Der Chemiekonzern BASF hat wochenlang einen mit Schadstoffen belasteten Rohstoff für Schaumstoffmatratzen produziert. Dieser Rohstoff (Toluoldiisocyanat) dient als Ausgangsmaterial für Schaumstoffe. Er könnte mittlerweile in Matratzen und Sitzpolstern verarbeitet worden seien. Inzwischen hat das Bundesinstitut für Risikobewertung eine erste Einschätzung der Gesundheitsrisiken veröffentlicht.
2 500 Tonnen belasteter Schaumstoff im Umlauf
Toluoldiisocyanat (TDI) ist ein wichtiger Ausgangsstoff, unter anderem für Schaummatratzen und Sitzpolster. Vom 25. August bis 29. September 2017 produzierte BASF in Ludwigshafen aufgrund eines Produktionsfehlers mit Dichlorbenzol verunreinigtes TDI. 7 500 Tonnen dieser Substanz lieferte BASF aus, an 50 Kunden. Ein Drittel davon sind laut BASF bereits von ihren Kunden verarbeitet worden, also 2 500 Tonnen. BASF und seine Direktkunden arbeiten nun daran, jene Produkte ausfindig zu machen, in denen die Substanz verarbeitet worden ist.
Der Matratzenverband beschwichtigt
Dichlorbenzol kann Haut, Atemwege und Augen reizen und steht unter dem Verdacht, Krebs zu verursachen. Der Fachverband Matratzen-Industrie e.V. beschwichtigt. Zwar verbleibe das Dichlorbenzol (kurz DCB) im fertigen Schaum. Doch pauschale Aussagen über allgemeingefährliche Matratzen seien unhaltbar. Der Matratzenverband begründet das folgendermaßen: „Wenn man davon ausgeht, dass es mindestens eine Woche dauert, bis aus einem Schaumblock eine Matratze entstanden ist, die in den Handel gelangt, hat sich der DCB-Wert nach Information der BASF auf 10 Prozent der ursprünglichen Belastung reduziert.“
Das sagt BASF
BASF selbst hat nach eigener Auskunft aus Messungen im belasteten Schaumstoff eine Raumluftbelastung errechnet. Diese errechnete Belastung liege „deutlich“ unter dem gesetzlichen DCB-Grenzwert an Arbeitsplätzen von 1ppm für die Dichlorbenzol-Variante 1,4-DCB. Ppm (englisch – „Parts per million“) bezeichnet die Zahl der Schadstoffteilchen pro eine Million Teilchen Luft. Gegenüber der Stiftung Warentest nannte ein Vertreter der BASF für ein Worst-Case-Szenario (kein Luftaustausch im Raum, der Schadstoff entweicht vollständig in der ersten Nacht) eine Belastung von 0,3 ppm. Für eine übliche Schlafraumkonstellation mit einer hoch belasteten Matratze ergebe sich laut BASF-Messungen eine DCB-Konzentration in der Raumluft von etwa 0,02ppm.
Was dieses „deutlich“ unter dem Referenzwert im Detail für die Gesundheit bedeutet, lässt sich schlecht abschätzen. Die Grenzwerte für Arbeitsplätze, auch MAK-Werte genannt, lassen sich nicht eins zu eins auf private Haushalte übertragen. Wenn überhaupt ein Grenzwert für private Räume festgelegt ist, dann in aller Regel weit unter dem Wert für Arbeitsplätze. Würde beispielsweise eine Matratze in einem Test der Stiftung Warentest die Raumluft mit 1 ppm belasten, bekäme sie die Note Mangelhaft. Die Experten der Stiftung Warentest bezweifeln darüber hinaus, dass in der Produktion von Matratzen die Schaumstoffe in der Regel so gelagert werden, dass sie über eine ganze Woche auslüften können.
