Abgas­skandal Hersteller haften auch ohne Vorsatz

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Abgas­skandal - Hersteller haften auch ohne Vorsatz

Ärger um die Abgase. Hier lesen Sie, was die Besitzer von Autos mit Diesel­motoren bis einschließ­lich Euro 6c tun können. © Getty Images / Herbert Kehrer

Auto­hersteller haben illegal getrickst. Jetzt urteilte der Europäische Gerichts­hof: Sie müssen Käufer der Autos entschädigen – auch ohne Vorsatz.

Auto­hersteller müssen alle Käufer von Autos entschädigen, bei denen die Abgas­reinigung häufiger als zulässig verringert oder abge­schaltet wird. Das hat der Europäische Gerichts­hof heute entschieden. Damit haben Besitzer betroffener Fahr­zeuge gegen­über Herstel­lern auch ohne Vorsatz Anspruch auf Schaden­ersatz. Die Entscheidung geht weit über die bisherige Recht­sprechung des Bundes­gerichts­hofs hinaus.

Alle Fragen im Überblick
Schaden­ersatz in Milliardenhöhe

Schaden­ersatz in Milliardenhöhe

Worum geht es im Abgas­skandal?

Die Auto­hersteller haben bei der Zulassung von Autos mit Diesel­motoren getrickst. Nur bei den Prüf­stand­versuchen zur Ermitt­lung des Schad­stoff­ausstoßes funk­tionierte die Abgas­reinigung korrekt. Bei Fahrten im normalen Straßenverkehr trimmte die Motorsteuerung die Maschinen auf Effizienz und Leistung. Der Ausstoß an giftigem Stick­oxid stieß weit über die Grenz­werte hinaus. Jetzt hat der Europäische Gerichts­hof geur­teilt: Auto­hersteller müssen die Käufer von Autos mit solchen illegalen Motorsteuerungen entschädigen. test.de erklärt die recht­lichen und tatsäch­lich Hintergründe, beant­worten die wichtigen Fragen zum Abgas­skandal und erklärt, was Ihnen als Besitzer eines Autos mit illegaler Motorsteuerung genau zusteht und wie Sie Schaden­ersatz fordern. Außerdem liefern wir Muster­texte für Ihr Forderungs­schreiben.

Aktuelle Urteile

Was gibt es sonst noch Neues im Abgas­skandal?

Abgas­reinigung herab­setzen grund­sätzlich verboten. Bereits entschieden hatte der Europäische Gerichts­hof: Die Abgas­reinigung herab­zusetzen ist nur erlaubt, wenn es zur Verhinderung eines Unfalls oder Schäden am Motor notwendig ist.

Experten denken: Es ist praktisch jede Motorsteuerung für Autos mit Diesel­motor bis einschließ­lich Euro 6c illegal. Alle Käufer dieser Autos können jetzt Schaden­ersatz fordern. Viele Schaden­ersatz­forderungen werden auch noch nicht verjährt sein. Die Folgen des Urteils lassen sich kaum abschätzen. Zugunsten der Auto­industrie hatte die Richter in Luxemburg klar­gestellt: Schaden­ersatz­ansprüche um eine Entschädigung für die mit den Autos gefahrenen Kilo­meter abzu­ziehen, kann zulässig sein. Darüber müssen jetzt die Gerichte in Deutsch­land und den übrigen EU-Staaten entscheiden.

Erst mal weiter freie Fahrt. Nach Ansicht des Verwaltungs­gerichts in Schleswig sind Millionen von Autos mit Diesel­motoren bis einschließ­lich Euro 6c illegal unterwegs. Zunächst ändert sich aber nichts. Ihre Besitzer dürfen sie wie gewohnt weiter benutzen. Bestätigen allerdings Ober- und Bundes­verwaltungs­gericht die Entscheidung aus Schleswig, ist im Diesel­skandal wieder alles offen. Möglich ist dann ein Rück­ruf aller betroffener Autos mit aufwendiger Nach­rüstung oder sogar die Still­legung von Fahr­zeugen. Aber: Bis es soweit wäre, werden wahr­scheinlich noch Jahre ins Land gehen.

Urteil gegen das Kraft­fahrt­bundes­amt. Das Verwaltungs­gericht Schleswig hat auf eine Klage der Deutschen Umwelt­hilfe hin geur­teilt: Die Genehmigungen der von VW nach Bekannt­werden des Abgas­skandals neu entwickelten Motorsteuerungen sind danach rechts­widrig. Begründung: Sie reduzierten die Abgas­reinigung viel zu oft. Die Richter setzten damit die strengen Ansagen des Europäischen Gerichts­hofs um.
Vor allem bei geringen Luft­temperaturen von unter 10 Grad verringerten die VW-Motorsteuerungen die Abgas­reinigung, um verstärkte Rußbildung und Verkokung im Motor zu verringern. Dadurch stießen die Autos oft erheblich mehr als die seiner­zeit erlaubten 180 Milligramm giftigem Stick­oxids pro Kilo­meter aus.
Das Urteil betrifft übrigens auch zahlreiche Autos anderer Hersteller. Ihre Autos mit Diesel­motoren sind ebenfalls oft mit reduzierter oder abge­schalteter Abgas­reinigung unterwegs. Jüngere VW-Modelle sind dagegen offen­bar kaum betroffen. Bei ihnen war die Abgas­reinigung nur unter extremen Bedingungen reduziert.

Strenge Ansagen zur Abgas­reinigung. Grund­legende Ansage des Europäischen Gerichts­hofs (EuGH) in Luxemburg: Die Abgas­reinigung muss grund­sätzlich auch im Fahr­betrieb funk­tionieren. Sie unter­halb oder ober­halb von Luft­temperaturen zu reduzieren, wie es oft vorkommt, sei illegal. Erlaubt sei das nur ausnahms­weise zur Verhinderung von akut drohenden Motorschäden oder Unfällen. Weitere Einzel­heiten in der Chronik zum Abgasskandal unter 15.07.2022

Abgas­skandal – worum geht es?

Worin besteht eigentlich der Skandal?

Tech­nisches Problem. Vor allem bei effizienten und leistungs­starken Turbodiesel-Motoren waren die zunehmend strengen Abgas­grenz­werte für die Hersteller zunächst nur schwer einzuhalten. Die hohe Temperatur und der Druck im Brenn­raum führen zu einem hohen Anteil von giftigem Stick­oxid im Abgas. Der Schad­stoff­ausstoß ließ sich zwar verringern, aber darunter litten regel­mäßig Leistung, Effizienz und/oder Halt­barkeit.

Prüf-Betrug. Für die Zulassung neu entwickelter Autos war entscheidend, dass die Schad­stoff­grenz­werte bei einem Prüf­stands­versuch mit genau definierten Bedingungen einge­halten werden, die so im normalen Fahr­betrieb allenfalls sehr selten zusammentreffen. Offen­bar branchenweit begannen die Ingenieure in der Motor­entwick­lung bald damit, die Maschinen so zu steuern, dass zwar im Prüf­stand die Grenz­werte für den Schad­stoff­gehalt im Abgas einge­halten werden, anderer­seits aber Leistung und Effizienz im Alltag erhalten bleiben. Am Ende waren Autos mit Diesel­motor eigentlich nur bei Prüf­stands­versuchen sauber und stießen sonst viel mehr giftiges Stick­oxid als zulässig aus.

Verstoß gegen EU-Recht. Laut EU-Regeln für die Typzulassung darf die Abgas­reinigung nur ausnahms­weise verringert oder abge­schaltet werden, wenn das zur Verhinderung von Unfällen oder Motorschäden nötig ist. So hat der Europäische Gerichts­hof (EuGH) geur­teilt: Die Verringerung der Abgas­reinigung bei Luft­temperaturen, wie sie in Europa häufig vorkommen, ist illegal, solange sie nicht akut drohende Motorschäden verhindert.
Europäischer Gerichts­hof, Urteil vom 14.07.2022
Aktenzeichen: C-128/20
Pressemitteilung des Gerichts
Stellungnahme des Kraftfahrtbundesamts dazu

Danach ist laut Verwaltungs­gericht Schleswig auch die von VW auf Geheiß des Kraft­fahrt­bundes­amts entwickelte neue Motorsteuerung für die Skandal­autos illegal.
Schleswig-Holsteinisches Verwaltungs­gericht, Urteil vom 20.02.2023
Aktenzeichen: 3 A 113/18 (nicht rechts­kräftig)
Verbraucher­anwälte: Rechtsanwälte Remo Klinger und David Krebs, Berlin

Wer ist vom Abgas­skandal betroffen?

Das ist nach wie vor noch nicht abschließend geklärt. Nach dem aktuellen Urteil des Verwaltungs­gerichts in Schleswig spricht alles dafür, dass kaum ein nach den Normen Euro 4 bis einschließ­lich Euro 6c zugelassenes Auto mit Diesel­motor wirk­lich legal ist. Erst nach Euro 6d und jüngeren Normen zugelassene Autos gelten als zuver­lässig sauber.

Behörden und Gerichte tun sich schwer mit der Aufarbeitung des Skandals. Bisher hat das Kraft­fahrt­bundes­amt in Flens­burg die Motorsteuerung in folgenden Autos als rechts­widrig beur­teilt und die Entwick­lung neuer Software ange­ordnet:

BMW: 11 700 Autos aus der 5er und 7er-Reihe mit Diesel­motoren. Laut BMW wurde bei diesen Wagen irrtümlich eine falsche Motorsteuerung installiert.

Daimler AG: 820 000 nach Abgasnorm Euro 5 zugelassene Mercedes der A-, B-, C-, E-, G- und S-Klasse mit CDI-Motoren

Opel: Knapp 100 000 Autos der Modell­reihen Cascada, Insignia und Zafira mit Euro 6-Diesel­motoren.

VW-Konzern: Fast 2,8 Millionen Autos der Marken Audi, Porsche, Seat, Skoda und VW mit 1,2-, 1,6-, 2,0-, 2,5-, 3,0 und 4,2-Liter-Turbodiesel-Motoren.

Allerdings: Auch die neu entwickelten Motorsteuerungen sind nach dem aktuellen Urteil des Verwaltungs­gerichts Schleswig rechts­widrig. Die Abgas­reinigung funk­tioniere zu oft nicht. Das Kraft­fahrt­bundes­amt war nach Ansicht der Richter zu groß­zügig, als es die neuen Motorsteuerungen genehmigte. Wenn das Urteil rechts­kräftig wird, müssen die Hersteller noch mal ran und wahr­scheinlich entweder Katalysatoren für die Nach­rüstung entwickeln oder die Autos aus dem Verkehr ziehen. 

