
Lecker, aber riskant. Kinder sollten keinen rohen Teig naschen – er könnte verkeimt sein. © Getty Images / ArtistGNDphotography
Lebensmittelkontrolleure finden regelmäßig Krankheitserreger in Mehl. Vorsicht gilt vor allem bei rohem Teig. Backen und Hygiene steuern gegen. Müsli gilt als unkritisch.
Kritische Keime keine Seltenheit
2020 wiesen laut dem Zoonosen-Monitoring des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit Lebensmittelkontrolleure in Deutschland in 22 von 242 Weizenmehlproben Keime aus der Gruppe der Shigatoxin-bildenden Escherichia coli (Stec) nach. Ganz bestimmte Stec – Enterohämorrhagische E. coli, kurz Ehec – können zum Beispiel Magen-Darm-Beschwerden mit Durchfall verursachen oder das hämolytisch-urämische Syndrom, das bei empfindlichen Menschen wie kleinen Kindern zum Beispiel zu Nierenversagen oder Blutgerinnungsstörungen führen kann.
Vorkommen von Ehec in Mehl wahrscheinlich
Auch 2018 hatte die amtliche Lebensmittelüberwachung in 15 Prozent von Weizen-, Roggen- und Dinkelmehlproben kritische Keime nachgewiesen: 50 von 328 Proben waren positiv, so das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). Die Keime, die die deutschen Überwachungsbehörden in den untersuchten Mehlproben fanden, können mit verschiedenen Erkrankungen in Verbindung gebracht werden. Das BfR schließt daraus, „dass auch in Deutschland das Vorkommen von hochpathogenen Ehec-Varianten in Mehl wahrscheinlich ist“.
Roher Keksteig als Übeltäter
In der Vergangenheit war es vor allem in Nordamerika zu Krankheitsausbrüchen gekommen. In den USA und Kanada spielte der Verzehr von rohem Keksteig in vielen Erkrankungsfällen eine Rolle.
Rohen Keksteig gibt es bei uns abgepackt zu kaufen oder als Trendlebensmittel mit dem Namen Cookie Dough. Dabei wird roher, süßer Teig in kleinen Portionen verkauft – ähnlich wie Eis. Laut BfR werden in Deutschland aber „kommerziell vertriebene Keksteige/Keksteigrührmischungen für den Rohverzehr mit pasteurisiertem Mehl hergestellt.“ Pasteurisiert bedeutet wärmebehandelt – ob das ausreicht, um Keime wirksam zu bekämpfen, darüber sei wenig bekannt.
Wild und Dünger können Keime ins Getreide bringen
E. coli in Lebensmitteln sind normalerweise ein Hinweis auf Verunreinigungen mit Fäkalien. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hält es für wahrscheinlich, dass die Stec schon auf dem Acker ins Getreide eingetragen werden. Das könne zum Beispiel durch organischen Dünger oder bei der Bewässerung passiert sein – oder durch Wiederkäuer wie Rehe und Hirsche, bei ihnen kommen Stec natürlicherweise im Darm vor. In den Mühlen könnten sich die Keime zudem auf andere Chargen verteilen.
Stec-Bakterien überleben auch widrige Umstände
Stec-Bakterien vermehren sich bei Temperaturen zwischen 8 und 45 Grad Celsius. Sie können problemlos Trockenheit und Minustemperaturen wochen- bis monatelang überleben. Bei Laborversuchen fiel auf, dass einige Stec-Stämme in getrockneten Lebensmitteln selbst bei Temperaturen von 70 Grad Celsius über fünf Stunden nicht abstarben. „Dieser Effekt ist auch beim Überleben in Mehl wahrscheinlich“, schlussfolgert das BfR. Die klassischen Hitzeregeln für Lebensmittel – also mindestens zwei Minuten im Kern bei 70 Grad erhitzen – gelten unter diesen Bedingungen nicht.
Beruhigend: Backen nach gängigen Rezepten tötet Bakterien
Backfans können dennoch beruhigt sein: „Das Backen von Mehlprodukten nach gängigen Rezepten und Herstellervorgaben ist nach aktuellem Kenntnisstand geeignet, die Bakterien abzutöten“, so das BfR. Auch von Brötchen, die vor dem Verkauf mit etwas Mehl bestäubt werden, gehe keine Gefahr aus, erklärte das BfR auf Anfrage von test.de. Die Mehlmenge sei sehr gering und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Mindestanzahl von Keimen für eine Infektion erreicht werde.
