Acryl­amid Je weniger Acryl­amid, desto besser

Acryl­amid - Je weniger Acryl­amid, desto besser

Pommes Frites. In ihnen kommt kritisches Acryl­amid vor, außerdem in Kaffee, Toast, Chips oder Lebkuchen. © Shutterstock / Evan Lorne

Werden stärkehaltige Lebens­mittel hoch erhitzt und bräunen, bildet sich der Schad­stoff Acryl­amid. Wir beant­worten Fragen zu ihm und sagen, in welchen Tests er auffiel.

Antworten auf die wichtigsten Fragen zu Acryl­amid

Wie entsteht Acryl­amid in Lebens­mitteln?

Acryl­amid entsteht, wenn stärkehaltige Lebens­mittel beim Backen, Frittieren oder Braten bräunen. Dieser chemische Vorgang heißt Maillard-Reaktion. Dabei reagieren natürlich enthaltene Zucker wie Glukose mit Aminosäuren, vor allem mit Asparagin. Bei diesem Vorgang entstehen jede Menge erwünschter Aroma­stoffe – aber auch das schädliche Acryl­amid.

In hohen Gehalten wiesen schwe­dische Wissenschaftler den Schad­stoff erst­mals 2002 in Lebens­mitteln nach. Seitdem ist Acryl­amid – ebenso wie sein Abbau­produkt Glycidamid – Forschungs­gegen­stand vieler wissenschaftlicher Unter­suchungen.

In welchen Lebens­mitteln kann viel Acryl­amid vorkommen?

Acryl­amid bildet sich vor allem in stärkehaltigen Lebens­mitteln, die von Natur aus reich an Asparagin sind. Dazu gehören insbesondere Kartoffeln und Kartoffel­gerichte wie Pommes Frites, Brat- und Back­kartoffeln oder Chips.und Getreide, aber auch Kaffeebohnen und gemahlener Kaffee. Auch Knäcke- und Toast­brot, Kekse und Plätzchen, Crunchy-Müsli oder Zwieback sowie Getreide­kaffee können betroffen sei.

Welche Lebens­mittel hat Stiftung Warentest aktuell auf Acryl­amid geprüft?

Weihnachts­gebäck. Beim Test von Lebkuchen, Spekulatius und Vanillekipferl zeigte sich, dass die meisten Anbieter das Thema Acryl­amid gut im Griff haben – aber nicht alle.

Kaffee. Im Filterkaffee-Test fanden wir keine kritischen Gehalte an Acryl­amid, dagegen aber in allen Espresso- und Crema-Bohnen. Bei Kaffee zählt, wie viel Acryl­amid in der Tasse landet – und da können wir entwarnen: Alle zubereiteten Espressi unter­schritten den Richt­wert für Kaffee.

Pommes Frites. Beim Pommes-Test lagen die Acryl­amid­gehalte in allen Produkten deutlich unter den entsprechenden EU-Richt­werten der EU.

Kartoffel­chips. Im Test von klassischen Kartoffelchips im Jahr 2022 stießen wir auf einige auffällige Produkte.

Knusp­rige Produkte. 2019 haben wir 53 verschiedene Lebens­mittel auf Acryl­amid untersucht: Knäckebrot und Zwieback, Kekse und Waffeln, Knuspermüsli und Kaffee-Ersatz, Kinder­zwieback und -kekse, Cracker und Kartoffel­chips. Böse Über­raschungen gab es nicht, aber die Schad­stoff­noten reichten von Sehr gut bis Ausreichend.

Ab welchen Temperaturen bildet sich Acryl­amid?

Damit Acryl­amid entsteht, müssen Temperaturen ab etwa 120 Grad Celsius im Spiel sein. Je heißer und trockener, umso mehr Acryl­amid bildet sich ab 170 bis 180 Grad steigen die Gehalte sprunghaft an. Voll­ständig vermeiden lässt sich Acryl­amid bei bestimmten Gerichten und Zubereitungs­arten nicht.

Wo landet das Acryl­amid aus der Nahrung im Körper?

Der Magen-Darm-Trakt nimmt Acryl­amid aus der Nahrung auf, es verteilt sich danach in allen Organen. Diese verstoff­wechseln es in hohem Maße. Dabei entsteht vor allem Glycidamid.

Wie gefähr­lich sind Acryl­amid und sein Abbau­produkt Glycidamid?