Rechte gegen­über dem Hersteller

Kann ich als Besitzer eines Autos mit illegaler Motorsteuerung Schaden­ersatz vom Hersteller verlangen?

Ja, meint der Europäische Gerichts­hof. Er äußerte sich zu einer Klage gegen Mercedes wegen eines im März 2013 neu zugelassenen Mercedes C 220 CDI, bei dem die Motorsteuerung die Abgas­reinigung unter­halb bestimmter Temperaturen reduziert. Europäischer Gerichts­hof, Urteil vom 21.03.2023
Aktenzeichen: C-100/21
Verbraucher­anwälte: Prorights Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München

Danach dürfte so ziemlich jedem Besitzer von Autos mit Diesel­motoren bis einschließ­lich Euro 6c Schaden­ersatz zustehen, wenn seine Rechte nicht inzwischen verjährt oder seine Klagen rechts­kräftig abge­wiesen sind. Erst nach Euro 6d zugelassene Diesel­motoren sind Messungen der Deutschen Umwelthilfe zu Folge so sauber, wie es die EU-Regeln vorschreiben. Die zuvor zugelassenen Autos stießen bei Fahrten im Straßenverkehr aber viel mehr Stick­oxid aus als im Prüf­stand und als es nach den EU-Regeln zulässig war.

Möglicher Einwand deuscher Auto­hersteller: Das Kraft­fahrt­bundes­amt hat einen erheblichen Teil der Motorsteuerungen genau untersucht und ausdrück­lich gebil­ligt. Die Behörde war viel groß­zügiger als die Richter in Luxemburg. Im Februar hatte das Verwaltungs­gericht in Schleswig auf der Grund­lage der Urteile aus Luxemburg entschieden: Sogar die von VW nach Bekannt­werden des Abgas­skandals im September 2015 neu entwickelten Steuerungen für die Skandal­autos ist auch wieder rechts­widrig und genügt den Anforderungen der EU-Regeln nicht.

Nach Auffassung der Juristen bei test.de schließt das Schaden­ersatz­forderungen von Auto­käufern aber nicht aus. Der Irrtum über die Zulässig­keit von Mecha­nismen zur Reduktion der Abgas­reinigung entlastet die Auto­industrie nur, wenn er sich nicht hätte vermeiden lassen. Davon kann keine Rede sein. Etliche Juristen hatten von Anfang an die Meinung vertreten: Das Kraft­fahrt­bundes­amt hätte die Motorsteuerungen von Diesel­motoren viel strenger beur­teilten müssen.

Bisher gilt laut Bundes­gerichts­hof: Auto­hersteller haften nur auf Schaden­ersatz, sofern sich die Führung des Unter­nehmens durch die illegalen Tricks in der Motorsteuerung bewusst Wett­bewerbs­vorteile verschafft hat, so dass das als vorsätzliche und sittenwid­rige Schädigung der Käufer solcher Autos erscheint.

Was kann ich als Besitzer eines Autos mit illegaler Motorsteuerung als Schaden­ersatz vom Hersteller verlangen?

Sie können nach Ihrer Wahl den sogenannten kleinen oder den großen Schaden­ersatz­anspruch geltend machen.

Kleiner Schaden­ersatz. Umfasst den Minderwert des gelieferten Autos im Vergleich zu einem Wagen, wie er hätte sein sollen.
Vorteil: Sie können Ihren Wagen behalten, wenn Sie das wollen.
Nachteil: Wie viel Euro der Minderwert konkret ausmacht, ist schwierig zu klären. Manche Richter schätzen einfach, andere verlangen ein teures Sach­verständigen­gut­achten, das das Prozess­kostenrisiko in die Höhe treibt und schwer kalkulier­bar macht.
Großer Schaden­ersatz. Er umfasst den ganzen Abschluss des Vertrags und gibt Ihnen ein Recht darauf, den Kauf­vertrag rück­abzuwickeln. Das heißt: Sie erhalten den Kauf­preis zurück. Dafür müssen Sie das Auto zurück­geben und eine Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilo­meter zahlen.

Hinzu kommen jeweils Verzugs- oder zumindest Prozess­zinsen. Details dazu und zur Berechnung unten in der Antwort auf die Frage: „Wie viel Zinsen muss mir der Hersteller eines Autos mit illegaler Motorsteuerung zahlen, wenn er dazu verurteilt wird, mich zu entschädigen?“.

Vorteil: Der große Schaden­ersatz lässt sich leicht ermitteln.
Nachteil: Sie können Ihr Auto nicht behalten.

Wie wird die Nutzungs­entschädigung berechnet, die VW vom zu erstattenden Kauf­preis abziehen darf?

Die Nutzungs­entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilo­meter errechnen die deutschen Gerichte so: Zunächst schätzen die Richter, wie viele Kilo­meter der Wagen typischer­weise schafft, bis er ausgemustert wird. Bei Autos mit Diesel­motor gehen die Richter meist von einer Gesamt­lauf­leistung von 250 000 Kilo­metern aus, bei großen Autos setzen sie zuweilen auch 300 000 oder sogar noch mehr Kilo­meter an.

Zur Berechnung der Nutzungs­entschädigung bei Neuwagen multiplizieren Sie den Kauf­preis mit den bis jetzt gefahrenen Kilo­metern und dividieren das Ergebnis durch die Gesamt­kilometer.

Rechenbei­spiel: Sie haben spätestens am 22. September 2015 für 30 000 Euro einen VW Passat 2.0 TDI neu gekauft. Jetzt zeigt der Tacho 100 000 Kilo­meter an. Die Gesamt­lauf­leistung schätzt der zuständige Richter auf 300 000 Kilo­meter. Die Nutzungs­entschädigung beträgt:
30 000 Euro * 100 000 km / 300 000 km = 10 000 Euro
Bei als Gebraucht­wagen gekauften Skandal­autos rechnen Sie entsprechend: Kauf­preis mal (Kilo­meter jetzt minus Kilo­meter bei Kauf) geteilt durch (Gesamt­kilometer minus Kilo­meter bei Kauf) = Nutzungs­entschädigung.

Rechenbei­spiel: Sie haben spätestens am 22. September 2015 für 15 000 Euro einen VW Golf 1.6 TDI mit 50 000 Kilo­metern auf dem Tacho gekauft. Jetzt zeigt der Tacho 150 000 Kilo­meter an. Die Gesamt­lauf­leistung schätzt der zuständige Richter auf 250 000 Kilo­meter. Die Nutzungs­entschädigung beträgt:
15 000 Euro * (150 000 km - 50 000 km) / (250 000 km - 50 000 km) = 7 500 Euro

Nutzen Sie unseren VW-Entschädigungsrechner, wenn Sie für Ihren Fall die ungefähre Höhe der Entschädigung ermitteln wollen.

Der Europäische Gerichts­hof hat es grund­sätzlich gebil­ligt, die Erstattung des Kauf­preises um den Gegen­wert der Nutzungs­vorteile zu kürzen. Allerdings: Die nationalen Gerichte müssen nach Ansicht der EU-Richter in Luxemburg prüfen, ob Entschädigung noch angemessen ist, nachdem der Nutzungs­vorteil ange­rechnet wurde. Dass Auto­besitzer nach Auffassung des Bundes­gerichts­hofs völlig leer ausgehen, wenn ihr Wagen die von ihm typischer­weise erwartete Gesamt­lauf­leistung erreicht hat, dürfte damit ausgeschlossen sein.

Ist auch beim „kleinen Schaden­ersatz“ eine Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilo­meter zu berück­sichtigen?

Nein, den kleinen Schaden­ersatz erhalten Abgas­skandal­opfer unabhängig vom Kilo­meter­stand des Wagens in voller Höhe. Einschränkung: Hat der Wagen bereits mehr Kilo­meter geschafft, als ursprüng­lich insgesamt zu erwarten waren, dann sinkt der Schaden­ersatz. Wieder gilt: Es kann sein, dass dies dem Europäischen Gerichts­hof zu weit geht.
Bundes­gerichts­hof, Urteil vom 24.01.2022
Aktenzeichen: VI ZR 100/21
Formel für die Berechnung:
Vom Schaden­ersatz­anspruch (wird vom Gericht geschätzt, meist 10 bis 20 Prozent des Kauf­preises) sind abzu­ziehen: Kauf­preis einschließ­lich Umsatz­steuer / (Gesamt­lauf­leistung - bereits bei Kauf gefahrene Kilo­meter) x (Kilo­meter­stand - Gesamt­lauf­leistung).
Rechenbei­spiel: Gebraucht für 20 000 Euro erworbenes Skandal­auto mit 30 000 Kilo­metern auf dem Tacho, Gesamt­lauf­leistung: 300 000 Kilo­meter, Kilo­meter-Stand jetzt: 325 000 Kilo­meter, also:
2 500 - (20 000 / (300 000 - 30 000) * (325 000 - 300 000) = 433,33 Euro

Wie viel Zinsen muss mir der Hersteller eines Autos mit illegaler Motorsteuerung zahlen, wenn er dazu verurteilt wird, mich zu entschädigen?

Der jeweilige Hersteller muss Zinsen in Höhe von fünf Prozent­punkten über auf den jeweiligen Basiszins­satz auf den jeweils geschuldeten Betrag zahlen. Die Verzinsung beginnt bei korrekter Forderung ab Ablauf der dem Hersteller für die Zahlung der Entschädigung gesetzten Frist, spätestens aber am Tag der Zustellung der Klageschrift beim Konzern.

Für den großen Schaden­ersatz, also die Erstattung des Kauf­preises abzüglich einer Nutzungs­entschädigung bei Rück­gabe des Wagens, ist die Verzinsung kompliziert zu berechnen. Der Betrag, den der Hersteller schuldet, hängt vom Kilo­meter­stand des Autos ab und ist für jeden Tag separat zu ermitteln. Dabei dürfen die Gerichte ihn ausgehend vom Anfangs­stand des Tachos bei Kauf bis zu dem am Tag der letzten mündlichen Verhand­lung des Fall schätzen, wenn der jeweilige Kläger keine genaueren Angaben machen kann. Sie werden dazu die durch­schnitt­liche tägliche Fahr­leistung ermitteln und daraus den jeweils geschuldeten Betrag errechnen. Es geht um erhebliche Beträge.

