
Fest am Hals. Seit einem Jahr muss der Deckel an Einwegflaschen verbunden sein – nicht alle Menschen kommen damit zurecht. © Adobe Stock
Viele Getränkeflaschen tragen nun Deckel, die sich nicht abschrauben lassen. Was der Umwelt zugute kommen soll, sorgt bei manchen Verbrauchergruppen für Probleme.
Dieser verflixte Deckel – jetzt hängt er wieder an der Seite und stört. Ob Mineralwasser in PET-Flaschen, Kartons für Orangensaft oder Milch: Seit Mitte 2024 sind Getränkehersteller verpflichtet, an Einweggetränkebehältern spezielle Verschlusskonstruktionen anzubringen. Im Fachjargon heißen sie Tethered Caps, angebundene Deckel. Sie sollen sicherstellen, dass Deckel und Verpackung während der ganzen Benutzungsdauer fest miteinander verbunden sind.
Doch die neuen Verschlüsse machen bestimmten Personengruppen im Alltag zu schaffen. Das geht aus einer Studie des Verbraucherrats des Deutschen Instituts für Normung (Din) hervor.
Kinder, Ältere und Menschen mit Einschränkungen nahmen teil
Die Studie basiert auf qualitativen Befragungen und Gruppendiskussionen, an denen insgesamt 30 Personen teilnahmen. Darunter waren Kinder im Alter von sechs bis neun Jahren, Menschen ab 70 Jahren, Verbraucher und Verbraucherinnen ohne Beeinträchtigungen sowie einige Menschen mit Beeinträchtigungen wie rheumatoider Arthritis oder Augenproblemen.
Gut gedacht für die Umwelt – nicht optimal umgesetzt
Lose Kunststoffdeckel von Einwegflaschen gehören zu den Plastikmüllteilen, die am häufigsten an den Stränden der Europäischen Union gefunden werden. Im Kampf gegen die Vermüllung der Meere und die Entstehung von Mikroplastik hat die EU die Richtlinie über die Verringerung der Auswirkungen bestimmter Kunststoffprodukte auf die Umwelt erlassen.
In dem Zuge wurden auch die Tethered Caps eingeführt. Die Studie des Din Verbraucherrats zeigt aber: Etliche Befragte zweifeln an der ökologischen Relevanz der Maßnahme und fühlten sich schlecht aufgeklärt.
Mancher kriegt die Flasche gar nicht auf
Es zeigte sich, dass vor allem Kinder, ältere und körperlich beeinträchtigte Menschen die neuen Verschlüsse nur mit erhöhtem Kraftaufwand oder gar nicht öffnen können. Zudem berichteten die Teilnehmenden über vermehrtes Kleckern oder sogar Verletzungsgefahr. Das Ausgießen und Trinken aus den Behältnissen empfanden manche als schwieriger als früher.
Verschiedene Deckeltypen überfordern
Etliche Befragte störten sich an der Vielfalt der Deckeltypen, sodass die Funktionsweise jeweils neu ermittelt werden müsse. Einige lassen sich weiter öffnen als andere, manche sind dreh- oder arretierbar. Keine Konstruktion konnte im Urteil der Befragten überzeugen.
Der Din-Verbraucherrat will nun die Erkenntnisse aus der Studie mit Wirtschaft und Politik diskutieren, um daraus Empfehlungen etwa für die Normung und Standardisierung der Deckel in der EU abzuleiten.
Sinnhaftigkeit von Verpackungen: Im Test stets im Blick
- PET-Einweg-Flaschen. In unserem Test von Mineralwasser informieren wir, warum wir diesen Flaschentyp trotz guter Rezyklierbarkeit immer noch für ökologisch nachteiliger halten als Mehrwegflaschen.
- 3-Komponenten-Becher. Er soll Plastik einsparen. Ob das funktioniert, haben wir am Beispiel von veganem Joghurt eingeschätzt.
- Flaschen von Mundspüllösungen. Im Mundspüllösungen-Test haben wir untersucht, wie gut sich die Verpackungen recyceln lassen. Maues Ergebnis: 14 der 20 Flaschen lassen sich nicht wiederverwerten.
