Kinder­schutz-Apps Kinder­über­wachung mit Risiken

Kinder­schutz-Apps - Kinder­über­wachung mit Risiken

Mama liest mit. Fachleute empfehlen, dass Kinder es wissen sollten, wenn sie von ihren Eltern über­wacht werden. © IMAGO/Cavan Images

Wenn Eltern den Nach­wuchs mit einer sogenannten Kinder­schutz-App über­wachen, kann das gefähr­lich werden: Viele Apps haben Sicher­heits­mängel und bedenk­liche Funk­tionen.

Wo ist mein Kind gerade? Auf welchen Webseiten ist es unterwegs? Mit wem schreibt es sich Nach­richten? Sogenannte Kinder­schutz-Apps sollen Eltern diese Fragen beant­worten. Einmal auf dem Smartphone des Kindes installiert, halten sie die Eltern auf dem Laufenden und ermöglichen ihnen Zugriff auf das Gerät. Doch die meisten dieser Apps greifen bedenk­lich tief in Smartphone-Funk­tionen. Viele sind zudem unsicher und ermöglichen es Unbe­fugten, leicht an die sensiblen Daten zu gelangen.

Studie untersucht 40 Kinder­schutz-Apps

Das zeigt eine Studie von IT-Fachleuten der österrei­chischen Fach­hoch­schule St. Pölten und des University College London. Die Forschenden untersuchten 20 populäre Kinder­schutz-Apps aus dem Google Play Store, der nur geprüfte Apps enthält, sowie 20 Apps aus anderen Quellen, auch Sideloading-Apps genannt.

Von SMS-Über­wachung bis Kamera­zugriff

Vor allem die nicht aus dem Play Store geladenen Sideloading-Apps sehen die Experten sehr kritisch, da sie beim Installieren sehr viele Zugriffs­rechte auf allerlei Funk­tionen des Smartphones verlangten. Viele der Sideloading-Apps forderten zudem dazu auf, den Schutz­mecha­nismus Google Play Protect zu deaktivieren, was das Smartphone anfäl­liger macht für Schadsoftware.

Aber auch die Apps aus dem Google Play Store verlangten teils gefähr­liche Berechtigungen, so die Studie. Nicht immer sei klar, warum eine Kinder­schutz-App diese Berechtigungen brauche.

Bis zu 31 gefähr­liche Berechtigungen

Für gefähr­lich halten es die Forschenden zum Beispiel, wenn Apps auf Stand­ort, Kontakte, Kamera oder Mikrofon zugreifen können oder wenn sie die Berechtigung haben, SMS zu lesen und zu senden sowie Anruf­listen zu über­wachen.

Das insgesamt schlechteste Bild gab laut Studie die Sideloading-App MySpy mit 31 gefähr­lichen Berechtigungen ab. Den schlechtesten Wert aller Play-Store-Apps zeigte in der Unter­suchung die App MobileFence-Parental Control mit 19 gefähr­lichen Zugriffs­rechten. Bei der App Microsoft Family Safety stuften die Forschenden neun ange­forderte Berechtigungen als gefähr­lich ein.

Drei Apps über­tragen Daten unver­schlüsselt

Große Mängel fanden die Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaftler auch bei der Daten­sicherheit: Die meisten Sideloading-Apps waren nicht auf dem Stand der Technik, was die Daten­über­tragung anging. Drei Apps über­trugen die Daten völlig unver­schlüsselt an den Anbieter. Fast alle Apps enthielten Tracker, die Nutzungs­daten an verschiedene Server und Anbieter über­tragen – nicht immer wurde klar, wozu die Daten dienen.

Die Studie kritisiert an den Sideloading-Apps zudem, dass die Kinder keinerlei Möglich­keiten haben, die über ihr Smartphone gesammelten Daten einzusehen oder löschen zu lassen – auch dann nicht, wenn sie voll­jährig werden. Dieses Recht räumen die Anbieter nur der Person ein, die die App installiert hat, hier also den Eltern.

Die Fachleute fordern Daten­schutz­behörden auf, Sideloading-Apps besser zu über­wachen. Die Behörden sollten zum Beispiel strenger prüfen, ob die Apps Daten­schutz­erklärungen haben und diese einhalten.

Etliche Apps ermöglichen Stalking

Viele der getesteten Apps stuft die Studie als sogenannte Stalkerware ein. Solche Programme können dazu miss­braucht werden, Menschen heimlich zu über­wachen, zum Beispiel den Partner. Sie sind für die Nutze­rinnen und Nutzer des über­wachten Smartphones nicht zu erkennen und haben besonders tiefgreifende Über­wachungs­funk­tionen, etwas das heimliche Akti­vieren von Mikrofon und Kamera.

Von den Sideloading-Apps wurden diese acht als Stalkerware einge­stuft: Cocospy, FlexiSpy, Hover­watch, iKeyMonitor, mSpy, Spapp­Monitoring, TiSpy und XNSPY. Bei den Apps aus dem Play Store waren es 4 von 20: Find My Kids GPS-Tracker, Kids­Guard Pro-Phone Monitoring, Life360 und mLite-GPS Location Tracker.

Forschende fordern Stalkerware-Verbot

Die Wissenschaft­lerinnen und Wissenschaftler warnen dringend davor, Kinder ohne ihr Wissen zu über­wachen – das könne ihr Vertrauen in die Eltern erheblich beschädigen. Über­dies fordern sie ein EU-weites Verbot für Stalkerware-Apps. Bislang ist es in der EU nur verboten, unter 16-Jährige heimlich zu über­wachen, die nicht die eigenen Kinder sind.

Smartwatch als Alternative

Wenn Eltern wissen wollen, wo ihre Kinder gerade sind, können Smartwatches für Kinder zumindest aus tech­nischer Sicht eine Alternative sein. Sie bieten eine GPS-Ortung, Text­nach­richten und meistens auch eine Telefon­funk­tion – zum Teil mit einem Notruf-Knopf, der auto­matisch die Eltern oder andere Kontakte benach­richtigt. In unserem Test von Kinder-Smartwatches waren drei der acht Uhren gut, ihren Basis­schutz persönlicher Daten bewerteten wir mit Befriedigend.

Aus pädagogischer Sicht sehen Fachleute allerdings auch diese Geräte sehr kritisch: In echten Gefahrensituationen sei ihr Nutzen zweifelhaft – sicher würden Kinder vor allem, indem sie lernten, Situationen richtig einzuschätzen und Lösungen zu entwickeln. Genau diese Entwick­lung werde aber behindert, wenn Kinder nur einen Knopf drücken müssten, wenn sie nicht sofort weiterwissen.
Tipp: Sideloading-Apps haben Vorteile und Risiken. Hier unser Rat dazu.

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