
Falsches Gold. Die BWF-Stiftung täuschte rund 6 000 Anleger mit Barren, die nicht aus Gold bestanden. Unser Bild zeigt Attrappen, die wir bei einem Onlinehändler gekauft haben. © Stiftung Warentest / Ralph Kaiser
Prokon, P&R, Udi: Ein neues Gesetz soll Anleger besser vor Betrügern schützen. test.de nennt fünf Kernpunkte und zeigt auf, wo es Schlupflöcher für Abzocker gibt.
Anleger besser schützen
Manche Pleiten im wenig regulierten Grauen Kapitalmarkt bringen Anleger um so viel Geld, dass die Bundesregierung danach die Gesetze verschärft. Etwa nach der Insolvenz des Windkraftspezialisten Prokon GmbH aus Itzehoe mit 75 000 Geschädigten, die 1,4 Milliarden Euro in Genussrechte gesteckt hatten. 2015 wurden im Kleinanlegerschutzgesetz die Informationspflichten für die Unternehmen verschärft und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) bekam mehr Eingriffsrechte.
Als 2018 die P&R-Gruppe aus Grünwald kollabierte, standen gigantische 3,5 Milliarden Euro von 56 000 Anlegern im Feuer. Das Geld hatten Anleger in Container investiert, die nur zum Teil existierten (P&R-Gruppe: Container nicht verschwunden – sie wurden nie gekauft).

Erfundene Container. Die P&R-Gruppe verkaufte bis 2018 Container an rund 56 000 Anleger. Viele der Metallboxen existierten in Wirklichkeit nicht, was lange Zeit unbemerkt blieb. © Getty Images
Um solche Fälle künftig zu verhindern, soll im Sommer 2021 ein „Gesetz zur weiteren Stärkung des Anlegerschutzes“ verabschiedet werden. Der Entwurf sieht vor, die Verwendung des Anlegergelds zu kontrollieren. Das ist sinnvoll, ebenso wie andere Kernpunkte. Aus unserer Sicht bleiben aber noch Schlupflöcher für Abzocker (Anlegerschutz: Was Finanztest fordert).
Unser Rat
- Risiko.
- Viele Vermögensanlagen wie Direktinvestments und Nachrangdarlehen sind sehr riskant. Auch ein Totalverlust ist möglich. Investieren Sie nur Beträge, deren Verlust Sie verschmerzen können.
- Unterlagen.
- Lesen Sie im Verkaufsprospekt und im Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) mindestens das Kapitel zu den Risiken der Kapitalanlage genau durch. Schließen Sie das Investment nur ab, wenn Sie verstanden haben, worauf Sie sich einlassen.
- Beratung.
- Nehmen Sie zu Beratungsgesprächen einen Zeugen mit. Das hilft, wenn es Streit gibt. Lassen Sie sich Zusagen und Garantien immer schriftlich geben. Gehen Sie nicht auf Angebote ein, die Ihnen am Telefon gemacht werden.
Ausnahme für Crowdfundingprojekte
Strengere Regeln sieht der Entwurf vor allem für Vermögensanlagen vor. Der Begriff umfasst ein weites Spektrum an Geldanlageangeboten, von Sachgütern wie Containern oder Industrieleuchten bis zu Genussrechten und einigen Beteiligungsmodellen, bei denen Anleger Mitunternehmer an einer Gesellschaft werden, etwa einem Bürgerwindpark.
Wer solche Vermögensanlagen öffentlich anbietet, muss in der Regel schon jetzt einen ausführlichen Verkaufsprospekt vorlegen. Die Bafin prüft aber nur, ob er alle formalen Vorgaben einhält.
Zusätzlich ist ein Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB) vorgeschrieben, das die wichtigsten Punkte zusammenfasst, etwa zu Risiken und Kosten. Einige Angebote kommen mit dieser Zusammenfassung aus und brauchen keinen Prospekt. Dazu zählen Schwarmfinanzierungen (Crowdfunding), in die ein Schwarm von Anlegern relativ geringe Beträge investiert. Sie sind auch im geplanten, neuen Gesetz ausgenommen, ebenso wie Genossenschaften. Dabei nutzen Abzocker auch diese Unternehmensformen, um Anleger um ihr Geld zu bringen.
