Heiz­kosten Fern­wärme Was Kunden und Mieter wissen müssen

Datum:
  • Text: Philip Chor­zelewski, Christoph Herr­mann
Heiz­kosten Fern­wärme - Was Kunden und Mieter wissen müssen

Kein Kessel im Keller, nur noch Rohre. Fern­wärme entsteht im Kraft­werk – meist als Neben­produkt der Strom­erzeugung. Über ein Rohr­netz gelangt das heiße Wasser in Wohnungen und Häuser. © Picture Alliance / dpa / Marijan Murat

Fern­wärme gilt als effizient und nach­haltig. Sie kann günstig sein. Doch die Preise schwanken. Eigentümer binden sich lange. Wir sagen, was alles zu beachten ist.

Knapp jede siebte Wohnung wird Deutsch­land mit Fern­wärme versorgt. Der Anschluss ans Netz soll Geld sparen, Platz im Heizungs­keller schaffen, eine stabile Wärmever­sorgung garan­tieren und dabei noch die Umwelt schonen. Für viele Eigentümer ist der Umstieg auf Fern­wärme durch­aus attraktiv, auch weil der Staat den Wechsel fördert. Kunden müssen sich aber in der Regel zehn Jahre binden und wenig trans­parente Rege­lungen akzeptieren. Auch der Klima­schutz ist nicht garan­tiert. Stiftung Warentest gibt einen Über­blick über alle Fragen rund um die Fern­wärme.

Gewaltige Preis­unterschiede

Fern­wärme gibt es für ein Einfamlien­haus mit Durch­schnitts­verbrauch bei der Fern­wärmever­sorgung Nieder­rhein im Orts­netz in Dort­mund-Scharnhorst aktuell für 9,67 Cent je Kilowatt­stunde Wärme. Bei der EWE in einem Netz im brandenburgischen Nieder­finow sind es dagegen 34,21 Cent. In einer dicht bevölkerten Groß­stadt mit hohem Anteil an Mehr­familien­häusern ist es viel leichter, ein Fern­wärmenetz aufzubauen und zu betreiben. Die Preis­trans­parenz­platt­form waermepreise.info ermöglicht es, Preise zu vergleichen. Der Vergleich zu Heiz­kosten mit eigener Anlage ist aber kompliziert. Über den Preis für Wärmepumpen-Strom, Öl, Gas oder Pellets hinaus sind die Kosten für Anschaffung und Wartung der Anlage zu berück­sichtigen.

Explodierende Preise wegen des Ukraine­kriegs

Steigen die Energiepreise, ist auch die Fern­wärme betroffen. Denn viele Versorger erzeugen sie vor allem mit Erdgas. Das schwankt im Preis. Die Anbieter berechnen den Preis ihrer Fern­wärme anhand komplizierter Formeln. Wichtigster Faktor ist meist der Gaspreis. Als der Ukrainekrieg begann, stieg er 2022 dramatisch. Ein Beispiel zeigt die Folge: Eine Kilowatt­stunde Fern­wärme kostete bei der Drewag-Stadt­werke Dresden GmbH im August 2021 noch 6,271 Cent. Dann stieg er ein ums andere Mal bis auf 26,695 Cent im Dezember 2022. Anschließend sanken die Gaspreise und mit ihnen die für die Drewag-Fern­wärme wieder. Im Jahr 2025 kostet die Kilowatt­stunde 9,104 Cent.

Sammelklagen. Auch beim Fern­wärmeanbieter E.ON explodierten die Preise. Kostete die Kilowatt­stunde in Hamburg-Lohbrügge 2020 noch 3,79 Cent, mussten E.ON-Kunden im Jahr 2022 bereits 17,20 Cent zahlen — also weit mehr als das Vierfache. Laut Statistischem Bundes­amt lag im Jahr 2020 der durch­schnitt­liche Energieverbrauch pro Haushalt bei 17 644 Kilowatt­stunden. Dafür waren bei E.ON im Jahr 2022 fast 2 400 Euro mehr zu zahlen als zwei Jahre zuvor. Der Verbraucherzentrale Bundes­verband (vzbv) glaubt: Eine für Kunden ungüns­tige Formel für die Berechnung treibt den Preis unfair in die Höhe. Er hat eine Sammelklage erhoben. E.ON-Fern­wärmekunden können sich ihr Recht auf eine Erstattung unfair über­höhter Preise leicht, schnell und ohne jedes Kostenrisiko sichern. Unter Verbraucherschutz vor Gericht: E.ON soll Preiserhöhungen erstatten liefern wir die Einzel­heiten. Eine weitere Sammelklage hat der vzbv gegen die schleswig-holsteinischen Fern­wärmeanbieter Hanse­werk Natur gestartet. Auch dort stiegen die Preise dramatisch. Einzel­heiten dazu: Verbraucherschutz vor Gericht: Hansewerk Natur soll Preis­erhöhungen erstatten.

