
Viele Sportler schwören auf Magnesium – und nehmen prophylaktisch entsprechende Präparate ein. © Shutterstock
Für ihre Anbieter sind Magnesiumpräparate ein Kassenschlager – sie führen aktuell die Liste der meistverkauften Mineralstoffe an. Laut Packungsaufschrift sollen sie einen „Beitrag zu einer normalen Muskelfunktion“ leisten. Doch beugt Magnesium auch Muskelkrämpfen vor, wie viele Nutzer glauben? Unsere Gutachter haben aktuelle Studien dazu ausgewertet. Das Ergebnis ist ernüchternd.
Verkaufsschlager unter den Nahrungsergänzungsmitteln
Im vergangenen Jahr lagen Magnesiumpräparate laut dem Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e.V. an der Spitze der meistverkauften Mineralstoffe und machten bei den Nahrungsergänzungsmitteln gemeinsam mit Vitamin C einen Marktanteil von 70 Prozent aus. Der Markt der Magnesiumpräparate ist bunt: Drogerie- und Supermärkte oder Apotheken verkaufen die Präparate etwa als Lutsch-, Kau- oder Brausetablette, als Granulat in kleinen Tütchen, als Kapsel oder Dragee. Oder einfach als Tablette. Viele Produkte liefern 400 Milligramm Magnesium pro Tag und enthalten oft ergänzend Vitamine, Folsäure oder andere Mineralstoffe. Der Preis pro Tagesdosis startet schon bei umgerechnet einem Cent, kann aber auch bei über 30 Cent pro Tag liegen. Auf den Monat hochgerechnet können da Kosten von bis zu zehn Euro anfallen.
Anbieter versprechen nicht zu viel ...
Ob teuer oder günstig, Tablette oder Pulver – auf den Verpackungen betonen Anbieter die große Bedeutung von Magnesium für eine geregelte Muskelfunktion: „Für Muskeln, Nerven und Energiestoffwechsel“, „Hochdosiertes Magnesium für aktive Muskeln“ oder „Beitrag zur normalen Funktion von Muskeln und Nervensystem“ heißt es etwa. Diese Wirkungen des Mineralstoffs sind wissenschaftlich belegt. Deshalb hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) diese gesundheitsbezogenen Werbeslogans, Health Claims genannt, zugelassen. Sie dürfen auf den Magnesium-Packungen prangen.
... doch einige Anwender erwarten zu viel
Eine konkrete Hilfe gegen schmerzhafte Muskelkrämpfe versprechen Anbieter auf ihren Produkten nicht – doch genau diese Wirkung von Magnesium wird im Internet etwa in vielen Foren und auf Ratgeberseiten diskutiert. Von nächtlichen Muskelkrämpfen sind insbesondere Schwangere in den letzten drei Monaten und ältere Menschen betroffen. Sportler leiden häufig bei oder nach ungewohnter Belastung an den schmerzhaften Verhärtungen des Muskels. Beugen Magnesiumpräparate solchen Krämpfen vor?
Nutzen für Sportler kaum untersucht
Wir haben aktuelle Studien zu dieser Fragestellung zusammentragen und auswerten lassen – für die Wirksamkeit bei Schwangeren, älteren Menschen und Sportlern. Die Gutachter kommen zu einem ernüchternden Ergebnis: Sorgfältig durchgeführte, aussagekräftige Studien sind Mangelware. Das gilt insbesondere für Krämpfe durch sportliche Belastung. Ob Sportler ihnen durch die Einnahme von Magnesium vorbeugen können, ist bisher kaum untersucht.
Bei Älteren nicht belegt
Für ältere Menschen ist die Studienlage zwar besser, eine Empfehlung lässt sich trotzdem nicht ableiten: In vier Studien wurden vorwiegend ältere Menschen mit nächtlichen Wadenkrämpfen auf zwei Versuchsgruppen aufgeteilt – die eine erhielt Magnesium, die andere ein Placebo. Nach vier Wochen verglichen Wissenschaftler die beiden Gruppen hinsichtlich Anzahl und Intensität der Krämpfe. Fazit: Zwischen den beiden Versuchsgruppen stellten die Wissenschaftler keine eindeutigen Unterschiede fest. Wenn ältere Menschen Extra-Magnesium schlucken, schützt sie das also wahrscheinlich nicht vor Wadenkrämpfen.
Studienergebnisse für Schwangere widersprüchlich
Auch Schwangere in den letzten drei Monaten ihrer Schwangerschaft kämpfen vermehrt mit Muskelkrämpfen. Wahrscheinlich sind dafür Umstellungen im Stoffwechsel und ein leicht erhöhter Magnesiumbedarf verantwortlich. Ob Schwangere von einer vorbeugenden Magnesiumeinnahme profitieren, ist nicht eindeutig geklärt. Manche Studien konnten zeigen, dass schwangere Probandinnen, die 300 bis 400 Milligramm Magnesium zusätzlich zu sich nahmen, seltener oder an weniger schmerzhaften Muskelkrämpfen litten, andere Studien konnten das aber nicht bestätigen. Ebenfalls ein Manko für eine klare Aussage: An den einzelnen Studien haben jeweils nur recht wenige Schwangere teilgenommen.
