
Schimmel in der Wohnung ist unangenehm und manchmal sogar gefährlich. Mieter und Vermieter haben beide Rechte und Pflichten. Stiftung Warentest erklärt die Regeln.
Heizen im Hochsommer
Hamit Mert aus Berlin ist heute noch wütend, wenn er an die Zeit in der Schimmelwohnung in Berlin-Schöneberg denkt. „Der Hausmeister hat uns bei der Wohnungsbesichtigung damals nicht die Wahrheit gesagt“, sagt der 47-Jährige. Heute wohnt die Familie ein paar Straßen weiter und hat keine „Schimmelprobleme“ mehr. Hamit Mert war 2010 mit seiner Frau Sevda, 41, der damals sechs Monate alten Tochter Melis und dem dreijährigen Sohn Taylan in eine Vier-Zimmer-Wohnung in die Saarstraße in Berlin-Schöneberg gezogen. „Bei der Besichtigung habe ich nach Problemen mit Schimmel in der Wohnung gefragt, aber der Hausmeister meinte nur, es sei frisch renoviert worden und deshalb seien die Fenster auf Kipp und die Heizung aufgedreht – mitten im Hochsommer“, erzählt Mert.
Stoßlüften und Schimmelfarbe
Bereits im ersten Winter traten Probleme in der 90-Quadratmeter-Wohnung im ersten Stock des Hauses auf. Zunächst zeigten sich die Schimmelflecken nur in der Küche. Familie Mert zeigte den Mangel an, informierte den Hausmeister. Der schickte einen Maler, der die schwarzen Flecken mit „Schimmelfarbe“ an der Decke beseitigte. Aber der Schimmel kam wieder, breitete sich auch im Badezimmer, Schlafzimmer und Wohnzimmer aus. „Nur im Kinderzimmer war zum Glück nichts zu sehen“, so Hamit Mert. „Trotzdem bekamen als Erstes die Kinder gesundheitliche Probleme“, erzählt der Vater der heute acht und elf Jahre alten Kinder. Trotz wiederholter Kontaktaufnahme mit der Hausverwaltung blieb diese bei ihrer Strategie: Sie schickte den Maler mit Schimmelfarbe und der erklärte Familie Mert, sie lüfte nicht richtig und solle die Wäsche im Keller aufhängen. „Dabei haben wir mehrmals täglich stoßgelüftet“, sagt Hamit Mert. „Als der Maler dann das dritte Mal kam, habe ich ihn rausgeschmissen.“
Tipp: Weitere Informationen neben den Rechtsinformationen an dieser Stelle erhalten Sie in unserem FAQ Schimmel im Haus. Was Sie ganz praktisch gegen Schimmel tun können, lesen Sie in unseren FAQs Schimmel vorbeugen und Schimmel bekämpfen.
Vermieter muss Mangel in angemessener Frist beseitigen
Wibke Werner, stellvertretende Geschäftsführerin des Berliner Mietervereins, hält diese Reaktion für nachvollziehbar und völlig legitim. „Als Mieter bin ich verpflichtet, jeden Mangel anzuzeigen. Dann sollte ich dem Vermieter eine angemessene Frist setzen, um den Mangel zu beseitigen. Maßnahmen, die völlig unzureichend sind, muss ich nicht mehr dulden, sondern kann eine grundsätzliche und nachhaltige Mängelbeseitigung fordern.“
Beweispflicht liegt beim Vermieter
Generell gilt: Erstmal ist der Vermieter in der Beweispflicht. Er muss darlegen, dass der Schimmel nicht aufgrund von mangelhafter Bauqualität entsteht. Erst wenn ihm dieser Beweis gelingt, muss der Mieter beweisen, dass er ausreichend lüftet. Dafür kann ein Lüftungsprotokoll hilfreich sein. „Beim Thema Lüften darf der Vermieter aber nichts fordern, was nicht zumutbar ist“, sagt Wibke Werner vom Mieterverein (siehe unten: So haben Gerichte entschieden). „Es kann beispielsweise nicht verlangt werden, dass ich im Winter bei minus 15 Grad zehn Minuten stoßlüfte.“
Tipp: Wie Mieter Schimmel vorbeugen können, steht in unseren FAQs Schimmel vorbeugen.
