Das zu hohe Geschäftsführergehalt, das zinslose Darlehen oder mietfreie Penthouse – Vermögensverschiebungen in einer Firma sind steuerpflichtig. Üblich sind aber „verdeckte Gewinnausschüttungen“. Durch sie werden dem Staat Steuern vorenthalten. Die Experten von Finanztest schildern das Problem – anhand des konkreten Falles aus Kühlungsborn.
Eine Finanzamt-Forderung vor Gericht
Niedersachsens Landeshauptstadt versinkt im Grau. Es regnet Bindfäden. Im nüchtern weißen Saal 23 im Finanzgericht Hannover wartet, nassgeregnet, das Ehepaar Wolfgang und Simone H. „Hier ist es kalt wie im Kühlhaus“, ruft Richterin Georgia Gascard. Nur der rotbraune Haarschopf ist zu sehen, als die Vorsitzende aus der Tür hinter der Richterbank linst. Die Verhandlung vor dem Finanzgericht (Niedersächsisches FG, Az. 7 K 84/14) an diesem Mittwochmorgen ist der Höhepunkt der Streitigkeiten zwischen dem smarten Unternehmerpaar und dem Finanzamt Westerstede. Es geht um den Steuerbescheid für das Jahr 2010 und eine Forderung des Amts von 63 750 Euro Steuern plus Soli und Zinsen.
Eine verdeckte Gewinnausschüttung?
Der 7. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts soll jetzt entscheiden, ob die Forderung rechtens ist. Auf der Richterbank sitzen die Finanzrichter Georgia Gascard, Michael Balke und Jens Intemann. Nachdem die Vorsitzende die Verhandlung eröffnet hat, fasst Richter Balke den Fall zusammen. Mit seiner Baufirma errichtete der Bauunternehmer Wolfgang H. aus Oldenburg einhundert Meter vom Ostseestrand in Kühlungsborn einen Neubau mit zunächst 15 Wohnungen. Die verkaufte der Geschäftsmann. Auf das Dach setzte die Firma noch eine Wohnung: ein 174-Quadratmeter-Penthouse mit umlaufender Terrasse, Meerblick und Außenwhirlpool – bezahlt aus Firmengeldern. Wirtschaftsprüfer schätzten den Wert des Penthouses auf 425 000 Euro. Die Luxuswohnung bezog H. mit seiner Frau Simone, Inhaberin eines Wellnesshotels in Kühlungsborn. Zu der Zeit betrieb Hotelfachfrau Simone H. nebenan eine Beauty-Residenz. „Die Steuerbeamten sehen in dieser kostenlosen Überlassung des Penthouses an Sie als Privatperson eine verdeckte Gewinnausschüttung“, schließt Richter Michael Balke. Inzwischen hat das Paar die Wohnung für 300 000 Euro verkauft.
So schnell kommt es zur Steuerpflicht
Das Wortungetüm der „Verdeckten Gewinnausschüttung“ mag kompliziert klingen, ist aber ein Standardfall in den Finanzämtern. Er trifft häufig Inhaber einer GmbH. Immer wenn diese Firmengelder so behandeln, als wären sie eigenes, privates Geld. Denn das schmälert den Gewinn der Firma. Der aber wird vom Staat besteuert. Durch diese „verdeckte“ Gewinnschmälerung werden dem Staat Steuern vorenthalten. Der Klassiker: Der geschäftsführende Gesellschafter zahlt sich ein überhöhtes Gehalt, zum Beispiel 500 000 Euro pro Jahr statt der am Markt üblichen 300 000 Euro. Die verdeckte Gewinnausschüttung beträgt dann 200 000 Euro. Und die sind steuerpflichtig. Denn würde sich der Gesellschafter offen, also vertraglich vereinbart, 200 000 Euro aus seiner Firma auszahlen, müsste er diese auch versteuern. Gleiches gilt für ein zinsloses Firmendarlehen an den Inhaber oder – wie im vorliegenden Fall – ein kostenlos überlassenes Penthouse an den Gesellschafter.
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Finanzrichter prüfen Fremdvergleich
Ist das Überlassen des Penthouses tatsächlich ohne Gegenleistung erfolgt? Das prüfen die Richter anhand eines Fremdvergleichs. „Wir prüfen, ob ein gewissenhafter Firmeninhaber das Penthouse einem Fremden kostenlos überlassen hätte“, sagt Richterin Gascard und erteilt dem Vertreter des Finanzamts Westerstede das Wort. Für diesen ist der Fall klar: „Das Unternehmerpaar hätte das Penthouse an einen fremden Dritten doch auch zum marktüblichen Verkaufswert verkauft.“ Der Steuerinspektor führt aus: „Die Betriebsprüfer haben 2012 festgestellt, dass die Handwerkerrechnungen über die Baufirma gelaufen sind. Viele Kosten für das Penthouse wie Elektrik oder das Treppenhaus sind untrennbar mit denen für die anderen Wohnungen verwoben.“ Eine Gesamtaufstellung aller Baukosten für den Komplex habe ergeben, dass sich darin auch Baukosten für das Penthouse finden.
