Mutmacherin für Familien­politik Besseren Mutter­schutz nach Fehl­geburt durch­gesetzt

Datum:
  • Text: Kirsten Schiekiera
  • Faktencheck: Dr. Claudia Behrens
Mutmacherin für Familien­politik - Besseren Mutter­schutz nach Fehl­geburt durch­gesetzt

Erfolg­reich. Die Auto­rin Natascha Sagorski setzt sich mit ihrer Initiative „Familie sind alle“ für familien­politische Ziele ein. © Amelie Niederbuchner

Am 1. Juni 2025 trat eine Gesetzes­änderung in Kraft, die Natascha Sagorski angestoßen hat. Die Auto­rin aus Bayern kämpfte für besseren Mutter­schutz nach Fehl­geburten.

Alles fing mit Schmerzen an, mit Tränen – und einem schweren Verlust. Vor sechs Jahren erlebte Natascha Sagorski eine Fehl­geburt. „Es war eine Wunsch­schwangerschaft, alles war so, wie es sein sollte“, sagt die heute 40-Jährige. Doch bei einer Routine­unter­suchung konnte der Arzt keinen Herz­schlag des Babys mehr fest­stellen. Und so endete ihre erste Schwangerschaft am selben Tag in einem Münchener Kranken­haus. Dort folgte ein weiterer, kleiner, aber nach­haltiger Schock. Auf Natascha Sagorskis Bitte nach einer Krank­schreibung erklärte ihr eine Ärztin, dass sie am nächsten Tag wieder arbeiten könne. „Das war wirk­lich krass in dem Moment. Ich hatte Blutungen und meine Hormone waren im Ausnahme­zustand“, erinnert sie sich. „Und ich wusste genau, dass ich den Kunden­termin am nächsten Tag nicht schaffe.“ Auch ihre gynäkologische Praxis wollte keine Arbeits­unfähigkeits­bescheinigung ausstellen, erst der Haus­arzt schrieb sie krank.

Fehl­geburten – noch immer ein Tabu­thema

Natascha Sagorski, die heute mit Mann und zwei Kindern nahe München lebt, hat dafür gekämpft, dass Frauen nach Fehl­geburten Anspruch auf Regeneration haben. Seit dem 1. Juni 2025 stehen ihnen – je nachdem, wie weit die Schwangerschaft fort­geschritten war – bis zu acht Wochen Mutter­schutz zu. In der Zeit müssen Frauen nicht arbeiten, sie erhalten weiterhin Gehalt und stehen unter besonderem Kündigungs­schutz. Bislang griff die Mutter­schutz­regelung erst nach der 24. Schwanger­schafts­woche – einem Zeit­punkt, zu dem Ungeborene als potenziell lebens­fähig gelten. „Genaue Statistiken zu Fehl­geburten gibt es nicht. Man schätzt, dass jede dritte Frau im Lauf ihres Lebens betroffen ist“, sagt Natascha Sagorski. „Es ist ein Tabu­thema. Frauen beschweren sich nicht, werden nicht laut.“

Erst ein Buch, dann das politische Engagement

Natascha Sagorski erzählt, dass auch sie zunächst vor allem mit sich selbst und ihrem Verlust beschäftigt gewesen sei: „Die politische Dimension habe ich damals nicht gesehen.“ Zu diesem Zeit­punkt hatte die Auto­rin bereits mehrere Bücher veröffent­licht. Da sie keine passende Lektüre zum Thema Fehl­geburten fand, beschloss sie, selbst ein Buch zu schreiben. „Jede 3. Frau: 25 Frauen erzählen von ihren Schwangerschaften ohne Happy End – und wie sie danach trotzdem ihren Weg gefunden haben“ erschien im Februar 2022.

Für gestaffelten Mutter­schutz

In Gesprächen, die sie damals mit Betroffenen, Heb­ammen, Trauer­begleite­rinnen und Ärztinnen führte, hörte sie immer wieder, dass Krank­schreibungen nach Fehl­geburten nicht selbst­verständlich sind. „Wow, hier brodelt etwas unter der Oberfläche“, habe sie damals gedacht. Bei weiteren Recherchen stieß sie auf das Konzept, Mutter­schutz nach einer Fehl­geburt zu staffeln: „Das kam mir logisch vor.“

Um den gestaffelten Mutter­schutz gesetzlich zu verankern, sprach Natascha Sagorski mit Politikerinnen, Ärztinnen und anderen Fachleuten. Sie startete eine Petition und zog vors Bundes­verfassungs­gericht. Das lehnte ihre Klage zwar ab, befand aber, dass der Gesetz­geber den Begriff „Entbindung“ nicht ausreichend konkretisiert habe. Eine Neuinterpretation an dieser Stelle sei möglich.

In dieser Zeit gründete Natascha Sagorski zudem die politische Initiative „Familie sind alle“, die Familien­themen voran­treiben möchte.

Neuregelung findet Mehr­heit im Bundes­tag

Im Januar 2025 gab der Bundes­tag sein Ja zur Neuregelung des Mutter­schutzes, im Februar passierte das neue Gesetz den Bundes­rat: Ab der 13. Schwanger­schafts­woche gibt es nun nach Fehl­geburten Anspruch auf Mutter­schutz. Natascha Sagorski, die ihr Kind in der 10. Woche verlor, hätte streng genommen nicht von der Änderung profitiert. „Ich habe mir eine Regelung gewünscht, die bereits nach der sechsten Woche greift, doch das war nicht durch­zusetzen“, sagt sie. „Für mich ist es dennoch ein riesiger politischer Erfolg, der mich wahn­sinnig glück­lich macht.“

Ihre Chance

Neue Rechts­lage. Angestellten steht seit dem 1. Juni 2025 nach einer Fehl­geburt ein gestaffelter Mutter­schutz zu: ab der 13. Woche bis zu zwei Wochen, ab der 17. Woche bis zu sechs Wochen, ab der 20. Woche sind es bis zu acht Wochen. Um in den Mutter­schutz gehen zu können, müssen sie dem Arbeit­geber und der Krankenkasse eine Bescheinigung von Arzt oder Klinik vorlegen. Eine Krank­schreibung ist nicht mehr nötig. Wenn Betroffene arbeiten möchten, darf ihr Arbeit­geber sie auf ihr ausdrück­liches Verlangen hin beschäftigen.

Engagement. Sie ärgern sich über Miss­stände? Wenn Sie eine Petition starten, haben Sie die Möglich­keit, etwas zu ändern und Gleichge­sinnte kennen­zulernen.

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