Tipp: Die Stiftung Warentest gibt regelmäßig Tipps zum Backen – beispielsweise wie Brot mit und ohne Hefe gelingt oder wie hausgemachte Brötchen glücken.
Im Test war Mehl meist unauffällig
Ebenfalls gut zu wissen: In einem aktuellen Test von 28 Vollkornmehlen fanden unsere österreichischen Partner vom Verein für Konsumenteninformation keine Stec. Sie untersuchten die 11 Weizen-, 13 Dinkel- und 4 Buchweizenmehle neben Stec auf Schimmelpilzgifte und wurden fündig: Alle enthielten Deoxynivalenol – die Werte lagen jedoch mit einer Ausnahme unter den gesetzlich festgelegten Höchstgehalten. Ein akutes oder langfristiges Gesundheitsrisiko besteht laut unserer österreichischen Partnerorganisation nicht. Auch nicht beim Konsum des Ausreißers, dem Vollkornweizenmehl von Fini‘s Feinstes. Hierzulande wird es nicht verkauft.
Tipp: Einige der empfehlenswerten Mehle sind auch in Deutschland erhältlich: Weizenmehl von Alnatura, dmBio und Spielberger Mühle, Dinkelmehl von Alnatura und dmBio, Buchweizenmehl von Bauckhof und dmBio.
Haferflocken und Müsli unkritisch
Müsli-Fans müssen aber normalerweise nicht fürchten, dass Haferflocken und anderes Getreide für den kalten Verzehr mit den Keimen belastet sind. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) teilte uns auf Anfrage mit, dass diese Zutaten in der Regel bei der Herstellung gedämpft würden. Die feuchte Hitze reiche nach aktueller Kenntnis aus, Stec-Keime abzutöten. Haferflocken trocknen zudem oft noch zwischen 20 Minuten und 2 Stunden bei 80 Grad Celsius – Fachleute sprechen von Darren. Laut BfR sind bisher keine Ausbrüche mit Stec in Müsli oder Haferflocken bekannt.
Tipp: Wenn Sie Müsliflocken aus ganzen, nicht erhitzten Körnern selbst herstellen, sollten Sie diese sicherheitshalber erhitzen.
Mit Mehl sehr sorgfältig umgehen
Das Bundesinstitut für Risikobewertung rät Verbrauchern, zu Hause sehr sorgfältig mit Mehl umzugehen. Die Hygieneregeln ähneln denen für rohe Eiern oder rohes Fleisch, die Sie auch in unserem Special Keime in Lebensmitteln finden.
Separat lagern. Lagern und verarbeiten Sie Mehl, Backmischungen und rohen Teig immer separat von anderen Lebensmitteln. Achten Sie darauf, dass kein Mehlstaub- oder Teigreste auf verzehrfertige Lebensmittel übergehen können.
Teige schnell verarbeiten. Lassen Sie fertig zubereitete Teige nicht lange bei Raumtemperatur stehen, am besten schnell verarbeiten oder zumindest in den Kühlschrank stellen.
Keinen rohen Teig naschen. Essen Sie keinen Teig, der nicht vollständig durcherhitzt wurde.
Speisen mit Mehl gründlich durcherhitzen. Allgemein reicht es, wenn Lebensmittel beim Kochen, Braten, Schmoren im Kern für mindestens zwei Minuten auf mindestens 70 Grad erhitzt werden. Für trockene Nahrungsmittel wie Mehl gilt das aber nicht. Wird Mehl jedoch mit Eiern, Milch oder Wasser nach gängigen Rezepturen zu einem Teig vermischt und gebacken, können Stec-Bakterien bei diesen Temperaturen abgetötet werden.
Hände waschen. Die Hände vor der Zubereitung von Speisen und nach Kontakt mit Mehl gründlich mit Wasser und Seife waschen und sorgfältig abtrocknen.
Küchenutensilien und Arbeitsflächen reinigen. Reinigen Sie Schüsseln, Teller, Rührgeräte und andere Küchenwerkzeuge sowie Arbeitsflächen, die Kontakt mit Mehl hatten, mit warmem Wasser und Spülmittel.
