
© Stiftung Warentest

Darf sich ein natürliches Lebensmittel wie Mineralwasser Bio nennen? Ja, es darf, urteilte jetzt der Bundesgerichtshof. Erstritten hat das die bayerische Brauerei Neumarkter Lammsbräu, die 2009 als erste ein Biomineralwasser auf den Markt brachte. Da Neumarkter Lammsbräu aus Eigeninitiative einen eigenen Biostandard entworfen hat und sich nicht an der EU-Ökoverordnung orientiert, hat das Urteil weitreichende Konsequenzen.
Die Begründung der Richter
Das jahrelange Ringen ist entschieden: Neumarkter Lammsbräu darf sein Biokristall weiterhin unter der Bezeichnung Biomineralwasser vertreiben. Der Bundesgerichtshof hält die Bezeichnung nicht für irreführend. Die Begründung der Richter lässt sich so zusammenfassen: Ein Kunde erwarte nicht, dass die Verwendung von „Bio“ bei Mineralwasser gesetzlichen Vorgaben unterliege. Nur weil es solche Vorgaben für Mineralwasser nicht gibt, hieße das nicht, dass das Wörtchen Bio nicht verwendet werden darf. Außerdem erwarte ein Kunde von einem „Biomineralwasser“, dass es im Hinblick auf Rückstände und Schadstoffe deutlich unterhalb der vorgesehenen Höchstwerte liegt. Mineralwässer, die die gesetzlichen Grenzwerte deutlich unterschritten, unterschieden sich von solchen, bei denen der Gehalt an Rückständen und Schadstoffen nahe an diesen Werten liege (Pressemitteilung des Bundesgerichtshof). Deswegen finden die Richter die Kennzeichnung mit Bio als gerechtfertigt.
Die Lücke in der EU-Ökoverordnung

Zum besseren Verständnis: Bisher durften die Wörter „Bio“ oder „Öko“ nur auf Produkten aus dem ökologischen Landbau stehen, die nach den Kriterien der EU-Ökoverordnung oder zusätzlich denen eines Bioanbauverbands hergestellt wurden. Biowässer gab es nicht, da Wasser von der EU-Ökoverordnung nicht erfasst ist. Dafür gibt es gute Gründe: Natürliches Mineralwasser ist ein von der Natur hervorgebrachtes Lebensmittel. Seine Zusammensetzung lässt sich nicht beeinflussen. Aus denselben Gründen kann bis heute kein Fisch aus Wildfang oder Wildbret von frei lebenden Tieren als Bio bezeichnet werden. Die Erfinder des „Biokristall“ sprangen in diese Lücke: Sie entwarfen selbst ein Biosiegel (links) und eigene Vergabekriterien. Diese Kriterien sind strenger als die für alle Mineralwässer geltende Mineral- und Tafelwasserverordnung. Sie umfassen vor allem strengere Grenzwerte für Schadstoffe – ob diese gesundheitlich relevant sind, ist noch zu klären. Das Biowasser soll außerdem eine umweltfreundliche Verpackung und kurze Transportwege haben, so der Anspruch von Neumarkter Lammsbräu.
Die Konsequenzen des Urteils
Andere Brunnenbetreiber sollen sich ebenfalls zertifizieren lassen können. Nach der Positiventscheidung des Bundesgerichtshofs wird es wohl künftig mehr Biomineralwasser am Markt geben – laut Neumarkter Lammsbräu könnten rund 30 Prozent der deutschen Mineralwasserbrunnen Bioqualität haben. Außerdem ist nicht auszuschließen, dass neben dem Öko-Standard der EU ein Wildwuchs an weiteren Öko-Standards entsteht. Für Verbraucher ist das nicht hilfreich.
Die Argumente der Gegner
Die meisten Konkurrenten sind allerdings wenig begeistert. „Wie kann eine so natürliche Ressource bio sein?“, fragten sie. Die Wettbewerbszentrale klagte über mehrere Instanzen gegen das neue Siegel und die Bezeichnung „Biomineralwasser“ (siehe Öko vor Gericht). Diese verzerre den Wettbewerb, alle Mineralwässer seien ursprünglich rein. Tatsächlich muss jedes der in Deutschland zugelassenen natürlichen Mineralwässer vor Verunreinigung geschützt sein und regelmäßig auf seine Qualität geprüft werden. Es muss bestimmte mikrobiologische Anforderungen erfüllen und darf Höchstgehalte für natürlich vorkommende, kritische Stoffe wie Nitrat und Quecksilber nicht überschreiten. Für Wässer, die zur Zubereitung von Säuglingsnahrung dienen, gibt es noch strengere Vorgaben.
