Der Bundestag hat am Donnerstag das Kleinanlegerschutzgesetz verabschiedet. Es soll Anleger vor dubiosen Geldanlageangeboten schützen und unseriösen Anbietern das Handwerk legen, wie Bundesjustizminister Heiko Maas erklärte. Das Gesetz soll im Sommer 2015 in Kraft treten. test.de informiert.
Schutz vor Fehlinvestitionen
Mit dem neuen Gesetz, das die Bundesregierung nach der Insolvenz des Windkraftanbieters Prokon (siehe Themenseite Prokon) auf den Weg gebracht hat, sollen Verbraucher besser vor Fehlinvestitionen am Grauen Kapitalmarkt geschützt werden. So bekommt die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) mehr Rechte, um künftig bei Missständen eher eingreifen und den Vertrieb von Geldanlageangeboten schneller untersagen zu können. Fast alle Geldanlageangebote für Anleger unterliegen künftig dem Vermögensanlagengesetz, das besondere Informationspflichten für Finanzprodukte vorschreibt. Außerdem gilt für Vermögensanlagen künftig eine Mindestlaufzeit von zwei Jahren und eine Kündigungsfrist von einem Jahr. Einen Rundumschutz gegen unseriöse Finanzmarkt-Anbieter kann das neue Gesetz aber nicht bieten.
Warnhinweise werden Pflicht
Eine für Verbraucher erfreuliche Regelung ist die Pflicht für Anbieter, jedes Anlageprodukt mit einem Vermögensinformationsblatt (VIB) zu versehen, das die wesentlichen Anlagemerkmale beschreibt. Dabei muss das VIB wie auch alle anderen Werbemittel für Vermögensanlagen folgenden Warnhinweis enthalten: „Der Erwerb dieser Vermögensanlage ist mit erheblichen Risiken verbunden und kann zum vollständigen Verlust des eingesetzten Vermögens führen.“
Ausnahme I: Genossenschaften
Weniger erfreulich sind die im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen von der Prospektpflicht für Vermögensanlagen von Genossenschaften und sozialen Projekten. Zwar darf für den Vertrieb der Anteile keine erfolgsabhängige Vergütung (Provision) mehr genommen werden. Genossenschaften können ihren eigenen Mitgliedern aber auch weiterhin riskante Geldanlagen anbieten, ohne einen Prospekt zu erstellen, der über die spezifischen Risiken des jeweiligen Anlageprodukts aufklärt.
Ausnahme II: Crowdfunding
Auch für Crowdfunding-Projekte, bei denen Unternehmer via Internet Geld für ihre Ideen einwerben, wurden die strengen Regeln im bisherigen Entwurf des Kleinanlegerschutzgesetzes gelockert. Ein Prospekt ist nun erst dann Pflicht, wenn mehr als 2,5 Millionen Euro eingesammelt werden sollen. Im ersten Gesetzentwurf lag diese Grenze noch bei einer Million Euro. Die Grenze wurde von den Koalitionsfraktionen heraufgesetzt, nachdem die Lobby interveniert hatte und argumentierte, Kosten von bis zu 50 000 Euro für einen Prospekt seien für kleine Start-ups nicht tragbar. Für Anleger ist die neue Regelung gefährlich. Sie erhalten keine ausführlichen Informationen über das Investitionsobjekt, wissen also nicht, worauf sie sich genau einlassen.
Tipp: Mehr zum Thema finden Sie in unserem Crowdfunding-Special.
Widerrufsrecht für Crowdinvesting
Positiv ist dagegen das Widerrufsrecht, das Anlegern beim Crowdinvesting und bei Anlagen in soziale Projekte die Möglichkeit gibt, ihren Vertrag noch bis zu 14 Tage nach einem Abschluss zu widerrufen. Damit haben sie die Möglichkeit, spontan gefällte Entscheidungen zu revidieren.
Tipp: Einen Überblick über unseriöse Firmen und Finanzprodukte bietet unsere Warnliste Geldanlage. Sie wird regelmäßig aktualisiert.
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@hansetob: Im Zusammenhang mit wohltätigen und kirchlichen Organisationen und sozialen Projekten gab es in den letzten zehn Jahren immer wieder Finanzskandale (z.B. Greenpeace, evangelisches Dekanat München, Bund für Umwelt und Naturschutz). Wer Geld einsammelt – egal wofür – sollte genau darlegen können, wofür er es ausgibt. 2,5 Millionen Euro Anlegergeld sollten schon einen Prospekt mit genauer Darstellung der Projekte und möglicher Risiken Wert sein. 50 000 Euro Kosten sind sehr hoch gegriffen, auch muss niemand 200 Seiten veröffentlichen. (dda)
Warum Stiftung Warentest die Befreiung sozialer Projekte von der Prospektpflicht als falsch bezeichnet, ist mir schleierhaft. Sportvereine, die ein neues Vereinsheim durch Mitgliederkredite finanzieren oder freie Schulen eine neue Turnhalle mit Krediten der Eltern, sollen also vorher 50.000 Euro in einen 200-seitigen Verkaufsprospekt investieren, den hinterher keiner liest? Genauso Kulturprojekte, Wohlfahrtsverbände wie Caritas, Diakonie, Deutsches Rotes Kreuz, alternative Wohnprojekte, etc? All' diese Finanzierungen haben doch gemeinsam, dass der Kreditgeber nicht eine möglichst hohe Rendite erzielen, sondern viel mehr ein aus seiner Sicht unterstützenswertes Projekt fördern möchte, deren Initiatoren ihm in aller Regel persönlich bekannt sind. Das diese nicht mit klassischen Finanzunternehmen in einen Topf geworfen werden und denen gegenüber Erleichterungen bekommen, halte ich für absolut gerechtfertigt.