
Leider riskant. Kinder sollten keinen rohen Teig schlecken – nicht nur wegen der Eier.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) rät Verbrauchern, zu Hause mit Mehl besonders hygienisch umzugehen und unerhitzte Teige wie Kuchen- und Keksteig nicht zu naschen. Der Hintergrund: Die amtliche Lebensmittelüberwachung hatte 2018 in Weizen-, Dinkel- und Roggenmehl „relativ häufig“ Keime nachgewiesen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass einige davon Krankheiten verursachen.
Lebensmittelkontrolleure fanden Keime in 15 Prozent der Proben
Die amtliche Lebensmittelüberwachung hat 2018 in 15 Prozent von Weizen-, Roggen- und Dinkelmehlproben kritische Keime nachgewiesen: 50 von 328 Proben waren positiv, teilt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) mit. Bei den hierzulande gefundenen Keimen handelt es sich um die Gruppe der Shigatoxin-bildenden Escherichia coli (Stec), die natürlicherweise im Darm von Wiederkäuern vorkommen. In den USA und Kanada hatten ganz bestimmte Stec in Mehl in den vergangenen Jahren Krankheitsausbrüche verursacht. Diese Keime heißen Enterohämorrhagische E. coli (Ehec).
Vorkommen von Ehec-Varianten in Mehl wahrscheinlich
Die Ehec können zum Beispiel Magen-Darm-Beschwerden mit Durchfall verursachen oder das hämolytisch-urämische Syndrom (Hus), das bei empfindlichen Menschen wie kleinen Kindern zum Beispiel zu Nierenversagen oder Blutgerinnungsstörungen führen kann. Die Keime, die die deutschen Überwachungsbehörden in den aktuell untersuchten Mehlproben und in früher analysierten Proben fanden, können mit verschiedenen Erkrankungen in Verbindung gebracht werden. Das BfR schließt daraus, „dass auch in Deutschland das Vorkommen von hochpathogenen Ehec-Varianten in Mehl wahrscheinlich ist“. Entsprechende Zusammenhänge seien eventuell nur noch nicht aufgedeckt worden.
Wild und Dünger können Keime ins Getreide bringen
Wenn Vertreter aus der vielfältigen Bakterienfamilie namens Escherichia coli (E. coli) in Lebensmitteln auftauchen, ist das normalerweise ein Hinweis auf Verunreinigungen mit Fäkalien. Das BfR hält es für wahrscheinlich, dass die Stec schon auf dem Acker ins Getreide eingetragen wurden. Das könne zum Beispiel durch Wild-Wiederkäuer wie Rehe und Hirsche, organischen Dünger oder bei der Bewässerung passiert sein. Wenn das Getreide dann in Mühlen zu Mehl gemahlen wird, könnten die Keime dort sowohl innerhalb einer Charge als auch von Charge zu Charge verteilt werden. Zu den Verarbeitungsschritten in der Mühle zählen das Reinigen des Getreides, das sogenannte Konditionieren – also das Benetzen des Korns mit Wasser, um die Verarbeitungseigenschaften zu verbessern – sowie das Mahlen und Verpacken.
Stec-Bakterien überleben auch widrige Umstände
Stec-Bakterien vermehren sich bei Temperaturen zwischen 8 und 45 Grad Celsius. Sie können aber problemlos Trockenheit und Minustemperaturen wochen- bis monatelang überleben. Bei Laborversuchen fiel auf, dass einige Stec-Stämme in getrockneten Lebensmitteln selbst bei Temperaturen von 70 Grad Celsius über fünf Stunden nicht abstarben. „Dieser Effekt ist auch beim Überleben in Mehl wahrscheinlich“, schlussfolgert das BfR. Die klassischen Hitzeregeln für Lebensmittel – also mindestens zwei Minuten im Kern bei 70 Grad erhitzen – gelten unter diesen Bedingungen nicht. Noch liegt laut BfR keine wissenschaftliche Studie vor, ab welcher Temperatur diese Stämme beim Backen im Ofen absterben.
Beruhigend: Backen nach gängigen Rezepten tötet Bakterien
Aber das BfR beruhigt: „Das Backen von Mehlprodukten nach gängigen Rezepten und Herstellervorgaben ist nach aktuellem Kenntnisstand geeignet, die Bakterien abzutöten“. Auch von Brötchen, die vor dem Verkauf mit etwas Mehl bestäubt werden, gehe keine Gefahr aus, erklärte das BfR auf Anfrage von test.de. Die Mehlmenge sei sehr gering und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Mindestanzahl von Keimen für eine Infektion erreicht werde.
Krankheitsausbrüche in USA und Kanada
Der Zusammenhang von hochpathogenen Ehec-Varianten und Erkrankungsfällen durch Keime im Mehl war lange Zeit nicht bekannt. Erst Krankheitsausbrüche in den USA und Kanada seit 2009 förderten ihn zutage. Das war Anlass, für Behörden in Deutschland, Österreich und der Schweiz das Mehl gründlich zu überprüfen. Das BfR schätzt nach Auswertung dieser Ergebnisse, dass Stec in etwa 10 bis 30 Prozent des Mehls vorkommen.
In den USA und Kanada spielte der Verzehr von rohem Keksteig in vielen Erkrankungsfällen eine Rolle. Rohen Keksteig gibt es bei uns abgepackt zu kaufen oder als Trendlebensmittel mit Namen Cookie Dough. Dabei wird roher, süßer Teig in kleinen Portionen verkauft – ähnlich wie Eis. Laut BfR werden in Deutschland aber „kommerziell vertriebene Keksteige/Keksteigrührmischungen für den Rohverzehr mit pasteurisiertem Mehl hergestellt.“ Über die genauen Parameter sowie die Hitzebehandlung und deren Wirksamkeit sei aber wenig bekannt.
Mit Mehl sehr sorgfältig umgehen
Das Bundesinstitut für Risikobewertung rät Verbrauchern, zu Hause sehr sorgfältig mit Mehl umzugehen. Die Hygieneregeln ähneln denen für rohe Eiern oder rohes Fleisch, die Sie auch in unserem Special Keime in Lebensmitteln finden.
Separat lagern. Lagern und verarbeiten Sie Mehl, Backmischungen und rohen Teig immer separat von anderen Lebensmitteln. Achten Sie darauf, dass kein Mehlstaub- oder Teigreste auf verzehrfertige Lebensmittel übergehen können.
Teige schnell verarbeiten. Lassen Sie fertig zubereitete Teige nicht lange bei Raumtemperatur stehen, am besten schnell verarbeiten oder zumindest in den Kühlschrank stellen.
Keinen rohen Teig naschen. Essen Sie keinen Teig, der nicht vollständig durcherhitzt wurde.
Speisen mit Mehl gründlich durcherhitzen. Hitze tötetet Stec und auch Ehec ab. Allgemein reicht es, wenn Lebensmittel beim Kochen, Braten, Schmoren im Kern für mindestens zwei Minuten auf mindestens 70 Grad erhitzt werden. Die Erreger sterben auch beim Backen nach gängigen Rezepturen.
Hände waschen. Die Hände vor der Zubereitung von Speisen und nach Kontakt mit Mehl gründlich mit Wasser und Seife waschen und sorgfältig abtrocknen.
Küchenutensilien und Arbeitsflächen reinigen. Reinigen Sie Schüsseln, Teller, Rührgeräte und andere Küchenwerkzeuge sowie Arbeitsflächen, die Kontakt mit Mehl hatten, mit warmem Wasser und Spülmittel.
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