Bundesinstitut: kein gesundheitliches Risiko
Am 20. Oktober teilte das Bundesinstitut für Risikoforschung (BfR) seine „Vorläufige Einschätzung möglicher Dichlorbenzolemissionen aus Matratzen“ mit. Das BfR weist ausdrücklich darauf hin, dass für die vorliegende “erste konservative Einschätzung“ die vom Hersteller zur Verfügung gestellten Messergebnisse zugrunde gelegt wurden. Die entsprechenden Prüf- beziehungsweise Messprotokolle lägen dem BfR nicht vor, die Validität der analytischen Daten könne daher durch das BfR nicht überprüft werden. Auf dieser Basis kommt das BfR zur Einschätzung, „dass kein gesundheitliches Risiko für Verbraucherinnen und Verbraucher, die mit den belasteten Matratzen in Kontakt kamen, zu erwarten ist.“ Das Bundesinstitut nennt unter anderem folgende Herstellerangaben (www.bfr.bund.de): Bei der Herstellung von TDI kam es zu einer Belastung mit Dichlorbenzolen (DCB). „Dabei handelt es sich um ein 1:1-Gemisch aus 1,2-DCB und 1,4-DCB. Durch die Kontamination kam es laut Herstellerangaben zu einem Maximalgehalt von 500 ppm Dichlorbenzol. Normalerweise liegen die DCB-Gehalte im TDI-Vorprodukt laut Hersteller unter 3 ppm.“
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Stiftung Warentest testet regelmäßig auf Schadstoffe
Anbieter von Schaummatratzen und Sitzpolstern, die im fraglichen Zeitraum geschäumt wurden, müssen ihre Produkte nun auf Dichlorbenzol prüfen. Diese Untersuchungen dauern einige Tage. Auch die Stiftung Warentest fahndet in ihren Matratzentests standardmäßig nach Dichlorbenzol. Im aktuellen Test von Kaltschaummatratzen aus dem September 2017 fiel kein Produkt mit erhöhten Dichlorbenzolwerten auf. Die Matratzen hatten wir allerdings deutlich vor dem 25. August 2017 eingekauft.
Rückrufe und Lieferstopps
Rückruf Dunlopillo. Inzwischen hat Dunlopillo Matratzen zurückgerufen, die zwischen 26. September und 6. Oktober ausgeliefert wurden.
Rückruf und Produktionsstopp Recticel. Recticel hat Produktion und Auslieferung eingestellt. Das Unternehmen vertreibt Matratzen in Deutschland unter den Namen Schlaraffia, Sembella, Superba und Swissflex.
Rücknahme Ikea.* Auch Ikea bietet besorgten Kunden die Rücknahme an. Das gilt für die Latex-Matratzen Morgedal, Matrand, Myrbacka sowie Matratzen der Familie Hövag, Hafslo, Hyllestad. Matratzen, die seit dem 25. August 2017 erworben wurden, können unter Vorlage des Lieferscheins, der Rechnung oder des Kassenbons gegen Erstattung des Kaufpreises zurückgeben werden. Am 16.10.2017 hat Ikea test.de gegenüber mitgeteilt, dass die mit dem Schadstoff belasteten Matratzen nicht in Deutschland verkauft worden seien. Das Rücknahme-Angebot für besorgte Kunden gelte aber weiter.
Dänisches Bettenlager. Das Unternehmen teilt mit, dass es belastete Produkte aus dem Verkauf genommen habe. Es handle sich um bestimmte Matratzenmodelle, die im Zeitraum vom 13.09.2017 bzw. 17.09.2017 bis zum 12.10.2017 verkauft wurden: Schlaraffia Ergonomica (Verkaufszeitraum 13.09.2017 – 12.10.2017), Paradies Edition, Paradies Air, ErgoMaxx Blue Power, Breckle Classic Spring, Breckle Diamond Spring, ErgoMaxx Energie, Kindermatratze Schlaf-Gut, Breckle 5-Zonen Taschenfederkern, Zauberschlaf Melodie Taschenfederkern, Zauberschlaf Doppel-Taschenfederkern Noah, Zauberschlaf Juna (Verkaufszeitraum 17.09.2017 – 12.10.2017). Kunden, die im Zeitraum vom 13.09.2017 bzw. 17.09.2017 bis zum 12.10.2017 eine der angegebenen Matratzen erworben haben, können sie in jeder Filiale zurückgeben. Sie haben die Wahl zwischen einem Ersatzprodukt, Gutschein oder Rückerstattung des Kaufpreises.
