Gelangt Titandioxid in den Körper, schädigt es womöglich das Erbgut. Seit August ist es als Zusatzstoff in Lebensmitteln verboten. Was Sie darüber wissen sollten.
Titandioxid ist ein weißes Farbpigment, das für seine hohe Deck- und Leuchtkraft bekannt ist. Zum Teil sind die Partikel winzig klein und erreichen nur Nano-Größe. Eingesetzt wird Titandioxid bei der Herstellung von Lacken und Farben, Kunststoffen oder Papier. Aber auch in zahlreichen Lebensmitteln ist es als Zusatzstoff enthalten: Geschmacksneutral und geruchlos sorgt es dafür, dass etwa Backwaren, Suppen, Brotaufstriche oder Süßigkeiten wie Kaugummis und Dragees besonders appetitlich aussehen und glänzen.
Zudem wird es in Kosmetikprodukten verwendet, als Farbstoff in Zahnpasten und als Aufheller in Lippenstiften oder als UV-Filter in Sonnenschutzmitteln. Auch in Arzneimitteln, in Überzügen von Tabletten, findet sich Titandioxid häufig.
Warum steht Titandioxid in der Kritik?
Lange galt Titandioxid als unbedenklich und war in der EU als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen. Das hat sich geändert: Die Europäische Kommission hat ein Verbot für die Verwendung als Lebensmittelzusatzstoff erlassen – nach einer sechsmonatigen Übergangszeit ist es im August 2022 in Kraft treten.
Grund ist eine Neubewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) im Mai 2021: Dafür haben die Experten alle verfügbaren, relevanten wissenschaftlichen Erkenntnisse gesichtet – insgesamt fast 12 000 Publikationen. Am Ende waren es gut 200 Studien, die für die Neueinschätzung ausschlaggebend waren.
Warum wird Titandioxid verboten?
Es wird als Lebensmittelzusatzstoff nicht mehr als sicher angesehen, heißt es in der aktuellen Stellungnahme der Efsa. Die Wissenschaftler können nicht ausschließen, dass über die Nahrung aufgenommenes Titandioxid genotoxisch wirkt. Das bedeutet: Das Erbgut kann geschädigt werden, eventuell sogar Krebs entstehen. Eine akzeptable oder zulässige tägliche Aufnahmemenge von Titandioxid konnten die Experten nicht ableiten. Zwar gelangt Titandioxid über den Magen-Darm-Trakt nur in sehr geringem Umfang in den Körper, wird aber auch nur langsam wieder ausgeschieden und kann sich möglicherweise im Gewebe anreichern.
Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) weist in einer Stellungnahme im Dezember 2021 darauf hin, dass für eine abschließende Bewertung noch Wissenslücken bestehen. Bislang ist zum Beispiel unklar, in welchem Ausmaß und auf welche Weise Titandioxid das Erbgut schädigen kann.
Gelten die Bedenken auch für den Einsatz von Titandioxid in Kosmetikprodukten?
Die Einschätzung der Efsa bezieht sich allein auf Titandioxid in Lebensmitteln. Derzeit prüft der wissenschaftliche Ausschuss für Verbrauchersicherheit der EU (SCCS), ob die Neubewertung von Titandioxid in Lebensmitteln auch auf das Pigment in kosmetischen Mitteln übertragbar ist.
Für Kosmetika wissen wir derzeit: Über die Haut wird Titandioxid nicht aufgenommen – bei Sonnencremes etwa besteht kein Risiko. In Sprays ist Titandioxid verboten: Eingeatmet werden sollten die Partikel nicht – das könnte zu chronischen Entzündungen führen und möglicherweise die Bildung von Lungentumoren begünstigen. Kritisch könnte Titandioxid in Kosmetik sein, von denen Menschen immer etwas verschlucken: etwa Zahnpasten und Lippenpflegeprodukte.
Wie bewertet die Stiftung Warentest Titandioxid in Lebensmitteln und Kosmetikprodukten?
