
Nicht immer entwickelt sich ein Crowdfunding-Projekt so wie die Gründer es sich vorgestellt haben. Dieses Risiko gehen Anleger mit ein. © Getty Images
Einfach, transparent und unkompliziert innovative Projekte finanzieren und tolle Renditen einstreichen. Das stellen Crowdfunding-Plattformen im Internet in Aussicht. Sie präsentieren Unternehmen und deren Vorhaben, ein Schwarm von Anlegern gibt Geld. Doch viele Firmen erfüllen ihre Pflichten nicht, wie eine aktuelle Befragung der Stiftung Warentest bei Unternehmen und Plattformen ergab.
Anleger gehen hohe Risiken ein
Die Finanztest-Untersuchung im Januar und Februar 2020 zeigte, dass sich Crowdfunding-Anleger nicht darauf verlassen können, alle vorgeschriebenen Informationen zu bekommen. Das ist heikel, denn die Anleger gehen hohe Risiken ein: In der Regel verleihen sie Kapital in Form von Nachrangdarlehen. Im Insolvenzfall sind sie erst nach allen vorrangigen Gläubigern an der Reihe. Es gab mehrere Fälle mit Totalverlust. Auf diese Gefahr müssen Anleger deutlich hingewiesen werden: Die Plattformbetreiberin Exporo AG verlor eine Klage vor dem Landgericht Hamburg gegen den Verbraucherzentrale Bundesverband, weil sie in Werbespots nur wenige Sekunden in kleiner Schrift vor den Risiken warnte.
Unser Rat
Eignung. Crowdfunding eignet sich nicht für sicherheitsorientierte Anleger. Denn sie leihen dabei über Onlineplattformen in der Regel Unternehmen Geld in Form von Nachrangdarlehen. Sie haben keine Mitspracherechte und gehen im Insolvenzfall meist leer aus. Sie können meist nicht einfach vorzeitig aussteigen.
Information. Setzen Sie sich mit den Projekten auf den Plattformen auseinander. Lesen Sie zum Beispiel das dreiseitige Vermögensanlageninformationsblatt (VIB), das gesetzlich vorgeschriebene Informationen enthält. Viele Plattformen verpflichten die Unternehmen, die Anleger auf dem Laufenden zu halten. Das klappt allerdings nur, solange die Plattformen aktiv sind.
Risiko. Ein Totalverlust ist immer möglich. Investieren Sie nur so viel via Crowdfunding, dass Sie den Totalausfall aller Projekte verkraften, denen Sie Geld gegeben haben.
Viele Jahresabschlüsse nicht abrufbar
Trotz der hohen Risiken müssen viele Unternehmen für Crowdfunding-Projekte nur ein dreiseitiges Vermögensanlageninformationsblatt veröffentlichen. Ihren Jahresabschluss müssen sie zudem spätestens sechs Monate nach Geschäftsjahresende beim Bundesanzeiger zur Veröffentlichung einreichen. Das stellt sicher, dass Anleger sich über die wirtschaftliche Lage informieren können, auch wenn es die Crowdfunding-Plattform nicht mehr geben sollte. Als wir das am 1. Januar 2020 prüften, waren 60 Prozent von gut 550 Abschlüssen für 2018 nicht abrufbar. Wir fragten die Unternehmen und die 40 Crowdfunding-Plattformen, die ihre Projekte vermittelten.
Plattformen: Von auskunftswillig bis unprofessionell
Die Spannbreite war groß: Die Plattform Bergfürst etwa gab rasch und detailliert Auskunft. Sie nannte zum Beispiel Firmen, die ihre Abschlüsse nach unserem Stichtag eingereicht hatten oder die derzeit noch daran arbeiteten. Etliche Plattformen betonten, sie hätten die Unternehmen auf ihre Pflichten hingewiesen. Aescuvest beschrieb die Erfahrung, dass Unternehmen „wohl eher auf die steuerlichen Fristen“ achten. Andere kannten die gesetzlichen Pflichten gar nicht genau. Viele antworteten nicht oder waren nicht mehr erreichbar (Viele Plattformen antworten nicht).
Buhmann Bundesanzeiger
Die Plattform Companisto sah „die Schwachstelle beim Bundesanzeiger“. Etliche Unternehmen teilten uns mit, sie hätten ihre Zahlen fristgerecht eingereicht, aber Wochen bis zur Veröffentlichung warten müssen. Das erklärt aber nicht, warum Monate später noch Hunderte von Abschlüssen fehlten. CrowdPartner betonte, das von uns als säumig bezeichnete Unternehmen habe den Abschluss beim Bundesanzeiger hinterlegt. Hinterlegen reicht aber nicht, denn der Abschluss ist dann nicht kostenlos abrufbar und enthält weniger Informationen. Später kündigte die Plattform eine Veröffentlichung an.
E-Mails nicht in deutscher Sprache
Von den Firmen aus dem Ausland hatte nur eine ihren Abschluss im Bundesanzeiger veröffentlicht. Ihnen sei die Pflicht teils nicht bewusst, hieß es von der Wiener Plattform Crowd4projects.com. Dagobertinvest.at und Rendity.com erläuterten, österreichische Firmen seien oft nicht fertig, weil sie in Österreich neun statt sechs Monate Zeit hätten. Die Plattform Bettervest machte darauf aufmerksam, „insbesondere unsere ausländischen Projektinhaber“ seien nicht in der Lage, E-Mails in Deutsch zu bearbeiten. Einige Plattformen teilten mit, dass die Darlehen schon vor Ablauf der Veröffentlichungsfrist an die Anleger zurückgezahlt seien. Laut Bundesanzeiger kommt es aber darauf an, ob die Vermögensanlage bei Geschäftsjahresende noch aussteht.
Schwarmfinanzierung
Internetplattformen stellen Projekte von Unternehmen vor. Anleger entscheiden, welche sie finanzieren wollen.

© Stiftung Warentest / René Reichelt
Plattformen erinnern an die Pflichten
Erfreulich: Einige ahnden Verstöße. Aescuvest kann 1 000 Euro Vertragsstrafe verhängen. Ev-capital.de vom Immobilienunternehmen Engel & Völkers hat sich verpflichtet, „keine weiteren Vermögensanlagen von Emittenten zu vertreiben, die ihren Pflichten wiederholt nicht fristgerecht nachgekommen sind“. OneCrowd, Betreiberin von Seedmatch und Econeers, hat in den Verträgen ein Druckmittel zumindest bezüglich der Informationen, die Anleger über die Plattformen bekommen sollen: Veröffentlichen Unternehmen zwei aufeinanderfolgende Quartalsreports mit mehr als sechs Wochen Verspätung, dürfen Anleger außerordentlich kündigen.
Tipp: Weitere Informationen enthält unser Test Crowdfunding: So investieren Sie richtig.
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- Anbieter riskanter Geldanlagen publizieren ihren Jahresabschluss oft verspätet. Wir erklären, warum das ein Problem sein kann – und bieten Ihnen einen Online-Check.
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- Die Solvium-Gruppe leiht sich Geld von Investoren, um Container zu kaufen. Dafür zahlt sie Zinsen. Das klingt gut, birgt aber hohe Risiken. Einige sind beunruhigend.
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- Mit kleinen Beträgen ist es möglich, in Crowdfunding-Projekte zu investieren. Die Risiken sind hoch, trotz neuer EU-Regeln und neuer Anlageformen über eine Blockchain.
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