Beispiel: Ein Mittel­klassewagen, neu erworben am 1.1.2015 für 30 000 Euro, die Frist für die Erstattung des Kauf­preises abzüglich der mit einer Gesamt­fahr­leistung von 250 000 Kilo­meter errechneten Nutzungs­entschädigung gegen die Rück­gabe des Wagens endete am 1.1.2017, letzte mündliche Verhand­lung des Rechts­streits durch alle Instanzen war am 1.8.2020 bei einem Kilo­meter­stand des Wagens von 125 000 Kilo­metern: Die Verzugs­zinsen belaufen sich bei gleich­mäßiger Benut­zung und bei Zahlung der Entschädigung am 1.1.2021 auf insgesamt fast 3 200 Euro.

Können Hersteller für den unzu­lässig hohen Schad­stoff­ausstoß Ihrer Autos haft­bar gemacht werden?

Anders als in den USA wird das hier­zulande wohl nicht möglich sein. Allerdings sind hohe Bußgelder fällig. Als erste Behörde in der EU verhängten die Beamten in der nieder­ländischen Autoriteit Consument & Markt eine Buße von 450 000 Euro gegen VW – wegen unlauteren Wett­bewerbs. Der Auto­konzern habe saubere Abgase vorgetäuscht und sich zu Unrecht als umwelt­bewusstes und „grünes“ Unternehmen dargestellt.

Inzwischen hat die Staats­anwalt­schaft Braun­schweig VW mit einer Milliarde Euro zur Kasse gebeten. Daimler hat 870 Millionen, Audi 800 Millionen, Porsche 535 Millionen und Bosch 90 Millionen Euro Bußgeld gezahlt.

Außerdem stehen Martin Winter­korn und vier weitere Ex-VW-Manager unter Anklage wegen gewerbs­mäßigen Betrugs. Winter­korn muss aus gesundheitlichen Gründen bisher noch gar nicht vor Gericht erscheinen. Das Verfahren gegen die vier weiteren Angeklagten verzögert sich aktuell wegen der Eltern­zeit eines der zuständigen Richter am Land­gericht Braun­schweig.

Was kann ich als Abgas­skandal­opfer unternehmen, wenn mir nach den Ansagen des Bundes­gerichts­hofs Schaden­ersatz zusteht?

Inzwischen sind die meisten Rechte wegen der Skandal­autos von VW verjährt. Es bleibt aber oft noch der so genannte Rest­schaden­ersatz­anspruch. Erst zehn Jahre nach Kauf des Autos geht gar nichts mehr (s. u. in der Antwort auf die Frage: „Kann ich trotz Ablauf der normalen dreijäh­rigen Verjährungs­frist noch auf Schaden­ersatz klagen?“). Ansonsten beginnt die Verjährung erst, wenn Auto­besitzer erfahren, dass sie einen Anspruch haben könnten.

Wann verjährt mein Recht auf Schaden­ersatz?

Nach deutschem Recht verjähren Forderungen auf Schaden­ersatz drei Jahre nach Ende des Jahres, in dem Auto­käufer die Umstände erfahren, die sie zum Schaden­ersatz berechtigen. Entscheidend ist der Zeit­punkt, an dem sie erfahren, dass ihr Wagen womöglich mit illegaler Motorsteuerung unterwegs ist. Unabhängig von der Kennt­nis der Umstände verjähren Forderungen zehn Jahre nach ihrer Entstehung. In Skandal­autofällen kommt es auf den Tag an, an dem der Kauf­vertrag für den Wagen geschlossen wurde.

Was muss ich tun, wenn ich Schaden­ersatz haben möchte?

Sie sollten zunächst selbst Schaden­ersatz fordern. Dabei helfen unsere Muster­texte samt ausführ­licher Hinweise. Meist werden Auto­hersteller den Schaden­ersatz verweigern. Auto­besitzern bleibt dann nur, recht­zeitig vor Eintritt der Verjährung recht­liche Schritte einzuleiten.

Was kann ich tun, wenn mein Auto­hersteller mich nicht entschädigt?

Mit Verkehrs­rechts­schutz­versicherung können Sie selbst einen Rechts­anwalt, möglichst mit nachgewiesenen Erfolgen im Abgas­skandal, beauftragen, Ihr Recht durch­zusetzen. Ohne Rechts­schutz­versicherung laufen Sie Gefahr, zumindest einen Teil der Rechts­anwalts- und Gerichts­kosten zahlen zu müssen. Ihnen bleibt dann noch, nach Angeboten von Prozess­finanzierern zu schauen. Die bieten an, Rechte ohne Kostenrisiko durch­uzusetzen. Dafür behalten Sie einen Teil des Geldes, wenn der Auto­hersteller am Ende zahlt.

Was kann ich als Besitzer eines Mercedes GLK oder GLC unternehmen, für den das Kraft­fahrt­bundes­amt Mercedes wegen illegaler Motorsteuerung zur Nach­rüstung mit einer neuen Motorsteuerung gezwungen hat?

Sie können Ihre Rechte zur Muster­fest­stellungs­klage des Verbraucherzentrale Bundes­verbands (vzbv) gegen Daimler anmelden. Das Urteil in dem Verfahren gilt dann auch für Sie. Setzt sich der vzbv durch, steht fest, dass Sie Schaden­ersatz bekommen. Es muss nur im Einzel­fall noch geklärt werden, wie viel Geld Ihnen zusteht. Einzel­heiten zur Daimler-Klage in unserem Special Musterfeststellungsklagen.

Kann ich trotz Ablauf der normalen dreijäh­rigen Verjährungs­frist noch auf Schaden­ersatz klagen?

Wenn Sie Ihren Wagen als Neuwagen gekauft haben und der Hersteller den Wagen auf Ihre Bestellung hin geliefert hat, steht Ihnen über die normale Verjährung hinaus der so genannte Restschadenersatzanspruch zu. Das gilt auch, wenn Sie den Wagen als Re-Import aus einem anderen EU-Land erworben haben. Ausgeschlossen ist der Rest­schaden­ersatz über die Verjährung hinaus, wenn Händler und/oder Zwischenhändler den Wagen auf eigenes Risiko und unabhängig von Ihrer Bestellung erworben hatten. Der Rest­schaden­ersatz bringt Ihnen aber nicht den vollen Schaden­ersatz. VW muss nach Ablauf der normalen Verjährung nur noch das zahlen, was nach Abzug der Nutzungs­entschädigung vom Preis, den der Händler an VW gezahlt hat, übrig bleibt. So hat es der Bundes­gerichts­hof entschieden.

Rechte gegen­über dem Verkäufer

Habe ich über­haupt Rechte gegen­über dem Verkäufer eines Skandal­autos?

Händler haften bei Neuwagen zwei und bei Gebraucht­wagen mindestens ein Jahr ab Lieferung oder Über­gabe für Sachmängel. Fest steht: Autos mit illegaler Motorsteuerung sind mangelhaft. Der Händler haftet, auch wenn er über­haupt nichts von der illegalen Motorsteuerung wusste. Ausgeschlossen ist die Haftung, wenn der Käufer bei Kauf wusste, dass der Wagen mit illegaler Motorsteuerung unterwegs ist.
Bundes­gerichts­hof, Beschluss vom 08.01.2019
Aktenzeichen: VIII ZR 225/17

Damit haben Käufer der Autos auf jeden Fall das Recht, vom Händler Nachbesserung zu verlangen. Nachbesserung ist entweder Reparatur oder Neulieferung. Ein Recht auf voll­ständige Neulieferung ist auch dann nicht ausgeschlossen, wenn nach einem Modell­wechsel nur das neue Modell noch verfügbar ist, auch wenn dieses etwas schneller, stärker und größer ist als das alte.

Das Recht auf Neulieferung kann aber ausgeschlossen sein, wenn sie für den Händler mit unver­hält­nismäßigen Kosten verbunden ist. Wenn das neue Modell 25 oder mehr Prozent teurer als das alte ist, muss der Besitzer des Skandal­autos zuzahlen, wenn er das neue Modell haben will. Er muss aber nicht den vollen Unterschied ausgleichen, sondern nur für eine Drittel der Preisdifferenz aufkommen, urteilte der Bundes­gerichts­hof.
Bundes­gerichts­hof, Urteil vom 08.12.2021
Aktenzeichen: VIII ZR 190/19

Kann ich auch zurück­treten, wenn ich ein Auto mit illegaler Motorsteuerung bekommen habe?

Ja, das können Sie. Von Gesetzes wegen gilt: Verweigert der Händler die Nachbesserung oder ist diese unzu­mutbar, dann dürfen Käufer vom Vertrag zurück­treten oder einen Teil des Kauf­preises zurück­verlangen.

Muss ich meinem Händler bei einer Reklamation die Chance geben, das Problem zu beheben?

Das ist umstritten. Einzelne Gerichte meinten: Wenn es dem VW-Konzern gelingt, das Auto nach­träglich mit einer Motorsteuerung zu versehen und/oder Bauteile nach­zurüsten, mit denen die Abgas­grenz­werte einge­halten werden, ist der Verkäufer raus aus der Sachmängelhaftung.

VW brauchte jedoch fast ein Jahr, bis für erste Skandal­autos eine neue und nach Ansicht des Kraft­fahrt­bundes­amts in Flens­burg legale Motorsteuerung zur Verfügung stand. So lange müssen Auto­besitzer nicht auf die Nachbesserung warten. Abge­sehen davon ist inzwischen bekannt: Auch die von VW neu entwickelte Motorsteuerung ist illegal und war damit nicht zur Nachbesserung geeignet.

Ich will vom Kauf zurück­treten und den Kauf­preis zurück­verlangen. Anrechnen lassen soll ich mir einen Betrag für meine gefahrenen Kilo­meter. Wie wird der berechnet?

Geht so ein Fall vor Gericht, schätzen die Richter zunächst, wie viele Kilo­meter der Wagen typischer­weise schafft, bis er ausgemustert wird. Bei Autos mit Diesel­motor gehen sie üblicher­weise von 250 000 Kilo­metern aus, bei großen Autos setzen sie zuweilen auch 300 000 oder sogar noch mehr Kilo­meter an.

