Finanztest stellt Menschen vor, die großen Unternehmen oder Verbänden die Stirn bieten und dadurch die Rechte anderer stärken. Diesmal: Thomas Siepelmeyer. Der Wind- und Solarunternehmer wehrte sich mit Erfolg gegen politische Äußerungen des Dachverbands seiner Industrie- und Handelskammer.
„Einseitige Äußerungen entziehen mir die Geschäftsgrundlage“
Über den Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) hatte sich Thomas Siepelmeyer schon öfter geärgert. Denn der Dachverband von 79 regionalen Industrie- und Handelskammern (IHK) ist eine meinungsfreudige Institution: Er ist gegen den Atomausstieg, gegen die Ökosteuer und er macht Stimmung gegen das Erneuerbare-Energien-Gesetz. „Solche Äußerungen sind einseitig und entziehen mir meine Geschäftsgrundlage“, sagt der 60-jährige Geologe. Er entwickelt Wind- und Solarparks in Deutschland, Südafrika und Argentinien. Mit seinen Gewerbebetrieben ist er Pflichtmitglied in der IHK Nord Westfalen.
Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts erstritten
Beim Ärgern alleine blieb es nicht. Siepelmeyer zog bis vor das Bundesverwaltungsgericht und erstritt ein Grundsatzurteil (Az. 10 C 4/15). Die höchsten deutschen Verwaltungsrichter haben im Frühjahr 2016 geurteilt, dass Pflichtmitglieder den Austritt ihrer Kammer aus dem Dachverband fordern können, wenn dieser sich regelmäßig einseitig und unvollständig oder zu Themen äußert, die nichts mit den Kammerberufen zu tun haben.
Fast zehn Jahre für drei Instanzen
„Der lange Weg durch die Instanzen dauerte fast zehn Jahre“, sagte Siepelmeyer. Bereits im Januar 2007 zog er vor das Verwaltungsgericht Münster und klagte auf Unterlassung von bestimmten Meinungsäußerungen zur Umwelt- und Energiepolitik. Außerdem forderte er von seiner Kammer, der IHK Nord Westfalen, sie solle aus dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag austreten.
Erst eine Nichtzulassungsbeschwerde half
In der ersten Instanz verlor Siepelmeyer den Prozess. Das Gericht verneinte einen Austritts- und Unterlassungsanspruch. Auch seine Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht Münster verlor er. Das Gericht lehnte außerdem eine Revision ab. Um in die nächste Instanz zu gehen, musste Siepelmeyer erst eine Nichtzulassungsbeschwerde einlegen.
Bundesrichter: Es gibt einen Austrittsanspruch
Im März 2016 entschied das Bundesverwaltungsgericht zugunsten Siepelmeyers: Der Dachverband der Handelskammern, der DIHK, ist nicht zu allgemeinpolitischen Äußerungen befugt. Er darf keine arbeitsrechtlichen und sozialpolitischen Interessen wahrnehmen. Nur zu Themen, die das Gewerbe und die Wirtschaft betreffen, darf er sich äußern, etwa zum Ausbildungsmarkt oder zur Ganztagsschule.
Kammern haben kein Recht auf freie Meinungsäußerung
Die Industrie- und Handelskammern sind Zwangsverbände, die hoheitliche Aufgaben des Staates wahrnehmen wie Prüfungen abnehmen oder Register führen. Im Gegenzug müssen Gewerbetreibende Mitglied werden und Beiträge zahlen. Ein eigenes Recht auf freie Meinungsäußerung steht weder IHK noch DIHK zu.
Muss die IHK Nord Westfalen aus dem DIHK austreten?
Die Richter wiesen den Fall an das Oberverwaltungsgericht Münster zurück. Es muss klären, ob Wiederholungsgefahr besteht. Siepelmeyer ist optimistisch, dass er auch diesmal vor Gericht beweisen kann, dass der DIHK seine Kompetenzen überschreitet und nennt zwei Beispiele: In einer Pressemitteilung kritisierte der DIHK im Mai einen Entwurf des Bundesfamilienministerium zum Entgeltgleichheitsgesetz als ungeeignet. Im Juli sagte Präsident Eric Schweitzer in der Rheinischen Post: „Der Spitzensteuersatz darf erst bei einem Jahreseinkommen von deutlich über 53 000 Euro greifen.“ Sollte Siepelmeyer wieder gewinnen, müsste die IHK Nord Westfalen aus dem DIHK austreten.
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