Diver­sifikation bei der Geld­anlage Streuung nutzt mehr als man denkt

Datum:
  • Text: Karin Baur
  • Testleitung: Yann Stoffel
Diver­sifikation bei der Geld­anlage - Streuung nutzt mehr als man denkt

Streuung. Auch wenn es schön aussieht - besser ist es, nicht alle Eier in einen Korb zu legen, sondern seine Geld­anlage zu streuen. © Getty Images / Tatiana Lavrova

Es ist die Grund­regel der Geld­anlage: Streuen! Das Depot breit aufzustellen, ist wichtiger als die mühevolle Suche nach dem besten Fonds. Worauf Anlegende achten sollten.

„Wie lege ich mein Geld am besten an?“ – Auf dem Weg zur Antwort auf diese Frage kann man sich leicht verlaufen, die falschen Leute nach dem Weg fragen oder die falschen Schlüsse aus den eigenen Beob­achtungen ziehen.

In einer Rubrik zum Thema Miss­verständ­nisse bei der Geld­anlage wollen wir in loser Folge auf eben solche eingehen. Hier Teil 8: „Streuung nutzt mehr als man denkt“.

Zum Nach­lesen finden Sie hier die voran­gegangenen Teile:

Teil 7: Kursraketen? Uninteressant!

Teil 6: Sind Einzelaktien besser als ETF?

Teil 5. Verkaufssprüche unter der Lupe

Teil 4: Wenn aus Nachkommastellen Tausende Euro werden.

Teil 3: Viel zu wissen hilft nicht unbedingt viel.

Teil 2: Anlegen auf Sicht kostet Rendite.

Teil 1: MSCI World ETF – nur was für Einsteiger?

Die Eier und der Korb

Gerne wird beim Thema Streuung das Bild „nicht alle Eier in einen Korb legen“ benutzt. Diese Volks­weisheit wird schnell akzeptiert. Trotzdem ist Streuung bei der Geld­anlage viel wichtiger und nützlicher, als es die meisten Anle­gerinnen und Anleger vermuten. Wir erklären, warum viele Fachleute den Nutzen der Streuung als einzigen „free lunch“ bezeichnen, den es an den Kapitalmärkten gibt. „Free lunch“ nutzen Ökonomen als Metapher für einen risikolosen Gewinn, den es eigentlich nicht geben dürfte – denn an den Kapitalmärkten wird einem nichts geschenkt.

Forschung bestätigt Nutzen

Schon frühe Forschung zeigte: Obwohl in den 1960er Jahren der Glaube an die Über­legenheit einer guten Aktien­auswahl vorherr­schend war, wurden kaum sehr konzentrierte Portfolios mit wenigen Aktien gefunden – Streuung war offensicht­lich auch über­zeugten „Stock Pickern“ wichtig. Es war der Ökonom und spätere Nobel­preisträger Harry Markowitz, der erst­mals mathematisch erklärte, warum es viel besser ist zu diver­sifizieren, als nur auf seine drei Top-Aktien zu setzen. Das Handwerks­zeug dazu ist Statistik: Volatilitäten, Korrelationen und Kovarianzen. Aber keine Sorge, wir werden das in einfachen Worten und Beispielen erklären.

Renditen mischen sich proportional

Bei Renditen funk­tioniert die Mischung, wie man es erwarten würde: Wenn Sie 100 Euro in einer Aktie haben, die 8 Prozent gemacht hat und 100 Euro in einer anderen Aktie, die 3 Prozent gemacht hat, dann haben beide zusammen im Schnitt 5,5 Prozent erzielt. Um das zu berechnen, addiert man jeweils hälftig 8 und 3 Prozent, mathematisch: (50% x 8 + 50% x 3). Wenn Sie mehr von der ersten Aktie gehalten hätten, zum Beispiel 75 Prozent Ihrer Investition, dann hätten Sie ein Plus von 6,75 Prozent erzielt (75% x 8 + 25% x 3). Sie erhalten also die Rendite Ihres Portfolio immer ganz einfach, indem Sie die Renditen der Einzel­bestand­teile mit ihrem Gewicht im Portfolio multiplizieren und alles aufaddieren.

Mit Anleihen funk­tioniert das auch, mit Rohstoffen ebenso. Renditen ergeben sich immer proportional zum Gewicht der einzelnen Portfolio­bestand­teile.

