Autohersteller haben illegal getrickst. Jetzt urteilte der Europäische Gerichtshof: Sie müssen Käufer der Autos entschädigen – auch ohne Vorsatz.
Autohersteller müssen alle Käufer von Autos entschädigen, bei denen die Abgasreinigung häufiger als zulässig verringert oder abgeschaltet wird. Das hat der Europäische Gerichtshof heute entschieden. Damit haben Besitzer betroffener Fahrzeuge gegenüber Herstellern auch ohne Vorsatz Anspruch auf Schadenersatz. Die Entscheidung geht weit über die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinaus.
Die Autohersteller haben bei der Zulassung von Autos mit Dieselmotoren getrickst. Nur bei den Prüfstandversuchen zur Ermittlung des Schadstoffausstoßes funktionierte die Abgasreinigung korrekt. Bei Fahrten im normalen Straßenverkehr trimmte die Motorsteuerung die Maschinen auf Effizienz und Leistung. Der Ausstoß an giftigem Stickoxid stieß weit über die Grenzwerte hinaus. Jetzt hat der Europäische Gerichtshof geurteilt: Autohersteller müssen die Käufer von Autos mit solchen illegalen Motorsteuerungen entschädigen. test.de erklärt die rechtlichen und tatsächlich Hintergründe, beantworten die wichtigen Fragen zum Abgasskandal und erklärt, was Ihnen als Besitzer eines Autos mit illegaler Motorsteuerung genau zusteht und wie Sie Schadenersatz fordern. Außerdem liefern wir Mustertexte für Ihr Forderungsschreiben.
Aktuelle Urteile
Was gibt es sonst noch Neues im Abgasskandal?
Abgasreinigung herabsetzen grundsätzlich verboten. Bereits entschieden hatte der Europäische Gerichtshof: Die Abgasreinigung herabzusetzen ist nur erlaubt, wenn es zur Verhinderung eines Unfalls oder Schäden am Motor notwendig ist.
Experten denken: Es ist praktisch jede Motorsteuerung für Autos mit Dieselmotor bis einschließlich Euro 6c illegal. Alle Käufer dieser Autos können jetzt Schadenersatz fordern. Viele Schadenersatzforderungen werden auch noch nicht verjährt sein. Die Folgen des Urteils lassen sich kaum abschätzen. Zugunsten der Autoindustrie hatte die Richter in Luxemburg klargestellt: Schadenersatzansprüche um eine Entschädigung für die mit den Autos gefahrenen Kilometer abzuziehen, kann zulässig sein. Darüber müssen jetzt die Gerichte in Deutschland und den übrigen EU-Staaten entscheiden.
Erst mal weiter freie Fahrt. Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts in Schleswig sind Millionen von Autos mit Dieselmotoren bis einschließlich Euro 6c illegal unterwegs. Zunächst ändert sich aber nichts. Ihre Besitzer dürfen sie wie gewohnt weiter benutzen. Bestätigen allerdings Ober- und Bundesverwaltungsgericht die Entscheidung aus Schleswig, ist im Dieselskandal wieder alles offen. Möglich ist dann ein Rückruf aller betroffener Autos mit aufwendiger Nachrüstung oder sogar die Stilllegung von Fahrzeugen. Aber: Bis es soweit wäre, werden wahrscheinlich noch Jahre ins Land gehen.
Urteil gegen das Kraftfahrtbundesamt. Das Verwaltungsgericht Schleswig hat auf eine Klage der Deutschen Umwelthilfe hin geurteilt: Die Genehmigungen der von VW nach Bekanntwerden des Abgasskandals neu entwickelten Motorsteuerungen sind danach rechtswidrig. Begründung: Sie reduzierten die Abgasreinigung viel zu oft. Die Richter setzten damit die strengen Ansagen des Europäischen Gerichtshofs um. Vor allem bei geringen Lufttemperaturen von unter 10 Grad verringerten die VW-Motorsteuerungen die Abgasreinigung, um verstärkte Rußbildung und Verkokung im Motor zu verringern. Dadurch stießen die Autos oft erheblich mehr als die seinerzeit erlaubten 180 Milligramm giftigem Stickoxids pro Kilometer aus. Das Urteil betrifft übrigens auch zahlreiche Autos anderer Hersteller. Ihre Autos mit Dieselmotoren sind ebenfalls oft mit reduzierter oder abgeschalteter Abgasreinigung unterwegs. Jüngere VW-Modelle sind dagegen offenbar kaum betroffen. Bei ihnen war die Abgasreinigung nur unter extremen Bedingungen reduziert.
Strenge Ansagen zur Abgasreinigung. Grundlegende Ansage des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg: Die Abgasreinigung muss grundsätzlich auch im Fahrbetrieb funktionieren. Sie unterhalb oder oberhalb von Lufttemperaturen zu reduzieren, wie es oft vorkommt, sei illegal. Erlaubt sei das nur ausnahmsweise zur Verhinderung von akut drohenden Motorschäden oder Unfällen. Weitere Einzelheiten in der Chronik zum Abgasskandal unter 15.07.2022
Abgasskandal – worum geht es?
Worin besteht eigentlich der Skandal?
Technisches Problem. Vor allem bei effizienten und leistungsstarken Turbodiesel-Motoren waren die zunehmend strengen Abgasgrenzwerte für die Hersteller zunächst nur schwer einzuhalten. Die hohe Temperatur und der Druck im Brennraum führen zu einem hohen Anteil von giftigem Stickoxid im Abgas. Der Schadstoffausstoß ließ sich zwar verringern, aber darunter litten regelmäßig Leistung, Effizienz und/oder Haltbarkeit.
Prüf-Betrug. Für die Zulassung neu entwickelter Autos war entscheidend, dass die Schadstoffgrenzwerte bei einem Prüfstandsversuch mit genau definierten Bedingungen eingehalten werden, die so im normalen Fahrbetrieb allenfalls sehr selten zusammentreffen. Offenbar branchenweit begannen die Ingenieure in der Motorentwicklung bald damit, die Maschinen so zu steuern, dass zwar im Prüfstand die Grenzwerte für den Schadstoffgehalt im Abgas eingehalten werden, andererseits aber Leistung und Effizienz im Alltag erhalten bleiben. Am Ende waren Autos mit Dieselmotor eigentlich nur bei Prüfstandsversuchen sauber und stießen sonst viel mehr giftiges Stickoxid als zulässig aus.
Verstoß gegen EU-Recht. Laut EU-Regeln für die Typzulassung darf die Abgasreinigung nur ausnahmsweise verringert oder abgeschaltet werden, wenn das zur Verhinderung von Unfällen oder Motorschäden nötig ist. So hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) geurteilt: Die Verringerung der Abgasreinigung bei Lufttemperaturen, wie sie in Europa häufig vorkommen, ist illegal, solange sie nicht akut drohende Motorschäden verhindert. Europäischer Gerichtshof,Urteil vom 14.07.2022 Aktenzeichen: C-128/20 Pressemitteilung des Gerichts Stellungnahme des Kraftfahrtbundesamts dazu
Danach ist laut Verwaltungsgericht Schleswig auch die von VW auf Geheiß des Kraftfahrtbundesamts entwickelte neue Motorsteuerung für die Skandalautos illegal. Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht, Urteil vom 20.02.2023 Aktenzeichen: 3 A 113/18 (nicht rechtskräftig) Verbraucheranwälte: Rechtsanwälte Remo Klinger und David Krebs, Berlin
Wer ist vom Abgasskandal betroffen?
Das ist nach wie vor noch nicht abschließend geklärt. Nach dem aktuellen Urteil des Verwaltungsgerichts in Schleswig spricht alles dafür, dass kaum ein nach den Normen Euro 4 bis einschließlich Euro 6c zugelassenes Auto mit Dieselmotor wirklich legal ist. Erst nach Euro 6d und jüngeren Normen zugelassene Autos gelten als zuverlässig sauber.
Behörden und Gerichte tun sich schwer mit der Aufarbeitung des Skandals. Bisher hat das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg die Motorsteuerung in folgenden Autos als rechtswidrig beurteilt und die Entwicklung neuer Software angeordnet:
BMW: 11 700 Autos aus der 5er und 7er-Reihe mit Dieselmotoren. Laut BMW wurde bei diesen Wagen irrtümlich eine falsche Motorsteuerung installiert.
Daimler AG: 820 000 nach Abgasnorm Euro 5 zugelassene Mercedes der A-, B-, C-, E-, G- und S-Klasse mit CDI-Motoren
Opel: Knapp 100 000 Autos der Modellreihen Cascada, Insignia und Zafira mit Euro 6-Dieselmotoren.
VW-Konzern: Fast 2,8 Millionen Autos der Marken Audi, Porsche, Seat, Skoda und VW mit 1,2-, 1,6-, 2,0-, 2,5-, 3,0 und 4,2-Liter-Turbodiesel-Motoren.
Allerdings: Auch die neu entwickelten Motorsteuerungen sind nach dem aktuellen Urteil des Verwaltungsgerichts Schleswig rechtswidrig. Die Abgasreinigung funktioniere zu oft nicht. Das Kraftfahrtbundesamt war nach Ansicht der Richter zu großzügig, als es die neuen Motorsteuerungen genehmigte. Wenn das Urteil rechtskräftig wird, müssen die Hersteller noch mal ran und wahrscheinlich entweder Katalysatoren für die Nachrüstung entwickeln oder die Autos aus dem Verkehr ziehen.
Rechte gegenüber dem Hersteller
Kann ich als Besitzer eines Autos mit illegaler Motorsteuerung Schadenersatz vom Hersteller verlangen?
Ja, meint der Europäische Gerichtshof. Er äußerte sich zu einer Klage gegen Mercedes wegen eines im März 2013 neu zugelassenen Mercedes C 220 CDI, bei dem die Motorsteuerung die Abgasreinigung unterhalb bestimmter Temperaturen reduziert. Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 21.03.2023 Aktenzeichen: C-100/21 Verbraucheranwälte: Prorights Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München
Danach dürfte so ziemlich jedem Besitzer von Autos mit Dieselmotoren bis einschließlich Euro 6c Schadenersatz zustehen, wenn seine Rechte nicht inzwischen verjährt oder seine Klagen rechtskräftig abgewiesen sind. Erst nach Euro 6d zugelassene Dieselmotoren sind Messungen der Deutschen Umwelthilfe zu Folge so sauber, wie es die EU-Regeln vorschreiben. Die zuvor zugelassenen Autos stießen bei Fahrten im Straßenverkehr aber viel mehr Stickoxid aus als im Prüfstand und als es nach den EU-Regeln zulässig war.
