Urteil zum Solidaritäts­zuschlag Der Soli ist verfassungs­gemäß – vor­erst

Datum:
  • Text: Marieke Einbrodt, Daniel Pöhler
Urteil zum Solidaritäts­zuschlag - Der Soli ist verfassungs­gemäß – vor­erst

Deutsche Einheit. Die Skulptur „Balanceakt“ von Stephan Balkenhol erinnert in Berlin an Wieder­ver­einigung und Mauerfall. © picture alliance / SZ Photo / Olaf Schülke

Seit 2021 zahlen den Solidaritäts­zuschlag nur noch Gutverdiener. Das ist verfassungs­gemäß. Doch das Bundes­verfassungs­gericht gibt dem Gesetz­geber eine Aufgabe mit.

Der Solidaritäts­zuschlag sorgt seit seiner Einführung für Diskussionen und Streit – vor Gericht hat der Soli immer wieder stand­gehalten. Seit 2021 zahlen ihn nur noch Gut- und Spitzen­verdiener. Das ist rechtens, hat das Bundes­verfassungs­gericht nun geur­teilt. Die Stiftung Warentest fasst die Entwick­lung der letzten Jahre zusammen und gibt einen Über­blick über den aktuellen Stand.

Urteil des Bundes­verfassungs­gerichts 2025

Das Bundes­verfassungs­gericht hat am 26. März 2025 eine Verfassungs­beschwerde von sechs FDP-Politikerinnen und -Politikern gegen den Solidaritäts­zuschlag zurück­gewiesen (Az. 2 BvR 1505/20). Die Beschwerde­führer sehen den Soli seit 2021 als eine Art Reichen­steuer an – aus ihrer Sicht eine unfaire Ungleichbe­hand­lung. Sie argumentierten außerdem, die Ergän­zungs­abgabe sei nicht mehr gerecht­fertigt gewesen, nachdem der Solidar­pakt zur Herstellung gleicher Lebens­verhält­nisse in Ost und West im Jahr 2019 auslief. Das Bundes­verfassungs­gericht hingegen sieht den finanziellen Mehr­bedarf der deutschen Wieder­ver­einigung noch nicht als bewiesenermaßen weggefallen an.

Das könnte sich in Zukunft jedoch ändern, betonten die Richter. Der Bundes­regierung trugen sie auf, immer wieder zu prüfen, ob der Solidaritäts­zuschlag abge­schafft werden könne.

Generell gilt jedoch nach Ansicht des obersten Gerichts: Aufgrund des im Grund­gesetz verankerten Sozial­staats­prinzips und der unterschiedlichen wirt­schaftlichen Leistungs­fähig­keit der Steuer­pflichtigen sei es auch erlaubt, dass nur Gut- und Spitzen­verdiener den Soli zahlen.

Wäre das Urteil anders ausgefallen, hätte der Staat Einnahmen aus dem Soli seit 2020 in Höhe von rund 65 Milliarden Euro zurück­zahlen müssen.

Was ist der Solidaritäts­zuschlag?

Der Solidaritäts­zuschlag ist eine Ergän­zungs­abgabe, die zusätzlich zur Einkommens­steuer und Körper­schafts­steuer anfällt. Seit 1998 beträgt der Solidaritäts­zuschlag 5,5 Prozent der jeweiligen Steuer. Er sollte ursprüng­lich vor allem die Wieder­ver­einigung finanzieren. Mehr als 30 Jahre später sind mehr als 90 Prozent der Bürgerinnen und Bürger von der Zusatz­abgabe befreit. Für alle mit einer Einkommens­steuer über 17 543 Euro – bei zusammen­ver­anlagten Ehepaaren 35 086 Euro – bleibt die Abgabe allerdings erhalten. Auch Kapital­anlegerinnen und -anleger müssen den Solidaritäts­zuschlag weiterhin unver­mindert auf die Kapital­ertrags­steuer etwa für Zins­einkünfte leisten. Diese Ungleichbe­hand­lung führte immer wieder zu Streit mit dem Finanz­amt.

Blick zurück: Warum es den Soli brauchte

Der Solidaritäts­zuschlag wurde zunächst 1991 für ein Jahr einge­führt und ab 1995 unbe­fristet erhoben, um die Mehr­kosten der Wieder­ver­einigung aufzufangen. Seitdem zahlten Bürgerinnen und Bürger in den neuen und den alten Bundes­ländern die Zusatz­abgabe. Davon blieben nur diejenigen verschont, deren Einkommens­steuer maximal 972 Euro betrug (bei Zusammen­ver­anlagung 1 944 Euro).

2021 hob der Staat diesen Frei­betrag deutlich an. Davon profitieren vor allem Gering- und Mittel­verdienende. Laut Bundes­finanz­ministerium entlastet das Gesetz zur Rück­führung des Solidaritäts­zuschlags etwa 90 Prozent aller Steuerzahlenden.

Wo das Geld hingeht

Der Name Solidaritäts­zuschlag deutet darauf hin, dass das Geld solidarisch verteilt wird, um einen bestimmten „aufgabenbezogenen Mehr­bedarf“ zu decken. Zunächst Zweiter Golf­krieg, später die Kosten der deutschen Einheit – diese Zwecke nannten die Gesetzes­begründungen. Dennoch fließt das Geld nicht auto­matisch in neue Straßen, Schulen und andere Projekte in den ostdeutschen Bundes­ländern. Der Soli ist – wie alle Steuer­einnahmen – nicht zweck­gebunden, sondern die Einnahmen fließen in die allgemeine Haus­halts­kasse des Bundes. Dieser kann die Soli-Mittel also auch anderweitig verwenden.

