Online zum Arzt Wenn Video­sprech­stunden den Praxis­besuch ersetzen

Online zum Arzt - Wenn Video­sprech­stunden den Praxis­besuch ersetzen

Telemedizin. Viele Patienten nutzen die Möglich­keit, mit einem Online-Arzt per Video­chat zu sprechen. © Getty Images / Luis Alvarez

Von vier im Jahr 2022 getesteten Telemedizin-Platt­formen für digitale Arzt­besuche schneidet nur eine gut ab, die drei anderen befriedigend. Alle zeigen kleine Schwächen.

Online zum Arzt Alle Testergebnisse für Telemedizi­nische Platt­formen 2022 freischalten

Stunden­lang im über­füllten Warte­zimmer sitzen, weil es kurz­fristig keinen Arzt­termin gab – die Vorstellung schreckt viele ab, vor allem in Zeiten von Corona. Die Alternative kann ein virtueller Besuch in der Praxis sein: die Video­sprech­stunde – auch für Menschen, die nicht monate­lang auf einen Fach­arzt­termin warten wollen, außer­halb der üblichen Sprech­zeiten Rat brauchen, fern von der nächsten Arzt­praxis wohnen oder direkten Kontakt scheuen.

Bietet der eigene Arzt keine Video­sprech­stunde an, kommen telemedizi­nische Platt­formen ins Spiel. Sie organisieren alles: von der Termin­buchung bis zur eigentlichen Sprech­stunde, meist über eine App. Wir haben 2022 vier Anbieter getestet, die ausschließ­lich solche Fernbe­hand­lungen anbieten: Teleclinic, Kry, Zava und Fern­arzt.

Unser Rat

Video­sprech­stunden über telemedizi­nische Platt­formen können eine Alternative zum Arzt­besuch vor Ort sein. Die beste medizi­nische Behand­lung – Anamnese, Diagnose, Verordnung von Medikamenten – bot im Test 2022 der Gesamt­sieger Teleclinic. Er punktete auch beim Service: mit einem breiten Behand­lungs­spektrum und sehr guten Infos zum allgemeinen Ablauf.

Welcher Anbieter ist zu empfehlen?

Wir nahmen die Leistungen rund um die Video­sprech­stunde sowie die Behand­lung in der Sprech­stunde selbst unter die Lupe. Sechs Test­personen nutzten die Sprech­stunde verdeckt, zwei medizi­nische Fach­gut­achter werteten sie aus. In der medizi­nischen Behand­lung schneidet Teleclinic mit einer guten Note am besten ab und liegt auch im Gesamt­urteil vorn, die anderen drei Anbieter sind insgesamt befriedigend.

Manko: Außer Kry bietet keine Platt­form eine Multi­faktor-Authentifizierung für den Zugang zu den Nutzer­konten. Das bedeutet, sie schützen Pass­wörter nicht mehr­fach, etwa durch zusätzliche Eingabe eines Codes, der per SMS geschickt wird. Angesichts der sensiblen Gesund­heits­daten wäre das aber wünschens­wert.

Sind Video­sprech­stunden sinn­voll?

Sie können eine Alternative zum Vor-Ort-Arzt­besuch sein, zum Beispiel beim Verdacht auf eine anste­ckende Virus­infektion. Oder für Personen, die ein akutes Problem, aber keinen Haus­arzt haben. An Grenzen stößt die Video­sprech­stunde, wenn weitere Unter­suchungen notwendig werden – etwa Bauch abtasten oder Blut abnehmen. Auch ist es in der Regel auf den telemedizi­nischen Platt­formen nicht möglich, einen Folge­termin beim selben Arzt zu buchen.

Welche Krankheiten werden behandelt?

Die Anbieter im Test listen etliche Krankheiten zur digitalen Behand­lung auf – von Akne über Glieder­schmerzen bis zum Zeckenbiss. Fachliche Stan­dards für Video­sprech­stunden gibt es bisher kaum – außer für die Behand­lung von Hautkrankheiten. Andere Fachgesell­schaften sollten nach­ziehen und somit Orientierung geben.

Wie komme ich an einen Termin?