15 Grad im Schlafzimmer sind okay
Wenn Schimmel im Schlafzimmer auftritt, ist auch die Raumtemperatur ein häufiger Streitpunkt. „Wenn ich ein Mensch bin, der gerne in einem kalten Schlafzimmer schläft – was vermutlich für die meisten Menschen zutrifft – dann darf ich das. Ich muss nur aufpassen, dass keine Schäden entstehen, also zum Beispiel die Rohre einfrieren“, sagt Wibke Werner „Aber 15 Grad im Schlafzimmer sollten völlig in Ordnung sein.“
So sollten Mieter vorgehen
Mietern mit Schimmel in der Wohnung empfiehlt die Stiftung Warentest folgende Vorgehensweise:
- Mangel beim Vermieter anzeigen.
- Schimmelstellen fotografieren und deren Entwicklung dokumentieren.
- Nachbarn oder Vormieter fragen, ob sie Probleme mit Schimmel oder Feuchtigkeit haben oder hatten.
- Dem Vermieter eine Frist setzen, um den Schimmel zu beseitigen.
- Falls nichts passiert: Rechtsrat einholen und Miete unter Vorbehalt zahlen.
Vorsicht bei Mietminderung
„Es ist eine objektive Einschätzung sinnvoll“, rät Wibke Werner. Dass das in der Realität schwierig ist, weiß sie allerdings auch: „Gerade wenn Kinder im Spiel sind, wird es oft hochemotional, weil Eltern Sorge um deren Gesundheit haben. Da empfindet man einen Fleck in der Ecke eines Zimmer als so gravierend, dass man sofort um mindestens 80 Prozent die Miete mindern will“, sagt die 41-Jährige. „Ist aus rechtlicher Sicht dann aber nur eine Mietminderung von 10 Prozent zulässig, kann das für die Mieter zum Problem werden.“ Wibke Werner warnt: „Wird zu viel Miete gemindert, entstehen Zahlungsrückstände, die ab einer Monatsmiete und einem Cent den Vermieter zu einer ordentlichen Kündigung berechtigen können.“
Miete unter Vorbehalt zahlen
Eine fristlose Kündigung ist möglich, wenn Mieter für zwei Monate in Zahlungsrückstand sind. Deshalb ist es ratsam, die Miete unter Vorbehalt zu zahlen. So geraten die Bewohner zu keiner Zeit in einen Mietrückstand.
Rechtsbeistand kann hilfreich sein
Später kann dann bestimmt werden, welche Mietminderung angemessen ist – am besten mit juristischer Hilfe vom Mieterverein oder einem Anwalt. Dafür ist die Dokumentation des Schimmels wichtig. Mithilfe dieser lässt sich eine angemessene Mietminderungsquote von der Bruttomiete berechnen. In der Praxis sieht das so aus: Der Mieter teilt dem Vermieter schriftlich mit, dass er aufgrund des beschriebenen Mangels die Miete ab sofort unter Vorbehalt zahlt. Das sollte zusätzlich auf der Überweisung vermerkt sein, zum Beispiel „Mietzahlung unter Vorbehalt“. Ist der Mangel behoben, kann die zu viel gezahlte Miete vom Vermieter eingefordert oder als Mietminderung einbehalten werden.
So haben Gerichte entschieden
- Lüften.
- Mehr als sechsmal stoßlüften pro Tag ist unzumutbar (LG Berlin, Az. 65 S 400/15). Einem berufstätigen Mieter ist es zuzumuten, täglich drei- bis viermal stoßzulüften. (LG Frankfurt, Az. 17 S 51/14).
- Miete mindern.
- 10 Prozent bei Schimmel im Schlafzimmer (LG Hamburg, Az. 16 S 211/83). 80 Prozent bei Schimmel und Modergeruch in Küche, Wohn- und Schlafzimmer und wenn zum Aufenthalt nur ein kleines Zimmer bleibt (LG Berlin, Az. 65 S 205/89). 100 Prozent bei Schimmel in allen Räumen – bis 80 Zentimeter hoch (AG München Az. 412 C 11503/09).
- Kündigen.