So funk­tioniert Fern­wärme

Der Begriff „Fern“ gibt an, wo die Wärme entsteht — nämlich nicht im eigenen Haus. Statt­dessen kommt sie aus einem entfernten Kraft­werk. Ein unter­irdisch verlegtes Netz aus isolierten Rohren verbindet Kraft­werk und Häuser miteinander. Zusammen bilden sie einen geschlossenen Kreis­lauf. Mehr als 80 Prozent der Fern­wärme stammt aus Strom­kraft­werken. Die gleich­zeitige Produktion von Strom und Wärme nennt sich Kraft-Wärme-Kopp­lung (KWK).

Heiz­kosten Fern­wärme - Was Kunden und Mieter wissen müssen

Vom Kraft­werk nach Hause © Stiftung Warentest / René Reichelt

Mit dem Netz verbunden

Fern­wärmekunden sparen sich den Platz für Heizkessel und Brenn­stoffe. In ihrem Keller befindet sich dafür ein mit Rohren verbundener Kasten. Diesen bezeichnet man als Fern­wärmeüber­gabestation. Die Station regelt die Durch­fluss­menge des Wassers und misst, wie viel Wärme verbraucht wird. Da beim Trans­port von heißem Wasser immer etwas Wärme verloren geht, werden Wärmenetze ab einer gewissen Länge ineffizient. Fern­wärmekunden befinden sich deshalb häufig in einem Umkreis von bis zu 20 Kilo­metern zum Kraft­werk entfernt. Bei kleineren Versorgungs­gebieten ist auch von Nahwärme die Rede.

Fern­wärme in Deutsch­land

Wie viele Fern­wärmeanbieter es in Deutsch­land gibt, ist nicht bekannt, da weder die amtliche Statistik noch die Branchen­statistik der Energiewirt­schaft die Anzahl und Größe der Wärmenetze erfasst. Das Umwelt­bundes­amt schätzt aber, dass derzeit mehr als 5 000 Wärmenetze betrieben werden. Nach Gas und Öl ist Fern­wärme die dritt­häufigste Heizung in Deutsch­land.

Worauf Eigentümer achten sollten

Allein die Eigentümer eines Gebäudes entscheiden, ob sie mit Fern­wärme heizen. Einzige tech­nische Voraus­setzung: Es führen Rohre zu allen Heizkörpern. Mehr­familien­häuser, in denen jede Wohnung einzeln beheizt wird, lassen sich nicht ohne weiteres auf Fern­wärme umstellen. Es gibt stets nur einen einzigen Anbieter für Fern­wärme. Bei Wohnungs­eigentum kommt es auf die Eigentümergemeinschaft an. Um Umbau und Über­gabestation kümmert sich der Fern­wärmeanbieter.

Mieter haben keine Wahl­möglich­keit. Sie müssen nehmen, was der Vermieter ihnen bietet. Einzige Einschränkung: Die Heizung darf nicht unwirt­schaftlich sein. Eine Lösung, die für die Mieter auf Dauer teurer wird als die bisherige, dürfen Vermieter nicht einführen. Entscheidend ist, was an Kosten bei Entscheidung über die neue Heizung absehbar ist. Wie sie sich im Nach­hinein tatsäch­lich entwickelt haben, spielt keine Rolle mehr.

Der Staat fördert den Anschluss

Versorger bewerben Fern­wärme gern als güns­tige Lösung. Ihr Haupt­argument: Eigentümer brauchen keine eigene Wärmepumpe oder sonst eine Anlage. Ohne Heizkessel spart man nicht nur die Kosten für Brenn­stoff, sondern auch für Wartung und muss auch kein Geld einkalkulieren, um die Anlage eines Tages zu erneuern. Schornsteinfeger braucht es nicht mehr. Wer nichts verbrennt, produziert auch keinen Ruß. Auch von der CO2-Abgabe sind Mieter und Eigentümer befreit, sofern ihr Fern­wärmeanbieter keine fossilen Brenn­stoffe verwendet.

Tatsäch­lich ist es nicht teuer, ein Gebäude ans Fern­wärmenetz anzu­schließen. Eigentü­mer müssen 5  000 bis 20  000 Euro als eigene Kosten einplanen. Das ist güns­tiger, als sich eine Wärmepumpe oder Pellethei­zung anzu­schaffen. Vereinzelt über­nehmen Anbieter die Anschluss­kosten auch komplett. Verpflichtet sind sie dazu aber nicht. Bis zu 70 Prozent dürfen sie an ihre Kunden weiter­reichen. Die Anschlüsse fördert der Bund, 25 Prozent der Kosten steuert er bei.

