Gelangt Titandioxid in den Körper, schädigt es möglicherweise das Erbgut. Was Sie wissen sollten und wie die Stiftung Warentest zu Titandioxid steht, lesen Sie hier.
Titandioxid ist ein weißes Farbpigment, das für seine hohe Deck- und Leuchtkraft bekannt ist. Zum Teil sind die Partikel winzig klein und erreichen nur Nano-Größe. Eingesetzt wird Titandioxid bei der Herstellung von Lacken und Farben, Kunststoffen oder Papier. Aber auch in zahlreichen Lebensmitteln ist es als Zusatzstoff enthalten: Geschmacksneutral und geruchlos sorgt es dafür, dass etwa Backwaren, Suppen, Brotaufstriche oder Süßigkeiten wie Kaugummis und Dragees besonders appetitlich aussehen und glänzen.
Zudem wird es in Kosmetikprodukten verwendet, als Aufheller in Zahnpasten und Lippenstiften, oder auch als UV-Filter in Sonnenschutzmitteln. Auch in Arzneimitteln, in Überzügen von Tabletten, findet sich Titandioxid häufig.
Warum steht Titandioxid in der Kritik?
Lange galt Titandioxid als unbedenklich und war in der EU als Lebensmittelzusatzstoff zugelassen. Das hat sich geändert: Die Europäische Kommission hat ein Verbot für die Verwendung als Lebensmittelzusatzstoff erlassen – nach einer sechsmonatigen Übergangszeit wird es im Sommer 2022 in Kraft treten. Grund ist eine Neubewertung durch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) im Mai 2021: Dafür haben die Experten alle verfügbaren, relevanten wissenschaftlichen Erkenntnisse gesichtet – insgesamt fast 12 000 Publikationen. Am Ende waren es gut 200 Studien, die für die Neueinschätzung ausschlaggebend waren.
Warum wird Titandioxid verboten?
Es wird als Lebensmittelzusatzstoff nicht mehr als sicher angesehen, heißt es in der aktuellen Stellungnahme der Efsa. Die Wissenschaftler können nicht ausschließen, dass über die Nahrung aufgenommenes Titandioxid genotoxisch wirkt. Das bedeutet: Das Erbgut kann geschädigt werden, eventuell sogar Krebs entstehen. Eine akzeptable oder zulässige tägliche Aufnahmemenge von Titandioxid konnten die Experten nicht ableiten. Zwar gelangt Titandioxid über den Magen-Darm-Trakt nur in sehr geringem Umfang in den Körper, wird aber auch nur langsam wieder ausgeschieden und kann sich möglicherweise im Gewebe anreichern.
Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) weist in einer Stellungnahme im Dezember 2021 darauf hin, dass für eine abschließende Bewertung noch Wissenslücken bestehen. Bislang ist zum Beispiel unklar, in welchem Ausmaß und auf welche Weise Titandioxid das Erbgut schädigen kann.
Gelten die Bedenken auch für den Einsatz von Titandioxid in Kosmetikprodukten?
Nein, die Einschätzung der Efsa bezieht sich allein auf den Einsatz von Titandioxid in Lebensmitteln. Alle anderen Verwendungszwecke sind davon zunächst ausgenommen. Nach derzeitigem Kenntnisstand gilt: Über die Haut wird Titandioxid nicht aufgenommen, etwa bei der Verwendung von Sonnenschutzmitteln. In Kosmetika wie Sprays ist Titandioxid ohnehin verboten. Denn eingeatmet werden sollten die Partikel nicht – das könnte zu chronischen Entzündungen führen und möglicherweise die Bildung von Lungentumoren begünstigen.
Kritisch könnte auch der Einsatz in Zahnpasten und Lippenpflegeprodukten sein, von denen Menschen immer etwas verschlucken. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat bereits empfohlen, dass der wissenschaftliche Ausschuss für Verbrauchersicherheit der EU (SCCS) prüfen sollte, ob die Neubewertung von Titandioxid in Lebensmitteln auch auf den Kosmetikbereich übertragbar ist.
Wie bewertet die Stiftung Warentest Titandioxid in Lebensmitteln und Kosmetikprodukten?
Bisher haben wir Titandioxid in Lebensmitteln und Kosmetikprodukten, wie etwa Zahnpasta, nicht als kritisch bewertet. Wir sind dabei den Einschätzungen der Behörden und wissenschaftlicher Gremien gefolgt. Die Neubewertung des Stoffes durch die Efsa berücksichtigen wir nun aber auch in unseren Untersuchungen: In unserem Lippenstift-Test, der kurz nach der Efsa-Veröffentlichung von uns bearbeitet wurde, haben wir auf die neue Datenlage bereits reagiert und Titandioxid erstmals als Schadstoff eingestuft. Alle Lippenstifte im Test enthielten Titandioxid – das hat sich auch auf die Noten niedergeschlagen. Kein Lippenstift konnte im Urteil Kritische Stoffe besser als ausreichend sein.
Worauf kann ich achten, um möglichst wenig Titandioxid aufzunehmen oder es zu meiden?