- Der Mieter darf fristlos kündigen, wenn der Verdacht einer Gesundheitsgefährdung besteht; auch, wenn sich später herausstellt, dass der Verdacht unbegründet war (LG Lübeck, Az. 6 S 161/100). Der Vermieter darf fristlos kündigen, wenn der Mieter zu viel Miete mindert und für den Schimmel verantwortlich ist (BGH, Az. VIII ZR 138/11).
Manchmal bleibt nur der Auszug
Auch Familie Mert nahm sich schließlich einen Anwalt. In Absprache mit ihm minderten sie die Miete um 15 Prozent. Aber auch das brachte den Eigentümer des Hauses nicht dazu, ihre Schimmelprobleme zu lösen. Die Merts wussten mittlerweile, dass auch Nachbarn und Vormieter betroffen waren. Als die gesundheitlichen Probleme der Familie zu groß wurden, blieb ihnen nur noch der Auszug. Mithilfe des Anwalts erreichten sie eine außergerichtliche Einigung, kündigten fristlos, bekamen ihre Kaution zurück und mussten keine Schönheitsreparaturen erledigen. „Zum Glück haben wir kurzfristig eine neue Wohnung gefunden und konnten von heute auf morgen raus“, sagt Hamit Mert.
Beratungstermin beim Gesundheitsamt
Mieter, die Schimmel in der Wohnung haben und sich Sorgen um ihre oder die Gesundheit der Kinder machen, können beim Gesundheitsamt einen Beratungstermin vereinbaren. Außerdem ist die jeweils zuständige Wohnungsaufsicht Ansprechpartner, wenn bauliche Mängel als Ursache vermutet werden. Natürlich können Mieter auch einen Gutachter beauftragen, nur kostet der in der Regel viel Geld und muss aus eigener Tasche gezahlt werden. „Und wenn ein Streit dann vor Gericht landet, beauftragt das Gericht ohnehin oft einen eigenen Gutachter, um die Ursache für den Schimmel zu klären“ so Wibke Werner vom Berliner Mieterverein.
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- Rauchen ist laut Bundesregierung eine „der größten Risikofaktoren für die Gesundheit“. Darum bemüht sich der Staat die Raucherquote zu senken.
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- Schimmelbekämpfungsmittel aus der Drogerie oder Hausmittel? Alkohol oder chemische Keule? Wo gibt es günstige professionelle Unterstützung? Antworten auf Ihre Fragen.
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@Georg4712: Wir bitten um Verständnis, hier ist nicht der Ort für eine individuelle Rechtsberatung. Eine Hausratversicherung zahlt hauptsächlich für Schäden, die durch Leitungswasser, Sturm, Einbruch oder Feuer entstehen. Schimmelbefall gehört nicht dazu. Ob und in welchem Umfang der Vermieter für Schäden an den Möbeln des Mieters haftet, kommt immer auf den Einzelfall an. Eine Rechtsberatung hierzu bekommt man beim örtlichen Mieterverein oder in der Mieterberatung der Verbraucherzentrale.
Wenn der Schimmelbefall so heftig ist, dass der gesamte Hausrat befallen ist, aber keine Hausratversicherung existiert, zahlt dann der Vermieter, falls den Mieter keine Schuld trifft?
Der Fairness halber sollten hier zusätzlich die aktuellen Urteile zu diesem sehr komplexen Themenkreis publiziert werden.
Urteile vom 5. Dezember 2018 - VIII ZR 271/17 und VIII ZR 67/18
Regelmäßig melden sich Mieter bei mir mit der Frage wie sie mit der Situation des Schimmelbefalls in ihrer Wohnung umgehen können. Grundsätzlich obliegt dabei die medizinische Bewertung den Medizinern. Bezüglich der gutachterlichen Tätigkeit wird darüber hinaus darauf hingewiesen, dass eine sachgemäße Untersuchung der Ursachen und des Umfangs regelmäßig kostenintensiv ist. Ich rate einem Mieter daher zunächst den Weg zum Fachanwalt für Mietrecht. Dieser sollte klären, ob eine privat in Auftrag gegebene Begutachtung in dem jeweiligen Fall notwendig und der richtige Weg ist.
Faßbender Bausachverständiger