Studie zu Turbo-Zertifikaten Die meisten Anleger machen mit Turbo-Zertifikaten Verluste

Studie zu Turbo-Zertifikaten - Die meisten Anleger machen mit Turbo-Zertifikaten Verluste

Drahtseil­akt. Sogenannte Knock-out- oder Turbo-Zertifikate können blitz­schnell im freien Fall enden. © Getty Images

Mit Turbo-Zertifikaten lässt sich schnelles Geld machen – oder Kapital vernichten. In der Praxis passiert meist Letzteres. Das ergab eine große Studie der Finanz­aufsicht.

Im Durch­schnitt knapp 6400 Euro Verlust

Die Bundes­anstalt für Finanz­dienst­leistungs­aufsicht (Bafin) hat sich gründlich mit sogenannten Turbo-Zertifikaten beschäftigt. In einer breit angelegten Studie, die die Jahre 2019 bis 2023 erfasst, ermittelte die Finanz­aufsicht, dass etwa drei von vier Anlegern mit Turbo-Zertifikaten Verlust gemacht hatten, im Durch­schnitt fast 6 400 Euro pro Person. Insgesamt betraf das rund 543 000 deutsche Klein­anlegerinnen und Klein­anleger, die im besagten Zeitraum rund 113 Millionen Trans­aktionen mit Turbo-Zertifikaten ausgeführt hatten. Der Verlust, den alle Klein­anleger im Beob­achtungs­zeitraum zusammengefasst erlitten, betrug mehr als 3,4 Milliarden Euro.

Tipp: Sie möchten sich Vor- und Nachteile verschiedener Zertifikate informieren? In unserem Special Wertpapiere mit Fallstricken erhalten Sie einen Über­blick.

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Die Entwick­lung des Basis­werts bestimmt das Ergebnis

Turbo-Zertifikate gibt es wie Sand am Meer. Sie haben kein Eigenleben, sondern beziehen sich stets auf einen sogenannten Basis­wert. Dabei handelt es sich meist um eine Aktie oder um einen Index. Der namens­gebende Turbo ist die Hebel­wirkung, mit der das Zertifikat arbeitet.

Steigt oder fällt der Basis­wert um, sagen wir, 1,8 Prozent, bringt ein Turbo-Zertifikat mit vierfachem Hebel eine Wert­entwick­lung von 7,2 Prozent. Bei einem zwölffachen Hebel wären es sogar 21,6 Prozent. Wohl­gemerkt in beide Richtungen, denn gehebelt wird sowohl ein Gewinn wie ein Verlust. Und Anle­gerinnen und Anleger können mit Turbos auf steigende wie fallende Kurse des Basis­wertes wetten.

Der Hebel entscheidet über das Risiko

Für die gängigen Aktien und Indizes gibt es zigtausend Turbo-Zertifikate, unter denen man sich zwischen 1 und über 100 fast jeden beliebigen Hebel aussuchen kann. Allen Turbos gemein­sam ist die sogenannte Knock-out-Schwelle. Sie bezieht sich stets auf den Basis­wert und markiert den Punkt, an dem das Zertifikat wert­los wird.

Je größer der Hebel, desto näher liegt die Knock-out-Schwelle. Ein Turbo mit nur zweifachem Hebel läuft kaum Gefahr, ausgeknockt zu werden, da sich der Basis­wert dazu um 50 Prozent verändern müsste. Wenn der Hebel aber bei 50 liegt, sind es nur noch 2 Prozent bis zum Total­verlust. Wert­schwankungen dieser Größen­ordnung sind vor allem bei Aktien nicht nur in turbulenten Börsen­phasen an der Tages­ordnung. Wer mit großen Hebeln herum­spielt, muss damit rechnen, dass sein Zertifikat vielleicht schon Stunden nach dem Kauf wert­los ausgebucht wird.

Nur etwas für Spieler

Keine Frage, Turbo-Zertifikate sind nichts für den lang­fristigen Kapital­aufbau. In der Bafin-Unter­suchung betrug die durch­schnitt­liche Haltedauer bei 70 Prozent der gekauften Produkte weniger als einen Tag. Man kauft solche Produkte normaler­weise für kurz­fristige Spekulationen, schon wegen der Produkt­kosten, die auf längere Sicht deutlich zu spüren sind. In von uns beispielhaft analysierten Basis­informations­blättern werden die Kosten nur für die empfohlene Haltedauer von einem Tag ausgewiesen.

