
Streuung. Auch wenn es schön aussieht - besser ist es, nicht alle Eier in einen Korb zu legen, sondern seine Geldanlage zu streuen. © Getty Images / Tatiana Lavrova
Es ist die Grundregel der Geldanlage: Streuen! Das Depot breit aufzustellen, ist wichtiger als die mühevolle Suche nach dem besten Fonds. Worauf Anlegende achten sollten.
„Wie lege ich mein Geld am besten an?“ – Auf dem Weg zur Antwort auf diese Frage kann man sich leicht verlaufen, die falschen Leute nach dem Weg fragen oder die falschen Schlüsse aus den eigenen Beobachtungen ziehen.
In einer Rubrik zum Thema Missverständnisse bei der Geldanlage wollen wir in loser Folge auf eben solche eingehen. Hier Teil 8: „Streuung nutzt mehr als man denkt“.
Zum Nachlesen finden Sie hier die vorangegangenen Teile:
Teil 7: Kursraketen? Uninteressant!
Teil 6: Sind Einzelaktien besser als ETF?
Teil 5. Verkaufssprüche unter der Lupe
Teil 4: Wenn aus Nachkommastellen Tausende Euro werden.
Teil 3: Viel zu wissen hilft nicht unbedingt viel.
Teil 2: Anlegen auf Sicht kostet Rendite.
Teil 1: MSCI World ETF – nur was für Einsteiger?
Die Eier und der Korb
Gerne wird beim Thema Streuung das Bild „nicht alle Eier in einen Korb legen“ benutzt. Diese Volksweisheit wird schnell akzeptiert. Trotzdem ist Streuung bei der Geldanlage viel wichtiger und nützlicher, als es die meisten Anlegerinnen und Anleger vermuten. Wir erklären, warum viele Fachleute den Nutzen der Streuung als einzigen „free lunch“ bezeichnen, den es an den Kapitalmärkten gibt. „Free lunch“ nutzen Ökonomen als Metapher für einen risikolosen Gewinn, den es eigentlich nicht geben dürfte – denn an den Kapitalmärkten wird einem nichts geschenkt.
Forschung bestätigt Nutzen
Schon frühe Forschung zeigte: Obwohl in den 1960er Jahren der Glaube an die Überlegenheit einer guten Aktienauswahl vorherrschend war, wurden kaum sehr konzentrierte Portfolios mit wenigen Aktien gefunden – Streuung war offensichtlich auch überzeugten „Stock Pickern“ wichtig. Es war der Ökonom und spätere Nobelpreisträger Harry Markowitz, der erstmals mathematisch erklärte, warum es viel besser ist zu diversifizieren, als nur auf seine drei Top-Aktien zu setzen. Das Handwerkszeug dazu ist Statistik: Volatilitäten, Korrelationen und Kovarianzen. Aber keine Sorge, wir werden das in einfachen Worten und Beispielen erklären.
Renditen mischen sich proportional
Bei Renditen funktioniert die Mischung, wie man es erwarten würde: Wenn Sie 100 Euro in einer Aktie haben, die 8 Prozent gemacht hat und 100 Euro in einer anderen Aktie, die 3 Prozent gemacht hat, dann haben beide zusammen im Schnitt 5,5 Prozent erzielt. Um das zu berechnen, addiert man jeweils hälftig 8 und 3 Prozent, mathematisch: (50% x 8 + 50% x 3). Wenn Sie mehr von der ersten Aktie gehalten hätten, zum Beispiel 75 Prozent Ihrer Investition, dann hätten Sie ein Plus von 6,75 Prozent erzielt (75% x 8 + 25% x 3). Sie erhalten also die Rendite Ihres Portfolio immer ganz einfach, indem Sie die Renditen der Einzelbestandteile mit ihrem Gewicht im Portfolio multiplizieren und alles aufaddieren.
Mit Anleihen funktioniert das auch, mit Rohstoffen ebenso. Renditen ergeben sich immer proportional zum Gewicht der einzelnen Portfoliobestandteile.
Risiko sinkt überproportional
Wenn man Risiko betrachtet, gilt diese einfache Proportionalität nicht mehr unbedingt. Risiko wird bei Finanzinstrumenten als Volatilität gemessen – das ist eine statistische Größe, die sich aus der Standardabweichung vom Mittelwert der Kursentwicklung einer Anlage ableitet. Weltaktienmärkte haben im langjährigen Schnitt beispielsweise eine Volatilität von 14. Dieser Wert lässt sich selbst nicht sinnvoll interpretieren, hilft aber beim Vergleich mit anderen Wertpapieren, wenn diese eine höhere oder niedrigere Volatilität haben.