Zur Berechnung der Entschädigung bei Neuwagen teilen Sie dann den Kauf­preis durch die Gesamt­kilometer und multiplizieren den Betrag mit den bereits gefahrenen Kilo­metern.

Beispiel: Der Wagen hat 25 000 Euro gekostet, ist 20 000 Kilo­meter gefahren und wird wahr­scheinlich insgesamt 250 000 Kilo­meter schaffen, bis er verschrottet wird. Nutzungs­entschädigung = Kauf­preis / Gesamt­lauf­leistung * gefahrene Kilo­meter = 25 000 Euro / 250 000 Kilo­meter * 20 000 Kilo­meter = 2 000 Euro. Hier müssten Sie sich 2 000 Euro anrechnen lassen.

Geht es um einen Gebraucht­wagen, wird so gerechnet:
1. Zu erwartende Gesamt­kilometer – bis Kauf gefahrene Kilo­meter = Rest­lauf­leistung.
2. Kauf­preis x (Kilo­meter­stand bei Rück­gabe – Kilo­meter­stand bei Kauf)/ Rest­lauf­leistung.

Beispiel: Der Wagen kostete 15 000 Euro mit einem Kilo­meter­stand von 50 000. Jetzt hat er 75 000 Kilo­meter auf dem Tacho. Erwartete Gesamt­lauf­leistung: 250 000 Kilo­meter. Nutzungs­entschädigung = 15 000 x (75 000 – 50 000)/(250 000 – 50 000) = 1 875 Euro.

Nutzen Sie unseren VW-Entschädigungsrechner, wenn Sie für Ihren Fall die ungefähre Höhe der Entschädigung ermitteln wollen.

Wann verjähren meine Rechte gegen den Händler?

Sach­mangelrechte verjähren normaler­weise genau zwei Jahre ab Lieferung des Autos. Bis dahin müssen Käufer eigentlich gericht­liche Schritte einge­leitet oder den Rück­tritt vom Vertrag erklärt haben.

Wie kann ich die Verjährung stoppen?

Sie können entweder recht­zeitig vor Ablauf der Verjährung gericht­liche Schritte einleiten oder eine staatlich anerkannte Güte­stelle einschalten. Haben Sie einen Gebraucht­wagen gekauft, können Sie in der Regel auch die für Ihren Wohn­ort zuständige Kfz-Schieds­stelle anrufen.

Habe ich als Käufer eines Gebraucht­wagens mit illegaler Motorsteuerung die gleichen Rechte wie der Erst­besitzer?

Handelt es sich um eine Privatverkauf, kommt es darauf an, ob die Sachmängelhaftung wirk­sam ausgeschlossen war. Falls ja, gehen Sie leer aus. Ansonsten haftet der Verkäufer. Ausgeschlossen ist die Sach­mangelhaftung allerdings, wenn Sie den Mangel zum Zeit­punkt des Kaufs kannten. Dann haftet der Verkäufer dafür nicht.

Sie können sich dessen Rechte gegen den Vorverkäufer und den Hersteller aber problemlos abtreten lassen und sollten das möglichst auch tun. Muster für eine Abtretungs­erklärung:

Hier­mit trete ich als Verkäufer des gebrauchten Wagens (Typ, Fahr­gestell­nummer) alle meine Rechte gegen
a) den Vorverkäufer (Auto­haus XY) und
b) den Hersteller
an den Käufer (Name, Anschrift) ab. Der Käufer des Wagens nimmt diese Abtretung an.
Unter­schriften Käufer und Verkäufer

Auch Dritt- oder Viert­besitzer des Wagens können so Inhaber der Rechte gegen Neuwagen­verkäufer und Hersteller werden. Sie müssen jedoch eine lückenlose Kette von Abtretungs­erklärungen vorlegen können. Die Abtretung kann auch nach­träglich noch vereinbart werden.

Rechte von Leasingnehmern

Was muss ich beachten, wenn ich ein Skandal­auto geleast habe?

Als Leasingnehmer müssen Sie im Abgas­skandal besonders vorsichtig sein. Der Leasing­geber tritt Ihnen die Sach­mangelrechte gegen den Verkäufer ab. In der Regel sind Sie verpflichtet, Sach­mangelrechte konsequent geltend zu machen. Versäumen Sie das, können Sie dem Leasing­geber gegen­über für den skandalbe­dingten Wert­verlust des Wagens verantwort­lich sein.

Sobald Sie etwa durch eine Aufforderung zur Nach­rüstung erfahren, dass Ihr Wagen möglicher­weise mit einer illegalen Motorsteuerung versehen ist, sollten Sie sofort beim Leasing­geber nach­fragen, wie Sie sich verhalten sollen und auf einer verbindlichen Antwort bestehen. Auf der sicheren Seite sind Sie sonst nur, wenn Sie mögliche Sach­mangelrechte wegen des Abgas­skandals unver­züglich geltend machen.

Möglicher Ausweg: Leasing­verträge mit unzu­reichender Belehrung über das Widerrufs­recht oder nicht korrekten Verbraucher­informationen können auch Jahre nach Abschluss noch widerruflich sein. Mehr dazu in unserer Meldung Kreditwiderruf bringt Chance auf Rückgabe.

Rechte von Auto­kreditnehmern

Was ändert sich, wenn ich mein Skandal­auto mit einem vom Händler vermittelten Auto­kredit bezahlt habe?

Die Verbraucher­informationen zu fast allen ab 14. Juni 2010 geschlossenen Auto­kredit­verträgen sind fehler­haft. Solche Verträge können Kreditnehmer auch Jahre nach Vertrags­schluss widerrufen, wenn die Auto­bank wie häufig geschehen von den gesetzlichen Muster­texten zur Information ihrer Kunden abge­wichen ist. Hat den Kredit­vertrag der Auto­händler vermittelt, führt der Widerruf des Kredit­vertrags dazu, dass auch der Auto­kauf rück­abzuwickeln ist. Das dürfte oft leichter durch­zusetzen sein als Sach­mangelrechte oder Schaden­ersatz­ansprüche.

Für ab 13. Juni 2014 abge­schlossene Kredit­verträge gilt jedenfalls nach Ansicht von Verbraucher­anwälten sogar: Nach Widerruf dürfen Sie den Wagen zurück­geben ohne eine Entschädigung für die gefahrenen Kilo­meter zu zahlen. Detaillierte Tipps und einen Muster­text für den Widerruf finden Sie in unserer Meldung Autofinanzierung: Kreditwiderruf bringt Chance auf Rückgabe.

Grund­satz­urteile zum Abgas­skandal

Wie hat der Bundes­gerichts­hof (BGH) über den VW-Skandal geur­teilt?

Das oberste deutsche Zivilge­richt hat VW wegen vorsätzlicher sittenwid­riger Schädigung dazu verurteilt, Käufer von Autos mit Turbodiesel­motor vom Typ EA189 zu entschädigen. Sie erhalten den Kauf­preis zurück, müssen sich aber den Abzug einer Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilo­meter gefallen lassen.

Hat der Wagen bereits so viele Kilo­meter gefahren, wie beim Kauf von ihm zu erwarten waren, dann bekommen Skandal­autobesitzer nichts mehr. Wurden Skandal­autos auf Kredit finanziert, hat VW auch dafür gezahlte Zinsen und sons­tige Finanzierungs­kosten wie etwa den Beitrag für eine Restschuldversicherung zu ersetzen.

Zinsen stehen VW-Skandal­opfern aber nicht zu, urteilten die Richter am Bundes­gerichts­hof. Erst wenn VW mit der Erstattung des Kauf­preises abzüglich Nutzungs­entschädigung in Verzug geraten ist oder Skandal­autobesitzer oder ihre Anwälte Klage erhoben haben, sind Zinsen fällig.

Leer gehen Käufer von Skandal­autos aus, wenn sie ihren Wagen erst gekauft haben, nachdem bekannt war, dass er mit einer illegalen Motorsteuerung versehen ist. Käufer von VW mit EA189-Diesel­motoren bekommen keinen Schaden­ersatz, wenn sie den Kauf­vertrag über den Wagen nach Bekannt­werden des Skandals am 22. September 2015 abge­schlossen haben.

VW habe sein Verhalten durch die Erklärungen zum Abgas­skandal soweit geändert, dass es nicht mehr als vorsätzliche sittenwid­rige Schädigung von Käufern der Skandal­autos erscheine, begründete der Bundes­gerichts­hof sein Urteil.

Wie begründen die Bundes­richter ihre Urteile?

Vorsatz. VW habe Käufer der Skandal­autos vorsätzlich und sittenwid­rig geschädigt, indem das Unternehmen vortäuschte, dass die leistungs­starken und effizienten Diesel­motoren vom Typ EA189 gleich­zeitig auch so sauber und umwelt­freundlich wie vorgeschrieben sind. Schon der Kauf eines solchen Wagens stelle einen Schaden dar, weil die Behörden wegen der illegalen Steuerung des Motors den Betrieb untersagen können.

Es sei davon auszugehen, dass die VW-Führung Bescheid wusste, argumentierten die Bundes­richter in Karls­ruhe weiter. VW hatte stets erklärt: Es werde noch untersucht, wer genau die Machenschaften zu verantworten hat und was die VW-Führung davon wusste. Das reichte nicht, um eine Verurteilung zu verhindern.

Nur wenn VW lückenlos hätte erklären können, dass unterge­ordnete Mitarbeiter verantwort­lich sind und den nach dem Aktiengesetz verantwort­lichen Topmanagern kein Vorwurf zu machen ist, hätte nicht das Unternehmen, sondern lediglich direkt verantwort­liche Mitarbeiter Schaden­ersatz wegen vorsätzlicher sittenwid­riger Schädigung zahlen müssen.

Nutzungs­entschädigung. Käufer von Skandal­autos erhalten aber nicht den vollen Kauf­preis zurück. Sie müssen eine Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilo­meter zahlen. Es gehe darum, Schäden auszugleichen und nicht, den Schädiger zu bestrafen und Opfer besser zu stellen, als sie bei korrektem Verhalten von VW gestanden hätten. Deshalb haben Skandal­opfer kein Recht darauf, den voll­ständigen Kauf­preis zurück­zubekommen, obwohl sie den Wagen jahre­lang und zum Teil viele Hundert­tausend Kilo­meter weit gefahren sind.

Wie die Nutzungs­entschädigung genau zu berechnen ist, erklären wir oben (siehe Frage „Wie wird die Nutzungs­entschädigung berechnet, die VW vom zu erstattenden Kauf­preis abziehen darf?“).

