
Annett Mau vom Landeskriminalamt Berlin. Die Kriminalhauptkommissarin ermittelt, wenn ältere Menschen finanziell ausgebeutet werden. © Ina Schoenenburg / Ostkreuz
Frau Mau, Sie ermitteln beim Landeskriminalamt (LKA) in Berlin in Fällen finanziellen Missbrauchs, unter anderem durch Konto- und Vorsorgevollmachten. Gibt es typische Geschädigte?
Ja. Opfer sind meist ältere, alleinlebende und vermögende Menschen mit Einschränkungen, oft auch demenziell erkrankt.
Diese Menschen können ihre rechtlichen Angelegenheiten kaum noch selbst regeln und sind auf Hilfe angewiesen. Unterstützung bekommen sie von einem Familienmitglied, einem Bekannten, der Pflegekraft oder Haushaltshilfe. Es gibt wenig soziale Bindungen und es entwickelt sich eine Vertrauensbeziehung zu dieser einen Person, auf die sie angewiesen sind.
Die Vertrauensperson hebt im Laufe der Zeit mit einer Konto- oder Vorsorgevollmacht Bargeldbeträge ab, überweist Geld auf andere Bankkonten oder geht mit dem Betreuten zum Notar, um eine Immobilie auf sich selbst zu übertragen. Dabei werden lichte Momente des Opfers geschickt ausgenutzt.
Wer sind Täterinnen und Täter?
Fast in jeder uns bekannten Tat besteht eine Vorbeziehung. Wir beobachten zwei Tätergruppen. Erstens: Ein flüchtiger Bekannter, eine Haushaltshilfe oder Pflegekraft erkennt die Chance, das Vertrauensverhältnis finanziell auszunutzen. Die Vertrauensperson kennt das Umfeld und weiß, wer sich kümmert und wer nicht. Kontaktabbrüche zur Familie werden vorangetrieben und Betreute zunehmend isoliert. Bald gibt es eine eigene Bankkarte oder Kontovollmacht. Eine bestehende Vorsorgevollmacht für ein Familienmitglied wird widerrufen und eine neue Vorsorgevollmacht erteilt, oft notariell. Ist das Konto leer geräumt, wird der Betreute sich selbst überlassen oder kommt in ein Pflegeheim.
Und die zweite Tätergruppe?
Das sind eher Familienangehörige. Hier wurde frühzeitig eine Vorsorge- und Kontovollmacht für eine Tochter, einen Sohn oder Enkel ausgestellt. Die oder der Bevollmächtigte hat sich oft über Jahre gekümmert oder die Pflege organisiert – und empfindet einen alleinigen Anspruch auf vorhandenes Vermögen. Ist dann zum Beispiel absehbar, dass mit dem Tod Erben oder andere Berechtigte Ansprüche auf das Vermögen erheben werden, bringen Bevollmächtigte es vor dem Zugriff in Sicherheit. Das wird oft als angemessene Bezahlung gerechtfertigt.
Wie geht die Polizei gegen Vermögenskriminalität im Zusammenhang mit Vollmachten vor?
Wir haben keine verlässlichen Zahlen, daher kann ich nur schätzen. Wir bearbeiten rund 50 bis 80 Anzeigen im Jahr, das ist wohl nur die Spitze des Eisbergs. Der Gesamtschaden liegt im zweistelligen Millionenbereich.
Verdacht auf finanziellen Missbrauch melden uns Banken, Pflegeheime, das Betreuungsgericht oder Familienangehörige. Die polizeilichen und strafrechtlichen Mittel zum Eingreifen sind beschränkt. Solange eine Vollmacht besteht, kann die Polizei nur bei unmittelbarer Gefahr für Körper und Geist tätig werden, etwa wenn eine körperliche Misshandlung vorliegt. Vermögenssichernde Maßnahmen sind kaum möglich.
Die Opfer könnten gegen die Täter vorgehen, doch sie sind oft nicht in der Lage, den Missbrauch zu erkennen. Dennoch mein Appell: Wer finanziellen Missbrauch beobachtet, sollte dies der Polizei melden, auf der Wache oder online (online-strafanzeige.de).
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