
Deutsche Einheit. Die Skulptur „Balanceakt“ von Stephan Balkenhol erinnert in Berlin an Wiedervereinigung und Mauerfall. © picture alliance / SZ Photo / Olaf Schülke
Seit 2021 zahlen den Solidaritätszuschlag nur noch Gutverdiener. Das ist verfassungsgemäß. Doch das Bundesverfassungsgericht gibt dem Gesetzgeber eine Aufgabe mit.
Der Solidaritätszuschlag sorgt seit seiner Einführung für Diskussionen und Streit – vor Gericht hat der Soli immer wieder standgehalten. Seit 2021 zahlen ihn nur noch Gut- und Spitzenverdiener. Das ist rechtens, hat das Bundesverfassungsgericht nun geurteilt. Die Stiftung Warentest fasst die Entwicklung der letzten Jahre zusammen und gibt einen Überblick über den aktuellen Stand.
Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2025
Das Bundesverfassungsgericht hat am 26. März 2025 eine Verfassungsbeschwerde von sechs FDP-Politikerinnen und -Politikern gegen den Solidaritätszuschlag zurückgewiesen (Az. 2 BvR 1505/20). Die Beschwerdeführer sehen den Soli seit 2021 als eine Art Reichensteuer an – aus ihrer Sicht eine unfaire Ungleichbehandlung. Sie argumentierten außerdem, die Ergänzungsabgabe sei nicht mehr gerechtfertigt gewesen, nachdem der Solidarpakt zur Herstellung gleicher Lebensverhältnisse in Ost und West im Jahr 2019 auslief. Das Bundesverfassungsgericht hingegen sieht den finanziellen Mehrbedarf der deutschen Wiedervereinigung noch nicht als bewiesenermaßen weggefallen an.
Das könnte sich in Zukunft jedoch ändern, betonten die Richter. Der Bundesregierung trugen sie auf, immer wieder zu prüfen, ob der Solidaritätszuschlag abgeschafft werden könne.
Generell gilt jedoch nach Ansicht des obersten Gerichts: Aufgrund des im Grundgesetz verankerten Sozialstaatsprinzips und der unterschiedlichen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen sei es auch erlaubt, dass nur Gut- und Spitzenverdiener den Soli zahlen.
Wäre das Urteil anders ausgefallen, hätte der Staat Einnahmen aus dem Soli seit 2020 in Höhe von rund 65 Milliarden Euro zurückzahlen müssen.
Was ist der Solidaritätszuschlag?
Der Solidaritätszuschlag ist eine Ergänzungsabgabe, die zusätzlich zur Einkommenssteuer und Körperschaftssteuer anfällt. Seit 1998 beträgt der Solidaritätszuschlag 5,5 Prozent der jeweiligen Steuer. Er sollte ursprünglich vor allem die Wiedervereinigung finanzieren. Mehr als 30 Jahre später sind mehr als 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger von der Zusatzabgabe befreit. Für alle mit einer Einkommenssteuer über 17 543 Euro – bei zusammenveranlagten Ehepaaren 35 086 Euro – bleibt die Abgabe allerdings erhalten. Auch Kapitalanlegerinnen und -anleger müssen den Solidaritätszuschlag weiterhin unvermindert auf die Kapitalertragssteuer etwa für Zinseinkünfte leisten. Diese Ungleichbehandlung führte immer wieder zu Streit mit dem Finanzamt.
Blick zurück: Warum es den Soli brauchte
Der Solidaritätszuschlag wurde zunächst 1991 für ein Jahr eingeführt und ab 1995 unbefristet erhoben, um die Mehrkosten der Wiedervereinigung aufzufangen. Seitdem zahlten Bürgerinnen und Bürger in den neuen und den alten Bundesländern die Zusatzabgabe. Davon blieben nur diejenigen verschont, deren Einkommenssteuer maximal 972 Euro betrug (bei Zusammenveranlagung 1 944 Euro).
2021 hob der Staat diesen Freibetrag deutlich an. Davon profitieren vor allem Gering- und Mittelverdienende. Laut Bundesfinanzministerium entlastet das Gesetz zur Rückführung des Solidaritätszuschlags etwa 90 Prozent aller Steuerzahlenden.
Wo das Geld hingeht
Der Name Solidaritätszuschlag deutet darauf hin, dass das Geld solidarisch verteilt wird, um einen bestimmten „aufgabenbezogenen Mehrbedarf“ zu decken. Zunächst Zweiter Golfkrieg, später die Kosten der deutschen Einheit – diese Zwecke nannten die Gesetzesbegründungen. Dennoch fließt das Geld nicht automatisch in neue Straßen, Schulen und andere Projekte in den ostdeutschen Bundesländern. Der Soli ist – wie alle Steuereinnahmen – nicht zweckgebunden, sondern die Einnahmen fließen in die allgemeine Haushaltskasse des Bundes. Dieser kann die Soli-Mittel also auch anderweitig verwenden.