Tipp: Welche Heizung sich für wen rechnet, klärt unser Heizungssystemvergleich: Wärmepumpe, Pellets, Gas.

Zehn Jahre Lauf­zeit sind üblich

Versorgungs­verträge für Fern­wärme werden normaler­weise für zehn Jahre geschlossen – eine lange Zeit. Das gibt Sicherheit, kann aber problema­tisch werden, wenn Kunden mit ihrem Versorger unzufrieden sind. Erhöht er beispiels­weise seine Preise, recht­fertigt das keine Kündigung.

Einzige Ausnahme: Die Eigentümer stellen ihre Wärmever­sorgung auf erneuerbare Energien um. Dann dürfen sie den Fern­wärme-Vertrag mit einer Frist von zwei Monaten auflösen. Den Umstieg müssen sie belegen, sonst gilt die Kündigung nicht.

Wofür Fern­wärmekunden zahlen

Fern­wärmeanbietern wird häufig vorgeworfen, ihre Preise intrans­parent zu gestalten. Die Verordnung zur Fernwärmeversorgung (AVBFernwärmeV) verpflichtet sie zwar seit Oktober 2021, ihre Preis­regelungen im Internet zu veröffent­lichen. Doch verbessert habe sich bislang kaum etwas, beklagte der Verbraucherzentrale Bundes­verband (vzbv) im Jahr 2023. Er hatte untersucht, ob entsprechende Angaben zu finden sind. Das war nur bei zwei Dritteln der Versorger der Fall.

Vorgeschrieben sind außerdem Abrechnungen mit verständlichen und unentgeltlichen Informationen für Fern­wärmekunden. Besonders wichtig:

  • Der aktuelle und prozentuale Anteil der einge­setzten Energieträger mitsamt der Technologie, mit der die Wärme gewonnen wird. Dazu zählen Angaben zur Emission von Treib­hausgasen.
  • Die Preise und der tatsäch­liche Verbrauch, dazu ein Vergleich des aktuellen Wertes mit dem des Vorjahres in grafischer Form.

Fern­wärmeanbieter müssen auch Anga­ben zu Netz­verlusten veröffent­lichen, also zur Differenz zwischen der Wärme, die ein Kraft­werk in sein Netz speist und der, die Kunden entnehmen. So lässt sich beur­teilen, ob ein Wärme­netz effizient und damit auch umwelt- und klimafreundlich ist. Auch dazu fand der vzbv nur bei rund einem Drittel der Versorger Angaben.

Preis von Netz zu Netz unterschiedlich

Die Kunden bezahlen jeweils einen festen Grund­preis und einen verbrauchs­orientierten Arbeits­preis. Der Grund­preis umfasst die Kosten für Bau und Wartung des Fern­wärmenetzes, Reparatur der tech­nischen Anlagen, einen Lohn­index, Verwaltungs­kosten sowie die maximale Wärmeleistung, die verbraucht werden kann. Variieren kann der Grund­preis zum Beispiel, weil ein Rohr­leit­system in Gebirgs­gebieten mühsamer zu errichten ist als im flachen Land. Im Schnitt macht er 30 Prozent vom Gesamt­preis aus.

Im Arbeits­preis sind vor allem die Kosten für Brenn­stoffe enthalten. Sein Anteil hängt vom Wärmever­brauch der Kunden ab.

Preisformeln unterscheiden sich stark

Wir haben uns Preisformeln für Arbeits­preise angeschaut. Sie enthielten sehr unterschiedliche Bestand­teile. Unter anderem wurden Wärmebereit­stellungs­kosten sowie ein Mess-, Service-, Verrechnungs- und Netznut­zungs­preis sowie eine Zählermiete und Preise für Emissions­zertifikate ausgewiesen.

Einige Anbieter ergänzen weitere Positionen. Energie­experte Roland Scharathow vom vzbv erläutert: „Aufgrund der derzeitigen Gesetzes­lage und der Recht­sprechung haben Anbieter relativ große Freiheiten bei der Fest­setzung ihrer Preise.“

Umstieg auf Fern­wärme gut abwägen

Ist Fern­wärme trotzdem zu empfehlen? Das lässt sich nicht allgemein beant­worten. Haupt­einfluss auf den Preis hat der Energiemix eines Versorgers. Werden wichtige Brenn­stoffe teurer, kann er mehr verlangen.

Fern­wärme basiert zu 80 Prozent auf fossilen Brenn­stoffen. Diese können sich bei Krisen wie dem russischen Angriffs­krieg in der Ukraine oder dem Angriff Israels auf den Iran dramatisch verteuern. Das trifft natürlich Haushalte mit Gas- und Ölhei­zungen ebenso. Selbst die Preise für Pellets schwanken erheblich.