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@arthur.t: Die beiden Aussagen widersprechen sich nicht. Es sind Zwischentitel, die in den folgenden Texten ausgeführt werden. Unter dem Zwischentitel "Stec-Bakterien überleben auch widrige Umstände" schreiben wir: "Bei Laborversuchen fiel auf, dass einige Stec-Stämme in getrockneten Lebensmitteln selbst bei Temperaturen von 70 Grad Celsius über fünf Stunden nicht abstarben. 'Dieser Effekt ist auch beim Überleben in Mehl wahrscheinlich', schlussfolgert das BfR. Die klassischen Hitzeregeln für Lebensmittel – also mindestens zwei Minuten im Kern bei 70 Grad erhitzen – gelten unter diesen Bedingungen nicht." Zum Erhitzen von Mehl bzw. Speisen mit Mehl schreiben wir explizit: "Speisen mit Mehl gründlich durcherhitzen. Allgemein reicht es, wenn Lebensmittel beim Kochen, Braten, Schmoren im Kern für mindestens zwei Minuten auf mindestens 70 Grad erhitzt werden. Für trockene Nahrungsmittel wie Mehl gilt das aber nicht. Wird Mehl jedoch mit Eiern, Milch oder Wasser nach gängigen Rezepturen zu einem Teig vermischt und gebacken, können Stec-Bakterien bei diesen Temperaturen abgetötet werden."
"Der Absatz 'Stec-Bakterien überleben auch widrige Umstände' widerspricht der Empfehlung in 'Mit Mehl sehr sorgfältig umgehen - Speisen mit Mehl gründlich durcherhitzen'. Was jetzt???" Die widrigen Umstände sind trockene Hitze von 70° C. D.h. das Pasteurisieren des trockenen Mehles ist schwierig und bedarf höherer Temperaturen oder längerer Zeit. Bei feuchter Hitze, wie sie beim Backen eines Teiges entsteht, reicht das Erreichen von 70° C um die Keime abzutöten. Je nach Gebäck sind zudem nach dem Backen die Voraussetzungen für die Vermehrung der überlebenden Keime schlecht. Meist gilt: Je feuchter, weniger süss oder weniger salzig, umso leichteres Spiel haben Bakterien.
@LutzK: "Mit widrigen Umständen sind - wie ausgeführt - vor allem Kälte und Trockenheit gemeint. Nur ganz bestimmte Stämme überleben Temperaturen von 70 Grad, aber das muss noch erforscht werden. Diese Stämme sind selten und die Häufigkeit ihres Vorkommens in Lebensmitteln noch nicht geklärt, so dass das BfR klar sagt: „Das Backen von Mehlprodukten nach gängigen Rezepten und Herstellervorgaben ist nach aktuellem Kenntnisstand geeignet, die Bakterien abzutöten“.(ib/bp)
Der Absatz "Stec-Bakterien überleben auch widrige Umstände" widerspricht der Empfehlung in "Mit Mehl sehr sorgfältig umgehen - Speisen mit Mehl gründlich durcherhitzen". Was jetzt???
Der Verzehr von rohem Teig ist offenbar bisher die wesentliche, wenn nicht die einzige Ursache von Erkrankungen, die als Folge einer Kontamination von Getreide mit EHEC-Bakterien aufgetreten sind. Dass man vom rohen Teig nicht naschen sollte, habe ich schon als Kind gelernt, das ist aber offenbar bei manchen in Vergessenheit geraten. Es gibt praktisch keine Möglichkeiten, eine Kontamination von Getreide mit STEC/EHEC auszuschließen, allenfalls kann das Risiko in der Mühle durch sachgerechte Schädlingsbekämpfung (Mäuse!) und Optimierung des Netzprozesses verringert werden. Nebenbei: zu den Prozessen in der Mühle gehört auch das "Sichten" und Standardisieren der Fraktionen, sodass Mehle mit der gewünschten Zusammensetzung und Backeigenschaften entstehen. Im übrigen kann man davon ausgehen, dass die Temperatur-Zeit-Kombinationen zur EHEC-Abtötung erreicht werden, wenn das Gebäck, die Waffel oder der Pfannkuchen durchgebacken, also innen nicht mehr "teigig" ist.