Eine spezielle Finanzspritze für die ostdeutschen Bundesländer begründeten dagegen die Solidarpakte. Sie wurden geschlossen, um gleichwertige Lebensverhältnisse in Ost und West zu schaffen. Zu den Maßnahmen der Solidarpakte gehörten vor allem Transferleistungen im Rahmen des Länderfinanzausgleichs. Der Solidarpakt II lief 2019 aus.
So wird der Soli berechnet
- 1991 und 1992: Bei seiner ersten Einführung betrug der Soli 7,5 Prozent pro Jahr der Einkommens- beziehungsweise Körperschaftssteuer. Mit der Zusatzabgabe sollte das Geld wieder reingeholt werden, das Deutschland zum Zweiten Golfkrieg beigesteuert hatte: knapp 17 Milliarden D-Mark. Da der Soli 1991 und 1992 jeweils für sechs Monate galt, wurden in beiden Jahren 3,75 Prozent erhoben.
- 1995 bis 1997: Drei Jahre später griff der Staat den Solidaritätszuschlag wieder auf, diesmal als Instrument zur Finanzierung der deutschen Einheit. Auch dafür wurde der Soli mit 7,5 Prozent veranschlagt.
- Seit 1998: Ab 1998 reduzierte sich die Zusatzabgabe zur Einkommens- und Körperschaftssteuer auf 5,5 Prozent.
Wer den Soli zahlt
Bis einschließlich 2020 mussten Steuerzahler den Soli bereits entrichten, sobald ihre Einkommenssteuer mehr als 972 Euro oder bei Zusammenveranlagung mehr als 1 944 Euro betrug.
Seit 2021 zahlen nur noch Gut- und Spitzenverdiener den Soli. Zwischen 2021 bis 2025 musste die Zusatzabgabe zahlen, wer bei der Einkommenssteuer über 16 956 Euro im Jahr lag oder bei Zusammenveranlagung über 33 912 Euro. Laut Angaben des Bundesfinanzministeriums waren noch etwa 10 Prozent der Steuerpflichtigen von der Abgabe betroffen. Im Jahr vor der Regeländerung spülte der Soli noch rund 19 Milliarden Euro in den Bundeshaushalt. Mit der Anhebung des Freibetrags standen dem Bund ab 2021 noch etwa 11 Milliarden jährlich durch den Solidaritätszuschlag zur Verfügung.
2025 wurde die Freigrenze erneut angepasst, um die Inflation abzufedern: Nun erhebt der Staat den Solidaritätszuschlag erst, wenn die zu zahlende Einkommenssteuer 19 950 Euro übersteigt. Er wird demnach fällig für ein zu versteuerndes Einkommen von mehr als 73 483 Euro im Jahr. Diese Beträge verdoppeln sich bei Ehepaaren.
Weiterhin unverändert zahlen Kapitalanlegerinnen und -anleger den Solidaritätszuschlag. Die Banken führen den fälligen Betrag zusammen mit der Abgeltungssteuer an das Finanzamt ab, bevor sie Kapitalerträge auszahlen.
Warum war der Soli umstritten?
Darf eine Ergänzungsabgabe, die für einen bestimmten Zweck eingeführt wurde, unbefristet sein und für andere Bedarfe verwendet werden? An diesen Fragen entzünden sich die meisten Diskussionen um den Solidaritätszuschlag. Diese gehen so weit, dass regelmäßig die Verfassungsmäßigkeit der Zusatzsteuer infrage gestellt wurde. Immer wieder mussten Gerichte entscheiden, ob der Soli im Einklang mit der Verfassung steht oder nicht.
Bundesfinanzhof hält Abgabe für verfassungsgemäß
Der Bundesfinanzhof – das oberste deutsche Gericht für Steuersachen – hielt den Soli bereits mehrfach für verfassungsgemäß. Das entschieden die Richterinnen und Richter etwa für die Steuerjahre 2005, 2007 und 2011. Auch Anfang 2023 beschäftigte sich der BFH erneut mit dem Solidaritätszuschlag. Dabei entschied das Gericht, dass der Soli auch in den Jahren 2020 und 2021 noch verfassungsgemäß war, obwohl in diese Zeit die Gesetzesänderung gefallen war, seit welcher nur noch Besserverdienende zur Kasse gebeten werden (Az. IX R 15/20).
Geklagt hatte ein Ehepaar, weil der Solidaritätszuschlag ihrer Ansicht nach für diese Jahre gegen das Grundgesetz verstoße. Der Bund dürfe die Ergänzungsabgabe nur erheben, um einen Sonderbedarf zu decken. Eine fortdauernde Erhebung sei verfassungswidrig. Da die Ausnahmesituation der Wiedervereinigung bewältigt sei, gehöre die Zusatzsteuer abgeschafft. Das sah das Gericht anders: Es erkenne weiterhin einen wiedervereinigungsbedingten Finanzbedarf. Diese „Generationenaufgabe“ zu bewältigen, könne sich über einen sehr langen Zeitraum ziehen. Andererseits merkten die Richterinnen und Richter an, dass die Verfassungsmäßigkeit wegfallen könnte, sollte der Bedarf zurückgehen. Der Soli eigne sich nicht, dauerhafte Finanzlöcher zu stopfen.
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