Die Neubewertung des Stoffes durch die Efsa berücksichtigen wir auch in unseren Untersuchungen: In unserem Lippenstift-Test, der kurz nach der Efsa-Veröffentlichung von uns bearbeitet wurde, haben wir auf die neue Datenlage reagiert und Titandioxid erstmals als Schadstoff eingestuft. Alle Lippenstifte im Test enthielten Titandioxid – das hat sich auch auf die Noten niedergeschlagen. Kein Lippenstift konnte im Urteil Kritische Stoffe besser als ausreichend sein.
Im jüngsten Zahnpasta-Test werteten wir alle Universalzahnpasten mit Titandioxid um eine Note ab. Wir raten aus Gründen des vorsorgenden Verbraucherschutzes zu Pasten ohne das Pigment. Für die Zahnpflege ist es unnötig.
Worauf kann ich achten, um möglichst wenig Titandioxid aufzunehmen oder es zu meiden?
Wer Lebensmittel und Kosmetika mit Titandioxid meiden möchte, sollte beim Einkauf genau hinsehen. In den Zutatenlisten von Lebensmitteln sollte der Zusatzstoff E 171 nicht enthalten sein – denn dahinter verbirgt sich Titandioxid.
Wer Lippenstifte oder Zahnpasta kauft, sollte die Liste der Inhaltsstoffe genau lesen: Sie muss entweder auf der Produktverpackung angegeben oder, bei besonders kleinen Kosmetikprodukten wie Lippenstiften, in einer Broschüre im Geschäft einsehbar sein. In Kosmetika steht die Angabe CI 77891 für Titandioxid. Häufig findet sich noch die englische Bezeichnung Titanium Dioxide.
- Im Lippenstift-Test der Stiftung Warentest: 17 Schönmacher in Rosenholztönen. Zwei fallen durch, darunter das teuerste Markenprodukt. Alle sind schadstoffbelastet.
- Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hat die Risiken für Bisphenol A neu bewertet – und schlägt nun einen deutlich strengeren Richtwert vor als früher.
- Natriumnitrit in Wurst, Zuckerkulör in Cola – muss das sein? Wir sagen, welche Zusatzstoffe sich hinter den E-Nummern verbergen, welche problematisch oder verboten sind.
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Stiftung_Warentest am 02.12.2022 um 10:56 Uhr
Titandioxid in Medikamenten
@SiBalein: Die Zulassungsbehörden für Medikamente befassen sich mit dem Thema. Die Sachlage bei Medikamenten im Vergleich zu Lebensmitteln stellt sich aber etwas anders dar: Aufgrund des strengeren Arzneimittelgesetzes sind weit geringere Mengen an Nanopartikeln beim verwendeten TiO2 enthalten. Somit bleibt vorerst der Zusatz bei Arzneimitteln erlaubt.
Wenn ich der Seite des Herstellers glauben darf, ist in der Elmex Kinderzahnpasta kein Titandioxid (CI 77891). Ich hoffe das stimmt. An dieser Stelle mal wieder ein DANKE. Ich weiss schon, warum ich seit Jahren ein Abo habe und auch immer haben werde.
Einzelne Hersteller scheinen ein Einsehen zu haben... Für Tromcardin wird neuerdings Eisenoxid anstatt Titandioxid verwendet, was die Tabletten gelb anstatt weiß färbt. Das finde ich sehr gut.
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@SiBalein: Die Zulassungsbehörden für Medikamente befassen sich mit dem Thema. Die Sachlage bei Medikamenten im Vergleich zu Lebensmitteln stellt sich aber etwas anders dar: Aufgrund des strengeren Arzneimittelgesetzes sind weit geringere Mengen an Nanopartikeln beim verwendeten TiO2 enthalten. Somit bleibt vorerst der Zusatz bei Arzneimitteln erlaubt.
Warum wird dieses wichtige Thema hier erst gar nicht thematisiert?
Wenn ich der Seite des Herstellers glauben darf, ist in der Elmex Kinderzahnpasta kein Titandioxid (CI 77891). Ich hoffe das stimmt.
An dieser Stelle mal wieder ein DANKE. Ich weiss schon, warum ich seit Jahren ein Abo habe und auch immer haben werde.
Kommentar vom Autor gelöscht.
Einzelne Hersteller scheinen ein Einsehen zu haben... Für Tromcardin wird neuerdings Eisenoxid anstatt Titandioxid verwendet, was die Tabletten gelb anstatt weiß färbt. Das finde ich sehr gut.