
Suppenhuhn. Hierzulande darf gegen Keime auf Geflügelfleisch nur Trinkwasser zum Einsatz kommen. Chlorverbindungen sind nicht erlaubt. © Getty Images/PhotoAlto
In den USA darf Hähnchenfleisch gegen Keime gechlort werden. Geht es nach der US-Regierung, würde das Fleisch auch zu uns exportiert. Doch die EU gibt vorerst nicht nach.
Seit Jahrzehnten gibt es Diskussionen, ob gechlortes Hähnchenfleisch aus den USA nach Europa importiert werden sollte. 2014 wurde das Chlorhuhn zum Symbol der Protestbewegung gegen das Freihandelsabkommen TTIP. Nun steht es wieder auf der politischen Agenda. Wir erläutern die Hintergründe.
Was ist eigentlich ein „Chlorhuhn“?
In den USA ist es erlaubt, Geflügel nach dem Schlachten mit chlorhaltigen Substanzen zu besprühen oder in chlorhaltige Kühlbäder zu tauchen. Das wirkt desinfizierend und soll gefährliche Keime wie Salmonellen von der Fleischoberfläche entfernen.
In der EU hingegen ist der Import von gechlortem Hähnchenfleisch seit 1997 verboten. Geflügelfleisch darf nur mit Trinkwasser gewaschen werden. Es ist nicht gestattet, es chemisch zu behandeln, um den Gehalt an Keimen zu senken.
Tipp: In unseren Tests von Geflügelfleisch wie Hähnchenschenkeln stellen wir immer wieder eine hohe Belastung mit Keimen fest, darunter Krankheitserreger wie Campylobacter. Infektionen mit diesem Erreger lassen sich vielfach auf den Verzehr von belastetem Geflügelfleisch zurückführen. Halten Sie unbedingt Hygieneempfehlungen bei der Zubereitung ein, um sich vor krankmachenden Keime zu schützen.
Warum steht das Chlorhuhn zurzeit auf der Tagesordnung?
Das liegt an US-Präsident Donald Trump und der Einführung von Strafzöllen auf die Wareneinfuhr in die USA. Laut Medienberichten soll Trump etwa Großbritannien aufgefordert haben, Importe von gechlortem US-Hühnchenfleisch zuzulassen, um im Gegenzug Zollerleichterungen zu erlangen. Medien berichten außerdem, dass die Schweizer Regierung den Vereinigten Staaten in den Zollverhandlungen entgegenkommen wolle und erwägt, den Import von Chlorhühnchen in die Schweiz zu erlauben.
Kommt das Chlorhuhn in deutsche Supermärkte?
Vorerst nicht. Die EU-Kommission und die USA haben sich im Zollstreit politisch geeinigt und Ende August 2025 eine gemeinsame Erklärung abgegeben. Daraufhin hat die EU-Kommission Vorschläge gemacht, wie die Einigung mit den USA umgesetzt werden kann. Sie sehen vor, die Zölle auf alle Industrieprodukte aus den USA abzuschaffen sowie den Marktzugang für bestimmte landwirtschaftliche Erzeugnisse aus den USA zu öffnen – etwa für Meeresfrüchte, Nüsse, Milchprodukte, frisches und verarbeitetes Obst und Gemüse, verarbeitete Lebensmittel, Getreide und Saatgut, Sojaöl sowie Schweinefleisch und Bisonfleisch. Sensible landwirtschaftliche Erzeugnisse wie Geflügel, Rindfleisch und Reis sind nicht Gegenstand des EU-Vorschlags.
Chlorhühnchen wird nach den aktuellen Plänen nicht auf den EU-Markt kommen und somit auch nicht in deutschen Supermärkten landen.
Ist desinfiziertes Hähnchenfleisch gesundheitlich bedenklich?
Nein. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) hat bisher keine Sicherheitsbedenken zur Anwendung von Chlorverbindungen bei Geflügelfleisch geäußert. Zu diesem Schluss kam sie schon in einem 2005 verfassten Gutachten. 2014 bewertete die Efsa zudem die Sicherheit und Wirksamkeit von Peroxyessigsäure, um die Keimbelastung auf Geflügelfleisch zu reduzieren. Ergebnis: Aus toxikologischer Sicht sind Gesundheitsrisiken für Verbraucherinnen und Verbraucher nicht zu erwarten.
Dennoch hat sich die EU bisher nicht dafür entschieden, eine chemische Behandlung von Geflügelfleisch zuzulassen. Ein möglicher Grund dafür: Das Fleisch könnte sich sensorisch, also etwa in Aroma, Struktur und Farbe verändern. Muskelgewebe könnte zum Beispiel vergrauen oder verblassen. Darüber hinaus fehlt die Akzeptanz der Bevölkerung: 2014 zeigte eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Magazins Stern, dass eine Mehrheit der Menschen in Deutschland mit Chlor behandeltes Fleisch ablehnt.
Lässt sich die Keimbelastung von Geflügelfleisch senken?
