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Rund jeder zweite Jugendliche in Deutschland wird kieferorthopädisch behandelt und bekommt beispielsweise eine Zahnspange. Dafür müssen Eltern oft hunderte Euro zuzahlen. Zwar stellt eine Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums den medizinischen Nutzen vieler Behandlungen infrage. Doch jenseits vom ungeklärten medizinischen Nutzen können Korrekturen von Zahnfehlstellungen das Wohlbefinden von Patienten verbessern. Hier lesen Sie, wie Sie die Kosten für Kieferorthopädie-Behandlungen im Griff behalten.
Zweifel am medizinischen Nutzen von Zahnspangen
In einer Studie im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums wirft das Institut für Gesundheits- und Sozialforschung (IGES) die Frage auf, „ob eine ausreichende wissenschaftliche Grundlage zum medizinischen Nutzen und der Wirtschaftlichkeit der kieferorthopädischen Versorgung besteht“. Den Nutzen dieser Versorgung hinsichtlich der Korrektur von Fehlstellungen stellt die Studie nicht infrage. Es sei aber ungeklärt, ob und falls ja inwieweit die Korrektur von Zahnfehlstellungen mit festsitzenden oder herausnehmbaren Apparaturen wie Zahnspangen Erkrankungen wie Zahnfleischentzündungen und Zahnausfall verhindere. Die Experten raten zur genauen Prüfung, welche Diagnosemaßnahmen nötig sind, um unnötige Behandlungen zu vermeiden. Nach ersten Medienberichten stellte das Bundesgesundheitsministerium allerdings klar, man zweifele „nicht an der Notwendigkeit kieferorthopädischer Leistungen.“ Zur Begründung verweist das Ministerium auf eine unzureichende Studienlage zur Wirksamkeit von Kieferorthopädie, die auch die IGES-Autoren beklagen. Bis die nötigen Langzeitstudien vorliegen, wird es aber noch dauern.
Kieferorthopädie – Zahnspange ja oder nein?
Alles, was Sie rund um das Thema Kieferorthopädie wissen müssen, hat die Stiftung Warentest im Buch „Kieferorthopädie“ aufgeschrieben. Hier finden Eltern und Patienten ausführliche Informationen runds ums Thema und erfahren alle Vor- und Nachteile der unterschiedlichen Therapiemöglichkeiten. Das Buch koste 19,90 Euro. Sie können das Buch versandkostenfrei im Shop auf test.de bestellen.
Kieferorthopäde: Wann die gesetzliche Krankenkasse bezahlt
Ob gesetzliche Krankenkassen (zum Vergleich Krankenkassen der Stiftung Warentest) die Kosten für Korrekturen von Zahnfehlstellungen übernehmen, hängt deshalb weiter davon ab, wie schwerwiegend sie sind. Die Diagnose übernimmt ein Kieferorthopäde, den man frei wählen kann.
Tipp: Kommt der Kieferorthopäde zu dem Ergebnis, dass die Zahnfehlstellung nicht schwerwiegend genug ist, kann man eine Zweitmeinung einholen. Fällt die anders aus, wird die Krankenkasse in der Regel einen Gutachter damit beauftragen, nachzumessen. Bei Kindern können Eltern warten, ob sich die Zahnfehlstellung, beispielsweise ein Überbiss, auf mindestens sechs Millimeter vergrößert. Kommen mehrere Probleme zusammen, zusätzlich zu einem Überbiss beispielsweise noch Platzmangel im Kiefer, muss nur einer der Befunde die Kostenübernahmekriterien erfüllen, damit die gesamte Behandlung bezahlt wird.
Erwachsene können nur mit Kostenübernahme durch ihre gesetzliche Krankenkasse rechnen, wenn die Zahnfehlstellung so groß ist, dass zusätzlich zur Zahnspange eine Kieferoperation zur Korrektur nötig ist. Für privatversicherte Kinder sind die Regeln häufig großzügiger. Eines gilt aber auch für sie: Geld gibt es nur für medizinisch notwendige Behandlungen.