Bei uns kommen fast alle leeren PET-Flaschen zurück
Die Maßnahme zielt laut EU vor allem auf Länder, die noch keine wirksamen Sammelsysteme für Einwegkunststoffe haben und wo viele Flaschen und Deckel in der Umwelt landen. In Deutschland sieht es da gut aus. Laut Bund Getränkeverpackungen der Zukunft werden rund 98,5 Prozent der PET-Einweg-Flaschen mit Pfand in den Handel zurückgebracht und können recycelt werden.
Die Deckel sind meist aus praktischen Gründen mit dabei, weil sie vorm Auslaufen von Getränkeresten schützen. Der recht hohe Pfandbetrag von 25 Cent für Einwegflasche motiviert Verbraucherinnen und Verbraucher zur Rückgabe.
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- Classic, Medium, Still – der Mineralwasser-Test der Stiftung Warentest bietet Testergebnisse für alle Sorten. Besonders prickelnd: die großen Preisunterschiede.
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Mich betrifft bzw. ärgert das nur bei PET-Einweg-Saftflaschen, alles andere kaufe ich in Mehrweg-Glasflaschen.
Und ich habe auch früher nie eine Flasche ohne Deckel entsorgt, allein schon deshalb, damit beim Transport der leeren Flaschen keine Saftreste verkleckert werden.
Nach einigen Versuchen mit dem hängenbleibenden Deckel, bei denen sich entweder der Deckel schwerkraftbedingt in den ausfließenden Saft drehte, oder die im Deckel hängengebliebenen Safttropfen auf die Tischdecke tropften, liegt jetzt immer Werkzeug zum Öffnen bereit, auch wenn ich (noch) kein Rheuma oder Arthrose habe:
Einen kleinen Schraubenzieher stecke ich in den Spalt zwischen Flaschenhals und Deckel-Haltering und ziehe letzteren so ein wenig vom Flaschenhals weg. In diesem Spalt setze ich dann den Seitenscheider an und trenne so den Haltering mitsamt Deckel von der Flasche. Diese wird dann mit einem Solodeckel verschlossen, der wiederverwendet wird. Der abgeknipste kommt erst zur Entsorgung wieder drauf.
ich wage zu bezweifeln, dass Aufklärung des Verbrauchers das oberste Gebot der Legislative ist
Wir finden es sehr praktisch. Die Kinder (und auch die Erwachsenen) verlieren keinen Deckel mehr.
Sehr praktisch auch beim Autofahren: nie mehr ein Deckel der zwischen die Sitze fällt.
Der Rastplatz an unserem Lieblingswanderweg ist auch nicht mehr übersäht mit Plastikdeckeln von irgendwelchen Getränkeflaschen (die aber leider nach wie vor trotzdem noch ins Gebüsch geworfen werden!).
Und wer kann aus den Flaschen mit Deckel nicht trinken? Dreijährige Kinder können es.
Ich halte die angebundenen Deckel ebenfalls für Murks, obwohl sie verschieden gut umgesetzt sind. Die eigentlichen Probleme werden damit nicht gelöst: praktisch unmögliches Recycling (speziell von Verbundverpackungen wie Tetrapack) und zu viel Plastik als Lebensmittelverpackung!
Getränke müssen nicht in Plastikflaschen abgefüllt werden, auch wenn diese leichter sind als Glas. Wo bleibt wenigstens die Reduktion der Einweg-Verpackungen?
Zudem interessiert mich, ob es überhaupt wissenschaftlich gesicherte Belege gibt, dass nicht angebundene Deckel während der "Nutzungsdauer" überwiegend das Problem verursachen, also in der Umwelt landen.
"Der Umwelt zuliebe - ich bleibe dran." So oder ähnlich steht es auf vielen Getränkeverpackungen. Früher hieß das anders, wer erinnert sich? Der Umwelt zuliebe Deckel getrennt entsorgen. Ja was denn nun? Mich hat die getrennte Entsorgung überzeugt, da Deckel und Karton bzw. Flasche aus verschiedenen Materialien bestehen, die für die Wiederverwertung zunächst aufwändig getrennt werden müssen. Diese Trennung wird nun erschwert, und das angeblich der Umwelt zuliebe. Da fühlt man sich als Verbraucher doch veräppelt. Wurde die erschwerte Wiederverwertung bei der Umstellung auf fest verbundene Deckel überhaupt bedacht? Wie wird dieses Problem bei der Wiederverwertung gelöst? Darüber sollte der Endkunde besser aufgeklärt werden.