Kritik aus der Branche
Kritik gibt es von den Bürgerwindprojekten. Sie verstehen nicht, warum sie unter das Gesetz fallen sollen. Der BWE-Bürgerwindbeirat kritisiert die hohen „bürokratischen und finanziellen Hürden“. Bei Projekten, an denen sich Anleger vor Ort beteiligten, herrsche eine Art „soziale Kontrolle“. Die geplante Vorschrift, dass solche Angebote nicht mehr direkt, sondern nur noch über Anlagevermittler oder Finanzdienstleister gezeichnet werden dürften oder Mittelverwendungskontrolleure beauftragt werden müssten, verteuere die Projekte unnötig.
Das neue Anlegerschutzgesetz im Check
Warum die neuen Regeln aber für das Gros der Anleger sinnvoll sind, zeigen unsere Beispiele zu den fünf Kernpunkten der geplanten Neuregelung.
1. Unternehmen sollen Geldanlagen nicht mehr selbst verkaufen
Prokon hatte die Genussrechte selbst vertrieben. Dafür verschickte die Gesellschaft Werbebriefe, ließ Aufkleber an S-Bahn-Zügen anbringen und betrieb Vertriebsbüros in mehreren Städten.
Vorteilhaft für Anleger war der Selbstvertrieb nicht. Laut Gesetzentwurf sollen solche Vermögensanlagen künftig nur noch von beaufsichtigten Anlageberatern und Finanzanlagenvermittlern vertrieben werden.
Zumindest bei Beratern macht das Sinn. Sie unterliegen Pflichten. Sie müssen prüfen, ob ein Angebot plausibel ist und ob es sich grundsätzlich für die Kunden eignet. Achten sie darauf nicht, haften sie für Schäden. Anleger sollten sich daher unbedingt beraten lassen und sich bei den oft riskanten und komplexen Vermögensanlagen nicht mit reiner Vermittlung zufriedengeben.
Finanzberater stehen zudem unter Aufsicht der Bafin, während für Finanzanlagenvermittler die örtlichen Gewerbeämter zuständig sind, die nicht auf Finanzthemen spezialisiert sind.
Trotz etlicher Skandalfälle, in denen Berater ihre Kunden falsch berieten und dafür hohe Provisionen kassierten, genießen Anleger etwas höheren Schutz vor zweifelhaften Angeboten als ohne Beratung.
Zeichnen Kunden Anlageangebote direkt von den Unternehmen, müssen sie bei den oft komplexen und riskanten Vermögensanlagen alleine überlegen, ob die Produkte für sie taugen oder sinnvoll sind. Beim Windkraftspezialisten Prokon zeigte sich zum Beispiel, dass vielen Genussrechtsinhabern nicht klar gewesen war, in was genau sie investiert hatten.
2. Investments müssen von Anfang an bekannt sein
Es soll verboten sein, Vermögensanlagen zu vertreiben, wenn beim Erstellen des Prospekts noch nicht feststeht, in welche Investments das Geld genau fließt (Blindpool). Der Gesetzgeber will damit sicherstellen, dass Anleger wissen, mit wem ihr Anbieter Geschäfte macht, und den Preis einschätzen können.
Künftig dürfen nur noch die strenger regulierten Alternativen Investmentfonds nach Kapitalanlagegesetzbuch als Blindpools auf den Markt kommen. Argument: Sie müssen Anlagekriterien veröffentlichen und sie sich von der Aufsicht absegnen lassen. Eine Untersuchung von Finanztest ergab 2016 allerdings, dass die Kriterien oft so schwammig sind, dass sie Anlegern wenig nutzen.
Die UDI Sprint Festzins IV GmbH & Co. KG ist ein Beispiel dafür, was bei Vermögensanlagen passieren kann, deren konkrete Investments noch nicht feststehen, selbst wenn es Investitionskriterien gibt. Laut Prospekt für ihr riskantes Nachrangdarlehen vom Juni 2016 durfte sie zum Beispiel nur in Biogasprojekte investieren, die gemäß ihren Planzahlen Zins und Tilgung leisten konnten.
Dennoch lieh sie Geld an eine Schwestergesellschaft aus der UDI-Gruppe, die UDI Biogas Otzberg-Nieder-Klingen GmbH & Co. KG. Dabei arbeiteten zu dieser Zeit Wirtschaftsprüfer an einem Gutachten, das klären sollte, ob es überhaupt möglich erschien, die Biogas-Gesellschaft fortzuführen.
