Es zeichnet sich ab: Die Prozessfinanzierung wird "Anwalts Liebling". Peter Ströbel gehört allerdings nicht zu den Fans der neuen Geschäftsidee. Finanztest sprach mit dem Präsidenten der Rechtsanwaltskammer Stuttgart.
Die Prozessfinanzierer wollen eine „Lücke im Rechtsschutz“ stopfen. Gibt es diese Lücke?
Ströbel: Nein, der Rechtsstaat gewährt über die Prozesskostenhilfeausreichenden Rechtsschutz. Die Prozessfinanzierer minimieren zwar Risiken, aber das System funktioniert auch ohne solche Firmen.
So können sich aber auch Bürgerwehren, die auf keinen Fall Kostenhaben wollen.
Ströbel: Das mag sein, das Prinzip der Prozessfinanzierung ist in sich auch nicht zu beanstanden. Allerdings habe ich Bedenken. Bereits jetzt wird von einer „Prozessflut“ gesprochen, die die Gerichte nur schwer bewältigen können und die nun sicherlich anwachsen wird. Daneben gefällt mir der Gedanke nicht, dass das Recht Einzelner und damit die Gerechtigkeit zur Ware wird, mit der andere aus rein kapitalistischen Gründen Geschäfte machen. Und es darf nicht vergessen werden: Wird der Prozess gewonnen, muss der Kläger in der Regel die Hälfte vom Gewinn abgeben.
Das kann ein fairer Preis sein, wenn er ohne Unterstützung gar nichts bekommen hätte.
Ströbel: Richtig. Allerdings wäre es traurig, wenn die jetzt auf keimende Diskussion über die Prozessfinanzierung den Blick auf andere sinnvolle Streitschlichtungsmöglichkeiten verstellen würde. So bietet sich für viele Fälle die außergerichtliche Mediation an, was allerdings noch nicht so wahrgenommen wird. Es sollte in Zukunft mehr um Prozessvermeidung und gütliche Einigung gehen als um das „Recht um jeden Preis“.
Muss ein Anwalt auf die Möglichkeit einer Prozessfinanzierung hinweisen?
Ströbel: Nein, das dürfte in der Praxis problematisch werden. Der Anwalt würde sehr schnell in den Verdacht geraten, er dränge seinem Mandanten einen Prozess auf. Angesichts der unübersichtlichen Markt-situation wird es auch sehr schwierig sein, wirklich fundierte Empfehlungen zu geben. Es kann sicher nicht Sache des Anwalts sein, den Finanzierer zu wählen.
Die Wahl ist doch häufig schon klar: Rund 2 500 Anwälte scheinen Aktien des Prozessfinanzierers Foris AG erworben zu haben.
Ströbel: Hier sollten Mandantenhellhörig werden. Wer einen Prozessfinanzierer empfohlen bekommt, sollte den Anwalt fragen, ob er Aktien des Unternehmens hält. Es ist nicht auszuschließen, dass der Anwalt „seinem“ Finanzierer aussichtsreiche Fälle zuspielen will, die vielleicht auch anders als mit einem Rechtsstreit vernünftig gelöst werden könnten.
Wie kann man sicherstellen, dass man an einen seriösen Prozessfinanzierer gerät? Helfen hier die Rechtsanwaltskammern auf Anfrage weiter?
Ströbel: Vorerst wird man da noch keine Auskünfte erhalten, die Kammern haben keine Kompetenzen, die Unternehmen zu überprüfen. Hier sind die Verbraucherschützer gefragt. So sehe ich Probleme bei den Verträgen, die die Finanzierer anbieten: 13 Seiten Kleingedrucktes sind keine Seltenheit. Hier muss darauf gedrängt werden, dass dem Mandanten allgemein verständliche Vertragsunterlagen angeboten werden.
-
- Rechtsschutz im Test: 90 Rechtsschutzversicherungen sind in unserem Vergleich. Mit einer guten Police können Sie ohne Angst vor Anwaltskosten um Ihr Recht kämpfen.
-
- Das Online-Portal Conny bietet Kunden an, für sie auf die Mietpreisbremse zu treten – ohne Kostenrisiko. Inzwischen hat Conny Konkurrenz bekommen und die Preise geändert.
-
- Onlineverkäufer verletzen das Markenrecht eines anderen oft aus Versehen. Dennoch müssen sie dafür hohe Geldsummen zahlen. Was Abgemahnte tun sollten.
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.