Die Geld­anlage­experten der Stiftung Warentest sehen Parallelen zu Glücks­spielen, die sich ja großer Beliebtheit erfreuen, aber für die meisten Nutze­rinnen und Nutzer im Minus enden. Kann man machen, aber niemand sollte sich wundern, wenn das Geld futsch ist. Bei professioneller Nutzung mag das etwas anders aussehen, weil zum Beispiel Vermögens­verwalter gehebelte Finanz­produkte sinn­voll zur Risi­kost­euerung einsetzen können.

Erfahrung hilft nicht weiter

Die BaFin-Studie zeigte auch, dass vermeintlich erfahrene Anleger nicht öfter Gewinne einfuhren. Bei denjenigen, die zwischen zehn und 100 Trans­aktionen tätigten, lag die Verlustquote bei 76 Prozent, bei besonders eifrigen Tradern, die mehr als 1 000 Mal Turbos handelten, betrug sie 91 Prozent. Es scheint also kein Lern­prozess durch häufigen Handel mit Turbo-Zertifikaten statt­zufinden.

Bafin will den Verkauf beschränken

Die Bafin will Vermarktung und Verkauf von Turbo-Zertifikaten an Klein­anlegerinnen und Klein­anleger stark beschränken. Verkäufer der Finanz­produkte sollen zu einer stan­dardisierten Risikowarnung verpflichtet werden und keine Anreize zum Kauf der Zertifikate geben dürfen.

Anle­gerinnen und Anleger müssen nach den Bafin-Plänen künftig eine erweiterte Angemessen­heits­prüfung vornehmen und in einem Test mindestens sechs Fragen zum Handel mit Turbo-Zertifikaten beant­worten können, bevor sie diese erwerben dürfen. Der Test muss alle sechs Monate wieder­holt werden. Die Bafin kann die Vermarktung, den Vertrieb und den Verkauf von Finanz­instru­menten beschränken oder verbieten, wenn der Anleger­schutz infrage steht.

Fragwürdige Werbeaktionen für Turbo-Zertifikate

Tatsäch­lich machen viele Direkt­banken ihren Kundinnen und Kunden auch hoch­riskante Produkte durch Werbeaktionen schmack­haft. Wenn man Turbo-Zertifikate völlig kostenlos handeln kann, reizt das zum Ausprobieren. Entsprechende Sonder­aktionen, bei denen die eigene Depot­bank mit einem oder mehreren Zertifikateanbietern zusammen­arbeitet, gibt es immer wieder. Sie könnten einem Bafin-Verbot zum Opfer fallen. Bis zum 3. Juli 2025 können Anbieter zu den geplanten Maßnahmen Stellung nehmen.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild Mitarbeiter_Stoffel am 27.06.2025 um 19:19 Uhr
    Knock-Out-Schwelle schnell erreicht

    @A.Schmidt: Die Knock-Out-Schwelle bezieht sich den Stand des Basiswertes. Bei Aktien reicht in der Tat eine Kursstellung auf oder unter/über (Call/Put) der Schwelle, damit der Turbo verfällt. Indizes werden vom Anbieter alle paar Sekunden neu berechnet, direkt handelbar sind sie ja nicht. Und ja: Diese Schwellen gibt es, damit Anleger (anders als zum Beispiel bei Futures) nicht in die Nachschusspflicht kommen. Produkte mit Nachschusspflicht sind für Otto-Normal-Anleger nicht erlaubt.

  • A.Schmidt am 27.06.2025 um 18:04 Uhr
    Knock-Out-Schwelle schnell erreicht

    m.W. ist die Knock-Out-Schwelle schon erreicht, wenn auf dem Handelsplatz eine einzige Transaktion zu diesem Preis durchgeführt wurde.
    Der im Chart angezeigte Kursverlauf ist ein Durchschnittswert der Transaktionen innerhalb eines Zeitfensters (z.B. eine Minute oder ein Tag) und oft noch deutlich von diesem Preis entfernt. Trotzdem wirkt der Knock-Out und das Geld ist weg.
    Will man den Knock-Out vermeiden, müsste man eine Sicherheit zur Haftung hinterlegen, dann ist es aber definitiv gefährlich. Diese Möglichkeit besteht m.W. bei keiner Endkundenbank.