Möglicher Einwand deuscher Autohersteller: Das Kraftfahrtbundesamt hat einen erheblichen Teil der Motorsteuerungen genau untersucht und ausdrücklich gebilligt. Die Behörde war viel großzügiger als die Richter in Luxemburg. Im Februar hatte das Verwaltungsgericht in Schleswig auf der Grundlage der Urteile aus Luxemburg entschieden: Sogar die von VW nach Bekanntwerden des Abgasskandals im September 2015 neu entwickelten Steuerungen für die Skandalautos ist auch wieder rechtswidrig und genügt den Anforderungen der EU-Regeln nicht.
Nach Auffassung der Juristen bei test.de schließt das Schadenersatzforderungen von Autokäufern aber nicht aus. Der Irrtum über die Zulässigkeit von Mechanismen zur Reduktion der Abgasreinigung entlastet die Autoindustrie nur, wenn er sich nicht hätte vermeiden lassen. Davon kann keine Rede sein. Etliche Juristen hatten von Anfang an die Meinung vertreten: Das Kraftfahrtbundesamt hätte die Motorsteuerungen von Dieselmotoren viel strenger beurteilten müssen.
Bisher gilt laut Bundesgerichtshof: Autohersteller haften nur auf Schadenersatz, sofern sich die Führung des Unternehmens durch die illegalen Tricks in der Motorsteuerung bewusst Wettbewerbsvorteile verschafft hat, so dass das als vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung der Käufer solcher Autos erscheint.
Was kann ich als Besitzer eines Autos mit illegaler Motorsteuerung als Schadenersatz vom Hersteller verlangen?
Sie können nach Ihrer Wahl den sogenannten kleinen oder den großen Schadenersatzanspruch geltend machen.
Kleiner Schadenersatz. Umfasst den Minderwert des gelieferten Autos im Vergleich zu einem Wagen, wie er hätte sein sollen. Vorteil: Sie können Ihren Wagen behalten, wenn Sie das wollen. Nachteil: Wie viel Euro der Minderwert konkret ausmacht, ist schwierig zu klären. Manche Richter schätzen einfach, andere verlangen ein teures Sachverständigengutachten, das das Prozesskostenrisiko in die Höhe treibt und schwer kalkulierbar macht. Großer Schadenersatz. Er umfasst den ganzen Abschluss des Vertrags und gibt Ihnen ein Recht darauf, den Kaufvertrag rückabzuwickeln. Das heißt: Sie erhalten den Kaufpreis zurück. Dafür müssen Sie das Auto zurückgeben und eine Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer zahlen.
Hinzu kommen jeweils Verzugs- oder zumindest Prozesszinsen. Details dazu und zur Berechnung unten in der Antwort auf die Frage: „Wie viel Zinsen muss mir der Hersteller eines Autos mit illegaler Motorsteuerung zahlen, wenn er dazu verurteilt wird, mich zu entschädigen?“.
Vorteil: Der große Schadenersatz lässt sich leicht ermitteln. Nachteil: Sie können Ihr Auto nicht behalten.
Wie wird die Nutzungsentschädigung berechnet, die VW vom zu erstattenden Kaufpreis abziehen darf?
Die Nutzungsentschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer errechnen die deutschen Gerichte so: Zunächst schätzen die Richter, wie viele Kilometer der Wagen typischerweise schafft, bis er ausgemustert wird. Bei Autos mit Dieselmotor gehen die Richter meist von einer Gesamtlaufleistung von 250 000 Kilometern aus, bei großen Autos setzen sie zuweilen auch 300 000 oder sogar noch mehr Kilometer an.
Zur Berechnung der Nutzungsentschädigung bei Neuwagen multiplizieren Sie den Kaufpreis mit den bis jetzt gefahrenen Kilometern und dividieren das Ergebnis durch die Gesamtkilometer.
Rechenbeispiel: Sie haben spätestens am 22. September 2015 für 30 000 Euro einen VW Passat 2.0 TDI neu gekauft. Jetzt zeigt der Tacho 100 000 Kilometer an. Die Gesamtlaufleistung schätzt der zuständige Richter auf 300 000 Kilometer. Die Nutzungsentschädigung beträgt: 30 000 Euro * 100 000 km / 300 000 km = 10 000 Euro Bei als Gebrauchtwagen gekauften Skandalautos rechnen Sie entsprechend: Kaufpreis mal (Kilometer jetzt minus Kilometer bei Kauf) geteilt durch (Gesamtkilometer minus Kilometer bei Kauf) = Nutzungsentschädigung.
Rechenbeispiel: Sie haben spätestens am 22. September 2015 für 15 000 Euro einen VW Golf 1.6 TDI mit 50 000 Kilometern auf dem Tacho gekauft. Jetzt zeigt der Tacho 150 000 Kilometer an. Die Gesamtlaufleistung schätzt der zuständige Richter auf 250 000 Kilometer. Die Nutzungsentschädigung beträgt: 15 000 Euro * (150 000 km - 50 000 km) / (250 000 km - 50 000 km) = 7 500 Euro
Nutzen Sie unseren VW-Entschädigungsrechner, wenn Sie für Ihren Fall die ungefähre Höhe der Entschädigung ermitteln wollen.
Der Europäische Gerichtshof hat es grundsätzlich gebilligt, die Erstattung des Kaufpreises um den Gegenwert der Nutzungsvorteile zu kürzen. Allerdings: Die nationalen Gerichte müssen nach Ansicht der EU-Richter in Luxemburg prüfen, ob Entschädigung noch angemessen ist, nachdem der Nutzungsvorteil angerechnet wurde. Dass Autobesitzer nach Auffassung des Bundesgerichtshofs völlig leer ausgehen, wenn ihr Wagen die von ihm typischerweise erwartete Gesamtlaufleistung erreicht hat, dürfte damit ausgeschlossen sein.
Ist auch beim „kleinen Schadenersatz“ eine Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer zu berücksichtigen?
Nein, den kleinen Schadenersatz erhalten Abgasskandalopfer unabhängig vom Kilometerstand des Wagens in voller Höhe. Einschränkung: Hat der Wagen bereits mehr Kilometer geschafft, als ursprünglich insgesamt zu erwarten waren, dann sinkt der Schadenersatz. Wieder gilt: Es kann sein, dass dies dem Europäischen Gerichtshof zu weit geht. Bundesgerichtshof, Urteil vom 24.01.2022 Aktenzeichen: VI ZR 100/21 Formel für die Berechnung: Vom Schadenersatzanspruch (wird vom Gericht geschätzt, meist 10 bis 20 Prozent des Kaufpreises) sind abzuziehen: Kaufpreis einschließlich Umsatzsteuer / (Gesamtlaufleistung - bereits bei Kauf gefahrene Kilometer) x (Kilometerstand - Gesamtlaufleistung). Rechenbeispiel: Gebraucht für 20 000 Euro erworbenes Skandalauto mit 30 000 Kilometern auf dem Tacho, Gesamtlaufleistung: 300 000 Kilometer, Kilometer-Stand jetzt: 325 000 Kilometer, also: 2 500 - (20 000 / (300 000 - 30 000) * (325 000 - 300 000) = 433,33 Euro
Wie viel Zinsen muss mir der Hersteller eines Autos mit illegaler Motorsteuerung zahlen, wenn er dazu verurteilt wird, mich zu entschädigen?
Der jeweilige Hersteller muss Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über auf den jeweiligen Basiszinssatz auf den jeweils geschuldeten Betrag zahlen. Die Verzinsung beginnt bei korrekter Forderung ab Ablauf der dem Hersteller für die Zahlung der Entschädigung gesetzten Frist, spätestens aber am Tag der Zustellung der Klageschrift beim Konzern.
Für den großen Schadenersatz, also die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung bei Rückgabe des Wagens, ist die Verzinsung kompliziert zu berechnen. Der Betrag, den der Hersteller schuldet, hängt vom Kilometerstand des Autos ab und ist für jeden Tag separat zu ermitteln. Dabei dürfen die Gerichte ihn ausgehend vom Anfangsstand des Tachos bei Kauf bis zu dem am Tag der letzten mündlichen Verhandlung des Fall schätzen, wenn der jeweilige Kläger keine genaueren Angaben machen kann. Sie werden dazu die durchschnittliche tägliche Fahrleistung ermitteln und daraus den jeweils geschuldeten Betrag errechnen. Es geht um erhebliche Beträge.
Beispiel: Ein Mittelklassewagen, neu erworben am 1.1.2015 für 30 000 Euro, die Frist für die Erstattung des Kaufpreises abzüglich der mit einer Gesamtfahrleistung von 250 000 Kilometer errechneten Nutzungsentschädigung gegen die Rückgabe des Wagens endete am 1.1.2017, letzte mündliche Verhandlung des Rechtsstreits durch alle Instanzen war am 1.8.2020 bei einem Kilometerstand des Wagens von 125 000 Kilometern: Die Verzugszinsen belaufen sich bei gleichmäßiger Benutzung und bei Zahlung der Entschädigung am 1.1.2021 auf insgesamt fast 3 200 Euro.
Können Hersteller für den unzulässig hohen Schadstoffausstoß Ihrer Autos haftbar gemacht werden?
Anders als in den USA wird das hierzulande wohl nicht möglich sein. Allerdings sind hohe Bußgelder fällig. Als erste Behörde in der EU verhängten die Beamten in der niederländischen Autoriteit Consument & Markt eine Buße von 450 000 Euro gegen VW – wegen unlauteren Wettbewerbs. Der Autokonzern habe saubere Abgase vorgetäuscht und sich zu Unrecht als umweltbewusstes und „grünes“ Unternehmen dargestellt.
Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft Braunschweig VW mit einer Milliarde Euro zur Kasse gebeten. Daimler hat 870 Millionen, Audi 800 Millionen, Porsche 535 Millionen und Bosch 90 Millionen Euro Bußgeld gezahlt.
Außerdem stehen Martin Winterkorn und vier weitere Ex-VW-Manager unter Anklage wegen gewerbsmäßigen Betrugs. Winterkorn muss aus gesundheitlichen Gründen bisher noch gar nicht vor Gericht erscheinen. Das Verfahren gegen die vier weiteren Angeklagten verzögert sich aktuell wegen der Elternzeit eines der zuständigen Richter am Landgericht Braunschweig.
Was kann ich als Abgasskandalopfer unternehmen, wenn mir nach den Ansagen des Bundesgerichtshofs Schadenersatz zusteht?
Inzwischen sind die meisten Rechte wegen der Skandalautos von VW verjährt. Es bleibt aber oft noch der so genannte Restschadenersatzanspruch. Erst zehn Jahre nach Kauf des Autos geht gar nichts mehr (s. u. in der Antwort auf die Frage: „Kann ich trotz Ablauf der normalen dreijährigen Verjährungsfrist noch auf Schadenersatz klagen?“). Ansonsten beginnt die Verjährung erst, wenn Autobesitzer erfahren, dass sie einen Anspruch haben könnten.
Wann verjährt mein Recht auf Schadenersatz?
Nach deutschem Recht verjähren Forderungen auf Schadenersatz drei Jahre nach Ende des Jahres, in dem Autokäufer die Umstände erfahren, die sie zum Schadenersatz berechtigen. Entscheidend ist der Zeitpunkt, an dem sie erfahren, dass ihr Wagen womöglich mit illegaler Motorsteuerung unterwegs ist. Unabhängig von der Kenntnis der Umstände verjähren Forderungen zehn Jahre nach ihrer Entstehung. In Skandalautofällen kommt es auf den Tag an, an dem der Kaufvertrag für den Wagen geschlossen wurde.
Was muss ich tun, wenn ich Schadenersatz haben möchte?
Sie sollten zunächst selbst Schadenersatz fordern. Dabei helfen unsere Mustertexte samt ausführlicher Hinweise. Meist werden Autohersteller den Schadenersatz verweigern. Autobesitzern bleibt dann nur, rechtzeitig vor Eintritt der Verjährung rechtliche Schritte einzuleiten.
Was kann ich tun, wenn mein Autohersteller mich nicht entschädigt?
Mit Verkehrsrechtsschutzversicherung können Sie selbst einen Rechtsanwalt, möglichst mit nachgewiesenen Erfolgen im Abgasskandal, beauftragen, Ihr Recht durchzusetzen. Ohne Rechtsschutzversicherung laufen Sie Gefahr, zumindest einen Teil der Rechtsanwalts- und Gerichtskosten zahlen zu müssen. Ihnen bleibt dann noch, nach Angeboten von Prozessfinanzierern zu schauen. Die bieten an, Rechte ohne Kostenrisiko durchuzusetzen. Dafür behalten Sie einen Teil des Geldes, wenn der Autohersteller am Ende zahlt.
Was kann ich als Besitzer eines Mercedes GLK oder GLC unternehmen, für den das Kraftfahrtbundesamt Mercedes wegen illegaler Motorsteuerung zur Nachrüstung mit einer neuen Motorsteuerung gezwungen hat?
Sie können Ihre Rechte zur Musterfeststellungsklage des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv) gegen Daimler anmelden. Das Urteil in dem Verfahren gilt dann auch für Sie. Setzt sich der vzbv durch, steht fest, dass Sie Schadenersatz bekommen. Es muss nur im Einzelfall noch geklärt werden, wie viel Geld Ihnen zusteht. Einzelheiten zur Daimler-Klage in unserem Special Musterfeststellungsklagen.
Kann ich trotz Ablauf der normalen dreijährigen Verjährungsfrist noch auf Schadenersatz klagen?
Wenn Sie Ihren Wagen als Neuwagen gekauft haben und der Hersteller den Wagen auf Ihre Bestellung hin geliefert hat, steht Ihnen über die normale Verjährung hinaus der so genannte Restschadenersatzanspruch zu. Das gilt auch, wenn Sie den Wagen als Re-Import aus einem anderen EU-Land erworben haben. Ausgeschlossen ist der Restschadenersatz über die Verjährung hinaus, wenn Händler und/oder Zwischenhändler den Wagen auf eigenes Risiko und unabhängig von Ihrer Bestellung erworben hatten. Der Restschadenersatz bringt Ihnen aber nicht den vollen Schadenersatz. VW muss nach Ablauf der normalen Verjährung nur noch das zahlen, was nach Abzug der Nutzungsentschädigung vom Preis, den der Händler an VW gezahlt hat, übrig bleibt. So hat es der Bundesgerichtshof entschieden.
Rechte gegenüber dem Verkäufer
Habe ich überhaupt Rechte gegenüber dem Verkäufer eines Skandalautos?
Händler haften bei Neuwagen zwei und bei Gebrauchtwagen mindestens ein Jahr ab Lieferung oder Übergabe für Sachmängel. Fest steht: Autos mit illegaler Motorsteuerung sind mangelhaft. Der Händler haftet, auch wenn er überhaupt nichts von der illegalen Motorsteuerung wusste. Ausgeschlossen ist die Haftung, wenn der Käufer bei Kauf wusste, dass der Wagen mit illegaler Motorsteuerung unterwegs ist. Bundesgerichtshof, Beschluss vom 08.01.2019 Aktenzeichen: VIII ZR 225/17
Damit haben Käufer der Autos auf jeden Fall das Recht, vom Händler Nachbesserung zu verlangen. Nachbesserung ist entweder Reparatur oder Neulieferung. Ein Recht auf vollständige Neulieferung ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn nach einem Modellwechsel nur das neue Modell noch verfügbar ist, auch wenn dieses etwas schneller, stärker und größer ist als das alte.
Das Recht auf Neulieferung kann aber ausgeschlossen sein, wenn sie für den Händler mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist. Wenn das neue Modell 25 oder mehr Prozent teurer als das alte ist, muss der Besitzer des Skandalautos zuzahlen, wenn er das neue Modell haben will. Er muss aber nicht den vollen Unterschied ausgleichen, sondern nur für eine Drittel der Preisdifferenz aufkommen, urteilte der Bundesgerichtshof. Bundesgerichtshof, Urteil vom 08.12.2021 Aktenzeichen: VIII ZR 190/19
Kann ich auch zurücktreten, wenn ich ein Auto mit illegaler Motorsteuerung bekommen habe?
Ja, das können Sie. Von Gesetzes wegen gilt: Verweigert der Händler die Nachbesserung oder ist diese unzumutbar, dann dürfen Käufer vom Vertrag zurücktreten oder einen Teil des Kaufpreises zurückverlangen.
Muss ich meinem Händler bei einer Reklamation die Chance geben, das Problem zu beheben?
Das ist umstritten. Einzelne Gerichte meinten: Wenn es dem VW-Konzern gelingt, das Auto nachträglich mit einer Motorsteuerung zu versehen und/oder Bauteile nachzurüsten, mit denen die Abgasgrenzwerte eingehalten werden, ist der Verkäufer raus aus der Sachmängelhaftung.
VW brauchte jedoch fast ein Jahr, bis für erste Skandalautos eine neue und nach Ansicht des Kraftfahrtbundesamts in Flensburg legale Motorsteuerung zur Verfügung stand. So lange müssen Autobesitzer nicht auf die Nachbesserung warten. Abgesehen davon ist inzwischen bekannt: Auch die von VW neu entwickelte Motorsteuerung ist illegal und war damit nicht zur Nachbesserung geeignet.
Ich will vom Kauf zurücktreten und den Kaufpreis zurückverlangen. Anrechnen lassen soll ich mir einen Betrag für meine gefahrenen Kilometer. Wie wird der berechnet?
Geht so ein Fall vor Gericht, schätzen die Richter zunächst, wie viele Kilometer der Wagen typischerweise schafft, bis er ausgemustert wird. Bei Autos mit Dieselmotor gehen sie üblicherweise von 250 000 Kilometern aus, bei großen Autos setzen sie zuweilen auch 300 000 oder sogar noch mehr Kilometer an.
Zur Berechnung der Entschädigung bei Neuwagen teilen Sie dann den Kaufpreis durch die Gesamtkilometer und multiplizieren den Betrag mit den bereits gefahrenen Kilometern.
Beispiel: Der Wagen hat 25 000 Euro gekostet, ist 20 000 Kilometer gefahren und wird wahrscheinlich insgesamt 250 000 Kilometer schaffen, bis er verschrottet wird. Nutzungsentschädigung = Kaufpreis / Gesamtlaufleistung * gefahrene Kilometer = 25 000 Euro / 250 000 Kilometer * 20 000 Kilometer = 2 000 Euro. Hier müssten Sie sich 2 000 Euro anrechnen lassen.
Geht es um einen Gebrauchtwagen, wird so gerechnet: 1. Zu erwartende Gesamtkilometer – bis Kauf gefahrene Kilometer = Restlaufleistung. 2. Kaufpreis x (Kilometerstand bei Rückgabe – Kilometerstand bei Kauf)/ Restlaufleistung.
Beispiel: Der Wagen kostete 15 000 Euro mit einem Kilometerstand von 50 000. Jetzt hat er 75 000 Kilometer auf dem Tacho. Erwartete Gesamtlaufleistung: 250 000 Kilometer. Nutzungsentschädigung = 15 000 x (75 000 – 50 000)/(250 000 – 50 000) = 1 875 Euro.
Nutzen Sie unseren VW-Entschädigungsrechner, wenn Sie für Ihren Fall die ungefähre Höhe der Entschädigung ermitteln wollen.
Wann verjähren meine Rechte gegen den Händler?
Sachmangelrechte verjähren normalerweise genau zwei Jahre ab Lieferung des Autos. Bis dahin müssen Käufer eigentlich gerichtliche Schritte eingeleitet oder den Rücktritt vom Vertrag erklärt haben.
Wie kann ich die Verjährung stoppen?