Zinsen. Ein Recht auf Verzinsung des Kauf­preises stehe VW-Skandal­opfern nicht zu, weil sie ihre Autos genau wie vorgesehen nutzen konnten. Nur wenn die Behörden die Skandal­autos tatsäch­lich aus dem Verkehr gezogen hätten, stünde den Besitzern ein Recht auf Verzinsung des Kauf­preises zu, argumentierten die Bundes­richter.

Kläger erhalten allerdings zumindest so genannte „Prozess­zinsen“ und oft auch Verzugs­zinsen. Spätestens ab Zustellung der Klageschrift und oft auch ab Ablauf der VW für die Erstattung des Kauf­preises abzüglich Nutzungs­entschädigung gesetzten Frist muss VW Zinsen in Höhe von fünf Punkten über dem Basiszins­satz auf den jeweils geschuldeten Betrag zahlen.

Die Berechnung ist kompliziert. Die Gerichte müssen die Zinsen für jeden Tag einzeln ermitteln (siehe Frage „Unterstellt, ich habe ein Anrecht auf Schaden­ersatz: Was kann ich dann vom Hersteller verlangen?“.

Was ist mit Zinsen, die Skandal­autobesitzer bei der Finanzierung ihres Wagens gezahlt haben?

Wenn der Auto­hersteller Besitzer des Wagens wegen vorsätzlicher sittenwid­riger Schädigung zu entschädigen hat, muss er auch Finanzierungs­kosten einschließ­lich oft sehr teurer Rest­schuld­versicherung ersetzen. Das hat der Bundes­gerichts­hof inzwischen bestätigt. Die Käuferin eines gebrauchten Golf TDI erhält jetzt zusätzlich 3 275,55 Euro, die sie an Zinsen für die Auto­finanzierung sowie für eine Rest­schuld­versicherung gezahlt hatte. Schon Land­gericht und Ober­landes­gericht Köln hatten zugunsten der Golf-Fahrerin geur­teilt.
Land­gericht Köln, Urteil vom 19.07.2019
Aktenzeichen: 16 O 406/18
Ober­landes­gericht Köln, Urteil vom 19.02.2020
Aktenzeichen: 27 U 52/19
Bundes­gerichts­hof
, Urteil vom 13.04.2021
Aktenzeichen: VI ZR 274/20
Verbraucher­anwälte: Baumeister Rosing Rechtsanwälte, Berlin/Esslingen

Was hat der Bundes­gerichts­hof (BGH) zur Verjährung entschieden?

Die Ersatz­ansprüche von Skandal­autobesitzern wegen vorsätzlicher sittenwid­riger Schädigung verjähren drei Jahre nach Ende des Jahres, in dem sie vom Abgas­skandal und der möglichen Verstri­ckung ihres Wagens darin erfahren haben.

Ansprüche gegen VW wegen Autos mit EA189-Motoren sind damit oft bereits am 31.12.2019 verjährt. Genauer als bereits 2015 bekannt, mussten betroffene Auto­besitzer nicht Bescheid wissen, damit die Erhebung der Schaden­ersatz­klage gegen VW zumut­bar ist, und deshalb die Verjährung beginnt. Laut Bundes­gerichts­hof ist davon auszugehen, dass Besitzer von Skandal­autos spätestens irgend­wann im Laufe des Jahres 2016 wussten oder wissen mussten, dass sie womöglich ein Recht auf Schaden­ersatz haben.

Anmeldungen zur VW-Muster­fest­stellungs­klage nach Jahres­beginn 2019 haben die Verjährung von Schaden­ersatz­forderungen noch recht­zeitig gestoppt, auch wenn die Verjährungs­frist zu diesem Zeit­punkt schon abge­laufen war. Die Anmeldung wirkt auf den Zeit­punkt der Erhebung der Muster­fest­stellungs­klage am 1. November 2018 zurück.
Bundes­gerichts­hof, Urteil vom 29.07.2021
Aktenzeichen: VI ZR 1118/20

Gelten die bisherigen BGH-Urteile auch für andere Skandal­auto-Besitzer?

Nein, jedes Urteil gilt direkt nur für den einen Fall, den die Richter beur­teilt haben. Richter, die über andere VW-Skandalfälle zu entscheiden haben, sind daran nicht gebunden.

Allerdings: Wollen Gerichte die entscheidenden Rechts­fragen anders als der Bundes­gerichts­hof beur­teilen, müssen sie zur Sicherung der Einheitlich­keit der Recht­sprechung Rechts­mittel zulassen. Der Fall würde dann letzt­lich wieder beim Bundes­gerichts­hof in Karls­ruhe landen.

Der BGH würde solche Urteile wegen Rechts­fehlern aufheben, soweit er Fälle bei gleicher Sachlage anders beur­teilt hat als die Vorinstanzen. Die Land- und Ober­landes­gerichte beachten deshalb in aller Regel die Vorgaben der Bundes­richter in Karls­ruhe.

Wie sieht der Europäische Gerichts­hof (EuGH) den Abgas­skandal?

Die Richter am EuGH in Luxemburg haben geur­teilt: Eine illegale Abschalt­einrichtung liegt auch dann vor, wenn für Prüf­standbedingungen die Abgas­reinigung gegen­über Fahrten im normalen Straßenverkehr verbessert wird. Das gilt auch, wenn die Abgas­reinigung auch dann korrekt funk­tioniert, wenn bei normalen Fahrten im Einzel­fall zufäl­lig die Prüf­standbedingungen vorliegen.

Zentrale Ansage der EuGH-Richter: „Die Verordnung Nr. 715/2007 verbietet ausdrück­lich die Verwendung von Abschalt­einrichtungen, die die Wirkung von Emissions­kontroll­systemen unter normalen Nutzungs­bedingungen verringern.“ Dabei ist egal, ob es um physische Bauteile oder Software geht, ob der Ausstoß von Schad­stoffen durch Einfluss auf den Verbrennungs­vorgang wie etwa bei der Rück­führung von Abgasen oder nach­träglich durch Einsprit­zung von AdBlue in die Abgase reguliert wird.

So oder so handele es sich um ein Emissions­kontroll­system, das im normalen Fahr­betrieb genau so aktiv sein muss wie bei den Prüf­stands­fahrten. Auch erhöhter Verschleiß oder zusätzlicher Wartungs­aufwand recht­fertigen es nicht, die Abgas­reinigung zu verringern oder abzu­schalten oder umge­kehrt nur für Prüf­standbedingungen die Abgas­reinigung zu verbessern.

Europäischer Gerichts­hof, Urteil vom 17.12.2020
Aktenzeichen: C-693/18

Die strenge Haltung haben die Richter in Luxemburg später bekräftigt. Sie halten auch die von VW nach Bekannt­werden des Abgas­skandals neu entwickelte Motorsteuerung für illegal, obwohl das Kraft­fahrt­bundes­amt diese Motorsteuerung gebil­ligt hatte.
Europäischer Gerichts­hof, Urteil vom 14.07.2022
Aktenzeichen: C-128/20
Pressemitteilung des Gerichts

Der Europäische Gerichts­hof hat außerdem geur­teilt: Käufern von Autos mit illegaler Motorsteuerung steht auch dann Schaden­ersatz zu, wenn dem Hersteller keine vorsätzliche und sittenwid­rige Schädigung zur Last fällt. Schon der nur fahr­lässige Verstoß gegen die EU-Zulassungs­regeln führt dazu, dass Auto­hersteller die Käufer der Wagen entschädigen müssen.
Europäischer Gerichts­hof, Urteil vom 21.03.2023
Aktenzeichen: C-100/21
Verbraucher­anwälte: Prorights Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München

Tech­nischer Hintergrund: Der Schad­stoff­ausstoß von Autos für die Typzulassung war zu messen, in dem auf dem Prüf­stand eine Fahrt mit exakt fest­gelegten Bedingungen simuliert wurde. Dabei waren Geschwindig­keit und Beschleunigung viel geringer als im normalen Fahr­betrieb üblich. Unter diesen Bedingungen war es möglich, die damals vorgeschriebenen Grenz­werte durch Rück­führung eines Teils der Abgase in den Ansaugtrakt einzuhalten. Dadurch verringert sich die Menge an zünd­fähigem Gemisch im Zylinder und sinken damit Druck und Temperatur im Motor und entsteht weniger Stick­oxid. Allerdings sinkt auch die Leistung und erhöht sich der Verschleiß.

Später bei Euro 6-Motoren einge­setzte SCR-Katalysatoren funk­tionierten im Prinzip auch bei höheren Drehzahlen und Temperaturen, verbrauchten dann aber viel AdBlue. Wartungs­aufwand und Verschleiß nahmen ebenfalls zu. Die Auto­hersteller verringerten deshalb bei Bedingungen jenseits der Prüf­stand auch gern die Einsprit­zung von AdBlue und nahmen einen erhöhten Stick­oxid-Ausstoß in Kauf.

Rechts­schutz und Sammelklagen

Ich besitze ein Auto mit EA189-Motor, habe aber bisher nichts unternommen. Kann ich die Verjährung von möglichen Schaden­ersatz­forderungen gegen VW noch stoppen oder ist es zu spät?

Schaden­ersatz­forderungen gegen VW sind seit 1. Januar 2019 verjährt, wenn Sie bereits 2015 erfahren haben, dass Ihr Wagen vom Abgas­skandal betroffen ist und sie nichts unternommen haben, um die Verjährung zu stoppen. So hat es der Bundes­gerichts­hof entschieden. Nach Bestellung von Autos beim Hersteller bleibt der so genannte Rest­schaden­ersatz­anspruch. Er verjährt erst genau zehn Jahre nach Kauf des Wagens.

Beispiel: Ich habe die Bestellung für meinen Wagen bereits am 20.07.2013 beim örtlichen Vertrags­händler unter­schrieben. Mein Recht auf Schaden­ersatz wegen eines Autos mit V6-TDI-Motor, von dem im Laufe des Jahres 2020 bekannt wurde, dass die Motorsteuerung illegal war, verjährt dann am 20.07.2023 um 24 Uhr und nicht erst am 31.12.2023.

Was gilt, wenn ich meine Rechte damals zur Muster­fest­stellungs­klage des vzbv gegen Mercedes angemeldet habe?