3. Externe sollen Mittelverwendung kontrollieren
Eine wichtige Verbesserung: Bei Vermögensanlagen, die in Sachgüter wie Container investieren oder die vorsehen, das Geld nicht direkt, sondern über andere Gesellschaften zu investieren, soll eine Mittelverwendungskontrolle vorgeschrieben werden. Ein externer Kontrolleur prüft dabei, ob die Mittel prospektgemäß verwendet werden und gibt sie nur frei, wenn das der Fall ist.
P&R hatte so etwas nicht. Die Insolvenzverwalter stellten fest, dass die Mehrzahl der an Anleger verkauften Container gar nicht existierte und Geld je nach Bedarf zwischen Gesellschaften hin- und hergebucht wurde.
Dem Finanzausschuss im Bundesrat geht der Vorschlag der Regierung noch nicht weit genug: Er regt an, eine solche Kontrolle während der ganzen Laufzeit vorzuschreiben.
Wie sinnvoll das wäre, zeigen geschlossene Immobilienfonds der IBH-Gruppe, bei denen ein externer Treuhänder den Auftrag hatte, sich mit der Mittelverwendung zu befassen – aber nur während der Investitionsphase. Beim 1995 aufgelegten Grundbesitz Wohnbaufonds Bayern GbR zum Beispiel endete diese Phase 1997. Nach dem Tod des IBH-Fondsgeschäftsführers 2015 stieß der bestellte Notgeschäftsführer auf schwer klärbare Geldflüsse zwischen IBH-Fonds. Anleger verloren viel Geld, einige müssen nachschießen.
Auch ein Debakel wie bei der Berliner BWF-Stiftung wäre durch die Kontrolle weniger wahrscheinlich. Sie verkaufte Gold mit garantiertem Rückkaufpreis und lagerte es für die Kunden ein. Die konnten es auf Wunsch in Augenschein nehmen. Im Lager stapelten sich allerdings Goldbarrenattrappen. Solche Gold-Investmentmodelle sollen künftig als Vermögensanlagen gelten. Ein Mittelverwendungskontrolleur würde wohl kaum Geld für Attrappen freigeben.
4. Aufsicht darf bei Verdacht schneller eingreifen
Wenn die Bafin bei einem Prospekt Bedenken bezüglich des Anlegerschutzes hat, soll sie mehr Rechte bekommen, um zu prüfen, ob sie zum Beispiel den Vertrieb beschränkt oder untersagt. Gibt es bei laufenden Angeboten Zweifel an den Zahlen, etwa in Presseberichten, soll sie Unterlagen anfordern dürfen, um sich ein Bild zu machen, ob sie eine Sonderprüfung anordnen sollte.
Das ist sinnvoll. Auch bisher durfte die Aufsicht Sonderprüfungen anstoßen, wenn es Zweifel am Zahlenwerk gab. Es sind bei Vermögensanlagen aber keine Fälle bekannt, in denen sie das getan hat. So ergriff die Bafin auch bei P&R gemäß einer Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen keine Maßnahmen und holte keine weiteren Auskünfte ein. Dabei hatte Finanztest im Juni 2017 unter anderem über gravierende Mietunterdeckungen bei den Containern berichtet.
Darf die Bafin ausdrücklich Unterlagen anfordern, um zu prüfen, ob an den Vorwürfen etwas dran sein könnte, dürfte die Hürde geringer sein, aktiv zu werden.
5. Bafin veröffentlicht Verkaufsprospekte online
Es ist vorgesehen, dass die Bafin Verkaufsprospekte, Vermögensanlagen-Informationsblätter (VIB) und Wertpapier-Informationsblätter zehn Jahre lang auf ihrer Internetseite veröffentlicht. Das ist für Anleger hilfreich. Sie können die Unterlagen im Schadensfall herunterladen, wenn sie sie nicht mehr haben oder nie bekommen hatten.
Eigentlich müssen die Anbieter diese veröffentlichen oder Interessierten auf Anfrage zur Verfügung stellen.