„Penthouse schwebt nicht in der Luft“
Wolfgang H. rutscht aufgeregt auf seinem Stuhl hin und her. Auf einmal platzt es aus dem großen blonden Mann heraus: „Ich habe mit meinem Vater und Bruder selbst Hand angelegt. Wir haben den Ausbau mit unseren eigenen Händen gemacht. Der ganze Unterbau war doch schon da. Die Wohnung ist lediglich aufgesetzt. Und die Terrasse ist nur Gründach.“ „Dann haben Sie also schwarz gebaut und eine Wohnung mit nicht genehmigter Terrasse verkauft?“, geht die Vorsitzende dazwischen. Wolfgang H. schüttelt den Kopf. „Die Penthousewohnung schwebt doch nicht in der Luft, sondern steht auf dem Fundament, das von Ihrer Baufirma und auf deren Kosten errichtet wurde“, fährt Richterin Gascard fort. Entsetzen beim Ehepaar H.
Die steuerlichen Auswirkungen
„Beim Gesellschafter handelt es sich bei einer verdeckten Gewinnausschüttung um Einkünfte aus Kapitalvermögen, für die Abgeltungsteuer anfällt“, erklärt Richterin Gascard. Hier geht es also um Kapitalerträge im Wert von 425 000 Euro – so viel war das Penthouse wert. In bestimmten Fällen kommt statt der Abgeltungsteuer das Teileinkünfteverfahren zur Anwendung. Dabei werden 60 Prozent der Gewinnausschüttung nicht mit dem pauschalen Abgeltungsteuersatz von 25 Prozent, sondern mit dem persönlichen Steuersatz besteuert. Dann können auch Werbungskosten abgezogen werden. Das ist bei der Variante mit der Abgeltungsteuer ausgeschlossen.
Finanzamt hat falsch gerechnet
Richterin Gascard schüttelt den Kopf: „Das Finanzamt Westerstede hat beide Verfahren gleichzeitig angewendet. Das ist nicht richtig.“ „Sie haben erst 60 Prozent des Wohnungswertes berechnet (255 000 Euro), darauf aber nicht das Teileinkünfteverfahren angewendet, sondern 25 Prozent Abgeltungsteuer. Das entspricht den 63 750 Euro aus dem Steuerbescheid. Sie hätten aber den persönlichen Steuersatz anrechnen müssen, also 45 Prozent von 255 000 Euro. Das macht 114 750 Euro Steuern. Mit dem anderen Verfahren (25 Prozent Kapitalertragsteuer auf den vollen Wohnungswert von 425 000 Euro) wären 106 250 Euro fällig.“ Der Rechenfehler des Finanzamts „spart“ dem Ehepaar knapp 51 000 Euro.
Gericht darf nicht verschlechtern
Um 13:04 Uhr fällt das Urteil. Die Klage wird abgewiesen. Das Unternehmerpaar trägt die Kosten. Die Vorsitzende Richterin begründet die Entscheidung: „Wir sind überzeugt, dass eine verdeckte Gewinnausschüttung vorliegt. Familie H. hat die Penthouse-Wohnung erhalten, ohne dafür eine eigene Leistung an den Baukosten zu erbringen.“ Wolfgang H. ist aufgebracht, fühlt sich ungerecht behandelt. Die Richterin versucht zu beschwichtigen: „Sie sind doch gut dabei weggekommen. Normalerweise wären viel höhere Steuern fällig. Das Gericht darf den Steuerbescheid nicht ,verbösern‘, obwohl feststeht, dass sich das Amt verrechnet hat. Glück für Sie – Pech fürs Finanzamt.“ Doch Wolfgang H. hört nicht mehr zu.
Der Tipp von Finanztest: Sorgen Sie für eine klare Trennung. Gehen Sie als Gesellschafter mit Ihrer GmbH so um, wie Sie mit einem fremden Dritten umgehen. Nichts anderes ist die GmbH. Das heißt: Keinerlei Vergünstigungen für Sie, aber auch keine ungünstigeren Konditionen für die GmbH. Das alles führt zu verdeckten Gewinnausschüttungen.
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Kommentarliste
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@ehrenamtlich: Es ging uns in den Artikel weniger um die Zusammensetzung der Kammer, sondern um den Fall, der von diesem Senat entschieden werden soll. Dass wir die Namen der ehrenamtlichen Richterinnen und Richter im Artikel nicht nennen, ist als Schutz der Person und nicht als Missachtung dieser ehrenamtlichen Tätigkeit zu sehen. (PH)
Da haben doch sicher nicht nur drei Berufsrichter gesessen, sondern auch noch zwei ehrenamtliche Richter. Warum unterschlagen Sie die in ihrem Beitrag?