Die Teil­nahme an der Muster­fest­stellungs­klage stoppt die Verjährung rück­wirkend zur Erhebung der Klage am 7. Juli 2021. Wann genau sich Besitzer betroffener Mercedes-Modelle über das Bundes­justiz­amt angemeldet haben, spielt keine Rolle.

Welches Risiko gehe ich ein, wenn ich ohne Rechts­schutz­versicherung gegen der Hersteller klage?

Sie brauchen genug Geld für die üblichen Vorschüsse für die Rechts­anwalts­honorare und die Gerichts­kosten und Sie verlieren das Geld, wenn Ihre Klage abge­wiesen wird. Zusätzlich müssen Sie dann noch für die Anwälte des Auto­herstel­lers zahlen. Maßgeblich für Gerichts- und Anwalts­kosten­vorschuss ist der Streit­wert. Der liegt mindestens beim Kauf­preis des Autos abzüglich der Entschädigung für die mit dem Wagen gefahrenen Kilo­meter.

Unser Rechner liefert einen Über­blick über das Prozesskostenrisiko und den üblichen Vorschuss auf Anwalts­honorare und Gerichts­kosten.

Was kann ich tun, wenn ich mir den Vorschuss für Anwalts­honorar und Gerichts­kosten nicht leisten kann?

Sie können einen Prozess­kosten­finanzierer einschalten. Aktuell kostet das allerdings, soweit wir wissen, eine Provision in Höhe von mindestens 17 Prozent der Summe, die der Auto­hersteller am Ende zahlt. Von 20 000 Euro bleiben also bestenfalls 16 600 Euro für Sie übrig.

Je nach Zeit­wert Ihres Wagens kann es sein, dass eine Prozess­kosten­finanzierung für Sie keinen Sinn hat. Mit unserem Rechner: Prozesskostenfinanzierung können Sie prüfen, was in Ihrem Fall zu erwarten ist.

Kann ich als Eigentümer eines Skandal-Autos mit Unterstüt­zung der Behörden rechnen?

Da können wir Ihnen nur wenig Hoff­nung machen. Das Kraft­fahrt­bundes­amt ist dafür zuständig, dass Autos sicher sind und den Umwelt­schutz-Vorschriften entsprechen. Die Behörde vertritt nicht die Interessen von Auto­besitzern.

Im Gegen­teil scheint es so, als betreibe die Behörde eher Wirt­schafts­förderung als Verbraucher- und Umwelt­schutz. Sie hat über Jahre hinweg alle Hinweise zur Über­schreitung der Grenz­werte für den Stick­oxid-Ausstoß über­gangen und wurde erst tätig, nachdem die Behörden in den USA den Abgas­skandal bereits aufgedeckt hatten.

Offen­bar im Einverständnis mit der Bundes­regierung geht sie auch nach Bekannt­werden des Skandals ausgesprochen nach­sichtig mit VW und den übrigen Auto­herstel­lern um. So hält sie die Zulassung der Skandal­autos für wirk­sam, obwohl nach­trägliche Änderungen nach der Straßenverkehrs­zulassungs­ordnung zum sofortigen Erlöschen der Zulassung führen. Warum das nicht gelten soll, wenn Autos von Anfang an nicht der Typzulassung entsprechen, ist nicht nach­voll­zieh­bar.

Die für die Gewer­beaufsicht und die Straf­verfolgung zuständigen Behörden prüfen, ob sich Verantwort­liche beim VW-Konzern strafbar gemacht oder ordnungs­widrig verhalten haben und erheben Anklage oder verhängen Bußgelder. Das nützt Besitzern von Skandal-Autos allenfalls indirekt.

Immerhin: Der hoch­rangige Ex-Manager und Motoren-Entwickler Wolfgang Hatz sowie Audi-Chef Rupert Stadler saßen wegen dringenden Betrugs­verdachts in Unter­suchungs­haft und sind jetzt nur gegen Kaution auf freiem Fuß.

Die Bundes­anstalt für Finanz­dienst­leistungs­aufsicht (Bafin) hat untersucht, ob die VW-Verantwort­lichen die Vorschriften für Aktiengesell­schaften einge­halten haben. Sie kam laut Spiegel zu dem Ergebnis, dass VW die Märkte verspätet über den Skandal unter­richtet hat – und hat deshalb Straf­anzeige gegen alle Vorstands­mitglieder der Volks­wagen AG gestellt.

Auch das hilft Aktionären nur indirekt, kann ihnen aber immerhin Munition für Klagen auf Schaden­ersatz wegen Verletzung von Anleger­schutz­gesetzen liefern.

Unterdessen hatten die EU-Behörden nach einem Bericht des Spiegel bereits vom Jahr 2010 an hand­feste und detaillierte Hinweise darauf, dass die für die Zulassung vorgeschriebene Abgas­reinigung im Fahr­betrieb zumindest oft nicht funk­tioniert. Sie gingen diesen Hinweisen offensicht­lich nicht nach.

Erst auf Druck von US-Behörden kam der Skandal ans Tages­licht. Auch bei Aufarbeitung des Abgas­skandals marschierte die US-Justiz voran. Ein maßgeblich am Abgas­skandal beteiligter Ingenieur wurde wegen Betrugs und Verschwörung verurteilt und saß drei Jahre lang in den USA im Gefäng­nis.

Fragen zum Abgas­skandal allgemein

Was geschieht mit den Skandal­autos?

Das Kraft­fahrt­bundes­amt in Flens­burg hat für alle Autos mit illegaler Motorsteuerung ange­ordnet, dass eine neue Motorsteuerung zu entwickeln und in allen Autos zu installieren ist.

Üblicher Ablauf einer solchen Rückruf­aktion: Der jeweils betroffene Hersteller erhält von der Behörde die Adressen der aktuellen Besitzer. Sobald die geänderte und nunmehr laut Kraft­fahrt­bundes­amt legale Motorsteuerung fertig ist, schreibt das Unternehmen die Auto­besitzer an und bittet sie, zur Installation der neuen Software im Motorsteuergerät in die Werk­stätten zu kommen. Das ist selbst­verständlich kostenlos.

Die Auto­hersteller können Auto­besitzer nicht zwingen, die legale Motorsteuerung installieren zu lassen. Sie melden allerdings jede Nach­rüstung an die Behörde. 18 Monate nach Beginn des jeweiligen Rück­rufs schreibt diese alle Fahr­zeughalter an, die nicht an der Rückruf­aktion teil­genommen haben.

Wer auch dann immer noch keine Werk­statt aufsucht, den meldet die Bundes­behörde an die lokalen Zulassungs­stellen. Diese entscheiden dann, ob sie den Wagen zwangs­weise stillegen. Hinzu kommt noch: Eine neue Tüv-Plakette bekommen vom Abgas­skandal betroffenen Autos ab 18 Monate nach dem Rück­ruf nur noch, wenn inzwischen die neue Motorsteuerung installiert wurde.

Was tut die Politik im Abgas­skandal?

Rund fünf Millionen Diesel-Pkw der Schad­stoff­klassen Euro 5 oder Euro 6 in Deutsch­land haben ein Software-Update bekommen. So hatten es die Auto­hersteller beim „Dieselgipfel“ im August 2017 angeboten.

Betroffen sind über­wiegend Fahr­zeuge aus dem Volks­wagen-Konzern mit seinen Marken VW, Audi und Porsche sowie Dieselmodelle von BMW, Daimler und Opel. In der Zahl sind aber bereits die rund 2,5 Millionen Autos enthalten, die Volks­wagen schon auf das Geheiß der Behörden nachgerüstet hat. Ausländische Hersteller beteiligen sich nicht an der Aktion.

Wie finde ich raus, welche Schad­stoff­klasse mein Wagen hat?

Die Schad­stoff­klasse, zum Beispiel „Euro 4“, ist in der Zulassungs­bescheinigung vermerkt (Feld 14).

Nach­rüstung der Skandal­autos – die Details

Was genau hat Volks­wagen bei der Nach­rüstung getan?

Der Volks­wagen-Konzern als Hersteller der meisten Skandal-Autos hat einen Groß­teil der betroffenen Wagen mit einer neuen vom Kraft­fahrt­bundes­amt genehmigten Motorsteuerung nachgerüstet.

Am aufwendigsten war das bei 1,6-Liter-TDI-Motoren. Sie haben zusätzlich zu einem Update der Motorsteuerungs-Software einen sogenannten „Strömungs­gleich­richter“ erhalten. Das ist ein Plastikrohr im Ansaugtrakt, das den Luft­strom für die Verbrennung in den Zylindern optimieren soll.

VW hat versprochen, die Nach­rüstung werde weder zu Mehr­verbrauch noch zu Leistungs­einbußen führen und auch nicht die Halt­barkeit der Motoren beein­trächtigen. Eine recht­lich verbindliche Garantie wollte das Unternehmen allerdings nicht über­nehmen.

Laut Motor-talk.de wird bei VW-Motoren mit neuer Steuerung der Diesel mit höherem Druck in die Zylinder einge­spritzt – und nicht mehr in einem Zug, sondern gestaffelt. Außerdem wird das Ventil für die Abgasrück­führung anders gesteuert als bisher. Durch die Rück­führung von unbrenn­barem Abgas in den sonst nur mit einem Luft-Diesel-Gemisch gefüllten Zylinder sinken Temperatur und Druck im Brenn­raum. Es entsteht dadurch bei der Verbrennung weniger Stick­oxid.

Bei den Autos mit AdBlue erhöhte VW außerdem die Einspritzmenge des Additivs. Nachteil vor allem der geänderten Kraft­stoffein­sprit­zung: Es entsteht mehr Ruß als bisher. Der lagert sich im Partikelfilter ab und muss daher öfter als bisher gezielt mit etwas Extra-Kraft­stoff frei­gebrannt werden. Außerdem schließen und öffnen die Ventile für die Kraft­stoffein­sprit­zung doppelt so oft als bisher und müssen zusätzlich dem erhöhten Kraft­stoff­druck standhalten.

Allerdings: Auch die neue Motorsteuerung enthält ein so genanntes „Thermo­fenster“. Das heißt: Die Abgas­reinigung funk­tioniert nur bei Luft­temperaturen von 10 bis 49 Grad Celsius voll­ständig. Darüber und darunter wird sie reduziert oder abge­schaltet. Auch bei einer Höhe von über 1 000 Metern über dem Meeresspiegel wird sie deaktiviert. Der Europäische Gerichts­hof und das Verwaltungs­gericht Schleswig haben inzwischen geur­teilt: Solche Mecha­nismen sind illegal.

