PWB Rechts­anwälte Prozess gegen Anleger­anwälte geplatzt

PWB Rechts­anwälte - Prozess gegen Anleger­anwälte geplatzt

Straf­prozess. Die angeklagten Rechts­anwälte mit Verteidigern zum Prozess­auftakt am 9. April 2024 im Land­gericht Mühl­hausen (Thüringen). © picture alliance / dpa / Martin Schutt

Der Straf­prozess gegen zwei Anleger­anwälte in Mühl­hausen wird neu aufgerollt. Sie sollen Anleger in aussichts­lose Verfahren getrieben und damit betrogen haben.

Der Straf­prozess gegen die beiden Anleger­anwälte Philipp Wolfgang B. und Matthias K. muss neu aufgerollt werden. Das hat die 9. Strafkammer des Land­gerichts Mühl­hausen am 3. April 2025 beschlossen. Ein Gerichts­sprecher teilte mit, man habe fest­gestellt, dass die Kammer nach dem Ausscheiden eines Schöffen nicht mehr vorschrifts­mäßig besetzt war. Die Haupt­verhand­lung beginnt daher zu einem späteren Zeit­punkt von Neuem.

Die Vorwürfe der Staats­anwalt­schaft haben es in sich: Sie lauten auf gewerbs­mäßigen Betrug in Tateinheit mit verbotener Werbung. Seit dem 9. April 2024 lief der Prozess, 43 Verhand­lungs­tage fanden bereits statt. Anfangs gab es noch drei weitere Angeklagte, Chris G., Sascha G. und Jörg S. Die fünf Rechts­anwälte sollen Anle­gerinnen und Anleger, die mit verschiedenen Anlagemodellen Geld verloren hatten, in wenig aussichts­reiche Verfahren getrieben haben. Es geht um knapp 5 500 Fälle mit fast 4 Millionen Euro Schaden, wie der MDR berichtete. Eine zweite Anklage dreht sich um Verstöße gegen das Daten­schutz­gesetz.

Zulassung widerrufen, drei Mal Einstellung gegen Geld­auflage

Gegen drei der Angeklagten hat die 9. Strafkammer des Land­gerichts Mühl­hausen das Verfahren nach Zahlung einer Geld­auflage endgültig einge­stellt. Ein 50-jähriger Rechts­anwalt, der als freier Mitarbeiter für die Jenaer Kanzlei gearbeitet haben soll, musste 50 000 Euro zahlen. Bei einem 48-Jährigen seien es 28 310 Euro gewesen. Die Summe umfasste den Gewinn, den er aus den Taten in der Anklage erzielt haben könnte, und Beträge für gemeinnützige Einrichtungen. Eine Rechts­anwältin musste 27 500 Euro zahlen. Sie soll eine Güte­stelle betrieben und sich so an betrügerischen Hand­lungen zum Nachteil von Mandanten der Jenaer Rechts­anwalts­kanzlei beteiligt haben.

Die Rechts­anwalts­kammer Thüringen hat zudem im März 2025 gegen­über Stiftung Warentest bestätigt, Philipp Wolfgang B. die Zulassung als Rechts­anwalt entzogen zu haben. Eine letzt­instanzliche gericht­liche Entscheidung habe den Widerruf bestätigt und sei ihr am 4. März 2025 zugestellt worden.

Angeklagter wies die Vorwürfe zurück

Die fünf Angeklagten arbeiteten für die Kanzlei PWB Rechts­anwälte aus Jena oder arbeiteten mit ihr zusammen. Stiftung Warentest hatte mehr­fach über die Kanzlei berichtet. Weitere Personen aus der Kanzlei sind nicht betroffen. Am ersten Prozess­tag hatten die Angeklagten erfolg­los beantragt, das Verfahren wegen Verjährung zu beenden. Zuvor hatte der Haupt­angeklagte, Philipp Wolfgang B., die Vorwürfe gegen­über Stiftung Warentest mehr­fach zurück­gewiesen.

Vorwurf: Anleger in wenig aussichts­reiche Verfahren getrieben

In der Ankla­geschrift warf die Staats­anwalt­schaft zum Prozess­auftakt den vier Männern und einer Frau vor, zwischen 2012 und 2016 geschädigte Kapital­anleger unter Vorspiegelung falscher Tatsachen dazu gebracht zu haben, kosten­pflichtige Mandats­verhält­nisse einzugehen, obwohl die Erfolgs­aussichten geringer als behauptet gewesen sein sollen.

Ziel sei gewesen, Einnahmen für die Rechts­anwalts­kanzlei PWB Rechts­anwälte aus Jena zu generieren. Dazu hätten sie unter anderem Anleger­schutz­ver­eine genutzt und Klagen oder Güte­verfahren angeregt, unter anderem gegen die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht oder das Bundes­finanz­ministerium.

Akquise über Anleger­ver­eine und eigene Aktivitäten

Geschädigte Kapital­anleger seien unter anderem über den Verein Deutscher Verbraucher­schutz­ring aus Erfurt mit der Kanzlei in Kontakt gekommen. Zudem habe die Kanzlei Geschädigte ange­schrieben und in markigen Worten um Mandanten geworben. Für diese seien unter anderem Güte­verfahren einge­leitet worden. Eine Güte­stelle sei aus dem Kreis der Angeklagten betrieben worden.

Den fünf Angeklagten warfen die Ermittler vor, gemeinschaftlich gewerbs­mäßig betrogen zu haben. In alle Fälle soll der Haupt­angeklagte Philipp Wolfgang B. verwickelt gewesen sein. Bei den anderen Angeklagten reichte die Fall­zahl der Staats­anwälte von mehreren Hundert bis etwa 3 600.

Über Akten­einsicht an Adressen Geschädigter gekommen

Bei der zweiten Anklage zu den Daten­schutz­verstößen soll die Kanzlei über eine miss­bräuchliche Akten­einsicht an Adressen von 55 000 Geschädigten der Future Business KG aus Dresden gekommen sein.

Wegen Gebühren­über­höhung verurteilt

Die Stiftung Warentest hatte mehr­fach über die Kanzlei PWB Rechts­anwälte berichtet. Sie stand seit 2016 auf der Warn­liste Geld­anlage der Stiftung Warentest. Bei einer Razzia 2017 stellten Ermittler Dokumente sicher. Das Amts­gericht Jena verurteilte Rechts­anwalt B. 2021 wegen Gebühren­über­höhung in 79 Fällen – davon 58 Versuche – zu einer Geld­strafe mit Vorbehalt. Im Januar 2022 erhob dann die Staats­anwalt­schaft Gera Anklage gegen ihn und die vier weiteren Anwälte, über die in Mühl­hausen verhandelt wurde. Die Urteils­verkündung gegen die beiden verbliebenen Angeklagten war für Anfang Juni 2025 geplant gewesen. Nun muss die Haupt­verhand­lung gegen sie neu beginnen.

Hinweis zur Warn­liste Geld­anlage der Stiftung Warentest

Die Warnliste Geldanlage listet alle Unternehmen, Geld­anlage­angebote und Dienst­leistungen der vergangenen zwei Jahre auf, die die Stiftung Warentest negativ bewertet hat. Sie lässt sich kostenlos im Format PDF herunter­laden. Sie umfasst mehrere Seiten und wird in der Regel einmal im Monat aktualisiert. Wenn zwei Jahre vergangen sind, werden Einträge gelöscht, wenn in der Zwischen­zeit nicht erneut negativ berichtet wurde. Einträge, die älter als zwei Jahre sind und ohne Folgebe­richt­erstattung blieben, sind ab dann nicht mehr auf der aktuellen Warn­liste zu finden.

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