Sie können entweder rechtzeitig vor Ablauf der Verjährung gerichtliche Schritte einleiten oder eine staatlich anerkannte Gütestelle einschalten. Haben Sie einen Gebrauchtwagen gekauft, können Sie in der Regel auch die für Ihren Wohnort zuständige Kfz-Schiedsstelle anrufen.
Habe ich als Käufer eines Gebrauchtwagens mit illegaler Motorsteuerung die gleichen Rechte wie der Erstbesitzer?
Handelt es sich um eine Privatverkauf, kommt es darauf an, ob die Sachmängelhaftung wirksam ausgeschlossen war. Falls ja, gehen Sie leer aus. Ansonsten haftet der Verkäufer. Ausgeschlossen ist die Sachmangelhaftung allerdings, wenn Sie den Mangel zum Zeitpunkt des Kaufs kannten. Dann haftet der Verkäufer dafür nicht.
Sie können sich dessen Rechte gegen den Vorverkäufer und den Hersteller aber problemlos abtreten lassen und sollten das möglichst auch tun. Muster für eine Abtretungserklärung:
Hiermit trete ich als Verkäufer des gebrauchten Wagens (Typ, Fahrgestellnummer) alle meine Rechte gegen a) den Vorverkäufer (Autohaus XY) und b) den Hersteller an den Käufer (Name, Anschrift) ab. Der Käufer des Wagens nimmt diese Abtretung an. Unterschriften Käufer und Verkäufer
Auch Dritt- oder Viertbesitzer des Wagens können so Inhaber der Rechte gegen Neuwagenverkäufer und Hersteller werden. Sie müssen jedoch eine lückenlose Kette von Abtretungserklärungen vorlegen können. Die Abtretung kann auch nachträglich noch vereinbart werden.
Rechte von Leasingnehmern
Was muss ich beachten, wenn ich ein Skandalauto geleast habe?
Als Leasingnehmer müssen Sie im Abgasskandal besonders vorsichtig sein. Der Leasinggeber tritt Ihnen die Sachmangelrechte gegen den Verkäufer ab. In der Regel sind Sie verpflichtet, Sachmangelrechte konsequent geltend zu machen. Versäumen Sie das, können Sie dem Leasinggeber gegenüber für den skandalbedingten Wertverlust des Wagens verantwortlich sein.
Sobald Sie etwa durch eine Aufforderung zur Nachrüstung erfahren, dass Ihr Wagen möglicherweise mit einer illegalen Motorsteuerung versehen ist, sollten Sie sofort beim Leasinggeber nachfragen, wie Sie sich verhalten sollen und auf einer verbindlichen Antwort bestehen. Auf der sicheren Seite sind Sie sonst nur, wenn Sie mögliche Sachmangelrechte wegen des Abgasskandals unverzüglich geltend machen.
Möglicher Ausweg: Leasingverträge mit unzureichender Belehrung über das Widerrufsrecht oder nicht korrekten Verbraucherinformationen können auch Jahre nach Abschluss noch widerruflich sein. Mehr dazu in unserer Meldung Kreditwiderruf bringt Chance auf Rückgabe.
Rechte von Autokreditnehmern
Was ändert sich, wenn ich mein Skandalauto mit einem vom Händler vermittelten Autokredit bezahlt habe?
Die Verbraucherinformationen zu fast allen ab 14. Juni 2010 geschlossenen Autokreditverträgen sind fehlerhaft. Solche Verträge können Kreditnehmer auch Jahre nach Vertragsschluss widerrufen, wenn die Autobank wie häufig geschehen von den gesetzlichen Mustertexten zur Information ihrer Kunden abgewichen ist. Hat den Kreditvertrag der Autohändler vermittelt, führt der Widerruf des Kreditvertrags dazu, dass auch der Autokauf rückabzuwickeln ist. Das dürfte oft leichter durchzusetzen sein als Sachmangelrechte oder Schadenersatzansprüche.
Für ab 13. Juni 2014 abgeschlossene Kreditverträge gilt jedenfalls nach Ansicht von Verbraucheranwälten sogar: Nach Widerruf dürfen Sie den Wagen zurückgeben ohne eine Entschädigung für die gefahrenen Kilometer zu zahlen. Detaillierte Tipps und einen Mustertext für den Widerruf finden Sie in unserer Meldung Autofinanzierung: Kreditwiderruf bringt Chance auf Rückgabe.
Grundsatzurteile zum Abgasskandal
Wie hat der Bundesgerichtshof (BGH) über den VW-Skandal geurteilt?
Das oberste deutsche Zivilgericht hat VW wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung dazu verurteilt, Käufer von Autos mit Turbodieselmotor vom Typ EA189 zu entschädigen. Sie erhalten den Kaufpreis zurück, müssen sich aber den Abzug einer Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer gefallen lassen.
Hat der Wagen bereits so viele Kilometer gefahren, wie beim Kauf von ihm zu erwarten waren, dann bekommen Skandalautobesitzer nichts mehr. Wurden Skandalautos auf Kredit finanziert, hat VW auch dafür gezahlte Zinsen und sonstige Finanzierungskosten wie etwa den Beitrag für eine Restschuldversicherung zu ersetzen.
Zinsen stehen VW-Skandalopfern aber nicht zu, urteilten die Richter am Bundesgerichtshof. Erst wenn VW mit der Erstattung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsentschädigung in Verzug geraten ist oder Skandalautobesitzer oder ihre Anwälte Klage erhoben haben, sind Zinsen fällig.
Leer gehen Käufer von Skandalautos aus, wenn sie ihren Wagen erst gekauft haben, nachdem bekannt war, dass er mit einer illegalen Motorsteuerung versehen ist. Käufer von VW mit EA189-Dieselmotoren bekommen keinen Schadenersatz, wenn sie den Kaufvertrag über den Wagen nach Bekanntwerden des Skandals am 22. September 2015 abgeschlossen haben.
VW habe sein Verhalten durch die Erklärungen zum Abgasskandal soweit geändert, dass es nicht mehr als vorsätzliche sittenwidrige Schädigung von Käufern der Skandalautos erscheine, begründete der Bundesgerichtshof sein Urteil.
Wie begründen die Bundesrichter ihre Urteile?
Vorsatz. VW habe Käufer der Skandalautos vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt, indem das Unternehmen vortäuschte, dass die leistungsstarken und effizienten Dieselmotoren vom Typ EA189 gleichzeitig auch so sauber und umweltfreundlich wie vorgeschrieben sind. Schon der Kauf eines solchen Wagens stelle einen Schaden dar, weil die Behörden wegen der illegalen Steuerung des Motors den Betrieb untersagen können.
Es sei davon auszugehen, dass die VW-Führung Bescheid wusste, argumentierten die Bundesrichter in Karlsruhe weiter. VW hatte stets erklärt: Es werde noch untersucht, wer genau die Machenschaften zu verantworten hat und was die VW-Führung davon wusste. Das reichte nicht, um eine Verurteilung zu verhindern.
Nur wenn VW lückenlos hätte erklären können, dass untergeordnete Mitarbeiter verantwortlich sind und den nach dem Aktiengesetz verantwortlichen Topmanagern kein Vorwurf zu machen ist, hätte nicht das Unternehmen, sondern lediglich direkt verantwortliche Mitarbeiter Schadenersatz wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zahlen müssen.
Nutzungsentschädigung. Käufer von Skandalautos erhalten aber nicht den vollen Kaufpreis zurück. Sie müssen eine Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer zahlen. Es gehe darum, Schäden auszugleichen und nicht, den Schädiger zu bestrafen und Opfer besser zu stellen, als sie bei korrektem Verhalten von VW gestanden hätten. Deshalb haben Skandalopfer kein Recht darauf, den vollständigen Kaufpreis zurückzubekommen, obwohl sie den Wagen jahrelang und zum Teil viele Hunderttausend Kilometer weit gefahren sind.
Wie die Nutzungsentschädigung genau zu berechnen ist, erklären wir oben (siehe Frage „Wie wird die Nutzungsentschädigung berechnet, die VW vom zu erstattenden Kaufpreis abziehen darf?“).
Zinsen. Ein Recht auf Verzinsung des Kaufpreises stehe VW-Skandalopfern nicht zu, weil sie ihre Autos genau wie vorgesehen nutzen konnten. Nur wenn die Behörden die Skandalautos tatsächlich aus dem Verkehr gezogen hätten, stünde den Besitzern ein Recht auf Verzinsung des Kaufpreises zu, argumentierten die Bundesrichter.
Kläger erhalten allerdings zumindest so genannte „Prozesszinsen“ und oft auch Verzugszinsen. Spätestens ab Zustellung der Klageschrift und oft auch ab Ablauf der VW für die Erstattung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsentschädigung gesetzten Frist muss VW Zinsen in Höhe von fünf Punkten über dem Basiszinssatz auf den jeweils geschuldeten Betrag zahlen.
Die Berechnung ist kompliziert. Die Gerichte müssen die Zinsen für jeden Tag einzeln ermitteln (siehe Frage „Unterstellt, ich habe ein Anrecht auf Schadenersatz: Was kann ich dann vom Hersteller verlangen?“.
Was ist mit Zinsen, die Skandalautobesitzer bei der Finanzierung ihres Wagens gezahlt haben?
Wenn der Autohersteller Besitzer des Wagens wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu entschädigen hat, muss er auch Finanzierungskosten einschließlich oft sehr teurer Restschuldversicherung ersetzen. Das hat der Bundesgerichtshof inzwischen bestätigt. Die Käuferin eines gebrauchten Golf TDI erhält jetzt zusätzlich 3 275,55 Euro, die sie an Zinsen für die Autofinanzierung sowie für eine Restschuldversicherung gezahlt hatte. Schon Landgericht und Oberlandesgericht Köln hatten zugunsten der Golf-Fahrerin geurteilt. Landgericht Köln, Urteil vom 19.07.2019 Aktenzeichen: 16 O 406/18 Oberlandesgericht Köln, Urteil vom 19.02.2020 Aktenzeichen: 27 U 52/19 Bundesgerichtshof, Urteil vom 13.04.2021 Aktenzeichen: VI ZR 274/20 Verbraucheranwälte: Baumeister Rosing Rechtsanwälte, Berlin/Esslingen
Was hat der Bundesgerichtshof (BGH) zur Verjährung entschieden?
