Lebens­mittel mit Stevia Wundersüß­stoff unter der Lupe

Jetzt gibt es die ersten Lebens­mittel mit Süßstoff aus Stevia. Wie viele Kalorien sparen sie ein? Wie schme­cken sie? test hat 16 neue Produkte mit Stevia geprüft.

Ohne Kalorien, natürlichen Ursprungs, zahn­schonend und bis zu 300-mal süßer als Zucker – die Süßstoffe der Steviapflanze umgibt etwas Sagen­umwobenes. Um an sie heran­zukommen, war lange Zeit Fantasie gefragt. Manch einer kaufte sich getrock­nete Stevi­ablätter im Reform­haus, wo sie getarnt als Bade­zusatz angeboten wurden. Seit Ende 2011 sind die süßenden Stoffe – Steviolglykoside genannt – in der EU nun erlaubt, und zwar als Zusatz­stoff E 960. Zugelassen sind sie für 30 Lebens­mittel­kategorien wie Schokolade und Konfitüre. Voraus­setzung für die meisten Produkte: Sie müssen kalorienreduziert sein.

Die Hersteller brachten schnell Neuheiten mit Steviolglykosiden auf den Markt. Wir haben 16 untersucht. 6 davon haben wir zusätzlich mit dem Original verglichen.

Alternative für Süßmäuler

Das Fazit unserer Labor­analyse: Wo Stevia drauf­steht, sind tatsäch­lich Steviolglykoside drin. Wir wiesen sie in jedem Produkt nach, wenn auch in sehr unterschiedlichen Mengen. Anders als Verbraucher es erwarten, enthalten Stevia­produkte oft auch Zucker. Kalorien sparen sie dennoch ein, erweisen sich also als gute Alternative für kalorienbewusste Süßmäuler. Auch können sie weniger beliebte Süßstoffe ersetzen – Wunder­effekte in Bezug auf die Figur oder Gesundheit sind jedoch nicht belegt.

Stevia­produkte nicht zuckerfrei

Zur Süßkraft trägt Stevia ganz unterschiedlich bei. Bei den Süßstoff­tabletten von Canderel, dm, Euro­vera und Nevella stammt 100 Prozent der Süße aus Stevia. In der Zentis-Konfitüre und dem Schwartau-Frucht­aufstrich sind es hingegen nicht einmal 10 Prozent. Neben Steviolglykosiden verwenden die Hersteller weiterhin andere Zucker und Süßstoffe, etwa Fruktose, Glukosesirup oder Isomalt. Den klassischen Kristall­zucker, der es auf 4 Kilokalorien pro Gramm bringt, ersetzen sie nicht komplett.

Das hat Gründe. Nur mit Steviolglykosiden gesüßte Produkte würden oft nicht schme­cken. Die Hersteller dürfen zudem nur begrenzte Mengen Steviolglykoside verwenden, in einem Liter Limonade etwa höchs­tens 80 Milligramm. Im Test halten alle Produkte die Höchst­mengen ein.

Bis zur Hälfte weniger Kalorien

Lohnt dann der Griff zu Stevia­produkten über­haupt? Wenn es um die schlanke Linie geht, schon. Im Vergleich zum Original sparen sie tendenziell ein Viertel bis die Hälfte an Kalorien ein, wie unser Paar­vergleich zeigt . So enthält die Fritz-Kola Stevia zum Beispiel halb so viel Zucker und Kalorien wie die Original-Fritz-Kola.

Stevia kann also helfen, den Zucker­konsum zu senken. Die Deutschen verzehren am Tag etwa 100 Gramm – doppelt so viel wie Ernährungs­experten gutheißen. Zu viel Zucker kann zu Überge­wicht und Folge­erkrankungen wie Diabetes führen.

Lipton Tea spart kaum Kalorien ein

Als Verbraucher­täuschung entpuppte sich der Lipton Ice Tea mit Stevia. Hersteller Pepsi bewirbt das Eis­teegetränk als „kalorienreduziert“. In Wahr­heit enthält ein halber Liter nur 1,5 Gramm Zucker weniger als das Original und spart winzige 5 Kalorien.