Zusammenspiel von Kalzium und Magnesium
Grundsätzlich erscheint es plausibel, Magnesium gegen Muskelkrämpfe einzunehmen. Dass sich unsere Muskelfasern zusammenziehen und wieder entspannen können, ist nämlich eng an das Zusammenspiel der beiden Mineralstoffe Kalzium und Magnesium geknüpft. Vereinfacht erklärt, bewirken geladene Kalzium-Teilchen, dass sich die Muskelfasern zusammenziehen und sich der Muskel verhärtet. Magnesium wiederum hilft dem Muskel sich wieder zu entspannen.
Deutsche in der Regel gut versorgt
Damit das Zusammenspiel funktioniert und das Magnesium diese und weitere wichtige Funktionen im Körper übernehmen kann, empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung: 300 Milligramm Magnesium täglich für Frauen und 350 Milligramm Magnesium täglich für Männer. Erfreulich: Diese Werte erreicht ein Großteil der deutschen Bevölkerung über die tägliche Ernährung, das zeigt die 2008 durchgeführte Nationale Verzehrsstudie II im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz. Wenn überhaupt, sind vor allem weibliche Jugendliche und ältere Menschen unterversorgt. Ein starker Magnesiummangel kann dann tatsächlich auch zu Muskelkrämpfen führen.
Nierenkranke sollten aufpassen
Wer also angesichts der schlechten Beleglage selbst ausprobieren will, ob ihn 300 bis 400 Milligramm Magnesium täglich vor Krämpfen schützen, sollte wissen: Nebenwirkungen fallen bei niedriger Dosierung im Selbstmedikationsbereich eher mild aus, und treten wenn überhaupt vor allem in Form von Durchfall auf. Vorsichtig sein sollten Menschen mit stark eingeschränkter Nierenfunktion: Nehmen sie zu viel Magnesium ein, kann sich der Magnesiumgehalt im Blut stark erhöhen. Anzeichen dafür sind schwerer Durchfall, Appetitverlust oder Muskelschwäche, aber auch Atembeschwerden, sehr niedriger Blutdruck und Herzrhythmusstörungen.
Wichtige Magnesiumlieferanten von Nüssen bis Vollkorn
Wer sich mit Köpfchen ernährt, muss aber gar nicht erst zu den Nahrungsergänzungsmitteln greifen.
Tipp: Bauen Sie Nüsse und Bohnen, Samen und Vollkornprodukte in Ihren täglichen Speiseplan ein. Das kann einem Magnesiummangel vorbeugen. Mit 420 Milligramm Magnesium pro 100 Gramm enthalten etwa Sonnenblumenkerne viel davon. Am Frühstückstisch sind Haferflocken ein guter Magnesiumlieferant, mit 130 Milligramm pro 100 Gramm. Aber auch Vollkornprodukte sind ein guter Tipp: 100 Gramm Brot aus Roggen- oder Weizenvollkorn enthält mit 55 und 60 Milligramm doppelt so viel Magnesium wie herkömmliches Brot. Wichtig außerdem: Auch einige Mineralwässer liefern relativ viel Magnesium. Welche das sind, verrät unser Produktfinder Mineralwasser.
Dehnen und Massagen gegen Wadenkrämpfe
Alle, die unter nächtlichen Krämpfen leiden, können ausprobieren, die Wadenmuskulatur vor dem Schlafengehen einige Minuten zu dehnen.
Tipp: Greifen Sie dazu an Ihre Fußspitzen und ziehen Sie sie zu sich hin – Atmen nicht vergessen. Versuchen Sie, diese Übung 20 bis 30 Sekunden zu halten und pro Bein dreimal zu wiederholen. Was das bringen soll? Eine Verkürzung der Wadenmuskulatur kann Krämpfe begünstigen. Die Dehnung, die Sie am Ziehen in der Wade erkennen, kann dem entgegenwirken. Auch Sportlern könnte Dehnen vor und nach dem Training (sowie eine Massage der Muskulatur nach dem Training) gegen belastungsunabhängige Krämpfe helfen. Das Training sollte immer an die eigene körperliche Leistungsfähigkeit angepasst sein.
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Esse ich 3 Stück Kuchen oder 0,5l Weinsooße, wecken mich starke Wadenschmerzen nachts aus dem Schlaf. Eine Brausetablette und ich bin fast sofort schmerzfrei. Dieser Vorgang wiederholt sich seit über
40 Jahfren etwa 2 bis 3 mal im Jahr. Wieso...ich weiß es nicht -- vielleicht zu viel Zucker? --
Egal, mir hilft es, vielleicht auch Ihnen oder Sie erkennen eine mögliche Ursache.
mfg 71gerda
@Saubaer: Die von uns genannten Studien beziehen sich auf eine orale Aufnahme von Magnesiumpräparaten bzw. von Magnesium-haltigen Lebensmitteln. Zur dermalen Aufnahme von Magnesium gibt es keine validen Studien, so lassen sich derzeit keine Aussagen über die möglichen Wirkungen von Magnesiumölen machen. Die von uns empfohlenen Massagen und Dehnungsübungen können die Durchblutung der Muskeln verbessern und so Krämpfen entgegenwirken. (spl)
Danke für die Info. Ich bin > 60+ und kann das bestätigen. Frage: Kann Magnesiumöl, direkt in den Muskel massiert helfen?
Danke für Feedback
der Saubaer