Wieso Nach­rüstung? Hätte es nicht gereicht, wenn die Wagen stets im sauberen Prüf­stand-Modus fahren?

Offen­bar nicht, denn dann steigt der Verbrauch und die Leistung sinkt. Unseren amerikanischen Kollegen von Consumer Reports ist es – wohl mit Unterstüt­zung von VW-Insidern – gelungen, einen VW Jetta Sports Wagon (Pendant hier­zulande: Golf Variant) von 2011 mit EA 189 TDI-Motor dauer­haft in den Prüf­stand-Modus zu schalten und damit zu fahren Video von Consumers Report.

Ergebnis der Fahr­versuche: Der Wagen verbrauchte 5,1 statt bisher 4,7 Liter Diesel auf 100 Kilo­meter. Die Beschleunigung von 0 auf 60 Meilen (rund 97 Kilo­meter) pro Stunde dauerte 10,5 statt 9,9 Sekunden. Schlimmer noch: Laut VW drohen Motorschäden und Brände. Durch den erhöhten Ausstoß von Ruß und zunehmende Ablagerungen kann das Ventil für die Abgasrück­führung verklemmen und dann der Diesel­partikelfilter über­hitzen und in Feuer fangen.

Wie verändern sich Schad­stoff­ausstoß und Verbrauch, wenn die Autos nachgerüstet sind?

Die Behörden haben die Nach­rüstung aller ursprüng­lich bekannten Abgas­skandal-Autos zugelassen. Sie glauben also, dass die Autos mit der geänderten Motorsteuerung alle Normen einhalten, ohne dass dabei der Kraft­stoff­verbrauch und damit der Kohlen­dioxid-Ausstoß steigt.

Der ADAC hat einen Golf 2.0 TDI, einen Polo 1.2 TDI und einen Golf Variant 1.6 TDI jeweils vor und nach der Nach­rüstung untersucht. Das Ergebnis: Der Stick­oxid-Ausstoß sank um bis zu 56 Prozent. Er lag aber bei fast allen Fahr­versuchen ober­halb von 270 Milligramm je Kilo­meter. Das war laut Bundes­regierung die Ober­grenze für freie Fahrt in Fahr­verbots­zonen.

Der Kraft­stoff­verbrauch stieg je nach Fahr­zyklus um bis zu rund 4,5 Prozent bei einer Mess­genauigkeit von plus/minus zwei Prozent­punkten. Am besten funk­tioniert die Nach­rüstung offen­bar bei dem 1,6-Liter-Motor, der außer der neuen Motorsteuerung auch ein zusätzliches Bauteil im Ansaugtrakt erhalten hat.

Auch unsere italienische Part­ner­organisation Alt­roconsumo hat die Wirkung der VW-Nach­rüstung über­prüft. Ihre Mess­ergeb­nisse lassen an der Nach­rüstung zweifeln. Der Stick­oxid-Ausstoß eines Audi Q5 2.0 TDI lag nach der Nach­rüstung sogar höher als vorher.

Hatten die Stick­oxid-Werte im Abgas vor der Nach­rüstung noch durch­schnitt­lich gut 10 Prozent über dem Grenz­wert gelegen, waren es danach gut 25 Prozent. Der Verbrauch änderte sich indes kaum: Er sank von 7,5 auf 7,4 Liter Diesel je 100 Kilo­meter.

Audi hatte erstaunt auf diese Mess­ergeb­nisse reagiert und die Bereitschaft erklärt, sich den untersuchten Audi Q5 gemein­sam mit den italienischen Testern anzu­sehen und Nach­messungen vorzunehmen. Zu hören war im Anschluss aber leider nichts mehr von Audi.

Verschlechtert sich die Halt­barkeit der Motoren durch die Nach­rüstung?

Das ist unklar. „Experten warnen vor Motorschäden“, titelt Spiegel Online unter Berufung auf nicht genannte Mitarbeiter der EU-Kommis­sion. Die wiederum berufen sich auf die Techniker im nord­italienischen „Vela“-Abgas­labor, das auf seinem Gebiet zu den führenden Einrichtungen welt­weit zählt.

Die Vela-Techniker befürchten, dass das Abgasrück­führ­ventil, der Speicherkatalysator, das Harn­stoff-Injektions­system, der sogenannte SCR-Katalysator („selective catalytic reduction“) oder auch der Partikelfilter vorzeitig versagen könnten.

Im VW-Forum des Online-Netz­werks Motor-Talk berichten vor allem Besitzer von nachgerüsteten Skandal­autos, die häufig nur kurze Stre­cken fahren, über Probleme mit der geänderten Motorsteuerung.

Manipulierte Wagen: Tüv, Zulassung, Kfz-Steuer, Halterhaftung

Darf ich Autos mit Manipulations­software an Bord noch fahren?

Nach Ansicht des Kraft­fahrt­bundes­amtes dürfen vom Skandal betroffene Autos weiterhin fahren, so lange sie ordnungs­gemäß zugelassen sind und eine gültige Prüfplakette auf dem Nummern­schild klebt. Die Zulassung bleibt nach Auffassung der Behörden zunächst wirk­sam, obwohl die tatsäch­lich gelieferten Autos wegen der Abschaltung der Abgas­reinigung der Typgenehmigung nicht entsprachen.

Die Rechts­experten der Stiftung Warentest halten diese Rechts­auffassung für falsch. Eine nach­trägliche Änderung der Motorsteuerung mit Abschaltung der Abgas­reinigung führt laut Straßenverkehrs­zulassungs­ordnung zum sofortigen Erlöschen der Betriebs­erlaubnis. Dann kann eigentlich auch die Betriebs­erlaubnis für ein Auto, das von Anfang an die Abgas­reinigung im Fahr­betrieb abschaltet und das deshalb nicht der Typgenehmigung entspricht, nicht wirk­sam sein.

Nach einem Urteil des Verwaltungs­gericht in Schleswig ist auch die von VW nach Bekannt­werden des Abgas­skandals neu entwickelte Motorsteuerung rechts­widrig. Es ist aber noch nicht rechts­kräftig. Alle Autos dürfen zunächst wie gewohnt weiterfahren. Bestätigen Ober- und Bundes­verwaltungs­gericht das Urteil, muss das Kraft­fahrt­bundes­amt alle betroffenen Autos und darüber­hinaus wohl auch die meisten anderen Autos mit Diesel­motoren bis einschließ­lich Euro 6c entweder für eine aufwendige Nach­rüstung zurück­rufen oder sogar still­legen. Bis dahin werden aber noch Jahre ins Land gehen.

Können die Behörden meinem Auto die Zulassung entziehen?

Ja. So sehen es inzwischen alle Verwaltungs­gerichte bis hin zum Ober­verwaltungs­gericht Nord­rhein-West­falen. Auch der Bundes­gerichts­hof sieht das offen­bar so (Beschluss vom 8. Januar 2019, Aktenzeichen: VIII ZR 225/17). Rechts­grund­lage dafür ist die Fahr­zeug-Zulassungs-Verordnung.

Zuständig ist allerdings nicht das Kraft­fahrt­bundes­amt (KBA) in Flens­burg, sondern die jeweilige lokale Zulassungs­stelle. Die informiert das KBA allerdings, wenn Skandal­autos nicht inner­halb von 18 Monaten ab Rück­ruf die neue Motorsteuerung erhalten haben.

Kann ich mich gegen den Entzug der Zulassung und die Still­legung wehren?

Das kommt darauf an. Für Autos, für die das Kraft­fahrt­bundes­amt über die Typzulassung entschieden und sie später wegen der illegalen Motorsteuerung geändert hat, ist es so gut wie aussichts­los, sich gegen die Verfügungen der Zulassungs­stelle zu wehren. Die Verwaltungs­gerichte lehnen Anträge darauf, den Voll­zug solcher Behörden­entscheidungen zu stoppen, geschlossen ab.
Allerdings: Nach Ansicht der Mehr­heit der Verwaltungs­gerichte deckte die ursprüng­liche Typgenehmigung den Betrieb der Skandal­autos zunächst. Die Autos hätten die illegalen Mecha­nismen in der Motorsteuerung von Anfang an gehabt. Gleich­wohl habe die Behörde die fraglichen Auto­typen genehmigt. Durch die Anordnung der Pflicht, eine neue Motorsteuerung zu entwickeln, habe die Behörde die Typzulassung geändert. Erst diese Änderung der Typzulassung führe dazu, dass Skandal­autos illegal werden.

Inzwischen hat sich die Auffassung durch­gesetzt: Die Skandal­autos entsprachen nicht der Typgenehmigung. So sieht es mitt­lerweise auch Frank Liebhart, Justitiar des Kraft­fahrt­bundes­amts. Gleich­wohl erklärte er test.de gegen­über auf Nach­frage: Die Autos durften weiterfahren. Die Behörden mussten sie nicht aus dem Verkehr ziehen. Die test.de-Juristen können das nicht nach­voll­ziehen. Werden Kraft­fahr­zeuge gegen­über der Typzulassung verändert, erlischt die Zulassung sofort. Ob die Veränderungen vor oder nach der Zulassung vorgenommen werden, kann ihrer Ansicht nach keine Rolle spielen.

Besitzer von Autos, deren Typzulassung nicht das Kraft­fahrt­bundes­amt erteilt und später geändert hat, können sich gegen die Still­legung wehren. Im VW-Konzern betrifft das vor allem Autos von Skoda. So sah es auch das Schleswig-Holsteinische Verwaltungs­gericht in einer Kosten­entscheidung (Beschluss vom 13.05.2019, Aktenzeichen: 3 B 39/19), nachdem die Behörde die dort verfügte Still­legung bereits von sich aus zurück­genommen hatte.

Bekomme ich für ein Skandal­auto ohne Nach­rüstung neuen Tüv?

Die Prüfplakette für die Haupt­unter­suchung bei Tüv, Dekra und ähnlichen Anbietern gibt es nur noch bis höchs­tens 18 Monate nach Erhalt der Aufforderung zur Nach­rüstung des Wagens mit einer neuen Motorsteuerung.