Oft leicht bitterer Geschmack

Ob mit Stevia gesüßte Lebens­mittel schme­cken, sollte jeder selbst probieren. Der Paar­vergleich zeigt: Meist schme­cken sie nicht so intensiv süß wie das Original. Oft haben sie einen leicht bitteren Nachgeschmack, hinterlassen auf der Zunge ein stumpfes, belegendes Gefühl. Das ist auch von anderen Süßstoffen wie Cyclamat bekannt. Ihr Geschmack ist tendenziell weniger abge­rundet, ihre Aroma­vielfalt begrenzter. Kurzum: Stevia­produkte sind für viele erst einmal gewöhnungs­bedürftig.

Früher aus Paraguay, heute aus China

Verantwort­lich für den Geschmack sind zwei Steviolglykoside: Rebaudiosid A, das vorwiegend süß schmeckt, und Steviosid, das auch eine bittere, lakritz­artige Note hat. Obwohl es hunderte Steviapflanzen gibt, enthalten nur die Blätter der Sorte Stevia rebau­diana die begehrten süßenden Inhalts­stoffe. Ursprüng­lich wuchs sie im Hoch­land von Amambay zwischen Paraguay und Brasilien und war nur den Einwohnern bekannt. Ende des 19. Jahr­hunderts beschrieb sie erst­mals ein Europäer, der Schweizer Moises Bertoni. Ihr kommerzieller Anbau begann erst 60 Jahre später. Heute baut China den Groß­teil der welt­weit vermarkteten Steviapflanzen an.

Blätter nicht zum Verzehr zugelassen

Die Blätter der Steviapflanze hat die EU bis heute nicht zum Verzehr zugelassen, sondern nur die Steviolglykoside. Das sorgt für Verwirrung, zumal viele Anbieter das auf den Etiketten nicht deutlich genug machen. Sie suggerieren, dass ihre Produkte Stevia enthalten. Ein entsprechender Hinweis fehlt etwa auf der Limonade von Bad Dürr­heimer und dem Caffè Colombia von Mövenpick. Eine gute Lösung sind Hinweise wie „mit Steviolglykosiden aus Stevia“, wie sie Fritz-Kola und Zentis aufbringen.

Nicht Natur pur, sondern E 960

Übrigens sind Steviolglykoside keineswegs so natürlich, wie es Werbesprüche auf den Produkten versprechen. Da heißt es zum Beispiel „natürlicher Genuss“ oder „rein pflanzlich gesüßt“. Steviolglykoside werden durch ein komplexes chemisches Verfahren aus den Stevi­ablättern gewonnen, unter anderem mit Absorberharzen entfärbt und mit Ionen­austauschern entsalzt. Ergebnis ist ein weißes, reines Pulver. Es gilt als Zusatz­stoff und hat die Nummer E 960.

Dennoch viele Vorteile

Viele Vorteile bieten die Steviolglykoside dennoch. Sie bringen eine enorme kalorienfreie Süßkraft mit, sie sind leicht wasser­löslich, koch- und back­fest, in Lebens­mitteln lange halt­bar. Anders als Kristall­zucker greifen sie nicht die Zähne an. Dafür verfügen sie nicht über die konservierende Wirkung von Zucker.

Mit Steviolglykosiden gesüßte Lebens­mittel sind auch für Diabetiker geeignet. Sie sollten jedoch daran denken: Stevia­produkte können auch Zucker enthalten.

Derzeit keine Über­dosierung

Bereits 2010 hat die Europäische Behörde für Lebens­mittel­sicherheit, Efsa, die süßenden Stoffe aus Stevia als gesundheitlich unbe­denk­lich erklärt. Sie seien weder krebs­er­regend noch würden sie der Fort­pflan­zung schaden. Um einer Über­dosierung vorzubeugen, hat die Efsa eine Tages­dosis von 4 Milligramm Steviolglykosiden pro Kilogramm Körpergewicht fest­gelegt. In normaler Menge verzehrt, schöpft kein Stevia­produkt im Test diese Dosis auch nur annähernd aus. Auch wer über den Tag verteilt mehrere Produkte zu sich nimmt, erreicht das Limit nicht.

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Kommentarliste

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  • Gelöschter Nutzer am 16.08.2014 um 08:13 Uhr
    Kommt für mich nicht infrage

    Stevia kommt nach einem Selbstversuch für mich nicht infrage. 1.) Die Süßkraft ist deutlich geringer als bei herkömmlichen Süßstoffen. 2.) Der Preis für dieselbe Süßkraft ist weitaus höher als für jeden anderen Süßstoff. 3.) Der lakritzartige Nachgeschmack ist unerträglich und hat in einem Süßstoff nichts verloren. Hier gilt die Devise, dass ein guter Süßstoff so zuckerähnlich wie möglich schmecken soll.