Die Ersatzansprüche von Skandalautobesitzern wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung verjähren drei Jahre nach Ende des Jahres, in dem sie vom Abgasskandal und der möglichen Verstrickung ihres Wagens darin erfahren haben.
Ansprüche gegen VW wegen Autos mit EA189-Motoren sind damit oft bereits am 31.12.2019 verjährt. Genauer als bereits 2015 bekannt, mussten betroffene Autobesitzer nicht Bescheid wissen, damit die Erhebung der Schadenersatzklage gegen VW zumutbar ist, und deshalb die Verjährung beginnt. Laut Bundesgerichtshof ist davon auszugehen, dass Besitzer von Skandalautos spätestens irgendwann im Laufe des Jahres 2016 wussten oder wissen mussten, dass sie womöglich ein Recht auf Schadenersatz haben.
Anmeldungen zur VW-Musterfeststellungsklage nach Jahresbeginn 2019 haben die Verjährung von Schadenersatzforderungen noch rechtzeitig gestoppt, auch wenn die Verjährungsfrist zu diesem Zeitpunkt schon abgelaufen war. Die Anmeldung wirkt auf den Zeitpunkt der Erhebung der Musterfeststellungsklage am 1. November 2018 zurück. Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.07.2021 Aktenzeichen: VI ZR 1118/20
Gelten die bisherigen BGH-Urteile auch für andere Skandalauto-Besitzer?
Nein, jedes Urteil gilt direkt nur für den einen Fall, den die Richter beurteilt haben. Richter, die über andere VW-Skandalfälle zu entscheiden haben, sind daran nicht gebunden.
Allerdings: Wollen Gerichte die entscheidenden Rechtsfragen anders als der Bundesgerichtshof beurteilen, müssen sie zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung Rechtsmittel zulassen. Der Fall würde dann letztlich wieder beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe landen.
Der BGH würde solche Urteile wegen Rechtsfehlern aufheben, soweit er Fälle bei gleicher Sachlage anders beurteilt hat als die Vorinstanzen. Die Land- und Oberlandesgerichte beachten deshalb in aller Regel die Vorgaben der Bundesrichter in Karlsruhe.
Wie sieht der Europäische Gerichtshof (EuGH) den Abgasskandal?
Die Richter am EuGH in Luxemburg haben geurteilt: Eine illegale Abschalteinrichtung liegt auch dann vor, wenn für Prüfstandbedingungen die Abgasreinigung gegenüber Fahrten im normalen Straßenverkehr verbessert wird. Das gilt auch, wenn die Abgasreinigung auch dann korrekt funktioniert, wenn bei normalen Fahrten im Einzelfall zufällig die Prüfstandbedingungen vorliegen.
Zentrale Ansage der EuGH-Richter: „Die Verordnung Nr. 715/2007 verbietet ausdrücklich die Verwendung von Abschalteinrichtungen, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen unter normalen Nutzungsbedingungen verringern.“ Dabei ist egal, ob es um physische Bauteile oder Software geht, ob der Ausstoß von Schadstoffen durch Einfluss auf den Verbrennungsvorgang wie etwa bei der Rückführung von Abgasen oder nachträglich durch Einspritzung von AdBlue in die Abgase reguliert wird.
So oder so handele es sich um ein Emissionskontrollsystem, das im normalen Fahrbetrieb genau so aktiv sein muss wie bei den Prüfstandsfahrten. Auch erhöhter Verschleiß oder zusätzlicher Wartungsaufwand rechtfertigen es nicht, die Abgasreinigung zu verringern oder abzuschalten oder umgekehrt nur für Prüfstandbedingungen die Abgasreinigung zu verbessern.
Die strenge Haltung haben die Richter in Luxemburg später bekräftigt. Sie halten auch die von VW nach Bekanntwerden des Abgasskandals neu entwickelte Motorsteuerung für illegal, obwohl das Kraftfahrtbundesamt diese Motorsteuerung gebilligt hatte. Europäischer Gerichtshof,Urteil vom 14.07.2022 Aktenzeichen: C-128/20 Pressemitteilung des Gerichts
Der Europäische Gerichtshof hat außerdem geurteilt: Käufern von Autos mit illegaler Motorsteuerung steht auch dann Schadenersatz zu, wenn dem Hersteller keine vorsätzliche und sittenwidrige Schädigung zur Last fällt. Schon der nur fahrlässige Verstoß gegen die EU-Zulassungsregeln führt dazu, dass Autohersteller die Käufer der Wagen entschädigen müssen. Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 21.03.2023 Aktenzeichen: C-100/21 Verbraucheranwälte: Prorights Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München
Technischer Hintergrund: Der Schadstoffausstoß von Autos für die Typzulassung war zu messen, in dem auf dem Prüfstand eine Fahrt mit exakt festgelegten Bedingungen simuliert wurde. Dabei waren Geschwindigkeit und Beschleunigung viel geringer als im normalen Fahrbetrieb üblich. Unter diesen Bedingungen war es möglich, die damals vorgeschriebenen Grenzwerte durch Rückführung eines Teils der Abgase in den Ansaugtrakt einzuhalten. Dadurch verringert sich die Menge an zündfähigem Gemisch im Zylinder und sinken damit Druck und Temperatur im Motor und entsteht weniger Stickoxid. Allerdings sinkt auch die Leistung und erhöht sich der Verschleiß.
Später bei Euro 6-Motoren eingesetzte SCR-Katalysatoren funktionierten im Prinzip auch bei höheren Drehzahlen und Temperaturen, verbrauchten dann aber viel AdBlue. Wartungsaufwand und Verschleiß nahmen ebenfalls zu. Die Autohersteller verringerten deshalb bei Bedingungen jenseits der Prüfstand auch gern die Einspritzung von AdBlue und nahmen einen erhöhten Stickoxid-Ausstoß in Kauf.
Rechtsschutz und Sammelklagen
Ich besitze ein Auto mit EA189-Motor, habe aber bisher nichts unternommen. Kann ich die Verjährung von möglichen Schadenersatzforderungen gegen VW noch stoppen oder ist es zu spät?
Schadenersatzforderungen gegen VW sind seit 1. Januar 2019 verjährt, wenn Sie bereits 2015 erfahren haben, dass Ihr Wagen vom Abgasskandal betroffen ist und sie nichts unternommen haben, um die Verjährung zu stoppen. So hat es der Bundesgerichtshof entschieden. Nach Bestellung von Autos beim Hersteller bleibt der so genannte Restschadenersatzanspruch. Er verjährt erst genau zehn Jahre nach Kauf des Wagens.
Beispiel: Ich habe die Bestellung für meinen Wagen bereits am 20.07.2013 beim örtlichen Vertragshändler unterschrieben. Mein Recht auf Schadenersatz wegen eines Autos mit V6-TDI-Motor, von dem im Laufe des Jahres 2020 bekannt wurde, dass die Motorsteuerung illegal war, verjährt dann am 20.07.2023 um 24 Uhr und nicht erst am 31.12.2023.
Was gilt, wenn ich meine Rechte damals zur Musterfeststellungsklage des vzbv gegen Mercedes angemeldet habe?
Die Teilnahme an der Musterfeststellungsklage stoppt die Verjährung rückwirkend zur Erhebung der Klage am 7. Juli 2021. Wann genau sich Besitzer betroffener Mercedes-Modelle über das Bundesjustizamt angemeldet haben, spielt keine Rolle.
Welches Risiko gehe ich ein, wenn ich ohne Rechtsschutzversicherung gegen der Hersteller klage?
Sie brauchen genug Geld für die üblichen Vorschüsse für die Rechtsanwaltshonorare und die Gerichtskosten und Sie verlieren das Geld, wenn Ihre Klage abgewiesen wird. Zusätzlich müssen Sie dann noch für die Anwälte des Autoherstellers zahlen. Maßgeblich für Gerichts- und Anwaltskostenvorschuss ist der Streitwert. Der liegt mindestens beim Kaufpreis des Autos abzüglich der Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilometer.
Unser Rechner liefert einen Überblick über das Prozesskostenrisiko und den üblichen Vorschuss auf Anwaltshonorare und Gerichtskosten.
Was kann ich tun, wenn ich mir den Vorschuss für Anwaltshonorar und Gerichtskosten nicht leisten kann?
Sie können einen Prozesskostenfinanzierer einschalten. Aktuell kostet das allerdings, soweit wir wissen, eine Provision in Höhe von mindestens 17 Prozent der Summe, die der Autohersteller am Ende zahlt. Von 20 000 Euro bleiben also bestenfalls 16 600 Euro für Sie übrig.
Je nach Zeitwert Ihres Wagens kann es sein, dass eine Prozesskostenfinanzierung für Sie keinen Sinn hat. Mit unserem Rechner: Prozesskostenfinanzierung können Sie prüfen, was in Ihrem Fall zu erwarten ist.
Kann ich als Eigentümer eines Skandal-Autos mit Unterstützung der Behörden rechnen?
Da können wir Ihnen nur wenig Hoffnung machen. Das Kraftfahrtbundesamt ist dafür zuständig, dass Autos sicher sind und den Umweltschutz-Vorschriften entsprechen. Die Behörde vertritt nicht die Interessen von Autobesitzern.
Im Gegenteil scheint es so, als betreibe die Behörde eher Wirtschaftsförderung als Verbraucher- und Umweltschutz. Sie hat über Jahre hinweg alle Hinweise zur Überschreitung der Grenzwerte für den Stickoxid-Ausstoß übergangen und wurde erst tätig, nachdem die Behörden in den USA den Abgasskandal bereits aufgedeckt hatten.
Offenbar im Einverständnis mit der Bundesregierung geht sie auch nach Bekanntwerden des Skandals ausgesprochen nachsichtig mit VW und den übrigen Autoherstellern um. So hält sie die Zulassung der Skandalautos für wirksam, obwohl nachträgliche Änderungen nach der Straßenverkehrszulassungsordnung zum sofortigen Erlöschen der Zulassung führen. Warum das nicht gelten soll, wenn Autos von Anfang an nicht der Typzulassung entsprechen, ist nicht nachvollziehbar.