Wer nach Ablauf dieser Frist zur Haupt­unter­suchung muss, bekommt danach ohne neue Motorsteuerung keine Plakette mehr. Das fehlende Update wird zwar als erheblicher Mangel gewertet, führt aber nicht zur sofortigen Still­legung. Betroffene Auto­besitzer können das Update also nach­holen und bekommen dann eine neue Prüfplakette.

Weitere Details und Hintergründe liefert ein ausführ­licher Bericht des Focus zum Thema. Wer die Nach­rüstung verweigern will und sein Skandal­auto trotzdem jedenfalls vorläufig weiter fahren will, sollte sich recht­zeitig von einem im Zulassungs­recht erfahrenen Rechts­anwalt für Verkehrs­recht beraten lassen.

Muss ich mit Fahr­verboten rechnen?

Nur noch selten. Es galten etliche Diesel-Fahr­verbote. Die meisten sind aber schon wieder aufgehoben, nachdem der Stick­oxid­gehalt in der Luft unter den Grenz­wert gesunken war. Mehr zum Thema in unseren FAQ Fahrverbote in Innenstädten.

Muss ich Kfz-Steuer nach­zahlen, wenn VW für meinen Wagen den Kohlen­dioxid-Ausstoß zu gering angegeben hat?

Das ist noch unklar. Die Juristen und Steuer­experten der Stiftung Warentest halten das jedoch für wahr­scheinlich. Die Höhe der Kfz-Steuer hängt vom Kohlen­dioxid-Ausstoß ab. Finanz­ämter sind berechtigt, Steuer­bescheide zu korrigieren, wenn sie auf falscher Grund­lage ergangen sind. Steuer­nach­zahlungen können auf jeden Fall erst ermittelt werden, wenn der tatsäch­liche Kohlen­dioxid-Ausstoß der betroffenen Autos fest­steht. VW hat zugesichert: Wenn Steuer­nach­forderungen fällig werden, bezahlt sie der Konzern.

Hafte ich für unzu­lässig hohen Schad­stoff­ausstoß meines Autos?

Theoretisch ja, praktisch aber wohl kaum. Zwar gilt: Auch Sie als Verbraucher müssen die Emissions­schutz­regeln einhalten und handeln rechts­widrig, wenn Sie ein Auto fahren, von dem Sie wissen, dass es die vorgeschriebenen Grenz­werte nicht einhält.

Opfer von Luft­verschmut­zung müssten aber zumindest nach­weisen, dass ihr Auto das Risiko einer Schädigung durch Stick­oxid oder Fein­staub relevant erhöht hat. Das dürfte insofern ausgeschlossen sein, als es noch Millionen von Motoren ohne jegliche Abgas­reinigung gibt – dazu kommen Kamin­öfen, Ölhei­zungen und andere Formen von legaler Umwelt­verschmut­zung, die das Risiko weit stärker steigern als die manipulierten Diesel­autos aus dem VW-Konzern.

Die Rechte von VW-Aktionären

Habe ich als VW-Aktionär Anspruch auf Schaden­ersatz wegen Kurs­verlusten?

Für sicher halten es die Rechts­experten der Stiftung Warentest, dass Aktionäre Schaden­ersatz für die nach Bekannt­werden des Skandals entstandenen Kurs­verluste verlangen können, wenn sie ihre Anteile ab Früh­jahr 2015 erworben haben. Spätestens seit diesem Zeit­punkt weiß VW, dass die US-Behörden den Hersteller im Verdacht haben, bei der Abgas­reinigung von Autos mit bestimmten Diesel­motoren illegal zu tricksen.

Aktiengesell­schaften sind verpflichtet, ihre Anteils­eigner unver­züglich über kurs­relevante Ereig­nisse zu informieren. VW hatte die Vorgänge jedoch erst Monate später publik gemacht. Auch die Entscheidung, über­haupt Software einzusetzen, die die Abgas­reinigung im Fahr­betrieb verringert oder gar abschaltet, dürfte dazu führen, dass Aktionären Schaden­ersatz zusteht. Möglicher­weise haften einzelne VW-Verantwort­liche zusätzlich persönlich.

Beachten Sie: Für Aktionärs­klagen müssen Rechts­schutz­versicherer nicht immer zahlen. Insbesondere bei erst in den letzten Jahren abge­schlossenen Verträgen sind solche Rechts­streitig­keiten oft ausgeschlossen. test.de führt und aktualisiert eine Liste mit verbraucherfreundlichen Urteilen rund um den Abgas­skandal.

Gibt es ein Muster­verfahren, in das ich mich als Anleger einklinken kann?

Ja, aber die Frist ist längst abge­laufen. Beim Land­gericht Braun­schweig sind rund 1 540 Schadens­ersatz­klagen gegen VW mit einem Streit­wert von rund 8,8 Milliarden Euro einge­gangen, die meisten davon von Privat­anlegern.

Doch auch der Bayerischen Pensions­fonds (Streit­wert: 700 000 Euro), das Sonder­vermögen „Versorgungs­rück­lage des Landes Hessen“, der Versorgungs­fonds des Landes Baden-Württem­berg (Streit­wert: 1,1 Millionen Euro) und die Vereinigten Staaten von Amerika (wegen der Verluste von Pensions­fonds mit VW-Aktien liegt der Streit­wert im drei­stel­ligen Millionen­bereich) haben VW verklagt.

Die meisten Klage­verfahren von kleinen und mitt­leren Anlegern hat das Land­gericht Braun­schweig ausgesetzt. Das Ober­landes­gericht Braun­schweig hat die Deka Investment GmbH aus Frank­furt am Main als Musterkläger bestimmt. In deren Verfahren sollen alle wesentlichen Rechts­fragen geklärt werden. Die übrigen Kläger brauchen einst­weilen nichts zu unternehmen. Ihre Verfahren gehen weiter, wenn das Muster­verfahren geklärt ist.

Was muss ich als VW-Aktionär beachten, wenn ich Schaden­ersatz fordern will?

Wenn Sie noch nichts unternommen haben, sind Ihre Rechte inzwischen verjährt.

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Chrix96 am 27.11.2022 um 13:21 Uhr
Danke für die Rückmeldungen!

Danke für die Rückmeldungen, obwohl ich mit der Frage spät dran bin.
Ich finde es schon ärgerlich, dass VW jetzt aufgrund der Gebrauchtwagenpreise Gewinne machen könnte, obwohl sie die jeweiligen Prozess eigentlich "verloren" haben.
Bei mir passt es auch nur, weil VW die kompletten Finanzierungskosten ersetzen muss.

floflo1990 am 25.11.2022 um 20:11 Uhr
Re: Was kann VW nach Abgabe in Rechnung stellen?

@Chris96
Zunächst die gute Nachricht: Die bei der Übergabe am Stoßfänger festgestellten Kratzer bleiben als normale Gebrauchsspuren unberücksichtigt, mindern also nicht die Schadensersatzforderung.
Die schlechte Nachricht: Wenn während einer langen Verfahrensdauer das Fahrzeug weiter genutzt wird, erhöht sich auch die anzurechnende Nutzungsentschädigung, wodurch die Schadensersatzforderung gemindert wird. Wie im vorausgegangen Beitrag bereits ausgeführt, wird das aber in der Regel im Urteil festgehalten. Fehlen Angaben hierzu, kommt es darauf an, welcher Betrag genau tituliert wurde. Im Zweifel ist für die Berechnung der Km-Stand zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend. Da die Gebrauchtwagenpreise in den letzten Monaten stark angestiegen sind, könnte das zur Folge haben, dass der Restwert des Fahrzeugs höher ist als die Schadensersatzsumme. In dem Fall empfiehlt es sich, auf die Schadensersatzleistung zu verzichten und das Fahrzeug zu behalten.

Profilbild Stiftung_Warentest am 25.11.2022 um 14:29 Uhr
Was kann VW nach Abgabe in Rechnung stellen?

@Chris96: Die meisten unserer Leser sind mit dem Thema bereits durch. Es kann gut sein, dass Sie hier keine Rückmeldung bekommen. Unsere Redakteure können weiter nichts beitragen. Sie weisen allerdings darauf hin: Wenn VW dazu verurteilt ist, Ihnen den Kaufpreis abzüglich Nutzungsentschädigung zu erstatten, dann kommt es auf das Urteil an. In der Regel wird im Urteil festgelegt, wie viel Geld VW nach Abzug der Nutzungsentschädigung zu zahlen hat. Maßstab ist der Kilometer-Stand am Tag der letzten mündlichen Verhandlung.

Chrix96 am 25.11.2022 um 13:14 Uhr
Was kann VW nach Abgabe in Rechnung stellen?

Hallo, gibt es hier schon einen Austausch/Informationen zu der Frage, was VW nach Rückgabe des Fahrzeuges in Rechnung stellen kann?
Bei mir hat sich durch die Berufung von VW natürlich die Nutzungsdauer verlängert und damit wurde das Fzg. mit einen anderen Km-Stand als ursprünglich zur Berechnung der Nutzungspauschale erhoben, abgeben. Auch wurde bei der Übergabe Kratzer am Stoßfänger festgestellt und festgehalten. Kann VW eine neue Nutzungspauschale berechnen und mir z.B. die Reparatur der Kratzer in Rechnung stellen?

floflo1990 am 15.08.2022 um 18:51 Uhr
Re: OLGs vs. Schlussanträge Generalanwalt

In dem Trend der OLGe, die Schlussanträge des Generalanwalts nicht für einschlägig zu halten, wird ein weiterer Trend erkennbar, nämlich, dass man künftig die Frage, ob dem Verbraucher im Falle einer unzulässigen Abschalteinrichtung Schadensersatzansprüche zustehen, deutlich kritischer sehen wird. Das OLG Bamberg bringt es auf den Punkt und macht sich den Vorlagebeschluss des Generalanwalts dabei sogar zu eigen, indem es darauf verweist, dass eine Unkenntnis von der Abschalteinrichtung auf einer Täuschung der Genehmigungsbehörde beruhen muss. Da die Abgasstrategien und damit auch das Vorhandensein von Abschalteinrichtungen erst durch die ab 16.05.2016 gültige EU-VO 2016/646 verbindlich im Beschreibungsbogen anzugeben waren, konnte die Genehmigungsbehörde für Fahrzeuge, die vor diesem Datum ihre Typgenehmigung erhalten haben, auch nicht getäuscht werden. Schadensersatzansprüche werde sich daher nur noch dann begründen lassen, wenn sich eine aktive Prüfstandserkennung nachweisen lässt.