  • Gelöschter Nutzer am 16.08.2014 um 08:11 Uhr
    @asteroidea

    Ob man das belegen kann? Biologie-Grundkurs an einer allgemeinbildenden Schule! Das meine ich ernst. Die Insulinausschüttung wird durch ein kompliziertes Steuerungssystem reguliert, welches - wen wundert's - auf den Blutzuckerspiegel und einige Stresshormone reagiert. Das Geschmacksempfinden auf der Zunge (und dort schmecken wir die Süßstoffe) gehört nicht zum Regelsystem. Wenn sie einen Diabetiker kennen, können sie gerne einen Selbstversuch machen: Messen sie mit einem Teststreifen und seinem Gerät ihren Blutzuckerspiegel. Lutschen sie danach einige Süßstofftabletten. Messen sie noch einmal. Vermeiden sie dazwischen Aufregung und körperliche Bewegung. Fertig.

  • mariaseim am 27.11.2013 um 05:17 Uhr
    @cc4cc bezgl. Stevia als Süßstoff

    Wir haben auch lange nach dem passenden Süßstoff gesucht (mein Mann ist Diabetiker) und sind nun auch bei Stevia angekommen. Von der Pflanze bis zu den Tabs und Flüssig-Stevia im Supermarkt haben wir alles versucht. Leider war alles nicht ganz so süß wie wir uns das gewünscht haben. Das einzige was uns überzeugen konnte war ein Stevia-Pulver (wir nutzen aktuell Steviago) mit einem sehr hohen Reb-A. Anteil (über 97%). Es ist wenn überhaupt nur noch minimal bitter. Aber auch beim Pulver muss man aufpassen, denn viele Hersteller schreiben so etwas wie "95% hochkonzentriert" etc. Die beziehen sich dann aber nicht auf den Reb-A. Anteil sondern nur auf die Stevia-Glycoside im Allgemeinen. Da haben wir im wahrsten Sinne des Wortes schon einiges an Geld "verpulvert", denn Stevia-Glycoside gibt es viele, vor allem bitter! Ich finde es schade dass wenn man Stevia gut findet man automatisch blöd angeschaut wird.. Für meinen Mann gibt es kaum Alternativen die nicht wie Aspartam bedenklich sind..

  • Sagitarius13 am 15.11.2012 um 05:33 Uhr
    so ein Käse...

    Habe ja schon viel Mist gelesen, aber das Süßstoff die Produktion des Hormons Insulin anregt, ist so ziemlich der größte blödsinn, den ich je gelesen habe und welcher zudem leider auch recht oft behauptet wird.
    Demnach müsste ja jeder, der Süßtoffhaltige Produkte trinkt binnen kürzester Zeit in eine Hypoglykämie (Unterzuckerung) rauschen, was vollkommener käse ist. Ferner hätte ich da als Typ 1 Diabetiker mit leichter Restproduktion durchaus Probleme, weil ich dann laufend auf einen Unterzucker hinsteuere und was den Tatsachen einfach nicht entspricht.
    Aspartam ist ab einer Menge von 40 mg/kg (EU Grenzwert) Körpergewicht ungesund. Schon mal darüber nachgedacht welche riesige Menge das bei etwa 70 kg Körpergewicht ist --> 266 Süßstofftabletten, oder knapp 4 Liter mit Süßstoff versetzte Getränke. Ich verwende als Diabetiker etwa 20 Tabletten am Tag für meinen Cafe und trinke etwa 1 Liter Süßstofflimo.

  • asteroidea am 12.11.2012 um 10:50 Uhr
    @Remenber_Carhtage

    -->""Süßstoffe irritieren generell die Bauchspeicheldrüse, weil sie bei je der Geschmackswahrnehmung der Zunge von irgendetwas Süßem Insulin ausschüttet und auf Zuckerverarbeitung wartet." Dies ist medizinischer Unsinn!"
    Kannst Du das belegen?? Hast Du eine Quelle dafür? Mich interessiert dieser ZUsammenhang schon lange, aber ich finde keine Wissenschaftliche Quelle, um das zu belegen.
    LG