
Lange Tradition. Apfelessig entsteht aus Äpfeln, die erst noch zu Wein vergären. © mauritius images / Towfiqu Barbhuiya
Apfelessig wird wieder als Diätwunder angepriesen, eine neue Studie ist der Antrieb. Fakt ist: Die Beweislage bleibt mau. Der Essig hat aber so einiges anderes drauf.
„So vollmundig die Versprechen, so dünn sind die wissenschaftlichen Belege“ – bereits im Jahr 2003 berichteten wir auf diese Weise über angebliche Wunderwirkungen von Apfelessig. Zellen soll er etwa langsamer altern lassen, Beine von Krampfadern befreien und überflüssige Pfunde verschwinden lassen.
Nun jazzt ihn eine Studie aus dem Libanon erneut als Diät-Mittel hoch. Die beteiligten Forschenden schreiben im British Medical Journal Nutrition, Prevention and Health über Abnehmerfolge von durchschnittlich 6 bis 8 Kilogramm binnen zwölf Wochen. Kann Apfelessig also doch mehr als bisher vermutet?
Weshalb das Studien-Design Fachleute nicht überzeugt
So ernüchternd es auch sein mag, aber die Antwortet lautet nach wie vor: Nein.
Die aktuelle Studie hat aus Sicht unserer Ernährungs- und Diätexpertinnen gleich mehrere methodische Schwächen und Ungereimtheiten:
- Altersstruktur. Die Gruppe der insgesamt 120 Teilnehmenden war zu uneinheitlich – das Alter reichte von 12 bis 25 Jahren. Auch wenn alle Übergewicht hatten, wurden Kinder und junge Erwachsene gleich behandelt und nichts über ihre Ernährungsgewohnheiten geschrieben. Einige Teilnehmer waren laut Studie in therapeutischer Behandlung – aber mehr erfährt man über sie nicht.
- Kein Placebo-Effekt. Auffällig ist, dass die Forschenden nur bei denjenigen Probanden Gewichtsreduktionen beobachteten, die täglich eine Mischung von 1 bis 3 Esslöffeln Apfelessig mit 250 Milliliter Wasser tranken. In der Kontrollgruppe – Teilnehmer tranken täglich einen Placebo aus Wasser und Milchsäure – wurde überhaupt kein Gewichtsverlust verzeichnet. Das ist ungewöhnlich. Normalerweise gibt es in Kontrollgruppen durch den Placeboeffekt zumindest einen geringen sichtbaren Effekt.
- Am Geschmack zu erkennen. Milchsäure für den Placebo-Drink schmeckt anders als Apfelessig, so dass Apfelessig-Trinker diesen möglicherweise erkannten und sich allein deswegen erwünscht verhielten und insgesamt vorteilhafter ernährten.
- Laufzeit. Idealerweise sollte die Laufzeit einer Studie zum Abnehmen mindestens ein Jahr betragen, um eine Wirkung als dauerhaft zu belegen. Diese Studie lief aber nur zwölf Wochen lang.
- Durchhaltevermögen. Ebenfalls ungewöhnlich ist, dass alle 120 Teilnehmenden bis zum Ende der Studie dabeiblieben – normalerweise steigen einige vorzeitig aus oder es lassen sich nicht alles Ergebnisse verwerten.
„Nicht auf einzelne Lebensmittel setzen“
Hinzu kommt ein Grundsatz aus der aktuellen Ernährungswissenschaft: „Gesundes Abnehmen und Gewichthalten gelingt langfristig nur durch Ernährungsumstellung, nicht durch einzelne Lebensmittel“, sagt Charlotte Granobs, die als Lebensmittelexpertin der Stiftung Warentest unter anderem den jüngsten Test zu Diätkonzepten betreut hat.
Dafür wurden 15 Konzepte wie Ayurveda, Intervallfasten, Keto, Low Carb, eine vegetarische und vegane Ernährung wissenschaftlich überprüft, ob sie sich zum Abnehmen eignen. Die Urteile reichten von geeignet bis fragwürdig.
Gut für Salatsoßen und glänzendes Haar
Auch wenn Apfelessig allein Übergewicht nicht bekämpfen kann, lohnt es sich, ihn im Haus zu haben. Im Alltag entfaltet er viele Talente: So kann er etwa Salatsoßen – zum Beispiel in Kombination mit Olivenöl – mit fruchtigen Noten veredeln. Außerdem lassen sich mit Apfelessig kleine Wunden desinfizieren, juckende Insektenstiche lindern oder Völlegefühl nach dem Essen mildern.
Apfelessig gibt es in Supermärkten, Discountern und Drogerien zu kaufen. Er gehört zu den preiswerten Essigsorten, 1 Liter kostet etwa ab 1,30 Euro aufwärts. Er lässt sich auch selbst machen – aus Äpfeln, die mit Wasser erst zu Apfelwein vergären und dann zu Essig fermentieren. Allerdings dauert das Prozedere ein paar Wochen.
Tipp: Apfelessig bringt auch Haare zum Glänzen. Mischen Sie eine so genannte saure Rinse aus einem Esslöffel Apfelessig und einem Liter Wasser. Das gewaschene, nasse Haar damit spülen. Der Essigduft verfliegt im Nu.
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Es fehlt der Hinweis, dass Essig schädlich für die Zähne ist da der Schmelz angegriffen wird. Man sollte auch wie bei allen säurehaltigen Lebensmitteln nicht gleich die Zähne putzen sondern 30 Minuten warten.
bei mir wurde vor 25 Jahren ein Seborrhoisches Ekzem bzw. Seborrhoische Dermatitis (Rücken, Stirn, Kopfhaut, Gesicht) festgestellt.
Das war schon ziemlich lässtig und ich habe in den letzten 20 alles mögliche ausprobiert, lediglich kortisonhaltige cremes haben kurzzeitig weitergeholfen.
Im Internet habe ich vor ca. 6 Monaten den Tipp gelesen, täglich (Bio!)-Apfelessig auf die entzündeten Stellen zu streichen (Mischung 1:5), es hat dann ca. 1 Woche gedauert und das Seborrhoisches Ekzem war komplett verschwunden, seit dem bin ich beschwerdefrei. Kein Arzt wollte mein Selbstversuch positiv bestätigen, im Gegenteil, bei meinem letzten Arztbesuch habe ich vorsorglich wieder eine kortisonhaltige creme verschrieben bekommen, da die Wirkung von Apfelessig nicht wissenschaftlich bewiesen ist.
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