
Notfallknopf. Das automatische Rufsystem kann auch per Hand ausgelöst werden. © picture alliance / dpa Themendienst
Neuzugelassene Autotypen brauchen ein Notruf-Modul. Dafür gibts die EU-Lösung eCall. Deutsche Hersteller setzen auf eigene Lösungen. Das kritisiert der ADAC aus guten Gründen.
Rückruf wegen möglicher falscher Standort-Übermittlung
Das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) will Ende April rund 1,4 Millionen Mercedes in Deutschland zurückrufen. Grund: Das automatische Notrufmodul „Hermes“ könnte die falsche Position übermitteln, falls durch den Unfall die Bordnetzspannung einbricht. Laut KBA muss die entsprechende Software aktualisiert werden. Mitte Februar rief Daimler deshalb rund 1,3 Millionen Fahrzeuge in den USA zurück. Dem Konzern zufolge tritt der Fehler nicht auf, wenn das Fahrzeug statt dem firmeneigenen Notrufsystem das EU-System eCall nutzt.
eCall ruft selbstständig die 112 an
Seit dem 1. April 2018 müssen alle neu zugelassenen Fahrzeugtypen ein europaweit funktionierendes Notrufsystem haben. Bei einem schweren Unfall – wenn die Airbags auslösen – ruft das System automatisch die EU-weit gültige Notrufnummer 112 an und übermittelt den Standort und weitere verfügbare Daten an das nächste Rettungszentrum. In den Fahrzeugen findet sich zudem ein Notfallknopf, der ebenfalls einen Alarm auslöst. So können Fahrerin oder Fahrer auch ohne Unfall den Rettungsdienst verständigen – etwa bei akuten medizinischen Problemen, oder um einen Unfall zu melden.
Einige Kfz-Hersteller ohne eCall
Bei einer umfangreichen Befragung des ADAC im Oktober 2020 stellte sich heraus, dass einige Automarken oft noch gar kein Notrufsystem vorweisen. Denn das neue Modell eines Herstellers kann durchaus einem Typ angehören, der schon vor Jahren beim Kraftfahrt-Bundesamt geprüft wurde. So gab es laut ADAC bei Mitsubishi und Nissan noch keine Fahrzeuge mit eCall. Bei Opel, Renault und Suzuki waren nur wenige entsprechende Modelle erhältlich.
ADAC kritisiert deutsche Autofirmen
Andere Marken wiederum – vor allem deutsche Hersteller – haben neue Typzulassungen und liefern ihre Fahrzeuge zwar mit dem vorgeschriebenen eCall-System aus, setzen die Notrufe jedoch an eine separate, werkseigene Stelle ab. Diese meldet dann an die Rettungsstelle weiter. Durch die Umleitung über die Werks-Callcenter entstehe ein Zeitverzug, kritisiert der ADAC. Außerdem sei es schon zu Fehlübertragungen von Standortdaten gekommen. Die Hersteller-Notrufe laufen über die digitalen Dienste, die Autohersteller ohnehin anbieten. Vorteil für die Hersteller: So erhalten sie weitere Daten und Informationen über ihre Kunden (Connected Cars: Die Apps der Autohersteller sind Datenschnüffler). Der Fall Daimler zeigt aber, welche unerwünschten Folgen diese Art von Umweg haben kann.
Die Umstellung auf eCall ist möglich, aber umständlich
„Es besteht die Möglichkeit, das Mercedes-Benz Notrufsystem zu deaktivieren und ausschließlich das 112-Notrufsystem (EU eCall) zu nutzen“, schreibt Mercedes Benz. Das wäre eigentlich eine empfehlenswerte Option, solange das hauseigene Funkmodul „Hermes“ noch nicht aktualisiert ist. Allerdings können Besitzer eines Benz nicht selbst auf eCall umstellen. Sie müssen es bei Daimler beantragen: „Kontaktadresse für die Bearbeitung von Deaktivierungsanträgen für das Mercedes-Benz Notrufsystem sind die lokalen Händler“, so Mercedes weiter.
