aus unserem Modell­fall 1 lieferten Zurich und Markel. Für den leitenden Angestellten im Modell­fall 2 hatten über­haupt nur Zurich und Markel ein konkretes Angebot. Nutzen Sie die Möglich­keiten, den Schutz individuell anzu­passen.

Beratung. Angebote für Manager-Haft­pflicht­versicherungen sind schwierig zu finden und schwer zu beur­teilen. Lassen Sie sich beraten. Geeignet sind Makler, die sich auf solche Versicherungen spezialisiert haben und die sich in Ihrer Branche auskennen (Persönliche Managerhaftpflicht).

Risiko für Geschäfts­führer

Zusätzliches Haftungs­risiko für Geschäfts­führer: Sie müssen dem Unternehmen Zahlungen ersetzen, die sie veranlasst oder zugelassen haben, nachdem das Unternehmen bereits über­schuldet oder zahlungs­unfähig war. So steht es im Gesetz über Gesell­schaften mit beschränkter Haftung. Diese Haftungs­falle bei Insolvenzreife schnappt häufig zu. „Über­schuldung tritt oft früher ein, als sie wahr­genommen wird“, warnt Matthias Talpa vom Versicherungs­portal KuV24-manager.de.

Schon eine E-Mail, mit der ein wichtiger Kunde mitteilt, dass er eine hohe Rechnung nicht bezahlt, kann die Pflicht auslösen, sofort sämtliche Zahlungen zu stoppen. Fließt doch noch Geld, holt es sich der Insolvenz­verwalter vom Geschäfts­führer zurück. Das Insolvenzge­richt setzt ihn ein. Seine erste Amts­hand­lung ist stets, die Bücher zu prüfen und allen verdächtigen Zahlungen nach­zugehen.

Folge der verschärften persönlichen Haftung von Geschäfts­führern: Für sie ist eine Manager-Haft­pflicht­versicherung viel wichtiger als für leitende Angestellte. Hat das Unternehmen keine Police, sollten sie nach einer suchen. Sie sollte Zahlungen, die trotz Insolvenzreife geleistet wurden, ersetzen.

Für leitende Angestellte haben wir keine generelle Empfehlung. Wie hoch das Haftungs­risiko ist, hängt zu stark von den Besonderheiten im Einzel­fall ab. Angebote einzuholen, ist aber auf jeden Fall ratsam – schon weil es dazu zwingt, genau über die Haftungs­risiken nach­zudenken.

Sechs Policen im Test

Die Angebote von Vermögens­haft­pflicht­versicherungen für Manager sind unter der Bezeichnung D &  O (Directors und Officers)-Policen zu finden. Sie gab es zunächst in Groß­britannien und Amerika. In der Regel schließen Unternehmen die Policen ab, um sich vor den finanziellen Folgen von Führungs­fehlern zu schützen. Inzwischen sind solche Policen bei großen Unternehmen auch in Deutsch­land üblich. Doch nur rund die Hälfte der kleinen und mitt­leren Unternehmen leistet sich den Schutz. Die Folge: Wenn etwas schief­geht, haften oft die Verantwort­lichen persönlich.

Bei Unternehmen ohne D&O-Schutz sollten Manager selbst nach persönlichem Versicherungs­schutz suchen. Wir wollten wissen, welche Policen für sie auf dem Markt sind und wie sie sich unterscheiden. Da solche Policen für Geschäfts­führer und Angestellte infrage kommen, haben wir hierfür zwei Modell­fälle gebildet (So haben wir getestet). Wir haben bei etwa 140 Versicherern nach Angeboten gefragt.

Das magere Ergebnis: Gerade mal sechs Versicherer machten der Geschäfts­führerin im Modell­fall 1 ein Angebot. Für den leitenden Angestellten aus Modell­fall 2 waren sogar nur zwei persönliche D&O zu haben. Ergebnis auch: Die Versicherer schauen sich jeden Kandidaten genau an und entscheiden, ob und zu welchen Bedingungen sie Schutz bieten.

Die Angebote unterscheiden sich stark. Bei den meisten löst wie bei ihren angelsächsischen Vorbildern nicht die Pflicht­verletzung den Versicherungs­fall aus, sondern erst eine schriftliche Schaden­ersatz­forderung. In der Branche heißt das „Claims-made-Prinzip“.

Versicherte müssen trotzdem darauf achten, dass sie auch vor Spät­folgen von Fehlern geschützt sind, die sie vor Abschluss der Versicherung gemacht haben. Das geht über eine Rück­wärts­versicherung. Eine solche hatten wir als Vorgabe für die Angebote gemacht, die wir testen wollten.

Kommen Schaden­ersatz­forderungen erst nach Ende des Versicherungs­vertrags, muss die Versicherung nur zahlen, wenn sie eine ausreichend lange Nach­melde­frist gewährt. Wünschens­wert sind zehn Jahre. Danach sind fast alle Schaden­ersatz­ansprüche verjährt.