Die für die Gewerbeaufsicht und die Strafverfolgung zuständigen Behörden prüfen, ob sich Verantwortliche beim VW-Konzern strafbar gemacht oder ordnungswidrig verhalten haben und erheben Anklage oder verhängen Bußgelder. Das nützt Besitzern von Skandal-Autos allenfalls indirekt.
Immerhin: Der hochrangige Ex-Manager und Motoren-Entwickler Wolfgang Hatz sowie Audi-Chef Rupert Stadler saßen wegen dringenden Betrugsverdachts in Untersuchungshaft und sind jetzt nur gegen Kaution auf freiem Fuß.
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) hat untersucht, ob die VW-Verantwortlichen die Vorschriften für Aktiengesellschaften eingehalten haben. Sie kam laut Spiegel zu dem Ergebnis, dass VW die Märkte verspätet über den Skandal unterrichtet hat – und hat deshalb Strafanzeige gegen alle Vorstandsmitglieder der Volkswagen AG gestellt.
Auch das hilft Aktionären nur indirekt, kann ihnen aber immerhin Munition für Klagen auf Schadenersatz wegen Verletzung von Anlegerschutzgesetzen liefern.
Unterdessen hatten die EU-Behörden nach einem Bericht des Spiegel bereits vom Jahr 2010 an handfeste und detaillierte Hinweise darauf, dass die für die Zulassung vorgeschriebene Abgasreinigung im Fahrbetrieb zumindest oft nicht funktioniert. Sie gingen diesen Hinweisen offensichtlich nicht nach.
Erst auf Druck von US-Behörden kam der Skandal ans Tageslicht. Auch bei Aufarbeitung des Abgasskandals marschierte die US-Justiz voran. Ein maßgeblich am Abgasskandal beteiligter Ingenieur wurde wegen Betrugs und Verschwörung verurteilt und saß drei Jahre lang in den USA im Gefängnis.
Fragen zum Abgasskandal allgemein
Was geschieht mit den Skandalautos?
Das Kraftfahrtbundesamt in Flensburg hat für alle Autos mit illegaler Motorsteuerung angeordnet, dass eine neue Motorsteuerung zu entwickeln und in allen Autos zu installieren ist.
Üblicher Ablauf einer solchen Rückrufaktion: Der jeweils betroffene Hersteller erhält von der Behörde die Adressen der aktuellen Besitzer. Sobald die geänderte und nunmehr laut Kraftfahrtbundesamt legale Motorsteuerung fertig ist, schreibt das Unternehmen die Autobesitzer an und bittet sie, zur Installation der neuen Software im Motorsteuergerät in die Werkstätten zu kommen. Das ist selbstverständlich kostenlos.
Die Autohersteller können Autobesitzer nicht zwingen, die legale Motorsteuerung installieren zu lassen. Sie melden allerdings jede Nachrüstung an die Behörde. 18 Monate nach Beginn des jeweiligen Rückrufs schreibt diese alle Fahrzeughalter an, die nicht an der Rückrufaktion teilgenommen haben.
Wer auch dann immer noch keine Werkstatt aufsucht, den meldet die Bundesbehörde an die lokalen Zulassungsstellen. Diese entscheiden dann, ob sie den Wagen zwangsweise stillegen. Hinzu kommt noch: Eine neue Tüv-Plakette bekommen vom Abgasskandal betroffenen Autos ab 18 Monate nach dem Rückruf nur noch, wenn inzwischen die neue Motorsteuerung installiert wurde.
Was tut die Politik im Abgasskandal?
Rund fünf Millionen Diesel-Pkw der Schadstoffklassen Euro 5 oder Euro 6 in Deutschland haben ein Software-Update bekommen. So hatten es die Autohersteller beim „Dieselgipfel“ im August 2017 angeboten.
Betroffen sind überwiegend Fahrzeuge aus dem Volkswagen-Konzern mit seinen Marken VW, Audi und Porsche sowie Dieselmodelle von BMW, Daimler und Opel. In der Zahl sind aber bereits die rund 2,5 Millionen Autos enthalten, die Volkswagen schon auf das Geheiß der Behörden nachgerüstet hat. Ausländische Hersteller beteiligen sich nicht an der Aktion.
Wie finde ich raus, welche Schadstoffklasse mein Wagen hat?
Die Schadstoffklasse, zum Beispiel „Euro 4“, ist in der Zulassungsbescheinigung vermerkt (Feld 14).
Nachrüstung der Skandalautos – die Details
Was genau hat Volkswagen bei der Nachrüstung getan?
Der Volkswagen-Konzern als Hersteller der meisten Skandal-Autos hat einen Großteil der betroffenen Wagen mit einer neuen vom Kraftfahrtbundesamt genehmigten Motorsteuerung nachgerüstet.
Am aufwendigsten war das bei 1,6-Liter-TDI-Motoren. Sie haben zusätzlich zu einem Update der Motorsteuerungs-Software einen sogenannten „Strömungsgleichrichter“ erhalten. Das ist ein Plastikrohr im Ansaugtrakt, das den Luftstrom für die Verbrennung in den Zylindern optimieren soll.
VW hat versprochen, die Nachrüstung werde weder zu Mehrverbrauch noch zu Leistungseinbußen führen und auch nicht die Haltbarkeit der Motoren beeinträchtigen. Eine rechtlich verbindliche Garantie wollte das Unternehmen allerdings nicht übernehmen.
Laut Motor-talk.de wird bei VW-Motoren mit neuer Steuerung der Diesel mit höherem Druck in die Zylinder eingespritzt – und nicht mehr in einem Zug, sondern gestaffelt. Außerdem wird das Ventil für die Abgasrückführung anders gesteuert als bisher. Durch die Rückführung von unbrennbarem Abgas in den sonst nur mit einem Luft-Diesel-Gemisch gefüllten Zylinder sinken Temperatur und Druck im Brennraum. Es entsteht dadurch bei der Verbrennung weniger Stickoxid.
Bei den Autos mit AdBlue erhöhte VW außerdem die Einspritzmenge des Additivs. Nachteil vor allem der geänderten Kraftstoffeinspritzung: Es entsteht mehr Ruß als bisher. Der lagert sich im Partikelfilter ab und muss daher öfter als bisher gezielt mit etwas Extra-Kraftstoff freigebrannt werden. Außerdem schließen und öffnen die Ventile für die Kraftstoffeinspritzung doppelt so oft als bisher und müssen zusätzlich dem erhöhten Kraftstoffdruck standhalten.
Allerdings: Auch die neue Motorsteuerung enthält ein so genanntes „Thermofenster“. Das heißt: Die Abgasreinigung funktioniert nur bei Lufttemperaturen von 10 bis 49 Grad Celsius vollständig. Darüber und darunter wird sie reduziert oder abgeschaltet. Auch bei einer Höhe von über 1 000 Metern über dem Meeresspiegel wird sie deaktiviert. Der Europäische Gerichtshof und das Verwaltungsgericht Schleswig haben inzwischen geurteilt: Solche Mechanismen sind illegal.
Wieso Nachrüstung? Hätte es nicht gereicht, wenn die Wagen stets im sauberen Prüfstand-Modus fahren?
Offenbar nicht, denn dann steigt der Verbrauch und die Leistung sinkt. Unseren amerikanischen Kollegen von Consumer Reports ist es – wohl mit Unterstützung von VW-Insidern – gelungen, einen VW Jetta Sports Wagon (Pendant hierzulande: Golf Variant) von 2011 mit EA 189 TDI-Motor dauerhaft in den Prüfstand-Modus zu schalten und damit zu fahren Video von Consumers Report.
Ergebnis der Fahrversuche: Der Wagen verbrauchte 5,1 statt bisher 4,7 Liter Diesel auf 100 Kilometer. Die Beschleunigung von 0 auf 60 Meilen (rund 97 Kilometer) pro Stunde dauerte 10,5 statt 9,9 Sekunden. Schlimmer noch: Laut VW drohen Motorschäden und Brände. Durch den erhöhten Ausstoß von Ruß und zunehmende Ablagerungen kann das Ventil für die Abgasrückführung verklemmen und dann der Dieselpartikelfilter überhitzen und in Feuer fangen.
Wie verändern sich Schadstoffausstoß und Verbrauch, wenn die Autos nachgerüstet sind?
Die Behörden haben die Nachrüstung aller ursprünglich bekannten Abgasskandal-Autos zugelassen. Sie glauben also, dass die Autos mit der geänderten Motorsteuerung alle Normen einhalten, ohne dass dabei der Kraftstoffverbrauch und damit der Kohlendioxid-Ausstoß steigt.
Der ADAC hat einen Golf 2.0 TDI, einen Polo 1.2 TDI und einen Golf Variant 1.6 TDI jeweils vor und nach der Nachrüstung untersucht. Das Ergebnis: Der Stickoxid-Ausstoß sank um bis zu 56 Prozent. Er lag aber bei fast allen Fahrversuchen oberhalb von 270 Milligramm je Kilometer. Das war laut Bundesregierung die Obergrenze für freie Fahrt in Fahrverbotszonen.
Der Kraftstoffverbrauch stieg je nach Fahrzyklus um bis zu rund 4,5 Prozent bei einer Messgenauigkeit von plus/minus zwei Prozentpunkten. Am besten funktioniert die Nachrüstung offenbar bei dem 1,6-Liter-Motor, der außer der neuen Motorsteuerung auch ein zusätzliches Bauteil im Ansaugtrakt erhalten hat.
Auch unsere italienische Partnerorganisation Altroconsumo hat die Wirkung der VW-Nachrüstung überprüft. Ihre Messergebnisse lassen an der Nachrüstung zweifeln. Der Stickoxid-Ausstoß eines Audi Q5 2.0 TDI lag nach der Nachrüstung sogar höher als vorher.
Hatten die Stickoxid-Werte im Abgas vor der Nachrüstung noch durchschnittlich gut 10 Prozent über dem Grenzwert gelegen, waren es danach gut 25 Prozent. Der Verbrauch änderte sich indes kaum: Er sank von 7,5 auf 7,4 Liter Diesel je 100 Kilometer.
