
Verärgert. Norbert Böhmer hat für ein Visum, das eigentlich kostenfrei ist, 14,90 Euro bezahlt. © Stiftung Warentest / Hendrik Rauch
Ob Visum, Geburtsurkunde oder Eheurkunde – Internetportale schalten sich als Vermittler offizieller Aufgaben ein und kassieren ab.
Hier lesen Sie, wie die unnötigen Dienste funktionieren.
Onlinedienste verdienen an der Unwissenheit
Ein Visum für Australien beantragen oder eine internationale Geburtsurkunde beschaffen – wer weiß auf Anhieb, wie das funktioniert? Onlinedienste wie Visumantrag.de oder Standesamt24.de machen sich diese Unwissenheit zunutze. Sie betreiben vertrauenswürdig aussehende Internetseiten, über die Nutzer offizielle Dokumente beantragen können. Doch für weniger Geld oder gratis gibt es die Papiere auch direkt beim Amt oder der Botschaft.
Ein Visum für Australien
Norbert Böhmer, Technischer Teamleiter der Stiftung Warentest ging einem dieser Vermittler auf den Leim. Im Februar wollte er seinen Sohn Marvin in Melbourne besuchen. Für das Visum googelte er die Begriffe Australien und Visum. In der Trefferliste weit oben fand er die Website visumantrag.de/australien und klickte. „Auf der Seite sieht man die australische Flagge, ein Foto des australischen Hinterlands mit roter Erde“, sagt Böhmer. „Für mich sah das nach der Internetseite der australischen Botschaft aus.“ Arglos nutzte er den Dienst.
Wichtiges steht erst im Kleingedruckten
Erst weit unten im Kleingedruckten der Webseite steht der Hinweis: „VisumAntrag.de ist eine gewerbliche Visumagentur ... in keiner Weise mit dem australischen Staat verbunden ...“ Böhmer: „Soweit habe ich gar nicht gelesen.“ 14,90 Euro zahlte er für die Vermittlung des Visums. Von seinem Sohn erfährt er, dass es das Visum über die Internetseite der australischen Botschaft kostenlos gibt.
Es wird Geld verlangt für Dienste, die es beim Amt kostenlos gibt
Böhmer ärgerte sich und auch über weitere 19,90 Euro, die er zahlen sollte, weil er bei „elektronische Datenerfassung“ einen Haken gesetzt hatte. Damit, erkannte er später, hatte er die Registrierung seiner Reisepläne beim Auswärtigen Amt beauftragt – auch ein Service, den es kostenlos gibt, diesmal beim Auswärtigen Amt. Empfehlenswert ist die Registrierung vor allem für Reisen in Krisengebiete. Kommt es dort zu einer Notfallsituation, hilft die Liste, Kontakt mit den Reisenden aufzunehmen, sie notfalls zu evakuieren. Böhmer beschwerte sich beim Kundenservice. Der Betrag wurde storniert.
Tipp: Alle Infos für eine stressfreie Reisevorbereitung finden Sie im großen Special Tipps für stressfreie Ferien.
Mängel beim Datenschutz des Dienstes Visumantrag.de
Hinter der Seite Visumantrag.de/Australien steht eine niederländische Firma, die ähnliche Seiten für zwölf weitere Länder anbietet. Unsere juristische Prüfung ergab: Die Firma kommt ihrer Informationspflicht zur Verwendung der Nutzerdaten nicht ausreichend nach. Aus ihrer Datenschutzerklärung geht nicht hervor, wer die Daten bekommt, wann und zu welchem Zweck sie gespeichert werden. Kunden können ihren Auskunftsanspruch nicht wahrnehmen, keine Datenlöschung verlangen, eine E-Mail-Adresse etwa ist hierfür nicht genannt. Das ist beunruhigend. Schließlich geht es um sehr persönliche Kundendaten, etwa Geburtsdatum und -ort oder Passnummer.
Eine Geburtsurkunde auf Umwegen
Eine schlechte Erfahrung machte eine Mitarbeiterin von uns mit Standesamt24.de. Am 17. Januar 2020 bestellte sie über dieses Portal, das auf sie wie eine übergeordnete Behördenseite wirkte, zwei internationale Geburtsurkunden beim Standesamt Berlin Mitte für 7 Euro. Die Gebühren des Amtes kommen dazu. Bis Redaktionsschluss erhielt sie die Urkunden nicht. „Grundsätzlich rate ich Bürgerinnen und Bürgern von der Nutzung solcher zusätzlichen Dienstleistungsportale ab“, sagt Ramona Reiser, Bezirksstadträtin für Jugend, Familie und Bürgerdienste vom Bezirksamt Berlin Mitte. Die Dienste böten nur eine Weiterleitung des Antrags und darüber hinaus keinen Vorteil. Standesamt24 teilte uns auf Nachfrage mit, dass ihr Dienst auch Standesämter umfasse, die die Urkundenbestellung online nicht anböten. Dass bestellte Dokumente erst nach Wochen kämen, sei eine Ausnahme. In der Datenschutzerklärung von Standesamt24.de fand unser Prüfer nur geringe Mängel.
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