
Von Vitamin A bis Zink: Fast jeder dritte Deutsche nimmt regelmäßig Nahrungsergänzungsmittel ein.
Nahrungsergänzungsmittel sind beliebt, aber meistens nicht notwendig. Im Übermaß können manche Vitamine und Mineralstoffe sogar schaden. Gesetzlich festgelegte Höchstmengen gibt es hierzulande nicht – das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat aber entsprechende Empfehlungen entwickelt und jetzt aktualisiert. Unsere Tabelle zeigt die empfohlenen Tageshöchstmengen. Im Handel gibt es oft auch deutlich höher dosierte Präparate, wie eine Stichprobe der Stiftung Warentest ergab.
Nur selten nötig, manchmal schädlich
Knapp ein Drittel der Erwachsenen in Deutschland schluckt regelmäßig Nahrungsergänzungsmittel. Häufig enthalten die Präparate Vitamine und Mineralstoffe als Einzelsubstanzen oder gleich mehrere davon in Kombination. Die Werbung verheißt positive Effekte für Gesundheit, Wohlbefinden oder Leistungsfähigkeit. Im Allgemeinen sind die Mittel allerdings unnötig – und können in übermäßigen Mengen sogar schaden. Das betont das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) in einer Mitteilung von 2018 und empfiehlt vor diesem Hintergrund bereits seit Langem Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln. Kürzlich wurden die Werte aktualisiert und im Journal of Consumer Protection and Food Safety veröffentlicht. „Produkte, die unsere Empfehlungen einhalten und entsprechend den Herstelleranweisungen eingenommen werden, bergen nach derzeitigem Stand des Wissens für Menschen ab 15 Jahren kein gesundheitliches Risiko“, kommentiert BfR-Präsident Andreas Hensel.
Festlegungen auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse
Bei seinen Festlegungen berücksichtigt das BfR unter anderem die Versorgungslage in Deutschland mit Nährstoffen, den üblichen Tagesbedarf sowie Studiendaten zu Überdosierungen mit Vitaminen und Mineralstoffen. Eine wichtige Kennzahl ist zudem der sogenannte UL, der „Tolerable Upper Intake Level“. Damit ist die tolerierbare höchste Tagesaufnahmemenge gemeint, also wie viel man maximal von einer Substanz zu sich nehmen sollte, wenn man alle Quellen addiert: normale Ernährung, angereicherte Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel. Laut BfR erfolgte die jetzige Aktualisierung „auf Basis des derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstandes“. Viele Werte für Vitamine und Mineralstoffe änderten sich bei der Überarbeitung nicht oder nur geringfügig. Gleich geblieben sind beispielsweise die Werte für Kalzium (500 Milligramm pro Tag) und Magnesium (250 Milligramm pro Tag).
Die wichtigsten Änderungen bei den Empfehlungen
Stark gesenkt wurde dagegen etwa der Wert für Vitamin A: von 400 auf maximal 200 Mikrogramm pro Tag, gerechnet als sogenanntes Retinol-Äquivalent (RE). Dafür liegt der Wert bei Vitamin E jetzt deutlich höher, nämlich bei 30 (statt bisher 15) Milligramm pro Tag. Und bei mehreren B-Vitaminen – nämlich Vitamin B1 und B2 sowie Biotin und Pantothensäure – verzichtet das BfR nun gänzlich auf Höchstwerte. Auch bei sehr großen Zufuhrmengen seien keine nachteiligen gesundheitlichen Effekte beobachtet worden. Einen Überblick über alle aktuellen Empfehlungen gibt unsere Tabelle.
Sehr hoch dosierte Präparate beim exemplarischen Einkauf
Im Sommer 2017 haben wir einen Artikel über Vitamine veröffentlicht, für den wir 35 Präparate exemplarisch einkauften. 26 davon überschritten die damaligen Höchstmengen-Empfehlungen des BfR, zehn sogar drastisch (Vitamine: Viele Präparate sind deutlich zu hoch dosiert). Auch mit den neuen Werten als Messlatte ändert sich der Befund nur unwesentlich. Nun überschreiten sogar 30 Präparate die Empfehlungen, wenn auch teilweise nur leicht. Und die damaligen drastischen Überschreiter sind auch gegenüber den neuen Höchstmengen des BfR immer noch um ein Vielfaches höher dosiert. Manche erstanden wir im Internet, manche aber auch in Geschäften vor Ort.
Gesetzliche Höchstmengenregelungen kommen – vielleicht
Verbindliche gesetzliche Höchstmengen für Vitamine und Mineralstoffe in Nahrungsergänzungsmitteln gibt es bislang in Deutschland sowie auf EU-Ebene nicht. Seitens der EU seien entsprechende Regelungen „in absehbarer Zeit nicht zu erwarten“, teilte eine Sprecherin des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft test.de auf Nachfrage mit. Daher prüfe das Ministerium selber derzeit auf Basis der aktuellen BfR-Empfehlungen, ob für bestimmte Stoffe nationale Höchstgehaltsregelungen zu treffen seien. „Über die Ausgestaltung eines solchen Vorhabens wird die neue Bundesregierung entscheiden.“
Nicht jeder braucht eine Nahrungsergänzung
Die Verbraucherzentralen fordern gesetzliche Höchstmengenregelungen schon länger. Denn Vitamine gelangen nicht nur per Pille in den Körper, sondern auch bereits ganz normal über das Essen sowie über angereicherte Lebensmittel. In der Summe sind Überdosierungen möglich, vor allem bei langer Anwendung der Präparate. So kann es durch Vitamin C und D im Übermaß zu Nierenschäden kommen. Umgekehrt sind viele erhoffte Wunderwirkungen von Nahrungsergänzungsmitteln nicht wissenschaftlich belegt.
Tipp: Eine künstliche Zusatzzufuhr wird nur bestimmten Bevölkerungsgruppen empfohlen – etwa Vitamin D für Babys oder Folsäure und Jod für Frauen mit Kinderwunsch sowie im ersten Drittel der Schwangerschaft. Im Test Nahrungsergänzungsmittel für Schwangere finden Sie geeignete Präparate (siehe auch Nahrungsergänzungsmittel für Stillende: Oft zu hoch dosiert – und meist unnötig). Auch Veganer – unter bestimmten Umständen auch Vegetarier – sollten Präparate einnehmen. Im Test Nahrungsergänzungsmittel für Vegetarier und Veganer finden Sie empfehlenswerte Produkte. In manchen Fällen können Nahrungsergänzungsmittel individuell nötig sein. Sie sollten sie aber nicht „auf eigene Faust“ einnehmen, sondern erst wenn Ihr Arzt abgeklärt hat, ob tatsächlich ein Mangel vorliegt.
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Diese Meldung ist erstmals am 3. Februar 2018 auf test.de erschienen. Sie wurde seitdem mehrfach aktualisiert, zuletzt am 22. Mai 2019.