Die Rechte von Matratzenkäufern
Verunsicherte Kunden, die bei anderen Anbietern womöglich belastete Matratzen gekauft haben, sollten die Matratze einstweilen nicht weiter verwenden und sich an den Händler wenden. Kann er den Verdacht nicht ausräumen, hat er eine neue Matratze zu liefern oder den Kaufpreis zu erstatten. Von welchem Zeitpunkt an gekaufte Matratzen möglicherweise mit zu viel Dichlorbenzol belastet sind, können wir nicht sagen. Ikea bietet die Rücknahme für schon ab 25. August verkaufte Matratzen an. Dunlopillo hingegen hat Matratzen zurückgerufen, die ab dem 26. September geliefert wurden.
Übrigens: Schon der begründete Verdacht, ein Produkt könne gesundheitsschädliche Stoffe enthalten, kann nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshof einen Mangel darstellen und Kundenrechte wie das Recht auf Nachlieferung oder das Rücktrittsrecht begründen. Details dazu in unserer Meldung zu Dioxin im Ei.
Diese Meldung ist am 12. Oktober 2017 auf test.de erschienen. Wir haben sie zuletzt am 23. Oktober 2017 aktualisiert.
* Korrektur. Ursprünglich hatten wir an dieser Stelle geschrieben, Ikea habe die Produkte zurückgerufen. Tatsächlich bietet Ikea nur eine Rücknahme an.
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- Der Matratzen-Test liefert Ergebnisse für mehr als 260 Schaumstoff-, Latex-, Federkern- und Boxspringmatratzen. So machen Sie beim Matratzenkauf alles richtig.
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- Immer wieder fallen Kindermatratzen im Test in der Sicherheitsprüfung durch. Die Unterlagen sollen gut abstützen, zu weiche Matratzen können für Babys gefährlich werden.
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- Die Stiftung Warentest prüfte Schaumstoffmatratzen auf federnden Lattenrosten der Matratzenanbieter. Die Kombis bringen selten Vorteile. Meist besser: Ein starrer Rost.
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Hallo,
welche Firmen sind davon denn betroffen?
Gibt es eine Liste oder ähnliches?
@CarMar: Die Irisette 7-Zonen-Tonnentaschenfederkernmatratze von Tchibo haben wir zuletzt 2012 untersucht. Zu der im August 2017 verkauften Irisette können wir keine Bewertung beisteuern. Sie werden verstehen, dass wir ausschließlich über die Produkte und Dienstleistungen, die wir geprüft haben, bewertende Auskunft geben können. Da die Irisette seit 2012 jedoch nicht Gegenstand eines Tests war, können wir keine produktbezogenen Informationen mitteilen. (Se)
Da ich letztes Jahr am 28. August 2017 eine neue Matratze (irisette® 7-Zonen-Tonnentaschenfederkernmatratze, 1.000er) bei Tschibo gekauft habe, möchte ich gerne wissen, ob diese Matratze belastet ist?
@Tom_1: Wie in unserer Meldung dargestellt, ist der Produktionsfehler im Zeitraum vom 25. August bis 29. September aufgetreten. Daher gehen wir davon aus, dass die Produktion zum früheren Zeitpunkt keine Belastung mit Dichlorbenzol hatte. In unseren Untersuchungen der Matratzen haben wir regelmäßig auch auf diesen Schadstoff geprüft und keine Funde festgestellt. Aber für Produkte, die wir nicht untersucht haben, können wir natürlich keine untersuchungsgestützte Einschätzung abgeben. (spl)
Liebe Experten der Stiftung Warentest,
ich habe letztes Jahr am 10. August 2017 eine neue matratze für meinen 3 jährigen sohn gekauft.
Kann man aufgrund des Kaufdatums mit sicherheit ausschließen, dass die matratze gesundheitsgefährdend belastet ist mit diesem verunreinigten BASF-Schaum?
Oder kann es sein, dass die produktion bei BASF auch schon zu einem früheren Zeitpunkt nicht geklappt hat und der matratzenschaum auch schon früher belastet war als im artikel angegeben?
Vielen Dank für eine kurze Info.
Tom