Die Bafin hat die Dokumente ohnehin, weil sie bei ihr hinterlegt werden. Anleger haben Zugriff, wenn sie ihre Exemplare verlegt haben und können sich leicht frühere Verkaufsprospekte von Unternehmen oder von der Konkurrenz ansehen und vergleichen.
Tipp: Mehr zu Vermögensanlagen finden Sie auf unsrer Themenseite Grauer Kapitalmarkt.

Erfundene Container. Die P&R-Gruppe verkaufte bis 2018 Container an rund 56 000 Anleger. Viele der Metallboxen existierten in Wirklichkeit nicht, was lange Zeit unbemerkt blieb. © Getty Images

Falsches Gold. Die BWF-Stiftung täuschte rund 6 000 Anleger mit Barren, die nicht aus Gold bestanden. Unser Bild zeigt Attrappen, die wir bei einem Onlinehändler gekauft haben. © Stiftung Warentest / Ralph Kaiser
Anlegerschutz: Was Finanztest fordert
Bundesfinanzminister Olaf Scholz will nicht nur die Gesetze verschärfen, sondern der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) „mehr Biss“ geben. Sie soll mehr Eingriffsrechte erhalten und Experten für Bilanzen bekommen.
Diese sechs Änderungen sind nötig
Aus unserer Sicht sind zusätzlich sechs Änderungen notwendig, um Anleger umfassend zu schützen:
- Die Bafin muss die Prospekte der Anbieter nicht nur formal, sondern auch materiell, also inhaltlich prüfen. Dubiose Anbieter, deren Prospekte formal in Ordnung sind, stünden nicht mehr in der Datenbank der Bafin.
- Eine Beratung muss zwingend vorgeschrieben sein.
- Die Beweislast bei rechtlichen Auseinandersetzungen muss umgekehrt werden und darf nicht beim geschädigten Anleger liegen. Der Berater muss beweisen, dass er umfassend und sachgerecht beraten hat.
- Jeder Anlageberater und -vermittler muss eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung über mehrere Millionen Euro pro Jahr abschließen. Nur so ist sichergestellt, dass nach einer fehlerhaften Beratung alle entschädigt werden können, wenn viele Anleger eines Angebots betroffen sind.
- Die Verjährungsfrist für Beratungs- und Prospektfehler für langjährige Anlagen wie Alternative Investmentfonds (AIF) muss auf 20 Jahre verlängert werden. Fehler in Prospekten oder bei Beratungen für Immobilien- oder Windkraftbeteiligungen sind für Anleger oft erst nach vielen Jahren sichtbar
- Für Beteiligungen an Crowdfundingprojekten und Genossenschaftsbeteiligungen muss eine Prospektpflicht eingeführt werden.
Checkliste: So schützen Sie sich vor Reinfällen
Zinsen. Misstrauen Sie Anbietern, die Ihnensichere Zinsen vonmehr als 1,5 Prozent pro Jahr anbieten. Die gibt es derzeit nicht.
Internet. Viele Anbieter bieten ihre Geschäfte per Internet an. Nicht in der Unternehmensdatenbank der Bafin registrierte Anbieter sind unseriös.
Impressum. MitAnbietern, die im Impressum keine verantwortliche Person nennen, sollten Sie keine Geschäfte machen.
Ausland. Unseriöse Angebote kommen oft aus dem Ausland. Bedenken Sie, dass es dort meist kompliziert und teuer ist, Ersatzansprüche durchzusetzen.
Handelsregister. Firmen sollten im Handelsregister stehen. Im Internet können Sie prüfen, ob eine Firma unter der angegebenen Nummer eingetragen ist.
Fakten. Lassen Sie sich die wichtige Fakten wie die Kosten der Anlage oder die früheste Kündigungsfrist schriftlich geben.
Prospekt. Lesen Sie die Risikohinweise und nehmen Sie die Warnungen ernst.
Steuerberater. Lassen Sie alle Angebote von einem Steuerberater prüfen. Berät er Sie falsch, muss er für Fehler haften.
Versicherung. Fragen Sie Ihren Finanzberater, ob er eine Vermögensschaden-Haftpflichtversicherung hat, die bei Beratungsfehlern eintritt. Lassen Sie sich die Police vorlegen.
Warnliste. Schauen Sie in unserer Warnliste Geldanlage nach, ob die Anlagefirma schon einmal negativ aufgefallen ist.
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