2015 stufte die Europäische Behörde für Lebens­mittel­sicherheit (Efsa) Acryl­amid in einem Gutachten als möglicher­weise krebs­er­regend für den Menschen ein. In Lang­zeit­studien an Ratten und Mäusen hatten sich Acryl­amid und sein Abbau­produkt Glycidamid als krebs­er­regend erwiesen. Die Tier­versuche zeigten zudem, dass beides das Erbgut verändert, Auswirkungen auf das Nerven­system, die männ­liche Fort­pflan­zung und die Embryonal­entwick­lung hat. Die Efsa bestätigte 2022 die Einschät­zung zur erbgutver­ändernden Wirkung von Acryl­amid unter Berück­sichtigung neuerer Daten in einem weiteren Gutachten.

Gibt es eine sichere Dosis?

Nein. Es lässt sich nach derzeitigen Kennt­nissen kein Schwellen­wert fest­setzen, bei dessen Unter­schreitung ein Risiko für den Verbraucher ausgeschlossen werden kann. Bei Stoffen, die wie Acryl­amid das Potenzial haben sowohl das Erbgut zu schädigen als auch Krebs auszulösen, könnten auch geringe Dosen gesundheitliche Risiken auslösen. Diese Risiken nehmen zu, je mehr Acryl­amid aufgenommen wird. Die Wissenschaft hat die Wirkung von Acryl­amid auf den Menschen noch nicht abschließend geklärt.

Sind Kinder besonders gefährdet?

Eltern sollten sich klarmachen: Im Verhältnis zum Körpergewicht sind Kinder den Risiken durch Acryl­amid stärker ausgesetzt als Erwachsene. Kinder nehmen Acryl­amid vor allem über Pommes Frites, Reibekuchen, Bratkartofflen und andere frittierte und gebratene Kartoffeln auf, aber auch über Toast­brot, Frühstückscerealien, Kekse, Kräcker und Knäckebrot, teilt die Efsa mit.

Wer schützt Verbraucher vor Acryl­amid?

Politik und Lebens­mittel­wirt­schaft in Deutsch­land bemühen sich seit 2002 und europaweit seit 2011, die Acryl­amid-Belastung in Lebens­mitteln zu verringern. Behörden haben verschiedene Waren­gruppen, die mit Acryl­amid belastet sind, erfasst und über­wacht. Aus den Daten hat die Europäische Kommis­sion Minimierungs­strategien und Richt­werte abge­leitet, um die Acryl­amid­gehalte in Lebens­mitteln zu senken.

Der Richt­wert ist je nach Produkt­gruppe verschieden. Bei weichem Weizenbrot beträgt er zum Beispiel nur 50 Mikrogramm Acryl­amid pro Kilogramm, bei Röst­kaffee hingegen 400 Mikrogramm pro Kilogramm, bei Lebkuchen 800 Mikrogramm pro Kilogramm und bei Zichorien-Kaffee sogar 4 000 Mikrogramm je Kilogramm. Die Unterschiede ergeben sich aus den tech­nischen Möglich­keiten, die Hersteller haben, um Acryl­amid-Gehalte in ihren Produkten zu senken.

Wie lässt sich der Acryl­amid-Gehalt bei Lebens­mitteln senken?

Bäckereien, Gastronomen und Industrie müssen Vorgaben beachten, wenn sie Lebens­mittel wie Back­waren oder Pommes frites herstellen. So dürfen etwa Pommes frites aus frischen Kartoffeln nur noch aus zucker­armen Sorten hergestellt werden. Auf Tiefkühl­produkten müssen genauere Zubereitungs­anweisungen stehen – etwa zu Temperatur und Bräunungs­grad. Bäcker müssen allzu dunkle Krusten vermeiden.

Kaffee­röstereien stehen vor der Schwierig­keit, dass beim Rösten von Kaffee nicht nur Acryl­amid, sondern auch der Schad­stoff Furan entsteht: Wenn sie den Acryl­amid-Gehalt etwa durch Variieren des Röst­grads senken, bilden sich mehr Furane. Daher müssen Kaffee­röster besonders sorgfältig vorgehen (siehe auch Kaffeebohnen-Test und Filterkaffee-Test).

Wie lassen sich die Gehalte in Lebens­mitteln zuhause senken?

Je stärker man ein Produkt frittiert, bäckt oder grillt, desto mehr Acryl­amid enthält es.

  • Vergolden statt verkohlen. Das ist die generelle Faust­regel, um Acryl­amid in Schach zu halten – sie gilt zum Beispiel für Toast­brot, Plätz­chen, Kartoffel­rösti und Pommes Frites.
  • Ofen­temperatur begrenzen. Backen Sie acryl­amid­anfäl­lige Lebens­mittel nicht zu heiß – bei Ober-Unter­hitze maximal bei 190 Grad Celsius, bei Umluft auf 170 Grad.
  • Back­pulver statt Hirschhornsalz. Es hat sich gezeigt, dass Hirschhornsalz als Back­trieb­mittel Acryl­amid­gehalte hoch­treibt – Back­pulver und Natron aber nicht.
  • Keine vorgerösteten Mandeln. Geben Sie beim Backen lieber unbe­handelte Mandeln und Nüsse in den Teig als vorgeröstete. Schon beim Rösten entsteht in diesen Ölsaaten viel Acryl­amid, was sich beim anschließenden Backen noch verstärkten kann.