Die Video­sprech­stunden von drei Anbietern im Test können Sie nur über Apps für Smartphone oder Tablet nutzen, Fern­arzt lediglich via Browser. Bei allen Platt­formen müssen Sie zur Termin­buchung ein Nutzer­konto einrichten. Bei Teleclinic sind nur zwei­stündige Zeit­fenster für die Buchung wähl­bar, die eigentliche Uhrzeit wird Ihnen mitgeteilt. Zum Termin selbst kontaktieren Sie die Ärztin oder der Arzt per Video­call.

Wie läuft die Video­sprech­stunde ab?

Im Test meldeten sich Ärztin oder Arzt meist pünkt­lich, nur einmal wartete der Patient vergeblich. Unsere Test­personen bemängelten, dass Fragen zur Krank­heits­geschichte und zu akuten Symptomen oft zu kurz kamen. So wurden bei komplexeren Fällen nicht alle Diagnosen gestellt, die möglich gewesen wären. Das stellte aber in keinem Testfall ein unmittel­bares Risiko dar, denn die Ärzte rieten – wenn notwendig –, eine ambulante Praxis aufzusuchen.

Kann ich Ärztin oder Arzt aussuchen?

Das geht nur bei Zava, und selbst dort standen im Test jeweils nur ein oder zwei Mediziner zur Verfügung. Die anderen drei Anbieter weisen die Ärztinnen und Ärzte, mit denen sie koope­rieren, zu. Manche arbeiten für mehrere Platt­formen, oft haben sie eigene Praxen oder arbeiten in Kliniken.

Muss ich einen Fragebogen ausfüllen?

Teleclinic und Kry boten Anamnesebögen, Fern­arzt fragte nur nach dem Anliegen. Zava wollte vor der Sprech­stunde gar nichts wissen. Aus unserer Sicht ist ein Anamnesebogen eine wichtige Basis für eine gute medizi­nische Behand­lung. So kann der Arzt etwa eine Verbindung zwischen einer chro­nischen Krankheit wie Diabetes und einer akuten Blasen­entzündung herstellen.

Kann ich mich krank­schreiben lassen?

Die Anbieter im Test stellen eine private Arbeits­unfähigkeits­bescheinigung (AU) für maximal drei bis sieben Tage aus. Sie ist in der Regel selbst zu bezahlen und kostet nach der Ärzte-Gebühren­ordnung oft 5,36 Euro. Die private AU ist eine rechts­gültige Krank­schreibung. Da sie anders aussieht als der klassische gelbe Zettel, könnten beim Arbeit­geber Probleme bei der Akzeptanz entstehen, das sollten Sie klären.

Können Medikamente verordnet werden?

Ja. Bei den digital erstellten Rezepten der Platt­formen müssen gesetzlich Versicherte die Arznei derzeit aber selbst zahlen. Für einen Blut­druck­senker mit 98 Tabletten etwa können da 25 Euro fällig werden. Mit der E-Rezept-Einführung wird sich das voraus­sicht­lich ändern (mehr im Special E-Rezept). Fragen Sie bis dahin Ihre Kasse, ob sie die Kosten eventuell doch erstattet. Einlösen lassen sich die Rezepte teils in koope­rierenden Versand­apotheken oder ausgewählten Vor-Ort-Apotheken.

Was kosten die Video­sprech­stunden?

Für gesetzlich Versicherte zahlen in der Regel die Krankenkassen. Privatversicherte sollten ihre Versicherung fragen, ob sie die Kosten erstattet. Wir testeten die telemedizi­nischen Platt­formen als Selbst­zahler. Die Rechnungen kamen von den Anbietern im Auftrag der Ärzte. Unsere Test­personen konnten nicht immer nach­voll­ziehen, was sie wofür bezahlen sollten: Bei Fern­arzt wurden zum Teil Arbeits­unfähigkeits­bescheinigungen in Rechnung gestellt, die weder angefragt noch ausgestellt wurden. Bei Teleclinic wurde für die Sprech­stunde mindestens 10 Minuten veranschlagt, obwohl sie teils kürzer war. Auch tauchte bei Teleclinic und Fern­arzt nach jedem Termin ein Arzt­brief als Posten in der Rechnung auf – ohne Möglich­keit, ihn abzu­lehnen.