Schutz vor Fehlern

Das Angebot der R+V-Versicherung funk­tioniert – anders als die Policen der fünf anderen Anbieter – nach dem klassischen Verstoß­prinzip. Das heißt: Bereits der Fehler des Managers ist der Versicherungs­fall. Vorteil: Der Versicherer zahlt auch, wenn erst nach jahre­langer Verzögerung und nach Ablauf der Police Ersatz­forderungen wegen Pflicht­verletzungen aus der Vertrags­lauf­zeit kommen. Nachteil: Die Spät­folgen von vor Vertrags­abschluss begangenen Fehlern sind zunächst nicht versichert. Dafür ist eine ausdrück­liche Rück­wärts­versicherungs­klausel nötig, wie sie der R+V-Tarif enthält. Alle Policen im Test decken Schäden aufgrund vor Vertrags­schluss begangener Pflicht­verletzungen, sofern sie bei Vertrags­schluss nicht bekannt waren.

Bedeutung bekommt die unterschiedliche Funk­tions­weise der D &O-Policen, wenn mehrere Schäden auftreten. Häufiges Beispiel: Der Insolvenz­verwalter findet bei Prüfung der Bücher mehrere mutmaß­liche Management­fehler und fordert im Interesse der Gläubiger Schaden­ersatz. Bei Policen nach Claims-made-Prinzip können dann mehrere Schäden ins selbe Versicherungs­jahr fallen und die Versicherungs­summe so schnell ausschöpfen. Beim Verstoß­prinzip der R+V-Versicherung kommt es dagegen darauf an, wann ein Fehler geschah. Die Versicherungs­fälle können sich auf mehrere Jahre verteilen.

Wichtiger Bestand­teil der Manager-Haft­pflicht­versicherung: Der Versicherer über­nimmt die Kosten für die Verteidigung gegen Ersatz­forderungen. Beispiel Bernhard Kamp: Sein Rechts­anwalt kostete fast 5 000 Euro. Wäre der Fall vor Gericht gegangen, wären weitere rund 10 000 Euro Rechts­anwalts­honorar fällig geworden. Dazu kommen oft noch Gerichts­kosten und zuweilen viele Tausend Euro hohe Gutachterhonorare.

Bei den Angeboten von Axa, Markel, VOV und Zurich werden die Verteidigungs­kosten zumindest teil­weise auf die Versicherungs­summe ange­rechnet. Für den Schaden­ersatz steht dann weniger Geld zur Verfügung.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 20.11.2020 um 18:13 Uhr
    Versicherungsschutz für Geldbußen, Geldstrafen usw

    @tolie101: Bei der R+V gibt es keinen entsprechenden Ausschluss (wie in anderen Policen). Dies hat uns der Versicherer auch bestätigt. (maa)

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 20.11.2020 um 18:12 Uhr
    Vereinsvorstände

    @Envoye: Wie im Artikel beschrieben handelt es sich bei der (persönlichen) D&O um ein sehr individuelles Produkt. Gegenstand unserer Untersuchung war ausschließlich der persönliche Versicherungsschutz für Manager von Firmen.
    Wir haben nicht untersucht, ob und wenn ja, in welchem Rahmen die Versicherer eine ähnliche Absicherung für Vereinen bzw. die Vereinsvorstände anbieten.
    Lassen Sie sich persönlich beraten, welchen Absicherungsbedarf für Ihren Verein Sinn ergibt. (maa)

  • tolie101 am 18.11.2020 um 16:17 Uhr
    Versicherungsschutz für Geldbußen, Geldstrafen usw

    Liebes Stiftung_Warentest-Team,
    nach meiner Einschätzung wird im Rahmen der Versicherung der R+V kein Versicherungsschutz für Geldbußen, Geld- und Vertragsstrafen zur Verfügung gestellt. In Ihrer Vergleichstabelle weisen sie hierfür explizit Versicherungsschutz aus. Hierfür habe ich mir zumindest noch einmal die aktuelle Bedingungsversion der R+V angeschaut.
    Können Sie hier freundlicherweise noch einmal erläutern wie Sie zu der Annahme gelangen?
    Herzlichen Dank!

  • Envoye am 17.11.2020 um 21:43 Uhr
    Sind diese Versicherungen auch ...

    ... für Vereinsvorstände geeignet oder gibt es dafür andere Lösungen?

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 16.11.2020 um 12:27 Uhr
    Download-Problem

    @Cosimo61: Bitte probieren Sie es noch einmal. Ich habe es gerade getestet, die Datei hat 750 KB und lässt sich herunter laden. Bitte klicken Sie zum Start auf das PDF-Symbol im Inhaltsverzeichnis. Klappt das wieder nicht, schreiben Sie bitte an test.de@stiftung-warentest.de (unser technischer Support) und beschreiben Sie etwas näher, was beim Versuch des Downloads nicht klappt. Auf welchen Icon klicken Sie? Wann wird Ihnen mitgeteilt, dass das PDF "0 KB" hat? Senden Sie davon bitte einen Screenshot. Welchen Browser nutzen Sie? (PH)