
Fährt ein Autofahrer bei Rot, reicht es nicht, wenn ein Polizist die Dauer des Rotlichts nur schätzt. Er muss Sekunden zählen. Genauigkeit ist angebracht: Denn wer fährt, nachdem das Rotlicht schon eine Sekunde zu sehen war, zahlt 200 Euro, kassiert zwei Punkte und gibt den Führerschein ab.
Ab einer Sekunde wirds teuer
So schnell kanns gehen: Im münsterländischen Ascheberg biegt ein Fahrer bei Rot nach links auf einen Supermarktparkplatz ab. Dort steht zufällig ein wartender Polizist, der privat unterwegs ist. Er zeigt den Fahrer an. Denn er ist sicher, dass die Ampel schon mehrere Sekunden rot gezeigt hatte. Das reicht üblicherweise für einen „qualifizierten“ Rotlichtverstoß. „Qualifiziert“ heißt: Die Ampel war länger als eine Sekunde rot. Dann wirds teuer: Bei einem solchen Verstoß gibt es in der Regel mindestens 200 Euro Geldbuße, zwei Punkte in Flensburg und einen Monat Fahrverbot. Brannte das rote Licht kürzer als eine Sekunde, handelt es sich um einen „einfachen“ Rotlichtverstoß. Meist folgen dann 90 Euro Bußgeld und nur ein Punkt.
Die „gefühlte Zeitmessung“ reicht nicht
Dass es mehr als eine Sekunde war, muss aber nachweisbar sein. In Ascheberg hatte der Polizist den Wagen lange vorher gesichtet. Da er sekundenlang die rote Ampel und das heranfahrende Auto gesehen hatte, schaute er nicht erst auf die Uhr, um die tatsächliche Zeit zu messen. Damit gab es nur eine gefühlte Zeitmessung, so das Amtsgericht Lüdinghausen. Es hatte über den Fall des Verkehrssünders zu entscheiden und erkannte nur an, dass die Ampel rot war. Dass sie schon länger als eine Sekunde rot war, wollte es hingegen nicht glauben, da weitere Nachweise oder Indizien fehlten. So kam der Fahrer mit einer Buße für einen einfachen Rotlichtverstoß davon (Az. 19 OWi-89 Js 1024/14–97/14).
Wenn der Polizist ruhig „21, 22“ zählt
An einen Nachweis stellen die Gerichte allerdings keine allzu hohen Anforderungen. So reichen Umstände, die eine nachträgliche Weg-Zeit-Berechnung ermöglichen. Weit häufiger zählt in der Praxis ein Polizist im Geiste mit. So reicht es für die Oberlandesgerichte Hamm und Hamburg, wenn ein Polizist zum Beispiel ruhig von 21 bis 22 zählt (Az. 3 Ss OWi 55/09 und Az. III-117/04-3 Ss 114/04 OWi). In der Regel kommt eine Sekunde Sicherheitsabschlag dazu. Erklärt ein Polizist vor Gericht, dass er „21, 22“ gezählt hat, reicht das meist für die Bestrafung aufgrund eines qualifizierten Rotlichtverstoßes.
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"Erklärt ein Polizist vor Gericht, dass er „21, 22“ gezählt hat, reicht das meist..:" Also die simple Behauptung reicht. Interessant, welch unterschiedliche Maßstäbe doch vor Gericht gelten. Manche sind eben doch gleicher.