
„Für mich ist klar, dass diese Kostenbelastung definitiv nicht gerecht ist.“ Christine Kiesenbauer © Stiftung Warentest / Stefan Korte
Finanztest stellt Menschen vor, die Firmen oder Behörden die Stirn bieten und Verbraucherrechte stärken. Diesmal: Christine und Dieter Kiesenbauer, die sich vom Versicherer Volkswohl Bund zu hohe Kosten für die Riester-Rente zurückgeholt haben.
Patzige Reaktion vom Volkswohl Bund
Patzig. So reagierte der Versicherer Volkswohl Bund auf die Reklamation seiner Kundin Christine Kiesenbauer, die sich 2013 erstmals über zu hohe Abschluss- und Vertriebskosten ihrer Riester-Rentenversicherung beschwert hatte. Als Mathematiker kennen sich Christine Kiesenbauer und ihr Ehemann Dieter mit Zahlen aus, doch die „intransparente Darstellung“ in der Standmitteilung war für sie nicht verständlich. Nach etlichen Briefwechseln und Klarstellung durch das Bundesfinanzministeriums musste der Volkswohl Bund 2020 seinen Fehler zugeben – und 665 Euro zu viel kassierte Kosten zurückzahlen.
Reduzierter Eigenbetrag nach Geburt
Ihren Riester-Vertrag hatte die heute 38-Jährige 2006 abgeschlossen. Die Finanztest-Abonnenten aus dem bayerischen Aschheim kannten den Vorteil der Riester-Förderung: Wenn Kinder geboren werden, zahlt der Staat Kinderzulagen, als Folge sinkt der Eigenbetrag. So müssen Eltern weniger aus eigener Tasche sparen.
Die jährlichen Abschluss- und Vertriebskosten orientieren sich jeweils am Eigenbeitrag. Als Christine Kiesenbauer 2011 zum ersten Mal Mutter wurde, reduzierte sie den Eigenbeitrag um 300 Euro – so hoch ist die jährliche Kinderzulage. Beim Blick auf die Abrechnungen fiel Dieter Kiesenbauer 2013 auf: Trotz des gesunkenen Eigenbetrags blieben die Abschlusskosten gleich. Er beschwerte sich mehrmals – ohne Erfolg.
Ärger auch nach dem zweiten Kind
2014 bekam Christine Kiesenbauer ihr zweites Kind, reduzierte erneut ihren Eigenbeitrag. Wieder wurden die bereits verrechneten Abschlusskosten nicht erstattet. Der 40-jährige Familienvater kritisiert: Wenn Kunden Eigenbeträge erhöhen, werden sie „vom Volkswohl Bund direkt mit höheren Kosten belastet“. Bei niedrigeren Eigenbeträgen müssten die Kosten logischerweise sinken. Andernfalls sei Riester nicht geeignet, sich an geänderte Lebensumstände anzupassen. Als sich das Paar 2014 beim Versicherungsombudsmann beschwerte, winkte dieser ab: Es gebe keine allgemeine Regelung, ihm seien „die Hände gebunden, grundlegend in die Kostenkalkulation des Versicherers einzugreifen“.
Hartnäckigkeit zahlt sich aus
Fünf Jahre später wies das Bundesfinanzministerium die Versicherer darauf hin, dass diese überhöhten Abschlusskosten unzulässig sind. Die Kiesenbauers wandten sich erneut an den Volkswohl Bund. Nun lenkte er ein: Nach der Reduzierung des Eigenbeitrags „haben wir zu Unrecht Abschlusskosten erhoben“, 206 Euro werde man zurückzahlen. Doch das Ehepaar konnte den Betrag nicht nachvollziehen, verlangte eine Neuberechnung. Im Februar 2020, fast sieben Jahre nach der ersten Beschwerde, rechnete der Volkswohl Bund neu und schrieb 665 Euro gut.