Wie die Krankenkasse bezahlt
Der Kieferorthopäde erstellt einen Behandlungsplan, bespricht ihn mit Patient und gegebenenfalls den Eltern und legt ihn anschließend der Krankenkasse zur Genehmigung vor. Gesetzliche Krankenkassen zahlen nur, was die günstigste medizinisch zweckmäßige Behandlungsvariante kostet. Davon müssen Patienten oder ihre Eltern 20 Prozent vorstrecken, ab dem zweiten Kind sind es nur noch zehn Prozent. Das Geld bekommen Patienten zurück, wenn die Behandlung erfolgreich abgeschlossen wurde. Nur Operationskosten übernehmen gesetzliche Krankenkassen sofort komplett. Was über die Kosten der günstigsten Behandlungsvariante hinausgeht, müssen Patienten selbst bezahlen. Das kann mehrere hundert Euro pro Behandlung kosten. Dann kann es sich lohnen, einen zweiten Kieferorthopäden um seine Meinung zu bitten.
Was Zusatzversicherungen taugen
Ob Zusatzversicherungen für kieferorthopädische Leistungen sinnvoll sind, haben die Experten von Finanztest geprüft Test Zusatzpolicen Kieferorthopädie. Das Ergebnis: Wenn Sie Kinder unter fünf Jahren haben, können sich Zusatzversicherungen lohnen. Für ältere Kinder oder Erwachsene nutzen die Policen dagegen nichts. Denn die Versicherer bezahlen keine Korrektur von Zahnfehlstellungen, die bereits bei Vertragsabschluss bekannt waren.
Wenig Transparenz bei Behandlungskosten
Wie nachvollziehbar Kieferorthopäden ihre Patienten über Behandlungskosten informieren, hat die Stiftung Warentest zuletzt 2010 in sechs Praxen geprüft Test Kieferorthopäden und Transparenz. Keine informierte so über Zuzahlungen, dass Patienten oder ihre Eltern informiert hätten entscheiden können. Weder wurden Posten einzeln aufgeschlüsselt, noch wurde mitgeteilt, was medizinisch notwendig ist und was nur dem Komfort oder der Ästhetik dient. Kein Kieferorthopäde wies darauf hin, dass einzelne Posten abgewählt werden können.
Wie Sie sich gut informieren können
Fragen Sie im Bekanntenkreis oder bei Ihrem Hausarzt nach guten Kieferorthopäden. Gehen Sie mit einer Checkliste zum Kieferorthopäden. Fragen Sie ihn:
Wie lautet die Diagnose genau?
Was soll gemacht werden?
Was davon ist medizinisch notwendig?
Wann ist welcher Behandlungserfolg zu erwarten?
Was kann bei der Behandlung schiefgehen?
Welche alternativen Behandlungsmethoden und Materialien gibt es?
Was kosten diese jeweils und was davon zahlt die Krankenkasse?
Was kann passieren, wenn man die Behandlung ganz oder teilweise verschiebt oder nicht macht?
- Tipp:
- Holen Sie eine Zweitmeinung ein – besonders, wenn Sie die Antworten des Kieferorthopäden nicht überzeugen. Eine gute Basis für die Zusammenarbeit ist wichtig. Denn eine kieferorthopädische Behandlung dauert mehrere Jahre – und den Kieferorthopäden dürfen Kassenpatienten nur in Ausnahmefällen wie Umzug wechseln. Tun Sie es ohne Genehmigung der Krankenkasse, behält die Kasse den vom Patienten oder den Eltern vorgestreckten Eigenanteil ein. Ein Kassenwechsel während der Behandlungsdauer ist hingegen kein Problem.
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* Diese Meldung ist am 9. Januar 2019 auf test.de erschienen. Sie wurde am 10. Januar 2019 aktualisiert.
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