Welche anderen Quellen für Acryl­amid gibt es?

Die stärkste Quelle ist das Rauchen. Das Bundes­institut für Risiko­bewertung schätzt, dass sich Raucher im Durch­schnitt täglich mit 0,5 bis 2 Mikrogramm Acryl­amid pro Kilogramm Körpergewicht belasten. Zum Vergleich: Über Lebens­mittel nehmen Verbraucher in der EU täglich zwischen 0,4 und 1,9 Mikrogramm Acryl­amid pro Kilogramm Körpergewicht am Tag auf.

Wie sieht es mit Acryl­amid in Lacken, Farben und Co aus?

Einige Industrie­zweige setzen Acryl­amid bewusst ein. Es wurde 1949 erst­mals synthetisiert und wird seit den 1950er Jahren vor allem zur Herstellung von Poly­acrylamid verwendet, etwa als Flockungs­mittel zur Aufbereitung von Wasser oder in der Papier­industrie als Binde­mittel für Papier und Pappe, erläutert das Bundes­institut für Risiko­bewertung BfR.

Acryl­amid ist auch ein Grund­stoff, um Kunststoffe und Lacke herzu­stellen. Arbeiter, die direkt mit Acryl­amid zu tun haben, können es einatmen; bei Kontakt mit Acryl­amid sind Reizungen von Augen und Haut möglich, und die Haut kann für andere Stoffe sensibilisiert werden. In diesem Arbeits­kontext können Menschen deutlich höhere Gehalte aufnehmen als über die Ernährung, Nervenschäden können die Folge sein.

Kommt Acryl­amid auch in Kosmetika vor?

Die Belastung des Verbrauchers mit Acryl­amid aus kosmetischen Mitteln wird heute als unerheblich angesehen, schreibt das BfR. Auf europäischer Ebene seien Rege­lungen getroffen worden, die den Rest­gehalt an Acryl­amid deutlich beschränken. Früher kam es etwa in Körper­pflege­mitteln vor.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 07.01.2025 um 14:27 Uhr
    Pizza - schwarze Stellen

    @mr.spaetzle: Aus vorsorgendem Gesundheitsschutz sollten verbrannte Stellen an einer Pizza großzügig entfernt und nicht gegessen werden.

  • mr.spaetzle am 19.12.2024 um 19:18 Uhr
    Pizza

    Sollte man bei einer Pizza aus einem Restaurant die schwarzen Stellen besser wegschneiden?

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 25.11.2024 um 09:28 Uhr
    Spam-Kommentare

    @Ka_ze: Vielen Dank für Ihren Hinweis. In den letzten Tagen sind 10000 Spam-Kommentare auf test.de eingegangen. Wir haben inzwischen alle gelöscht und den Nutzer gesperrt.

  • ka_ze am 23.11.2024 um 15:08 Uhr
    Test ... Test ... one ... two ... HUHU!?

    Hallo,
    gibt's denn keinen WE-Dienst bei test.de?!
    Falls doch, dann schauen Se doch 'mal eine Etage unterhalb:
    Der nicht ganz jugendfreie Marketenderinnen-Gag steht offenbar
    bereits seit 22.11.2024, 21:26 Uhr hier drin ...

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 30.11.2020 um 11:30 Uhr
    Die Temperaturfrage

    @Neunzehn99: Pommes frites gehören zur Gruppe der Lebensmittel mit hoher Acrylamidbelastung. Bei Frittiertemperaturen von über 170°C steigen die Acrylamidwerte sprunghaft an. Oberhalb von 180° Celsius entstehen außerdem potentiell krebserregende Stoffe. Frittieren Sie Ihre Pommes nur bis sie goldgelb (ohne braune Spitzen) sind und saugen Sie überschüssiges Fett mit Küchenkrepp auf. Eine fettarme Variante sind in der Heißluftfritteuse oder im Backofen (180°C Umluft / 200°C Ober/Unterhitze) gebackene Pommes frites. Fritteusen-Fritten sind fast doppelt so fettig wie die Backofen-Pommes. Da Pommes viel Fett und Salz aber kaum Vitamine und Mineralstoffe enthalten, sollten man sich nicht allzu oft eine Portion genehmigen. (bp)