Auch BMW und Volkswagen wollen die Daten
BMW rät ebenfalls, die Umstellung vom Fachhändler vornehmen zu lassen. Denn dafür sei eine Identitätsprüfung notwendig und dies sei am einfachsten beim BMW-Händler möglich. Kunden müssten außerdem das Formular „Get disconnected“ ausfüllen – was dann auch andere digitale Dienste des Herstellers deaktiviere.
Bei der Volkswagen-Tochter Audi kann der Kunde nicht auswählen, es ist immer der Hersteller-Notruf eingestellt, so die Antwort an den ADAC. Bei der Marke VW kommt es auf die Modelle und das Land an, in dem das Fahrzeug gekauft wurde: meistens Hersteller-Notruf, teilweise beides, vereinzelt nur eCall. Wer umschalten will, kann das laut Volkswagen ohne Werkstattbesuch über „die Privacy-Einstellungen des Fahrzeugs“ tun: „Der Kunde hat die Möglichkeit über ein Setzen der maximalen Privatsphäre im HMI des Fahrzeugs den privaten Notruf zu deaktivieren.“ HMI ist das Human Machine Interface des Wagens, also die Bildschirm-Bedienoberfläche im Fahrzeug. Nähere Informationen fänden sich im Bordbuch.
Einige Hersteller setzen ausschließlich auf eCall
Vor allem asiatische Hersteller wie Honda, Mazda und Hyundai nutzen ausschließlich eCall. Kia setzt es erst bei wenigen Fahrzeugtypen ein, die anderen haben kein Notrufsystem. Bei Ford wiederum hängt es davon ab, welches Infotainmentsystem verbaut ist, so der Hersteller. Es lasse sich jedoch nicht umschalten und teils sei selbst eCall nicht vorhanden. Denn eCall erfordert einen gewissen Entwicklungsaufwand, etwa den Einbau einer Sim-Karte wie im Handy, ein GPS-Modul und andere Elektronik nebst der zugehörigen Software. Das Auto ist dann über Mobil- oder Satellitenfunk immer mit dem Rest der Welt verbunden.
Der Kunde kann die Folgen seiner Wahl oft nicht abschätzen
E-Call ist ein direktes Notrufsystem. Es ist schnell und fehlerunanfällig. Hersteller werben für ihre eigenen Systeme mit dem Versprechen, dass ihre digitalen Angebote zusätzlichen Service liefern würden, etwa die Möglichkeit zur Kommunikation in der Muttersprache des Zulassungslandes. Für den Kunden problematisch: Oft muss er abwägen, ob er den EU-weiten eCall oder die digitalen Dienste des jeweiligen Autoherstellers nutzen will – ohne aber die möglichen Folgen abschätzen zu können. Der Fall Mercedes zeigt, wie gravierend solche Folgen sein können.
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Erfahrungsbericht:
Hatte 2015 BMW 3er als Unfall Leihwagen, als auf der A45 auf der Gegenfahrbahn mit ein Auffahrunfall passierte.
Da mein Handy noch ausgeschaltet war, drückte ich den Notfall Knopf.
Die BMW Leitstelle meldete sich nach 3 sek. Ich bat mit der Polizei Dortmund 0231 verbunden zu werden, um den Unfall zu melden. Nach ca 30 sek BMW Rückmeldung:" Verbindung nicht herstellbar, da immer besetzt!"
Nach 5 km habe ich dann auf Autobahnparkplatz den Unfall über mein Handy nach gemeldet.
Ich selbst habe Freisprecher an Sonnenblende, und Display-gesperrtes Handy in Halterung, so das mit Tipp auf Anzeige "nur Notruf möglich" die Verbindung hergestellt wird.
PS: bei Funkloch Tel Restarten, dann Verbindung auf allen Netzen "nur Notruf möglich"
Mein neues Navi von 2017 kann mit Wort "Spracheingabe" aktiviert werden, und stellt auch andere Verbindungen her.
Habe dafür im Smartphone "zu Hause" oder "Bruder und Schwägerin" usw extra eindeutig zusätzlich abgespeichert.
Gruß DieterDo
werden Knebellösungen etabliert und die Politik döst wieder vor sich hin