Ob Fern­wärme eine effiziente Option ist, hängt auch von der Art und Lage eines Gebäudes ab. Kraft­werke und Rohr­netze sind teuer. Fern­wärmeanbieter setzen daher oft eine Mindest­abnahme­menge pro Meter Netz an. Ein Anschluss ist so in dicht besiedelten Regionen tendenziell güns­tiger. Zusätzlich sollte ein Gebäude einen gewissen Mindest­verbrauch haben. Bei schlecht isolierten Altbauten ist der Umstieg meist güns­tiger als bei gut isolierten Neubauten.

Weniger klimafreundlich als gedacht

Kaum ein Fern­wärmeanbieter verzichtet darauf, klima- und umwelt­freundliche Aspekte von Fern­wärme hervorzuheben. Stets verweisen Versorger auf das energieeffiziente Kraft-Wärme-Kopp­lungs­verfahren (KWK), bei dem Strom und Wärme gleich­zeitig erzeugt werden. Indem die Kraft­werke die Abwärme nutzen, reduzieren sie schädliche Emissionen.

Im Erneuerbare-Energien- Wärme‧gesetz (EEWärmeG) ist Fern­wärme den erneuer­baren Energien gleich­gestellt. Die gesetzliche Pflicht zur klimafreundlichen Heizung neuer Gebäude gilt als erfüllt, wenn mindestens 50 Prozent durch Fern­wärme erzeugt wird.

Laut Umwelt­bundes­amt ist kohlebasierte Fern­wärme allerdings klima­schädlicher einzustufen als eine dezentrale Gasheizung. Knapp ein Drittel der Fern­wärme stammt aus Stein- und Braunkohle. Die Hälfte wird aus Erdgas erzeugt und der übrige Teil aus der Abfall­verbrennung und erneuer­baren Energien.

Heiz­kosten Fern­wärme - Was Kunden und Mieter wissen müssen

Im Durch­schnitt fällt bei der Erzeugung von Fern­wärme weniger Treib­hausgas an als bei Heizung mit Öl und Gas. © Stiftung Warentest

Alternativen für fossile Brenn­stoffe

Bislang waren fossile KWK-Anlagen für Versorger durch staatliche Förderung wirt­schaftlich attraktiv. Das ändert sich jetzt. Im Zuge der Energiewende müssen viele Fern­wärmeanbieter ihre Geschäfts­modelle über­denken und klimafreundlichere Herstellungs­prozesse finden.

Auch (Groß-)Wärmepumpen oder Power-to-Heat-Anlagen können Fern­wärme liefern. Mit ihnen lässt sich je nach Wetterlage über­reichlich verfügbarer und damit billiger Wind- und Sonnen­strom nutzen. Auch Solar- und Erdwärme sind geeignet. Erste Anlagen gibt es bereits.

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Kommentarliste

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  • Visma am 02.07.2024 um 11:24 Uhr
    Gesunden Menschenverstand verwenden.

    Solange es, entgegen wie bei Strom oder Erdgas, nur einen regionalen Anbieter gibt, werde ich die monpolistische Preistreiberei gewiss nicht unterstützen.
    Mein günstig gekaufter Strom kommt letztlich auch von einem lokalen Erzeuger, gleichwohl ich ihn woanders wesentlich bezahle.

  • Micha-59 am 18.12.2023 um 20:07 Uhr
    Heizkosten

    Hallo
    Habe heute meine Nebenkosten Abrechnung bekommen. Schock las nach. Habe gegenüber der vorjährigen Abrechnung 43 % kWs Heizung eingespart, und muss jetzt 1700 Euro nachzahlen . Das ist mit gesunden Menschen verstanden nicht zu verstehen. Wenn das jetzt jedes Jahr so weitergeht, bin ich gespannt wie lange sich das die Kunden noch bieten lassen. Danke liebe AMPEL🤢🤢🤢

  • mot2001 am 25.10.2023 um 15:00 Uhr
    Degewo erhöht ab Nov. 2023 seine Fernwärmepreise

    um 228 Prozent beim Mieter. In den Medien konnte ich bisher weder vom Fernwärmeanbieter (Vattenfall) noch vom Vermieter (DEGEWO) öffentliche Stellungnahmen hierzu lesen. Ich zahle jetzt anstatt ca. 500 €/Jahr ca. 1700 €/Jahr. Welche Gründe es gibt, wurde uns nicht mitgeteilt. Das ist wirklich ungeheuerlich. Bereits 2022 sind die Preise hierfür bei DEGEWO um 58 Prozent gestiegen. Wer soll das noch bezahlen?