Audi hatte erstaunt auf diese Messergebnisse reagiert und die Bereitschaft erklärt, sich den untersuchten Audi Q5 gemeinsam mit den italienischen Testern anzusehen und Nachmessungen vorzunehmen. Zu hören war im Anschluss aber leider nichts mehr von Audi.
Verschlechtert sich die Haltbarkeit der Motoren durch die Nachrüstung?
Das ist unklar. „Experten warnen vor Motorschäden“, titelt Spiegel Online unter Berufung auf nicht genannte Mitarbeiter der EU-Kommission. Die wiederum berufen sich auf die Techniker im norditalienischen „Vela“-Abgaslabor, das auf seinem Gebiet zu den führenden Einrichtungen weltweit zählt.
Die Vela-Techniker befürchten, dass das Abgasrückführventil, der Speicherkatalysator, das Harnstoff-Injektionssystem, der sogenannte SCR-Katalysator („selective catalytic reduction“) oder auch der Partikelfilter vorzeitig versagen könnten.
Im VW-Forum des Online-Netzwerks Motor-Talk berichten vor allem Besitzer von nachgerüsteten Skandalautos, die häufig nur kurze Strecken fahren, über Probleme mit der geänderten Motorsteuerung.
Darf ich Autos mit Manipulationssoftware an Bord noch fahren?
Nach Ansicht des Kraftfahrtbundesamtes dürfen vom Skandal betroffene Autos weiterhin fahren, so lange sie ordnungsgemäß zugelassen sind und eine gültige Prüfplakette auf dem Nummernschild klebt. Die Zulassung bleibt nach Auffassung der Behörden zunächst wirksam, obwohl die tatsächlich gelieferten Autos wegen der Abschaltung der Abgasreinigung der Typgenehmigung nicht entsprachen.
Die Rechtsexperten der Stiftung Warentest halten diese Rechtsauffassung für falsch. Eine nachträgliche Änderung der Motorsteuerung mit Abschaltung der Abgasreinigung führt laut Straßenverkehrszulassungsordnung zum sofortigen Erlöschen der Betriebserlaubnis. Dann kann eigentlich auch die Betriebserlaubnis für ein Auto, das von Anfang an die Abgasreinigung im Fahrbetrieb abschaltet und das deshalb nicht der Typgenehmigung entspricht, nicht wirksam sein.
Nach einem Urteil des Verwaltungsgericht in Schleswig ist auch die von VW nach Bekanntwerden des Abgasskandals neu entwickelte Motorsteuerung rechtswidrig. Es ist aber noch nicht rechtskräftig. Alle Autos dürfen zunächst wie gewohnt weiterfahren. Bestätigen Ober- und Bundesverwaltungsgericht das Urteil, muss das Kraftfahrtbundesamt alle betroffenen Autos und darüberhinaus wohl auch die meisten anderen Autos mit Dieselmotoren bis einschließlich Euro 6c entweder für eine aufwendige Nachrüstung zurückrufen oder sogar stilllegen. Bis dahin werden aber noch Jahre ins Land gehen.
Können die Behörden meinem Auto die Zulassung entziehen?
Ja. So sehen es inzwischen alle Verwaltungsgerichte bis hin zum Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen. Auch der Bundesgerichtshof sieht das offenbar so (Beschluss vom 8. Januar 2019, Aktenzeichen: VIII ZR 225/17). Rechtsgrundlage dafür ist die Fahrzeug-Zulassungs-Verordnung.
Zuständig ist allerdings nicht das Kraftfahrtbundesamt (KBA) in Flensburg, sondern die jeweilige lokale Zulassungsstelle. Die informiert das KBA allerdings, wenn Skandalautos nicht innerhalb von 18 Monaten ab Rückruf die neue Motorsteuerung erhalten haben.
Kann ich mich gegen den Entzug der Zulassung und die Stilllegung wehren?
Das kommt darauf an. Für Autos, für die das Kraftfahrtbundesamt über die Typzulassung entschieden und sie später wegen der illegalen Motorsteuerung geändert hat, ist es so gut wie aussichtslos, sich gegen die Verfügungen der Zulassungsstelle zu wehren. Die Verwaltungsgerichte lehnen Anträge darauf, den Vollzug solcher Behördenentscheidungen zu stoppen, geschlossen ab. Allerdings: Nach Ansicht der Mehrheit der Verwaltungsgerichte deckte die ursprüngliche Typgenehmigung den Betrieb der Skandalautos zunächst. Die Autos hätten die illegalen Mechanismen in der Motorsteuerung von Anfang an gehabt. Gleichwohl habe die Behörde die fraglichen Autotypen genehmigt. Durch die Anordnung der Pflicht, eine neue Motorsteuerung zu entwickeln, habe die Behörde die Typzulassung geändert. Erst diese Änderung der Typzulassung führe dazu, dass Skandalautos illegal werden.
Inzwischen hat sich die Auffassung durchgesetzt: Die Skandalautos entsprachen nicht der Typgenehmigung. So sieht es mittlerweise auch Frank Liebhart, Justitiar des Kraftfahrtbundesamts. Gleichwohl erklärte er test.de gegenüber auf Nachfrage: Die Autos durften weiterfahren. Die Behörden mussten sie nicht aus dem Verkehr ziehen. Die test.de-Juristen können das nicht nachvollziehen. Werden Kraftfahrzeuge gegenüber der Typzulassung verändert, erlischt die Zulassung sofort. Ob die Veränderungen vor oder nach der Zulassung vorgenommen werden, kann ihrer Ansicht nach keine Rolle spielen.
Besitzer von Autos, deren Typzulassung nicht das Kraftfahrtbundesamt erteilt und später geändert hat, können sich gegen die Stilllegung wehren. Im VW-Konzern betrifft das vor allem Autos von Skoda. So sah es auch das Schleswig-Holsteinische Verwaltungsgericht in einer Kostenentscheidung (Beschluss vom 13.05.2019, Aktenzeichen: 3 B 39/19), nachdem die Behörde die dort verfügte Stilllegung bereits von sich aus zurückgenommen hatte.
Bekomme ich für ein Skandalauto ohne Nachrüstung neuen Tüv?
Die Prüfplakette für die Hauptuntersuchung bei Tüv, Dekra und ähnlichen Anbietern gibt es nur noch bis höchstens 18 Monate nach Erhalt der Aufforderung zur Nachrüstung des Wagens mit einer neuen Motorsteuerung.
Wer nach Ablauf dieser Frist zur Hauptuntersuchung muss, bekommt danach ohne neue Motorsteuerung keine Plakette mehr. Das fehlende Update wird zwar als erheblicher Mangel gewertet, führt aber nicht zur sofortigen Stilllegung. Betroffene Autobesitzer können das Update also nachholen und bekommen dann eine neue Prüfplakette.
Weitere Details und Hintergründe liefert ein ausführlicher Bericht des Focus zum Thema. Wer die Nachrüstung verweigern will und sein Skandalauto trotzdem jedenfalls vorläufig weiter fahren will, sollte sich rechtzeitig von einem im Zulassungsrecht erfahrenen Rechtsanwalt für Verkehrsrecht beraten lassen.
Muss ich mit Fahrverboten rechnen?
Nur noch selten. Es galten etliche Diesel-Fahrverbote. Die meisten sind aber schon wieder aufgehoben, nachdem der Stickoxidgehalt in der Luft unter den Grenzwert gesunken war. Mehr zum Thema in unseren FAQ Fahrverbote in Innenstädten.
Muss ich Kfz-Steuer nachzahlen, wenn VW für meinen Wagen den Kohlendioxid-Ausstoß zu gering angegeben hat?
Das ist noch unklar. Die Juristen und Steuerexperten der Stiftung Warentest halten das jedoch für wahrscheinlich. Die Höhe der Kfz-Steuer hängt vom Kohlendioxid-Ausstoß ab. Finanzämter sind berechtigt, Steuerbescheide zu korrigieren, wenn sie auf falscher Grundlage ergangen sind. Steuernachzahlungen können auf jeden Fall erst ermittelt werden, wenn der tatsächliche Kohlendioxid-Ausstoß der betroffenen Autos feststeht. VW hat zugesichert: Wenn Steuernachforderungen fällig werden, bezahlt sie der Konzern.
Hafte ich für unzulässig hohen Schadstoffausstoß meines Autos?
Theoretisch ja, praktisch aber wohl kaum. Zwar gilt: Auch Sie als Verbraucher müssen die Emissionsschutzregeln einhalten und handeln rechtswidrig, wenn Sie ein Auto fahren, von dem Sie wissen, dass es die vorgeschriebenen Grenzwerte nicht einhält.
Opfer von Luftverschmutzung müssten aber zumindest nachweisen, dass ihr Auto das Risiko einer Schädigung durch Stickoxid oder Feinstaub relevant erhöht hat. Das dürfte insofern ausgeschlossen sein, als es noch Millionen von Motoren ohne jegliche Abgasreinigung gibt – dazu kommen Kaminöfen, Ölheizungen und andere Formen von legaler Umweltverschmutzung, die das Risiko weit stärker steigern als die manipulierten Dieselautos aus dem VW-Konzern.
Die Rechte von VW-Aktionären
Habe ich als VW-Aktionär Anspruch auf Schadenersatz wegen Kursverlusten?
Für sicher halten es die Rechtsexperten der Stiftung Warentest, dass Aktionäre Schadenersatz für die nach Bekanntwerden des Skandals entstandenen Kursverluste verlangen können, wenn sie ihre Anteile ab Frühjahr 2015 erworben haben. Spätestens seit diesem Zeitpunkt weiß VW, dass die US-Behörden den Hersteller im Verdacht haben, bei der Abgasreinigung von Autos mit bestimmten Dieselmotoren illegal zu tricksen.
Aktiengesellschaften sind verpflichtet, ihre Anteilseigner unverzüglich über kursrelevante Ereignisse zu informieren. VW hatte die Vorgänge jedoch erst Monate später publik gemacht. Auch die Entscheidung, überhaupt Software einzusetzen, die die Abgasreinigung im Fahrbetrieb verringert oder gar abschaltet, dürfte dazu führen, dass Aktionären Schadenersatz zusteht. Möglicherweise haften einzelne VW-Verantwortliche zusätzlich persönlich.