So gelingt die Video­sprech­stunde

Vier Tipps, wie es mit der Telemedizin klappt.

  1. Voraus­setzungen schaffen. Um Video­sprech­stunden von telemedizi­nischen Platt­formen nutzen zu können, brauchen Sie Internet, Computer oder ein mobiles Gerät wie Smartphone und Tablet – mit Kamera, Mikro und Laut­sprecher.
  2. Angebote prüfen. Die Platt­form sollte umfassend über Sprech­zeiten, Behand­lungs­spektrum und welche Ärzte für sie tätig sind informieren. Infos – wie etwa die Mediziner für die Video­sprech­stunde geschult werden – sollten unkompliziert zu finden und zugäng­lich sein, bevor Sie sich für die Platt­form registrieren.
  3. Gut vorbereiten. Notieren Sie vor dem Termin Ihre Fragen. Falls Arzt oder Ärztin es versäumen nach­zufragen: Berichten Sie über Vorerkrankungen und Arzneien, die Sie einnehmen.
  4. Auf Kosten achten. Welche Leistungen die Kassen für gesetzlich Versicherte über­nehmen, ob es Nacht- oder Wochen­endzuschläge gibt – was an Kosten auf Sie zukommt, sollte trans­parent an einer Stelle dargestellt sein.

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5 Kommentare Diskutieren Sie mit

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • jimbob24 am 26.06.2022 um 15:40 Uhr
    Nicht erbrachte Leistungen

    Ihr Hinweis im Artikel zu Videosprechstunden aus 07/22, das gelegentlich nicht erbrachte Leistungen abgerechnet werden, verwundert kaum. Als Privatversicherter und beihilfeberechtigter Beamter erhalte ich zunächst alle Rechnungen. Hinweise an die PKV und Beihilfe, dass zweifelsfrei nicht erbrachte Leistungen in Rechnung gestellt wurden, interessieren dort nicht. Lieber wird gezahlt, als sich Ärger einzuhandeln. Was man dann selber gegenüber dem Arzt bereit ist zu zahlen interessiert dort nicht.

  • informiert am 26.11.2020 um 11:46 Uhr
    Datenschutz Gesundheitsdaten

    Liebe Redaktion,
    würden Sie bitte zusätzlich Aspekte zum Datenschutz bewerten? Gerade die Gesundheitsinformationen sind sehr sensibel, und können schlecht geschützt z.B. bei Erbkrankheiten negative Folgen auch für weitere Menschen haben.
    Danke.

  • Andreas-Schmied am 03.07.2020 um 11:57 Uhr
    Nix kostenlos

    Im Beitrag S. 83 aus Heft 7/20 (den ich online nicht finde, deshalb kommentiere ich hier) heißt es Kry und Zava seien für Privatpatienten meist kostenlos. Das ist eine sehr fragwürdige Aussage. Gemeint ist wahrscheinlich, dass die Online-Sprechstunden eine erstattungsfähige Versicherungsleistung sind, oder? So kann man es ja auch diesem Online-Artikel hier entnehmen. Für eine Redaktion aus Finanz- und Versicherungsexperten finde ich auch die Aussage "für Kassenpatienten kostenlos" sehr fragwürdig. Eine bezahlte Versicherungsleistung ist nicht kosternlos.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 04.05.2020 um 15:31 Uhr
    Bitte versuchen Sie es noch einmal

    @dadax: Gerade eben hat der Link funktioniert. Versuchen Sie es bitte noch einmal.
    Bitte versuchen Sie den Aufruf des Links einmal mit dem Chrome oder Firefox-Browser*, wenn Sie einen anderen Browser nutzen. Das Problem, des Aufrufes des Links über Edge haben wir gefixt. * (maa)

    *ergänzt am 29.5.2020

  • dadax am 04.05.2020 um 14:43 Uhr
    Toter Link

    Der Link https://www.minxli.com/ führt ins Nichts.