Die Volatilität zweier Finanzinstrumente kombiniert sich aber nicht immer wie man denkt: Bei Aktien kann es (sehr) theoretische Fälle geben, wo jede Aktie eine Volatilität von beispielsweise 20 hat, aber eine passende Kombination ergibt eine Portfoliovolatilität von 0. Das wäre der Fall bei zwei Aktien, die sich immer gegenläufig bewegen. Jede Aktie für sich kann noch so volatil sein – wenn man eine zweite Aktie findet, die sich immer gegenläufig bewegt, kann man ein risikoloses Portfolio bauen. In der Realität gibt es so einen klaren Zusammenhang allerdings nie.
Wenn 1 plus 1 weniger als 2 ergeben
Doch finden sich nicht ganz so ausgeprägte Zusammenhänge sehr wohl in der Realität, denn Aktien laufen nie alle im Gleichschritt, sondern entwickeln sich phasenweise gegenläufig. Sie hängen von verschiedenen Branchen- und Länderentwicklungen ab und sehr stark von den Anlegererwartungen, die sie für diese eine Aktie haben. Das Risiko eines Aktienkorbes – oder eines Indexes – wird immer niedriger sein als die (gewichtete) Summe der Einzelrisiken. Renditen mitteln sich, aber Aktien-Risiken sinken überproportional, wenn man diversifiziert.
Volatilität am Beispiel Dax
Im Dax stecken 40 Aktien, deren Volatilitäten über drei Jahre (31.05.21 bis 31.05.2024) sich folgendermaßen ergeben:
- sie reicht von 12,4 (Beiersdorf) bis 56 Prozent (Zalando),
- die Hälfte der Aktien hat eine Volatilität über 27,
- der Durchschnitt aller 40 Einzelvolatilitäten liegt bei 28,7
Der Dax mit diesen 40 Aktien – in dem Fall nicht gleichgewichtet – weist im gleichen Zeitraum eine im Vergleich recht niedrige Volatilität von 16,4 aus. Dank der Streuung weist der Dax also eine Volatilität auf, die fast so niedrig ist wie die schwankungsärmsten Aktien im Index.
Nur zwei Aktien haben eine Einzelvolatilität, die niedriger liegt (Beiersdorf und Deutsche Telekom). Nur diese zu halten ist aber keine gute Idee, denn dann ist das Einzelaktienrisiko zu groß. Dieses Risiko drückt sich nicht in der Volatilität aus, es beschreibt seltene Extremereignisse, zum Beispiel wenn eine Firma pleite geht.
Wie man ein gute Streuung erreicht, haben wir kürzlich schon mal beschrieben, als wir Portfolios aus Einzelaktien und breit streuende ETF verglichen haben: Sind Einzelaktien besser als ETF?
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Es lohnt sich, das Risiko zu streuen
Der Nutzen der Streuung wird unterschätzt, weil Anlegerinnen und Anleger annehmen könnten, Risiko und Rendite würden sich in einem Portfolio mitteln. Das ist aber nicht der Fall. Das Risiko sinkt stärker als man denkt. Und da die Qualität einer Geldanlage nicht an der Rendite allein, sondern immer am Verhältnis von Rendite zu Risiko gemessen wird, wird klar: Das Rendite-Risiko-Verhältnis wird besser, wenn man gut streut, denn das Risiko sinkt stärker als die Rendite. Das ist eine von zwei Möglichkeiten an den Kapitalmärkten, sein Rendite-Risiko-Profil systematisch und kostenlos zu verbessern. Die andere Möglichkeit ist, Kosten zu senken – wie wichtig das ist, hatten wir hier schon mal ausgeführt: Wenn aus Nachkommastellen Tausende Euro werden.
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- Ein Kurssturz kommt oft aus dem Nichts. Unsere Leserinnen und Leser wollen wissen, welche Absicherungsinstrumente wir empfehlen. Die einfachste Methode ist die beste.
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- Wer sich an der Börse auskennt, will das beim Geldanlegen gern umsetzen – in der Hoffnung auf höhere Renditen. Wissen ist zwar nützlich, doch gute Streuung ist am besten.
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- Viele nutzen den Jahreswechsel, um ihr Depot zu überprüfen. Absolute Euro- oder Prozentwerte sagen aber nicht viel über den Erfolg. Wir liefern den passenden Maßstab.
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