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@basinga0815: Nach dem Abschluss eines Vertrages hilft einem die detaillierte Analyse aller Kosten des Vertrages nicht viel weiter. Denn wer bereits seit Jahren eine Rieser-Versicherung bespart und in feststellt, dass dieser Vertrag hohe Kosten verursacht, hat auf die meisten Kostenpositionen keinen Einfluss mehr, da viele Verträge einen großen Anteil an den Kosten auf die ersten Jahre des Vertrages legen. Das Geld ist weg und eine Kündigung / Beitragsfreistellung macht diesen Vertrag nicht besser.
Es gibt bei der Riester-Fondspolice einen Posten auf den man noch einen Einfluss hat: Das sind die Kosten des fonds. Wer bisher einen gemanagten Fonds bespart kann zu einem Aktien-ETF wechseln, um die damit verbundenen Kosten zu sparen.
Wir betrachten alle Kosten, die eine Renditeminderung von über 1% bewirken, als zu hoch. Doch dies zu berechnen dürfte viele Verbraucher und Verbraucherinnen überfordern. Aber wie gesagt, es hilft nicht weiter, wenn man im Nachhinein feststellt, einen teuren Vertrag gekauft zu haben. (maa)
Welche Kosten sind hier denn grundsätzlich in Ordnung. Volkswohlbund berechnet durchgängig Vertriebskosten von 2,6% und Verwaltungskosten von 8,5%. Dazu kommen noch 5,5% auf die Zulage (4% Abschluss- & 1,5% Verwaltungskosten).
Hätte man mir gesagt, dass das solche immense Kosten sind... hätte ich das nie gemacht.
@Obhof: Vielen Dank für die Rückmeldung. Es freut uns, wenn sich die Tipps in Finanztest bei unseren Leserinnen bezahlt machen. Klar können Sie auch verlangen, die Berechnung offen zu legen. (maa)
Nach Studium der Finanztestartikels zu diesem Thema habe ich meinen Versicherer angeschrieben. Heute kam die Antwort: Der Fehler wurde eingestanden; dieser sei aber nicht "symptomatisch" (aber wohl systematisch). Der Vertragswert ist nun um ca. 2.000 Euro (!) höher. Zwischenfazit: Finanztest lohnt sich immer wieder.
Die zugrundeliegende Berechnung selbst wird nicht offengelegt. Kann ich verlangen, dass der Versicherer die Kosten rückwirkend aufschlüsselt und die nunmehr zuerkannten falschen Bescheinigungen zum Vertragsstand korrigiert?
@Storch4711: Die Absenkung des Eigenbeitrages allein führt nicht zum Anspruch auf eine Rückzahlung, wenn im Vertrag vereinbart wurde, dass die Kosten sich anhand aller Einzahlungen errechnen (Beitragssumme aus Eigenbeitrag, Zulagen, ....). In den Vertragsbedingungen der Familie Kiesenbauer stand, dass die Kosten auf die Eigenbeiträge fällig sind, nicht auf die Gesamtsumme von Eigenbeiträgen und Zulagen.
Hintergrund: Im BMF-Schreiben vom 14. März 2019, unter Randnummer 29, steht, dass nach einer Änderung der Einzahlungshöhe der Versicherer nicht mehr verlangen kann als zuvor, wenn sich die Gesamtsumme der Einzahlungen nicht geändert hat: "...ist bei Kosten, die als Prozentsatz der vereinbarten Beiträge vorgesehen sind, die vereinbarte Beitragssumme über die gesamte Vertragslaufzeit zu betrachten. Bei der vereinbarten Beitragssumme sind eine geplante Beitragsdynamisierung. …geplante Zulagen oder Zuzahlungen… zu berücksichtigen.
Ändert sich die Beitragssumme während der Laufzeit, dürfen zusätzliche Kosten nur auf die positive Differenz zwischen neuer und ursprünglicher Beitragssumme erhoben werden, maximal in Höhe des Prozentsatzes, welcher auf dem individuellen Produktinformationsblatt ausgewiesen ist. Eine positive Differenz zwischen neuer und ursprünglicher Beitragssumme liegt nicht vor, wenn beispielsweise erhöhte Eigenbeiträge wegfallende Zulagen ersetzen. … (maa)