Wer Lebensmittel und Kosmetika mit Titandioxid meiden möchte, sollte beim Einkauf genau hinsehen. In den Zutatenlisten von Lebensmitteln sollte der Zusatzstoff E 171 nicht enthalten sein – denn dahinter verbirgt sich Titandioxid. Wer Lippenstifte oder Zahnpasta kauft, sollte die Liste der Inhaltsstoffe genau lesen: Sie muss entweder auf der Produktverpackung angegeben oder, bei besonders kleinen Kosmetikprodukten wie Lippenstiften, in einer Broschüre im Geschäft einsehbar sein. In Kosmetika steht die Angabe CI 77891 für Titandioxid. Häufig findet sich noch die englische Bezeichnung Titanium Dioxide.
- Im Lippenstift-Test der Stiftung Warentest: 17 Schönmacher in Rosenholztönen. Zwei fallen durch, darunter das teuerste Markenprodukt. Alle sind schadstoffbelastet.
- Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit hat die Risiken für Bisphenol A neu bewertet – und schlägt nun einen deutlich strengeren Richtwert vor als früher.
- Natriumnitrit in Wurst, Zuckerkulör in Cola – muss das sein? Wir sagen, welche Zusatzstoffe sich hinter den E-Nummern verbergen, welche problematisch oder verboten sind.
Einzelne Hersteller scheinen ein Einsehen zu haben... Für Tromcardin wird neuerdings Eisenoxid anstatt Titandioxid verwendet, was die Tabletten gelb anstatt weiß färbt. Das finde ich sehr gut.
Selbst bei niedrigster Dosis empfinde ich es als schockierend, dass Titandioxid weiterhin in Arzneimitteln erlaubt bleibt. Vor allem, da es einzig dazu dient, die Produkte weiß zu färben.
@ MaPre: Danke für Ihr Lob: „weiter so!“ Die Zulassungsbehörden für Medikamente befassen sich mit dem Thema Titandioxid. Die Sachlage bei Medikamenten stellt sich aber etwas anders dar: Aufgrund des strengeren Arzneimittelgesetzes sind geringere Mengen an Nanopartikeln beim verwendeten TiO2 enthalten. Somit bleibt vorerst der Zusatz bei Arzneimitteln erlaubt. Auch wenn wir Ihre Bedenken nachvollziehen können, verbleiben betroffene Arzneimittel weiterhin und ohne Abwertung in unsere Datenbank „Medikamente im Test“. Sollten sich neue wissenschaftliche Erkenntnis ergeben, werden wir unsere Bewertung selbstverständlich anpassen.
Hallo test-Team, Ich vermisse eine Einschätzung für die Verwendung in Arzneimitteln (und eine Prognose, ob diese auch verboten wird). Oder soll die Leserin sich selbst denken, dass die orale (oder anderweitige) Aufnahme von Titandioxid in Medikamenten der gleichen Logik folgt, da keine Grenzwerte für die Aufnahmemenge festgelegt werden konnten? In dem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass - im Gegensatz zu den aktuellen Lippenstift-Tests - die (ebenfalls als aktuell gekennzeichneten) Arzneimittelbewertungen der StiWa die Verwendung von Titandioxid in die Bewertung der Eignung nicht einbezieht. Danke für weitere Infos dazu. Und ansonsten: weiter so! Beste Grüße
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Einzelne Hersteller scheinen ein Einsehen zu haben... Für Tromcardin wird neuerdings Eisenoxid anstatt Titandioxid verwendet, was die Tabletten gelb anstatt weiß färbt. Das finde ich sehr gut.
Selbst bei niedrigster Dosis empfinde ich es als schockierend, dass Titandioxid weiterhin in Arzneimitteln erlaubt bleibt. Vor allem, da es einzig dazu dient, die Produkte weiß zu färben.
@ MaPre: Danke für Ihr Lob: „weiter so!“
Die Zulassungsbehörden für Medikamente befassen sich mit dem Thema Titandioxid. Die Sachlage bei Medikamenten stellt sich aber etwas anders dar: Aufgrund des strengeren Arzneimittelgesetzes sind geringere Mengen an Nanopartikeln beim verwendeten TiO2 enthalten. Somit bleibt vorerst der Zusatz bei Arzneimitteln erlaubt. Auch wenn wir Ihre Bedenken nachvollziehen können, verbleiben betroffene Arzneimittel weiterhin und ohne Abwertung in unsere Datenbank „Medikamente im Test“. Sollten sich neue wissenschaftliche Erkenntnis ergeben, werden wir unsere Bewertung selbstverständlich anpassen.
Hallo test-Team,
Ich vermisse eine Einschätzung für die Verwendung in Arzneimitteln (und eine Prognose, ob diese auch verboten wird). Oder soll die Leserin sich selbst denken, dass die orale (oder anderweitige) Aufnahme von Titandioxid in Medikamenten der gleichen Logik folgt, da keine Grenzwerte für die Aufnahmemenge festgelegt werden konnten?
In dem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass - im Gegensatz zu den aktuellen Lippenstift-Tests - die (ebenfalls als aktuell gekennzeichneten) Arzneimittelbewertungen der StiWa die Verwendung von Titandioxid in die Bewertung der Eignung nicht einbezieht.
Danke für weitere Infos dazu. Und ansonsten: weiter so! Beste Grüße