Eine spezielle Finanz­spritze für die ostdeutschen Bundes­länder begründeten dagegen die Solidar­pakte. Sie wurden geschlossen, um gleich­wertige Lebens­verhält­nisse in Ost und West zu schaffen. Zu den Maßnahmen der Solidar­pakte gehörten vor allem Trans­ferleistungen im Rahmen des Länder­finanz­ausgleichs. Der Solidar­pakt II lief 2019 aus.

So wird der Soli berechnet

  • 1991 und 1992: Bei seiner ersten Einführung betrug der Soli 7,5 Prozent pro Jahr der Einkommens- beziehungs­weise Körper­schafts­steuer. Mit der Zusatz­abgabe sollte das Geld wieder rein­geholt werden, das Deutsch­land zum Zweiten Golf­krieg beigesteuert hatte: knapp 17 Milliarden D-Mark. Da der Soli 1991 und 1992 jeweils für sechs Monate galt, wurden in beiden Jahren 3,75 Prozent erhoben.
  • 1995 bis 1997: Drei Jahre später griff der Staat den Solidaritäts­zuschlag wieder auf, diesmal als Instru­ment zur Finanzierung der deutschen Einheit. Auch dafür wurde der Soli mit 7,5 Prozent veranschlagt.
  • Seit 1998: Ab 1998 reduzierte sich die Zusatz­abgabe zur Einkommens- und Körper­schafts­steuer auf 5,5 Prozent.

Wer den Soli zahlt

Bis einschließ­lich 2020 mussten Steuerzahler den Soli bereits entrichten, sobald ihre Einkommens­steuer mehr als 972 Euro oder bei Zusammen­ver­anlagung mehr als 1 944 Euro betrug.

Seit 2021 zahlen nur noch Gut- und Spitzen­verdiener den Soli. Zwischen 2021 bis 2025 musste die Zusatz­abgabe zahlen, wer bei der Einkommens­steuer über 16 956 Euro im Jahr lag oder bei Zusammen­ver­anlagung über 33 912 Euro. Laut Angaben des Bundes­finanz­ministeriums waren noch etwa 10 Prozent der Steuer­pflichtigen von der Abgabe betroffen. Im Jahr vor der Regel­änderung spülte der Soli noch rund 19 Milliarden Euro in den Bundes­haushalt. Mit der Anhebung des Frei­betrags standen dem Bund ab 2021 noch etwa 11 Milliarden jähr­lich durch den Solidaritäts­zuschlag zur Verfügung.

2025 wurde die Frei­grenze erneut angepasst, um die Inflation abzu­federn: Nun erhebt der Staat den Solidaritäts­zuschlag erst, wenn die zu zahlende Einkommens­steuer 19 950 Euro über­steigt. Er wird demnach fällig für ein zu versteuerndes Einkommen von mehr als 73 483 Euro im Jahr. Diese Beträge verdoppeln sich bei Ehepaaren.

Weiterhin unver­ändert zahlen Kapital­anlegerinnen und -anleger den Solidaritäts­zuschlag. Die Banken führen den fälligen Betrag zusammen mit der Abgeltungs­steuer an das Finanz­amt ab, bevor sie Kapital­erträge auszahlen.

Warum war der Soli umstritten?

Darf eine Ergän­zungs­abgabe, die für einen bestimmten Zweck einge­führt wurde, unbe­fristet sein und für andere Bedarfe verwendet werden? An diesen Fragen entzünden sich die meisten Diskussionen um den Solidaritäts­zuschlag. Diese gehen so weit, dass regel­mäßig die Verfassungs­mäßig­keit der Zusatz­steuer infrage gestellt wurde. Immer wieder mussten Gerichte entscheiden, ob der Soli im Einklang mit der Verfassung steht oder nicht.

Bundes­finanzhof hält Abgabe für verfassungs­gemäß

Der Bundes­finanzhof – das oberste deutsche Gericht für Steuersachen – hielt den Soli bereits mehr­fach für verfassungs­gemäß. Das entschieden die Richte­rinnen und Richter etwa für die Steuer­jahre 2005, 2007 und 2011. Auch Anfang 2023 beschäftigte sich der BFH erneut mit dem Solidaritäts­zuschlag. Dabei entschied das Gericht, dass der Soli auch in den Jahren 2020 und 2021 noch verfassungs­gemäß war, obwohl in diese Zeit die Gesetzes­änderung gefallen war, seit welcher nur noch Besserverdienende zur Kasse gebeten werden (Az. IX R 15/20).

Geklagt hatte ein Ehepaar, weil der Solidaritäts­zuschlag ihrer Ansicht nach für diese Jahre gegen das Grund­gesetz verstoße. Der Bund dürfe die Ergän­zungs­abgabe nur erheben, um einen Sonderbedarf zu decken. Eine fortdauernde Erhebung sei verfassungs­widrig. Da die Ausnahme­situation der Wieder­ver­einigung bewältigt sei, gehöre die Zusatz­steuer abge­schafft. Das sah das Gericht anders: Es erkenne weiterhin einen wieder­ver­einigungs­bedingten Finanzbedarf. Diese „Generationen­aufgabe“ zu bewältigen, könne sich über einen sehr langen Zeitraum ziehen. Anderer­seits merkten die Richte­rinnen und Richter an, dass die Verfassungs­mäßig­keit wegfallen könnte, sollte der Bedarf zurück­gehen. Der Soli eigne sich nicht, dauer­hafte Finanzlöcher zu stopfen.

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