Interview Erwerbs­minderungs­rente Vorsätzliches Handeln setzt Rente aufs Spiel

Interview Erwerbs­minderungs­rente - Vorsätzliches Handeln setzt Rente aufs Spiel

Nach einer Trunken­heits­fahrt ohne Führer­schein verunglückt ein 28-jähriger Koch. Anschließend bekommt er keine gesetzliche Erwerbs­minderungs­rente. Er klagt dagegen – und verliert. Dirk von der Heide von der Renten­versicherung Bund erläutert im Interview die Gründe.

1,39 Promille

Interview Erwerbs­minderungs­rente - Vorsätzliches Handeln setzt Rente aufs Spiel

Dirk von der Heide, Presse­sprecher der Renten­versicherung Bund.

Der Verunglückte kann nach dem Unfall nicht mehr in seinem Beruf arbeiten. Er hatte 1,39 Promille Alkohol im Blut und fuhr ohne Führer­schein Auto. Die Renten­versicherung verweigert ihm die gesetzliche Erwerbs­minderungs­rente. Das Sozialge­richt Gießen hat dies für rechtens erklärt. Warum?

Ein Antrag auf Erwerbs­minderungs­rente kann laut Sozialgesetz­buch abge­lehnt werden, wenn es zu einer rechts­kräftigen strafge­richt­lichen Verurteilung wegen eines Verbrechens oder – wie in diesem Fall – eines vorsätzlichen Vergehens kommt. Der Fahrer saß nicht nur betrunken am Steuer, oben­drein hatte er auch keinen Führer­schein. Er hat sich also nicht nur fahr­lässig verhalten, er ist vorsätzlich ohne Fahr­erlaubnis gefahren.

Einzel­fall entscheidet

Also setzen Menschen, die sich alkoholisiert hinter das Steuer setzen, ihre Rente aufs Spiel, wenn ihnen etwas passiert?

Ja. Wer betrunken Auto fährt, kann sich wegen vorsätzlicher Gefähr­dung des Straßenverkehrs oder wegen Trunkenheit im Verkehr strafbar machen. Dies kann dann dazu führen, dass die Erwerbs­minderungs­rente versagt wird. Es kommt allerdings immer auf den Einzel­fall an.

Es gibt also auch Fälle, in denen Betrunkene, die ihre Erwerbs­unfähigkeit durch einen Unfall selbst verschuldet haben, eine Rente bekommen?

Ja. Liegt eine strafge­richt­liche Verurteilung vor, dann muss die Renten­versicherung noch alle Umstände des Einzel­falls, insbesondere den Tathergang und die persönlichen und wirt­schaft­lichen Verhält­nisse des Antrags­stel­lers berück­sichtigen und mit den Interessen der Versicherten­gemeinschaft abwägen.

Bei Suizid­versuch bleibt Anspruch erhalten

Wie beur­teilen Sie Fälle, in denen sich jemand durch Eigen­verschulden gesundheitlich schädigt?

Wer dies absicht­lich tut, kann den Anspruch auf Erwerbs­minderungs­rente verlieren. Das gilt aber nicht bei einem Suizid­versuch. Ziel ist dabei ja nicht die Erwerbs­minderung selbst. Wenn also jemand einen Suizid­versuch über­lebt und danach gesundheitlich beein­trächtigt ist, kann er eine Rente wegen Erwerbs­minderung erhalten.

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Kommentarliste

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  • Profilbild Stiftung_Warentest am 22.05.2014 um 14:34 Uhr
    Keine Pauschalierung möglich

    @kone1000: Wie im Interview dargestellt, kommt es wirklich auf die konkrete Situation an. Ohne einen fachanwaltlichen Rat, lässt sich nicht klären, ob mit einer Verurteilung wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs (oder wegen Trunkenheit im Verkehr) auch der Anspruch auf eine gesetzliche Erwerbsminderungsrente gefährdet wird. Die Rentenversicherung muss alle Umstände des Einzelfalls für ihre Entscheidung berücksichtigen und diese liegen bei jedem Antragsteller anders. Es ist empfehlenswert, anwaltlich Hilfe hinzuzuziehen, zum Beispiel von Fachanwälten für Sozialrecht. Der Fachanwalt kann mit Ihnen Ihre persönliche Situation analysieren und daraus dann die Argumente filtern, die für den Erhalt der Rente sprechen. (maa)

  • kone1000 am 03.05.2014 um 20:47 Uhr
    und was nun

    sehr schwammig formuliert,
    Was für punkte sind klare pro- und contrakriterien?