Risiko sinkt über­proportional

Wenn man Risiko betrachtet, gilt diese einfache Proportionalität nicht mehr unbe­dingt. Risiko wird bei Finanz­instru­menten als Volatilität gemessen – das ist eine statistische Größe, die sich aus der Stan­dard­abweichung vom Mittel­wert der Kurs­entwick­lung einer Anlage ableitet. Welt­aktienmärkte haben im lang­jährigen Schnitt beispiels­weise eine Volatilität von 14. Dieser Wert lässt sich selbst nicht sinn­voll interpretieren, hilft aber beim Vergleich mit anderen Wert­papieren, wenn diese eine höhere oder nied­rigere Volatilität haben.

Die Volatilität zweier Finanz­instru­mente kombiniert sich aber nicht immer wie man denkt: Bei Aktien kann es (sehr) theoretische Fälle geben, wo jede Aktie eine Volatilität von beispiels­weise 20 hat, aber eine passende Kombination ergibt eine Portfoliovolatilität von 0. Das wäre der Fall bei zwei Aktien, die sich immer gegen­läufig bewegen. Jede Aktie für sich kann noch so volatil sein – wenn man eine zweite Aktie findet, die sich immer gegen­läufig bewegt, kann man ein risikoloses Portfolio bauen. In der Realität gibt es so einen klaren Zusammen­hang allerdings nie.

Wenn 1 plus 1 weniger als 2 ergeben

Doch finden sich nicht ganz so ausgeprägte Zusammenhänge sehr wohl in der Realität, denn Aktien laufen nie alle im Gleich­schritt, sondern entwickeln sich phasen­weise gegen­läufig. Sie hängen von verschiedenen Branchen- und Länder­entwick­lungen ab und sehr stark von den Anleger­erwartungen, die sie für diese eine Aktie haben. Das Risiko eines Aktienkorbes – oder eines Indexes – wird immer nied­riger sein als die (gewichtete) Summe der Einzel­risiken. Renditen mitteln sich, aber Aktien-Risiken sinken über­proportional, wenn man diver­sifiziert.

Volatilität am Beispiel Dax

Im Dax stecken 40 Aktien, deren Volatilitäten über drei Jahre (31.05.21 bis 31.05.2024) sich folgendermaßen ergeben:

  • sie reicht von 12,4 (Beiers­dorf) bis 56 Prozent (Zalando),
  • die Hälfte der Aktien hat eine Volatilität über 27,
  • der Durch­schnitt aller 40 Einzel­volatilitäten liegt bei 28,7

Der Dax mit diesen 40 Aktien – in dem Fall nicht gleichgewichtet – weist im gleichen Zeitraum eine im Vergleich recht nied­rige Volatilität von 16,4 aus. Dank der Streuung weist der Dax also eine Volatilität auf, die fast so nied­rig ist wie die schwankungs­ärmsten Aktien im Index.

Nur zwei Aktien haben eine Einzel­volatilität, die nied­riger liegt (Beiers­dorf und Deutsche Telekom). Nur diese zu halten ist aber keine gute Idee, denn dann ist das Einzel­aktienrisiko zu groß. Dieses Risiko drückt sich nicht in der Volatilität aus, es beschreibt seltene Extrem­ereig­nisse, zum Beispiel wenn eine Firma pleite geht.

Wie man ein gute Streuung erreicht, haben wir kürzlich schon mal beschrieben, als wir Portfolios aus Einzel­aktien und breit streuende ETF verglichen haben: Sind Einzelaktien besser als ETF?

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Es lohnt sich, das Risiko zu streuen

Der Nutzen der Streuung wird unter­schätzt, weil Anle­gerinnen und Anleger annehmen könnten, Risiko und Rendite würden sich in einem Portfolio mitteln. Das ist aber nicht der Fall. Das Risiko sinkt stärker als man denkt. Und da die Qualität einer Geld­anlage nicht an der Rendite allein, sondern immer am Verhältnis von Rendite zu Risiko gemessen wird, wird klar: Das Rendite-Risiko-Verhältnis wird besser, wenn man gut streut, denn das Risiko sinkt stärker als die Rendite. Das ist eine von zwei Möglich­keiten an den Kapitalmärkten, sein Rendite-Risiko-Profil systematisch und kostenlos zu verbessern. Die andere Möglich­keit ist, Kosten zu senken – wie wichtig das ist, hatten wir hier schon mal ausgeführt: Wenn aus Nachkommastellen Tausende Euro werden.

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