Beachten Sie: Für Aktionärsklagen müssen Rechtsschutzversicherer nicht immer zahlen. Insbesondere bei erst in den letzten Jahren abgeschlossenen Verträgen sind solche Rechtsstreitigkeiten oft ausgeschlossen. test.de führt und aktualisiert eine Liste mit verbraucherfreundlichen Urteilen rund um den Abgasskandal.
Gibt es ein Musterverfahren, in das ich mich als Anleger einklinken kann?
Ja, aber die Frist ist längst abgelaufen. Beim Landgericht Braunschweig sind rund 1 540 Schadensersatzklagen gegen VW mit einem Streitwert von rund 8,8 Milliarden Euro eingegangen, die meisten davon von Privatanlegern.
Doch auch der Bayerischen Pensionsfonds (Streitwert: 700 000 Euro), das Sondervermögen „Versorgungsrücklage des Landes Hessen“, der Versorgungsfonds des Landes Baden-Württemberg (Streitwert: 1,1 Millionen Euro) und die Vereinigten Staaten von Amerika (wegen der Verluste von Pensionsfonds mit VW-Aktien liegt der Streitwert im dreistelligen Millionenbereich) haben VW verklagt.
Die meisten Klageverfahren von kleinen und mittleren Anlegern hat das Landgericht Braunschweig ausgesetzt. Das Oberlandesgericht Braunschweig hat die Deka Investment GmbH aus Frankfurt am Main als Musterkläger bestimmt. In deren Verfahren sollen alle wesentlichen Rechtsfragen geklärt werden. Die übrigen Kläger brauchen einstweilen nichts zu unternehmen. Ihre Verfahren gehen weiter, wenn das Musterverfahren geklärt ist.
Was muss ich als VW-Aktionär beachten, wenn ich Schadenersatz fordern will?
Wenn Sie noch nichts unternommen haben, sind Ihre Rechte inzwischen verjährt.
- EuGH-Urteil: Alle bis September 2021 aufgenommenen Kredite sind widerruflich. Chance für Autokäufer: Sie sparen Tausende Euro. Aber nur, wenn sie das Auto noch haben.
- Der Rechtsdienstleister Myright.de will europäischen Käufern von VW-Skandalautos zu Schadenersatz verhelfen. Myright.de hat wegen der Forderungen von 40 000...
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Chrix96 am 27.11.2022 um 13:21 Uhr
Danke für die Rückmeldungen!
Danke für die Rückmeldungen, obwohl ich mit der Frage spät dran bin. Ich finde es schon ärgerlich, dass VW jetzt aufgrund der Gebrauchtwagenpreise Gewinne machen könnte, obwohl sie die jeweiligen Prozess eigentlich "verloren" haben. Bei mir passt es auch nur, weil VW die kompletten Finanzierungskosten ersetzen muss.
@Chris96 Zunächst die gute Nachricht: Die bei der Übergabe am Stoßfänger festgestellten Kratzer bleiben als normale Gebrauchsspuren unberücksichtigt, mindern also nicht die Schadensersatzforderung. Die schlechte Nachricht: Wenn während einer langen Verfahrensdauer das Fahrzeug weiter genutzt wird, erhöht sich auch die anzurechnende Nutzungsentschädigung, wodurch die Schadensersatzforderung gemindert wird. Wie im vorausgegangen Beitrag bereits ausgeführt, wird das aber in der Regel im Urteil festgehalten. Fehlen Angaben hierzu, kommt es darauf an, welcher Betrag genau tituliert wurde. Im Zweifel ist für die Berechnung der Km-Stand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend. Da die Gebrauchtwagenpreise in den letzten Monaten stark angestiegen sind, könnte das zur Folge haben, dass der Restwert des Fahrzeugs höher ist als die Schadensersatzsumme. In dem Fall empfiehlt es sich, auf die Schadensersatzleistung zu verzichten und das Fahrzeug zu behalten.
@Chris96: Die meisten unserer Leser sind mit dem Thema bereits durch. Es kann gut sein, dass Sie hier keine Rückmeldung bekommen. Unsere Redakteure können weiter nichts beitragen. Sie weisen allerdings darauf hin: Wenn VW dazu verurteilt ist, Ihnen den Kaufpreis abzüglich Nutzungsentschädigung zu erstatten, dann kommt es auf das Urteil an. In der Regel wird im Urteil festgelegt, wie viel Geld VW nach Abzug der Nutzungsentschädigung zu zahlen hat. Maßstab ist der Kilometer-Stand am Tag der letzten mündlichen Verhandlung.
Hallo, gibt es hier schon einen Austausch/Informationen zu der Frage, was VW nach Rückgabe des Fahrzeuges in Rechnung stellen kann? Bei mir hat sich durch die Berufung von VW natürlich die Nutzungsdauer verlängert und damit wurde das Fzg. mit einen anderen Km-Stand als ursprünglich zur Berechnung der Nutzungspauschale erhoben, abgeben. Auch wurde bei der Übergabe Kratzer am Stoßfänger festgestellt und festgehalten. Kann VW eine neue Nutzungspauschale berechnen und mir z.B. die Reparatur der Kratzer in Rechnung stellen?
In dem Trend der OLGe, die Schlussanträge des Generalanwalts nicht für einschlägig zu halten, wird ein weiterer Trend erkennbar, nämlich, dass man künftig die Frage, ob dem Verbraucher im Falle einer unzulässigen Abschalteinrichtung Schadensersatzansprüche zustehen, deutlich kritischer sehen wird. Das OLG Bamberg bringt es auf den Punkt und macht sich den Vorlagebeschluss des Generalanwalts dabei sogar zu eigen, indem es darauf verweist, dass eine Unkenntnis von der Abschalteinrichtung auf einer Täuschung der Genehmigungsbehörde beruhen muss. Da die Abgasstrategien und damit auch das Vorhandensein von Abschalteinrichtungen erst durch die ab 16.05.2016 gültige EU-VO 2016/646 verbindlich im Beschreibungsbogen anzugeben waren, konnte die Genehmigungsbehörde für Fahrzeuge, die vor diesem Datum ihre Typgenehmigung erhalten haben, auch nicht getäuscht werden. Schadensersatzansprüche werde sich daher nur noch dann begründen lassen, wenn sich eine aktive Prüfstandserkennung nachweisen lässt.
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Danke für die Rückmeldungen, obwohl ich mit der Frage spät dran bin.
Ich finde es schon ärgerlich, dass VW jetzt aufgrund der Gebrauchtwagenpreise Gewinne machen könnte, obwohl sie die jeweiligen Prozess eigentlich "verloren" haben.
Bei mir passt es auch nur, weil VW die kompletten Finanzierungskosten ersetzen muss.
@Chris96
Zunächst die gute Nachricht: Die bei der Übergabe am Stoßfänger festgestellten Kratzer bleiben als normale Gebrauchsspuren unberücksichtigt, mindern also nicht die Schadensersatzforderung.
Die schlechte Nachricht: Wenn während einer langen Verfahrensdauer das Fahrzeug weiter genutzt wird, erhöht sich auch die anzurechnende Nutzungsentschädigung, wodurch die Schadensersatzforderung gemindert wird. Wie im vorausgegangen Beitrag bereits ausgeführt, wird das aber in der Regel im Urteil festgehalten. Fehlen Angaben hierzu, kommt es darauf an, welcher Betrag genau tituliert wurde. Im Zweifel ist für die Berechnung der Km-Stand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend. Da die Gebrauchtwagenpreise in den letzten Monaten stark angestiegen sind, könnte das zur Folge haben, dass der Restwert des Fahrzeugs höher ist als die Schadensersatzsumme. In dem Fall empfiehlt es sich, auf die Schadensersatzleistung zu verzichten und das Fahrzeug zu behalten.
@Chris96: Die meisten unserer Leser sind mit dem Thema bereits durch. Es kann gut sein, dass Sie hier keine Rückmeldung bekommen. Unsere Redakteure können weiter nichts beitragen. Sie weisen allerdings darauf hin: Wenn VW dazu verurteilt ist, Ihnen den Kaufpreis abzüglich Nutzungsentschädigung zu erstatten, dann kommt es auf das Urteil an. In der Regel wird im Urteil festgelegt, wie viel Geld VW nach Abzug der Nutzungsentschädigung zu zahlen hat. Maßstab ist der Kilometer-Stand am Tag der letzten mündlichen Verhandlung.
Hallo, gibt es hier schon einen Austausch/Informationen zu der Frage, was VW nach Rückgabe des Fahrzeuges in Rechnung stellen kann?
Bei mir hat sich durch die Berufung von VW natürlich die Nutzungsdauer verlängert und damit wurde das Fzg. mit einen anderen Km-Stand als ursprünglich zur Berechnung der Nutzungspauschale erhoben, abgeben. Auch wurde bei der Übergabe Kratzer am Stoßfänger festgestellt und festgehalten. Kann VW eine neue Nutzungspauschale berechnen und mir z.B. die Reparatur der Kratzer in Rechnung stellen?
In dem Trend der OLGe, die Schlussanträge des Generalanwalts nicht für einschlägig zu halten, wird ein weiterer Trend erkennbar, nämlich, dass man künftig die Frage, ob dem Verbraucher im Falle einer unzulässigen Abschalteinrichtung Schadensersatzansprüche zustehen, deutlich kritischer sehen wird. Das OLG Bamberg bringt es auf den Punkt und macht sich den Vorlagebeschluss des Generalanwalts dabei sogar zu eigen, indem es darauf verweist, dass eine Unkenntnis von der Abschalteinrichtung auf einer Täuschung der Genehmigungsbehörde beruhen muss. Da die Abgasstrategien und damit auch das Vorhandensein von Abschalteinrichtungen erst durch die ab 16.05.2016 gültige EU-VO 2016/646 verbindlich im Beschreibungsbogen anzugeben waren, konnte die Genehmigungsbehörde für Fahrzeuge, die vor diesem Datum ihre Typgenehmigung erhalten haben, auch nicht getäuscht werden. Schadensersatzansprüche werde sich daher nur noch dann begründen lassen, wenn sich eine aktive Prüfstandserkennung nachweisen lässt.