
Der letzte Infekt kam dreimal zurück oder der Rücken macht schlapp? Die Kinder sind außer Rand und Band und die Beziehung zum Partner kriselt? Dann ist es vielleicht Zeit für eine Kur für Mütter oder Väter. Die können gesetzlich Versicherte bei ihrer Krankenkasse beantragen. Damit sollten sie nicht erst warten, bis alle Stricke reißen. Hilfeholen tut gut. Und Kuren können den Blick auf den Alltag verändern und nachhaltig stärken. Wir erklären, wie Sie in sieben Schritten zu Ihrer Kur kommen.
Wenn nichts mehr geht ...

Innige Momente. Seit Yvonne Schulz von der Mutter-Kind-Kur zurück ist, kann sie die Zeit mit ihren Töchtern wieder genießen.
Dreimal bekam Yvonne Schulz von ihrem Arzt die Unterlagen, um eine Kur zu beantragen. Dreimal begann sie mit dem Ausfüllen. Dreimal kapitulierte sie. Die Fragen allein zu beantworten, schaffte sie damals nicht, „weil eh schon nichts mehr ging“. Ein ums andere Mal landeten die Papiere im Müll. Die zweifache Mutter machte einfach weiter wie bisher. Schulz ignorierte Rücken- und Nackenschmerzen, nächtliches Zähneknirschen, ihr Asthma, ja sogar einen Hörsturz.
... dann ist die Zeit reif für eine Kur
Erst als sie schon morgens beim Zähneputzen im Bad weinte, konnte sie die Alarmsignale nicht länger beiseiteschieben. „Mir war klar: Wenn ich keine Hilfe bekomme, wird der Alltag nicht mehr funktionieren“, erzählt die Verkäuferin heute. Es war schwer für sie, sich das einzugestehen. Anne Schilling kennt dieses Phänomen. Die Geschäftsführerin des Müttergenesungswerks (MGW) weiß: „Von außen sieht oft alles perfekt aus. Dabei können die Frauen eigentlich nicht mehr.“ Spätestens dann ist die Zeit reif für eine Kur.
Krankenkassen zahlen für die Kur
Unter dem Dach des Müttergenesungswerks arbeiten 76 anerkannte gemeinnützige Kurkliniken, hinzu kommen noch zahlreiche private Angebote, zum Beispiel über die „Arbeitsgemeinschaft Eltern & Kind Kliniken“. Der Bedarf ist groß: Jedes Jahr machen rund 100 000 Mütter und Väter eine vom Arzt verordnete Pause vom Alltag. 2015 waren es allein in den MGW-Kliniken 49 000 Frauen und 1 500 Männer.
Drei Wochen Auszeit
Mutter-Kind-Kuren, Vater-Kind-Kuren sowie reine Mütter- und Väterkuren sind Pflichtleistungen der Krankenkassen. Jeder gesetzlich Versicherte, der Kinder erzieht, hat Anspruch auf drei Wochen Auszeit in der Klinik, wenn er die medizinischen Voraussetzungen erfüllt. Die Bandbreite reicht von Erschöpfungssymptomen über Kopf- und Rückenschmerzen bis zu psychischen Problemen. Die Kosten tragen die Kassen, auch für mitreisende Kinder. Erwachsene zahlen pro Tag nur einen Eigenanteil von 10 Euro.
Wichtig: Private Versicherungen übernehmen die Kosten nur, wenn Kuren vom Vertrag umfasst sind.
Erst zur Beratung ...
Um schnell zu ihrem Recht zu kommen, sollten überforderte Eltern sich helfen lassen. Das tat auch Yvonne Schulz. Nach den missglückten Versuchen der Vergangenheit wandte sie sich an eine Beratungsstelle im MGW. Dort hörte sie endlich die Frage, auf die sie so lange gewartet hatte: „Wie können wir Ihnen helfen?“ Nachdem sie eine Viertelstunde geweint und die Beraterin sie mit Taschentüchern versorgt hatte, besprachen die beiden Frauen, was zu tun sei.
... dann zum Arzt
Ihr nächster Weg führte die damals 39-Jährige zu einem Arzt, der sie nicht mit Formularen abspeiste, sondern ihr das notwendige Attest ausstellte. Ihre Symptome waren typisch für eine Kur-Kandidatin: 87 Prozent der Mütter, die 2015 an einer Kurmaßnahme im MGW teilnahmen, litten an Erschöpfung bis hin zum Burn-out.