Offenbar nur bedingt. Laut Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) reichen bisherige Hygienemaßnahmen nicht aus, um insbesondere das Vorkommen von Campylobacter auf Geflügelfleisch zu senken. Lebensmittelunternehmen verfolgen mehrere Strategien gegen krankmachende Mikroorganismen in und auf Geflügelfleisch. Dabei geht es darum, Infektionen während der Aufzucht, der Mast und dem Transport zu verhüten sowie eine spätere Verunreinigung der geschlachteten Tierkörper und Produkte zu vermeiden. Denn Krankheitserreger wie Campylobacter besiedeln bereits die lebenden Tiere und können im Schlachtprozess durch Kreuzkontamination auf das Fleisch übertragen werden.
Wichtig sind nach Angaben des BfR unter anderem höchste Sorgfalt bei Aufzucht und Mast von Geflügel, hygienische Bedingungen bei allen Schlachtschritten, schnelle und effektive Kühlung sowie zielgerichtete Reinigung und Desinfektion von Schlachtmaschinen und Schlachtausrüstung mit Produktkontakt. Die alleinige Anwendung von chemischen Stoffen zur Gewinnung eines „keimarmen“ Lebensmittels reicht aus Sicht der Behörde nicht aus, um die Lebensmittelsicherheit zu verbessern. Sie könnte jedoch ein weiterer Baustein sein.
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Aber nur dann, wenn der Hinweis in GROSSEN Buchstaben und auffälliger Farbe auf der VORDERSEITE der Verpackung steht: "ACHTUNG! Chlorhuhn".
Daran habe ich allerdings begründete Zweifel. Der Hinweis darauf wird sehr wahrscheinlich in Schriftgröße Arial 4 und grauer Farbe irgendwo auf der Rückseite der Verpackung versteckt und wer liest schon das Kleingedruckte auf der Rückseite?
Ich stimme dem Kommentar teilweise zu, aber es geht hier um Lebensmittel. Sollte man da nicht jedes Risiko vermeiden und zwar auch dann, wenn es zur Zeit keine eindeutigen „Beweise” dafür gibt, dass diese Stoffe langfristig gesundheitsschädlich sind?
Das ökonomische Problem besteht allerdings darin, dass die Chlorbehandlung im Vgl. zu anderen Maßnahmen (weniger Massentierhaltung, bessere Hygienebedingungen bei der Schlachtung, effektive Kühlung usw.) für die Produzenten relativ wenig kostet. Wenn 500 gr. Hähnchenfleisch 22,50 und keine 4,99 Euro kosten, dann können sich das nur noch die (Super-)Reichen leisten.
PS: Es ist zwar kein Lebensmittel aber bis Mitte der 1970er wurden einmal Baumaterialien (v. a. Dacheindeckungen sowie Fassadenverkleidungen, sog. "Eternitplatten", und Dämmmaterial zur Isolierung) mit bzw. aus Asbest als „Baustoff der Zukunft” beworben und von vielen Amateuren bzw. Hobbyhandwerkern verbaut (ohne Atemschutzmaske, Schutzanzug usw.). Heute ist das "Sondermüll".
Soweit ich den Artikel interpretiere gibt es weder hier noch da grundsätzliche, gesundheitliche Einschränkungen.
Sobald eine Kennzeichnungspflicht mir die Wahl lässt, hätte ich kein Problem mit dem Import des Chlorhuhns. Als Verbraucher kann ich es dann boykottieren - das reicht mir.
Es gibt Pros und Cons: Weniger Keime, überschaubare Wirksamkeit, ...
Genügend Stoff, um unterschiedlicher Meinung zu sein.
Im Prinzip wäre mir das Chlorhuhn egal, solange es eindeutig deklariert wird und der Konsument so selbst entscheiden kann.
In der Debatte fehlt mir etwas: Selbst Fakten sind nicht absolut. Sie basieren bestenfalls auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. Und ein guter Wissenschaftler weiß, dass morgen schon falsch sein kann, was heute noch wahr erscheint.
Daher ist immer ein kritischer Blick angeraten, insbesondere wenn man glaubt, die Wahrheit gelöffelt zu haben.
Ich kann nach meinen US-Reisen nur sagen, dass unsere transatlantischen Ex-Freunde gerne behalten können, was dort als Nahrung gilt ;)
Natürlich kann man dort gut essen, aber die Grundernährung ist um einiges schlechter, als bei uns.
Falls man also etwas verbessern möchte, dann sollte die USA sich uns annähern und nicht umgekehrt.
Und wieso sollte man sich verschlechtern? Weil DJT Geld verdienen will?
Ich kann ihnen nur voll und ganz zustimmen. Vor allem sollten sich die Kritiker einmal vor Augen halten, dass die meisten Trinkwässer gechlort werden - und zwar mengenmäßig durchaus vergleichbar mit den "Chlorhühnern". Und dieses Trinkwasser trinken wir täglich - ohne jedes Problem.