Die Testergebnisse der Stiftung Warentest
Die Stiftung Warentest untersucht regelmäßig die Qualität von natürlichem Mineralwasser. Das Gros der im Handel angebotenen Wässer ist in Ordnung und birgt keine Gesundheitsgefahr. Grenzwertüberschreitungen bei Schadstoffen fanden die Tester nur in Einzelfällen. Auch Hinweise auf Verunreinigungen der Quellen, etwa durch Rückstände von Pestiziden und Arzneimitteln, sind äußerst selten. Probleme gibt es eher in puncto Keime, vor allem bei stillen Wässern, wenn diese von Menschen mit schwachem Immunsystem getrunken werden. Dennoch sollte die Mineral- und Tafelwasserverordnung an einigen Punkten nachgebessert werden und zum Beispiel Umweltverschmutzungen wie Pestizidrückstände mit aufnehmen. Außerdem beinhaltet sie keinen allgemeingültigen Grenzwert für Uran. Der aktuelle Test von stillen Wassern zeigte: In zwei Dritteln der Produkten war kein Uran nachweisbar, beim Rest lag er unter dem Grenzwert, der für Säuglingswasser gilt.
Das Biowasser im Test
Das Biokristall Classic von Neumarkter Lammsbräu haben die Tester 2011 unter die Lupe genommen. Besonders überzeugend war es damals nicht. Es schmeckte nach Kunststoff, und zwar sehr leicht, was womöglich mit dem PVC in der Deckeldichtung zusammenhing. Der Hersteller hat das inzwischen geändert. Das Biokristall war außerdem mineralstoffarm. Das Versprechen, gesundheitsfördernd zu wirken, ist so schwer nachzuvollziehen. Außerdem wirbt es mit umweltschonender Verpackung und Transport. Regional begrenzt wird das Biokristall aber nicht angeboten, es ist deutschlandweit in Biosupermärkten zu finden. Und die eigens entworfene Flasche können Käufer nicht überall zurückgeben.
-
- Classic, Medium, Still – der Mineralwasser-Test der Stiftung Warentest bietet Testergebnisse für alle Sorten. Besonders prickelnd: die großen Preisunterschiede.
-
- Ist Trinkwasser aus dem Hahn belastet? Bringt Mineralwasser mehr Mineralstoffe mit? Wir geben Antworten auf Fragen rund um das köstliche Nass.
-
- Hunderttausende von Bankkunden stecken in teuren Krediten fest. Oft hilft ein Widerruf. BNP Paribas muss wegen Wuchers einem Ex-Kunden fast 30 000 Euro erstatten.
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.
Kommentarliste
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
Irgendwann kommt das Bio-Holz und die Bio-Steinkohle sowie die Bio-Thermalbäder. Das Wasser kommt bereits aus mineralhaltigem Gestein. Ist dies nicht schon Bio genug? Langsam wird dem Büger eingeredet, alles was nicht den Bioaufkleber besitzt ist ungesund.
ich finde das Urteil nicht verkehrt, weil ja keine Rückstände in dem Wasser sind
Wasser ist Bio...Muss ich jetzt Bio-Eiswürfel bestellen, wenn mein Wasser wirklich Bio sein soll?
Wasser ist nur so "Bio", wie seine Umwelt - Quellwasser in den Bergen ist dazu noch gekühlt - auf natürlichem Wege und lecker ist es auch.
Da jedoch das Angebot die Nachfrage bestimmt, werden wohl die Biowasserverkäufer sich über ein wohl gefülltes Portemonnaie freuen; gesponsert von jedem, der mit Gewalt gesund leben will und auch an ein Biowasser glaubt.
Ich fasse mal zusammen: Es ist teurer, nur in speziellen Läden zu haben, hat weniger Mineralstoffe als viele andere Wässer, hat(te) einen leichten Fehlgeschmack und wirbt mit etwas (regionale Begrenztheit) was nicht zutrifft. Aber es heißt "bio". Also Leute, nichts wie los und kaufen.