Die Gesamtsituation zählt
Die Krankenkasse prüft nicht nur den Gesundheitszustand des Antragstellers. Ärzte sollten im Attest daher genau die Belastungen beschreiben, mit denen der Patient im Alltag zu kämpfen hat: etwa mit dem Spagat zwischen Arbeit und Erziehung, oder dem Druck, der auf Alleinerziehenden lastet, weil sie allein für die Familie verantwortlich sind. Auch Beziehungsprobleme oder ein Todesfall in der Familie sind gute Gründe für Erholung und Unterstützung in einer Kurklinik.
Die Kinder im Schlepptau
Als die Krankenkasse ihre Kur bewilligte, war Yvonne Schulz „einfach nur froh“– vor allem, weil ihre Töchter Martha und Louisa mit nach Sylt fahren durften. Die Mädchen waren damals 8 und 12 Jahre alt. Kinder können ihre Eltern zur Kur begleiten, wenn sich zu Hause niemand um sie kümmern kann. Sie müssen keine Gesundheitsprobleme haben. Ist dies doch der Fall, können auch sie vor Ort behandelt werden. Für die Dauer der Kur beurlauben Schulen die Kinder. Damit keine Lücken entstehen, erhalten sie in der Klinik schulbegleitenden Unterricht. Marthas Lehrerin hatte der Drittklässlerin extra Arbeitsbögen mitgegeben.
Altersgemäßes Freizeitprogramm
Überhaupt ist für die Kinder gut gesorgt: Während die Eltern ihre Therapieangebote wahrnehmen, gibt es für den Nachwuchs ein altersgemäßes Freizeitprogramm. Martha und Louisa etwa lernten Bogenschießen und unternahmen Ausflüge in die Umgebung, während ihre Mutter Yoga und Massagen genoss.
Als Mann keine Ausnahme

Zeit zu zweit. Auch zwei Jahre nach der Kur sprechen Sebastian Blottner und Ylva noch von ihrer Auszeit.
Auch Sebastian Blottners Tochter Ylva besuchte eine Kinderbetreuung, während bei ihrem Vater Physiotherapie und Sport auf dem Programm standen. Die Rückenprobleme, die der damals 37-Jährige während seiner Kur im Herbst 2014 anpackte, waren jedoch nicht der Hauptgrund für den Aufenthalt in der Klinik. Ylvas Mutter war ein halbes Jahr zuvor gestorben. Blottner brauchte Zeit, die er mit seiner Tochter allein verbringen konnte. „Ohne Schule, ohne Arbeit und ohne die zahlreichen Termine, die den Alltag ausmachen“, sagt er.
Väter bekommen eigens auf sie zugeschnittene Therapien
Blottner entschied sich für eine eher kleine Kurklinik im Schwarzwald, die fast zu gleichen Teilen von Männern und Frauen besucht war. Dank dieser Mischung fühlte sich der Journalist nicht als Exot allein unter Müttern. Das war kein Zufall. „Das Müttergenesungswerk hat das bis heute bundesweit einzige Qualitätsprofil für Vater-Kind-Maßnahmen entwickelt. Väter werden nur als Gruppe aufgenommen und erhalten eigene väterspezifische Therapien“, sagt Anne Schilling. „Sie sollen die Möglichkeit haben, sich mit anderen Vätern auszutauschen.“
Nach der Kur ist vor der Kur
Die Kur übertraf Sebastian Blottners Erwartungen. „Die Zeit war für uns wichtig und für Ylva wichtig“, sagt er heute. Auch sie hat den Aufenthalt im Schwarzwald in guter Erinnerung und spricht noch oft davon. Mittlerweile hat der Alltagsstress sowohl Sebastian Blottner als auch Yvonne Schulz wieder eingeholt. Im Leben mit Kindern und Arbeit stehen eben immer wieder neue Belastungsproben an.
Auszeit alle vier Jahre möglich
Wenn es mal wieder ganz dicke kommt, wissen sie jetzt, was zu tun ist: Vier Jahre nach ihrer Rückkehr können sie erneut eine Auszeit beantragen, um aufzutanken, wenn die Kräfte schwinden.
Tipp: Weitere Rechtstipps für Familien können Sie im Familien-Set lesen. Es hat 160 Seiten und kostet 12,90 Euro.