
Intravenöser Wellnesstrend. Sinnvoller ist bei Beschwerden der Besuch beim Arzt, für Vitamine der Gang zum Supermarkt. © Getty Images PA
In der Mittagspause schnell mal eine Portion Vitamine tanken? Drip Bars versprechen das per Infusion. Mediziner sehen darin keinen Nutzen und warnen vor Risiken.
Hoch dosierte Vitamine und Mineralstoffe per Infusion direkt ins Blut tröpfeln lassen – das bieten eine wachsende Zahl von Läden und Praxen in Deutschland an. Der Trend kommt aus den USA, im Englischen werden die Orte als Drip Bar bezeichnet.
Immunabwehr, Zellerneuerung – und Kater kontern
Die Anbieter werben mit verschiedenen Wellness-Effekten, nach denen die Infusionen auch benannt sind: etwa „Immun Drip“ für die Abwehr, „Perfect Age Drip“ zur Zellerneuerung oder „Hangover Drip“ gegen Katerbeschwerden. Kostenpunkt: Bis zu 399 Euro pro Sitzung. Die „Lunch Break Edition“ für die Mittagspause ist günstiger. Lohnt es, so viel Geld zu investieren?
Aus Medizinersicht „vollkommen unnötig“
Für gesunde Menschen sind solche künstlichen Vitamin-Booster vollkommen unnötig, stellt die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) klar. „Aus medizinischer Perspektive handelt es sich bei den teils sehr hochpreisigen Infusionen um reine Geldmacherei ohne nachgewiesenen gesundheitlichen Nutzen“, sagt DGIM-Vorsitzender Jan Galle, Direktor der Klinik für Nephrologie und Dialyseverfahren am Klinikum Lüdenscheid.
Bei Abgeschlagenheit besser zum Hausarzt gehen
Wer sich schwach oder abgeschlagen fühlt, solle seine Beschwerden vom Hausarzt abklären und behandeln lassen. Für Menschen mit Vorerkrankungen, etwa Nierenschäden, können solche Infusionen sogar schädlich sein.
Das gilt grundsätzlich auch für die meisten Nahrungsergänzungsmittel in Form von Kapseln, Pulvern und Co: Nur wenn ein Arzt einen Mangel festgestellt hat, ist eine Einnahme sinnvoll. Die Stiftung Warentest prüft regelmäßig solche Präparate und kann nur selten Empfehlungen aussprechen.
Infusionen bergen Risiken wie Überdosierung
Bei den Vitamin-Infusionen in den Drip Bars kommt hinzu: Generell besteht das Risiko von Infektionen an der Einstichstelle, allergischen Reaktionen oder Kreislaufproblemen durch die schnelle Flüssigkeitszufuhr. Der britische National Health Service, für das staatliche Gesundheitssystem im Vereinten Königreich zuständig, warnt zudem vor möglichen Leberschäden und einer potenziell tödlichen Überdosis an Vitamin A.
Denn bei Vitaminen gilt keineswegs „Viel hilft viel“ - der Körper braucht nur eine bestimmte Menge. Wird zu viel zugeführt, scheidet der Organismus die wasserlöslichen Vitamine über den Urin aus. Fettlösliche Stoffe wie Vitamin A reichern sich aber im Körper an und können beispielsweise Haarausfall verursachen. Wird eine sehr große Menge Vitamin A auf einmal aufgenommen, kann der Hirndruck gefährlich ansteigen – und schlimmstenfalls zu Koma und Tod führen.
Ausgewogene Ernährung versorgt Körper genügend
Wer seine Zufuhr an Vitaminen und Mineralstoffen verbessern will, sollte das Geld statt in der Drip Bar besser im Supermarkt ausgeben. Eine abwechslungsreiche, „bunte“ Ernährung mit Obst, Gemüse und Vollkornprodukten liefert alle Stoffe, die ein gesunder Mensch braucht – zu deutlich geringeren Preisen.
Tipp: Wie Sie erkennen, ob Sie überhaupt einen Nährstoffmangel haben und welche Nahrungsergänzung Sie wirklich brauchen, erfahren Sie in unserem Ratgeber Vitamine, Mineralstoffe, Spurenelemente.
-
- Magnesium ist ein Kassenschlager. Doch beugt es Muskelkrämpfen vor, wie viele Nutzende glauben? Wir haben die Studienlage ausgewertet.
-
- Viele schwören auf Nahrungsergänzungsmittel. Oft sind sie überflüssig. Wir sagen, welche Mengen an Vitaminen und Mineralstoffen optimal sind und wann es zu viel wird.
-
- Tun Eltern mit extra Vitaminen und Mineralstoffen Kindern etwas Gutes? Wir haben 18 Nahrungsergänzungsmittel für Kinder getestet. 17 hatten Mängel, von 5 raten wir ab.
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.